Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 26. September 1997
Aktenzeichen: 6 U 84/97
(OLG Köln: Urteil v. 26.09.1997, Az.: 6 U 84/97)
1. Ein Wettbewerber ist nicht gehalten, jede ihm bekanntgewordene Wettbewerbshandlung von Konkurrenten alsbald zu prüfen und zu beanstanden, um sich die Möglichkeit des Vorgehens im Wege der einstweiligen Verfügung zu erhalten. Etwas anderes gilt aber, wenn eine Werbeaussage schon für sich genommen ihre Unzulässigkeit erkennen läßt oder jedenfalls Anlaß für Zweifel an ihrer Wettbewerbsmäßigkeit (ihrem Wahrheitsgehalt) gibt. Die werbliche Behauptung ,...TeppichHoflieferant seit..." zählt - auch unter Berücksichtigung der heutigen wirtschaftlichen und politischen Bedingungen - als solche nicht zu derartigen Werbeaussagen.
2. Kommen einem Wettbewerber im Laufe seiner Recherchen ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der werblichen Aussage eines Konkurrenten (hier: ,...Teppich-Hoflieferant"), muß er die ihm möglichen und gebotenen weiteren Ermittlungen zügig vornehmen; ein untätiges Zuwarten von ca. 6 Wochen bis zur Einreichung des Antrags auf Erlaß einer Unterlassungsverfügung ist dann dringlichkeitsschädlich.
Tenor
Die Berufung des Antragstellers gegen das am 28. Februar 1997 verkündete Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 43 O 23/97 - wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem An-tragsteller auferlegt.
Gründe
Die Berufung des Antragstellers ist zulässig, aber
unbegründet.
Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht den Antrag des
Antragstellers auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung als
unzulässig zurückgewiesen, denn es fehlt an den Voraussetzungen der
§§ 935, 940 ZPO für das Vorliegen des Verfügungsgrundes. Die
zunächst zu Gunsten des Antragstellers eingreifende
Dringlichkeitsvermutung des § 25 UWG hat der Antragsteller durch
sein eigenes Verhalten widerlegt. Umstände, die dennoch gemäß §§
935, 940 ZPO das Vorgehen des Antragstellers im Wege der
einstweiligen Verfügung im Streitfall rechtfertigen könnten, sind
aber vom Antragsteller nicht dargelegt und glaubhaft gemacht.
Dem Antragsteller kann allerdings nicht schon deshalb der
Vorwurf gemacht werden, sein mit dem Verfügungsantrag geltend
gemachtes Unterlassungsbegehren gegenüber der Antragsgegnerin nicht
mit der gebotenen Eile verfolgt zu haben, die für die
Inanspruchnahme des Rechtsschutzes durch eine einstweilige
Verfügung vorausgesetzt werden, weil die Werbeankündigung der
Antragsgegnerin "Teppich R. - Der Teppich - Hoflieferant seit 1875"
mit dem beanstandeten Hinweis "Hoflieferant" von der
Antragsgegnerin bereits seit vielen Jahren verwendet wird und dem
Antragsteller unstreitig auch schon lange vor der Einleitung des
vorliegenden Verfügungsverfahrens mit der am 31. Januar 1997 bei
Gericht eingegangenen Antragsschrift bekannt war. Ein Wettbewerber
ist nicht gehalten, jede ihm bekannt gewordene Wettbewerbshandlung
von Konkurrenten alsbald zu prüfen und gegebenenfalls zu
beanstanden, um bei einem Vorgehen im Wege des einstweiligen
Verfügungsverfahrens nicht bereits am Verfügungsgrund zu scheitern.
Anderes gilt für Wettbewerbshandlungen, die bereits für sich
genommen ihre Unzulässigkeit erkennen lassen oder zumindest Anlaß
für Zweifel an ihrer Wettbewerbsmäßigkeit geben. Die
streitgegenständliche Werbeaussage der Antragsgegnerin stellt keine
derartige Wettbewerbshandlung dar, denn sie ist bei isolierter
Betrachtung weder gemäß § 3 UWG irreführend noch gibt sie sonst
Anlaß für die Vermutung, es handele sich dabei um eine unzulässige
Werbung.
Der Antragsteller hat jedoch in anderer Weise durch sein eigenes
Verhalten die Vermutung des § 25 UWG widerlegt. In seiner mit der
Antragsschrift überreichten eidesstattlichen Versicherung vom 29.
Januar 1997 erklärt der Antragsteller, der Zeuge F. habe ihm am
Morgen des 27. Januar 1997 den Vorschlag unterbreitet, die
Berechtigung der Antragsgegnerin und des Herrn H. W.-R. zur Führung
des Titels "Hoflieferant" überprüfen zu lassen, weil er - der Zeuge
F. - insoweit Zweifel habe, ohne aber die historischrechtlichen
Grundlagen zu kennen. Der Zeuge F. habe daraufhin in seinem - des
Antragstellers - Auftrag Nachforschungen vorgenommen. Um die
Mittagszeit des 28. Januar 1997 habe ihn der Zeuge F. davon
unterrichtet, daß er bei Recherchen im nordrheinwestfälischen
Stadtarchiv in D. positiv erfahren habe, daß weder die
Antragsgegnerin noch Herr H. W.-R. persönlich zur Führung des
Titels "Hoflieferant" berechtigt seien. Vor diesen Daten habe er -
der Antragsteller - die Rechtmäßigkeit der Führung dieses Titels
durch Herrn Wolter-R. bzw. durch die Antragsgegnerin niemals
bezweifelt. Aus den vom Antragsteller selbst zu den Akten
gereichten Unterlagen ergibt sich aber, daß diese Angaben des
Antragstellers nicht zutreffend sind, wie bereits ausführlich im
Berufungstermin mit den Parteien erörtert. Im Parallelverfahren 43
O 8/97 LG A. = 6 O 76/97 OLG Köln hat der Antragsteller mit der
dortigen Antragsschrift ein an ihn gerichtetes Schreiben des
Stadtarchivs A. vom 12. Dezember 1996 überreicht, das sich auf
einer Anfrage des Antragstellers vom 29.11.1996 bezieht. Der Inhalt
dieser Anfrage des Antragstellers ist nicht bekannt. Das Schreiben
des Staatsarchivs A. vom 12. Dezember 1996 macht aber
unmißverständlich deutlich, daß sich die Anfrage des Antragstellers
gezielt auch, wenn nicht sogar in erster Linie, auf die
Berechtigung der Antragsgegnerin bezog, die Bezeichnung
"Hoflieferant" zu führen. In dem Schreiben des Stadtarchivs A.
finden sich ebenfalls Hinweise darauf, daß weitere Aufklärung zu
dieser Frage evtl. bei dem nordrheinwestfälischen
Hauptstaatsarchiv in D. zu erhalten ist. Danach kann keine Rede
davon sein, daß der Antragsteller, wie von ihm in der erwähnten
eidesstattlichen Versicherung vom 29. Januar 1997 behauptet, erst
am 27. Januar 1997 durch den Zeugen F. auf die Idee gebracht worden
sei, die Berechtigung der Antragsgegnerin zur Führung der
Bezeichnung "Hoflieferant" überprüfen zu lassen, und vor diesem
Zeitpunkt die Rechtmäßigkeit der Antragsgegnerin zur Führung dieser
Bezeichnung nicht bezweifelt habe. Ist aber davon auszugehen, daß
der Antragsteller - spätestens - bereits bei seiner Anfrage vom 29.
November 1996 eine Unzulässigkeit der im vorliegenden Verfahren
angegriffenen Werbeaussage der Antragsgegnerin vermutete und mit
seinen Óberprüfungen begonnen hat, mußte er diese Óberprüfung mit
der gebotenen Eile weiterführen, um nicht die
Dringlichkeitsvermutung des § 25 UWG durch sein eigenes Verhalten
zu widerlegen. Ersichtlich ist jedoch der Antragsteller nicht in
dieser Weise vorgegangen, wie der Umstand zeigt, daß er
offensichtlich nach Erhalt des Schreibens des Stadtarchivs A. vom
12.12.1996 zunächst nichts weiter unternommen, sondern sich
frühestens am 28. Januar 1997 wieder mit dieser Frage beschäftigt
hat.
Nach alledem hat der Antragsteller durch sein zu langes Zuwarten
mit der Beanstandung der im vorliegenden Verfahren zur Unterlassung
verlangten Wettbewerbshandlung der Antragsgegnerin mit der erst am
31. Januar 1997 bei Gericht eingegangenen Antragsschrift zum
Ausdruck gebracht, daß ihm tatsächlich die Verfolgung dieses
Unterlassungsverlangens nicht eilig ist. Da aber der Antragsteller
keine Umstände vorgetragen und glaubhaft gemacht hat, die
ungeachtet des § 25 UWG für das Vorliegen des Vorführungsgrund der
§ 835, 940 ZPO sprechen, steht dem Antragsteller für die Verfolgung
seines Rechtsschutzbegehrens nicht der Weg des Eilverfahrens offen;
vielmehr ist ihm zuzumuten, seine Rechte im ordentlichen Verfahren
wahrzunehmen.
Die Entscheidung über die Kosten der somit erfolglosen Berufung
des Antragstellers beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Das Urteil ist gemäß § 545 Abs. 2 ZPO mit der Verkündung
rechtskräftig.
OLG Köln:
Urteil v. 26.09.1997
Az: 6 U 84/97
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