Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 11. Oktober 2012
Aktenzeichen: 28 U 88/11
(OLG Hamm: Urteil v. 11.10.2012, Az.: 28 U 88/11)
1.) Zur Vereinbarung einer Abrechnung auf Stundenlohnbasis, wenn der Rechtsanwalt nur den Auftrag erteilt, ein internes schriftliches Gutachten zu erstellen und keine umfassende Geschäftsbesorgung vorzunehmen.
2.) Erhält der Rechtsanwalt nach einer internen Gutachtenerstattung vom Mandanten einen Anschlussauftrag zu einer Geschäftsbesorgung im Außenverhältnis, muss er den Mandanten darauf hinweisen, dass er für diese Tätigkeit nach Gegenstandswert abzurechnen gedenkt, wenn für die Gutachtenerstattung zuvor eine Vergütung und Stundensatz vereinbart war. Unterbleibt der Hinweis, verstößt der Rechtsanwalt gegen Treu und Glauben, wenn er vom Mandanten die Bezahlung einer nach Gegenstandswert berechneten Honorarforderung verlangt, weil er diese wegen des Verstoßes gegen die Hinweispflicht zurückzuerstatten hatte.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 17.03.2011 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bochum wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Der Kläger verlangt von der Beklagten die Zahlung von Anwaltshonorar für seine Tätigkeit im Zusammenhang mit einem Projekt "T L".
Die Beklagte ist eine Tochter der H Bank mit Sitz in C. Die Beklagte ist an der Realisierung von Windkraftanlagen und Solarparks beteiligt.
Anfang 2010 erwog die Beklagte eine Mitwirkung an dem Ausbau eines Solarparks, der bereits 2008 auf einigen Teilflächen eines ehemaligen Fliegerhorstes bei L (T-B) errichtet worden war. Die Realisierung weiterer Ausbaustufen stand - abgesehen von wirtschaftlichen Erwägungen - auch aus rechtlichen Gründen in Frage, weil für Sommer 2010 eine Novellierung des Erneuerbare Energien Gesetzes (EEG) erwartet wurde.
Eine Einspeisevergütung sollte dann nach § 32 EEG nur noch gezahlt werden, wenn der geplante Standort als "Konversionsfläche" anzusehen war, bei der eine vorangegangene militärische Nutzung ökologisch sinnvoll durch eine Nutzung zur Energiegewinnung ersetzt wird. Die rechtliche Einordnung als Konversionsfläche war hier insofern fraglich, weil das Gelände zwar zu DDR-Zeiten als Fliegerhorst genutzt worden war, zwischenzeitig jedoch auch zu landwirtschaftlichen Zwecken.
Vor diesem Hintergrund nahm die Beklagte Kontakt zu dem Kläger auf, der sich als Rechtsanwalt auf Fragen des Umwelt- und Energierechts spezialisiert hat. Die Kontaktaufnahme vollzog sich dergestalt, dass der für die Beklagte seinerzeit als Beteiligungsmanager tätige Zeuge F im Februar 2010 bei dem Kläger anrief und sich anschließend persönlich mit ihm in I traf. Der Zeuge F2 erläuterte dem Kläger, dass eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme zu der Frage benötigt werde, ob die weitere Ausbaufläche in L als Konversionsfläche im Sinne des EEG anzusehen sei. Der Zeuge stellte dem Kläger dafür das Rechtsgutachten eines Prof. Dr. N zur Verfügung, das dieser am 01.08.2009 für die F AG ebenfalls zu der Frage erstellt hatte, ob der ehemalige Fliegerhorst eine Konversionsfläche darstelle. Sodann händigte der Zeuge F2 dem Kläger einen Bebauungsplan der Stadt L und einen Lageplan aus. Des Weiteren ließ der Zeuge F2 den Kläger eine Geheimhaltungsvereinbarung unterzeichnen.
Der genaue Inhalt des dem Kläger letztlich erteilten Anwaltsmandats und vor allem auch die Frage, was hinsichtlich der Vergütung vereinbart wurde, ist zwischen den Parteien streitig.
Der Kläger erstellte jedenfalls wunschgemäß am 22.02.2010 ein (Zusatz-) Gutachten zur Frage der Vergütungsfähigkeit der geplanten Photovoltaik-Anlage in L gem. § 32 EEG, mit dem er sich im Ergebnis mit 80%iger Wahrscheinlichkeit für die Annahme einer Konversionsfläche aussprach, im Übrigen aber eine Kommunikation mit dem Energieversorger empfahl, der die Einspeisevergütung würde zahlen müssen.
Im Nachgang wandte sich der Zeuge F2 per Email vom 23.02.2010 an den Kläger. Er kündigte an, die Wirtschaftlichkeit des Projekts müsse auch vor dem Hintergrund des hohen Pachtzinses besprochen werden. Aus diesem Grund wurde Anfang März 2010 eine Telefonkonferenz anberaumt unter Beteiligung von Mitarbeitern der Beklagten sowie der Unternehmen C2, S und F. Der Kläger wurde als "Rechtsbeistand" der Beklagten ebenfalls an der Telefonkonferenz beteiligt.
Noch im März 2010 wurde bei der Beklagten intern entschieden, sich nicht an dem Solarpark L zu beteiligen. Diese Entscheidung wurde dem Kläger Anfang Juni 2010 mitgeteilt.
Mit Schreiben vom 14.06.2010 machte der Kläger seine Honorarforderung gegenüber der Beklagten geltend und führte dazu aus: Der Gegenstandswert richte sich nach dem wirtschaftlichen Wert des Solarparks. Dieser belaufe sich auf 45 Megawatt * 2,50 EUR pro Watt/peak = 112.500.000,00 EUR. Er nehme aber zugunsten der Beklagten eine Reduzierung des Gegenstandswertes auf 80.000.000,00 EUR vor. Davon ausgehend betrage eine 1,0 Geschäftsgebühr zuzüglich Telekommunikationspauschale und 19% Mehrwertsteuer insgesamt 287.404,04 EUR. Er schlage allerdings vor, ein Honorar in Höhe von 100.000,00 EUR zuzüglich 19% Mehrwertsteuer zu vereinbaren.
Darauf blieb eine Reaktion der Beklagten aus, so dass der Kläger der Beklagten die - zunächst - streitgegenständliche Honorarberechnung vom 21.07.2010 übersandte, die sich auf den bereits im Schreiben vom 14.06.2010 dargelegten Betrag von 287.404,40 EUR belief.
Die Beklagte wies diese Rechnungsstellung mit Schreiben vom 06.08.2010 zurück und verwies auf ein im Februar 2010 vereinbartes Honorar auf Stundenbasis.
Der Kläger hat behauptet, mit einer "juristischen Profilberatung für das Projekt L" beauftragt worden zu sein. Eine Honorarvereinbarung habe es nicht gegeben; er habe allerdings auch nicht gem. § 49b Abs. 5 BRAO auf die Abrechnung nach Gegenstandswert hingewiesen. Angesichts des Gegenstandswertes von 112,5 Mio. EUR stelle sich die von ihm zugrunde gelegte Abrechnung nach einem Gegenstandswert von 80 Mio. EUR als "Discountrechnung" dar.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 287.404,04 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat behauptet: Bereits bei der telefonischen Beauftragung des Klägers habe der Zeuge F2 darauf hingewiesen, dass der Kläger - wie im Projektgeschäft üblich ‑ nach Stundensätzen honoriert werde; das habe der Kläger akzeptiert. Es sei auch ausschließlich um eine interne Beratung i.S.d. § 34 RVG gegangen. Selbst wenn man davon abweichend eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV-RVG zugrunde lege, würde sich der Gegenstandswert keinesfalls nach 80.000.000,00 EUR richten. Das Interesse der Beklagten sei - ähnlich einem Makler - auf ein Strukturierungshonorar gerichtet gewesen, das bei Realisierung des Projektes maximal 1% der Gesamt-Investitionskosten ausgemacht hätte, also allenfalls 800.000,00 EUR.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen: Der Kläger habe lediglich eine interne Beratungstätigkeit geringeren Umfangs entfaltet. Insofern dränge sich "bei Anspannung des gesunden Menschenverstandes" auf, dass dafür kein Honorar von gut 287.000,00 EUR gerechtfertigt sei. Der Kläger könne allenfalls nach Stundensätzen ein Honorar von 2.000,00 EUR abrechnen, zumal er den nach § 49b BRAO erforderlichen Hinweis unterlassen habe. Ein solches Stundensatzhonorar sei aber mangels entsprechender Abrechnung nicht fällig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers: Sein Zeitaufwand für die Erledigung des Anwaltsauftrags habe sich seinerzeit auf 60 Stunden belaufen. Es sei aber keine Stundensatzvereinbarung getroffen worden. Vielmehr seien die Voraussetzungen für eine Geschäftsgebühr - also eine nach außen gerichtete Tätigkeit - angefallen. Bereits die Geheimhaltungsvereinbarung sehe vor, dass er Gespräche mit Dritten führen sollte. Dazu sei es auch tatsächlich gekommen. So habe er mit den C2-Mitarbeitern C1 und L "die Zwischenergebnisse vorwärts wie rückwärts abgeglichen". Eines Hinweises nach § 49b BRAO habe es nicht bedurft, weil der Zeuge F2 selbst Jurist und zugelassener Rechtsanwalt sei. Eine Abrechnung nach Gegenstandswerten sei auch keineswegs unüblich. Insofern beschränke er sich allerdings auf den in § 22 Abs. 2 S. 1 RVG vorgesehenen Deckelungsbetrag von 30.000.000,00 EUR.
Darüber verhält sich die in der Berufungsinstanz am 05.12.2011 erstellte Honorarberechnung:
Gegenstandswert: 30.000.000,00 EUR
1,0 Geschäftsgebühr gem. Nr. 2400 VV RVG 91.496,00 EUR
Pauschale gem. Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
19% Mehrwertsteuer 17.388,04 EUR
108.904,04 EUR
Unter Berufungsrücknahme im Übrigen beantragt der Kläger nunmehr,
das Urteil des Landgerichts Bochum vom 17.03.2011 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 108.904,04 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.11.2010 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bekräftigt das angefochtene Urteil mit näheren Ausführungen: Der Vortrag des Klägers zu Gesprächen mit außenstehenden Dritten sei neues Vorbringen, das nicht zuzulassen sei. Soweit der Kläger an einer Telefonkonferenz beteiligt worden sei, habe dies nur dem Zwecke der Information des Klägers gedient, um diese Informationen wiederum zum Gegenstand seiner - internen - Beratung machen zu können. Insofern sei es darum gegangen, den Netzbetreiber F zur Anerkennung der Ackerflächen als Konversionsflächen zu bewegen. Selbst bei der von Klägerseite präferierten Abrechnung nach Gegenstandswerten müsse die Obergrenze gem. § 23 Abs. 3 S. 3 RVG bei 500.000,00 EUR angenommen werden, zumal es keineswegs zutreffend sei, dass die Beklagte die gesamten Projektkosten hätte finanzieren oder den Solarpark selbst hätte betreiben wollen.
Der Senat hat die Parteien angehört mit dem aus dem Berichterstattervermerk vom 06.12.2011 ersichtlichen Inhalt. Des Weiteren wurde der Zeuge F2 vernommen. Das Ergebnis der Beweisaufnahme ist aus dem Berichterstattervermerk vom 11.10.2012 ersichtlich.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Der Kläger kann von der Beklagten nicht die Begleichung der streitgegenständlichen Honorarforderung in Höhe von 108.904,04 EUR verlangen, weil die anwaltliche Tätigkeit des Klägers nicht im Sinne des § 2 Abs. 1 RVG nach Gegenstandswert hätte abgerechnet werden dürfen.
1. Der Senat geht davon aus, dass der Kläger von der Beklagten im Februar 2010 zunächst nur den Auftrag erhielt, ein schriftliches (Ergänzungs-) Gutachten i.S.d. § 34 Abs. 1 S. 1 RVG zu erstellen und keine umfassende Geschäftsbesorgung vorzunehmen, für die eine Geschäftsgebühr hätte abgerechnet werden können (§§ 675 Abs. 1, 611 BGB i.V.m. Nr. 2300 VV RVG).
Eine umfassende Geschäftsbesorgung ist aus verständiger Sicht dann als gewollt anzusehen, wenn der Rechtsanwalt nach außen hin tätig werden soll, d.h. insbesondere vereinbarungsgemäß mit Dritten korrespondieren und ihnen gegenüber den Mandaten vertreten soll (OLG Nürnberg NJW 2011, 621; OLG Düsseldorf MDR 2009, 1420; AnwaltKomm-Onderka RVG, 6. Aufl. 2012, § 34 Rnr. 18; Gerold/ Schmidt-Mayer RVG, 20. Aufl. 2012, § 34 Rnr. 14).
Bereits dem vom Kläger vorgetragenen Auftragsinhalt, er habe sich "um das rechtliche Anforderungsprofil kümmern" sollen, ist kein Auftrag für eine nach außen gerichtete Tätigkeit zu entnehmen. Der Kläger spricht vielmehr in seinem Schriftsatz vom 01.03.2011 selbst davon, einen "Gutachterauftrag" erhalten zu haben, was auf die Erbringung einer entsprechenden Werkleistung im Sinne des § 631 Abs. 1 BGB hindeutet (AnwaltKomm-Onderka RVG § 34 Rnr. 40).
Allein der Umstand, dass der Kläger am 17.02.2010 eine Geheimhaltungsvereinbarung unterzeichnen musste, deutet nicht auf ein nach außen gerichtetes Tätigwerden hin. Im Gegenteil stellt diese Vereinbarung darauf ab, dass der Kläger von der Beklagten vertrauliche Informationen erhalten würde, die nicht an Dritte weitergegeben werden durften. Auch der Umstand, dass dem Anbahnungsgespräch in I offenbar ein Mitarbeiter des C2-Konzerns beiwohnte, bedeutete nicht, dass der Kläger mit dieser oder anderen Personen über die Frage der rechtlichen Einordnung des ehemaligen Fliegerhorstes als Konversionsfläche korrespondieren sollte.
Ein solcher nach außen gerichteter Auftragsinhalt entsprach auch nicht dem tatsächlichen Prozedere. Denn der Kläger erhielt nicht nur die für seine Begutachtung nötigen Informationen von der Beklagten, sondern er bezeichnete sein schriftliches Arbeitsergebnis vom 22.02.2010 auch selbst als (Zusatz-) Gutachten, das im Sinne der gebührenrechtlichen Anforderungen eine Herausstellung der rechtlichen Probleme und eine eigene wertende Stellungnahme des Klägers mit Handlungsempfehlung enthielt (AnwaltKomm-Onderka RVG § 34 Rnr. 48ff).
Auch der vom Senat vernommene Zeuge F2 bekundete, dass der Kläger lediglich in Ergänzung des bereits vorliegenden N-Gutachtens ein "Querschnittsgutachten" erstellen und für die Beklagte die EEG-Tatbestände prüfen sollte. Diese Aussage fügt sich plausibel in das Prozessvorbringen beider Parteien ein und führt zur sicheren Überzeugung des Senats, dass der Kläger lediglich eine interne Tätigkeit i.S.d. § 34 Abs. 1 S. 1 RVG erbringen sollte.
Die Vergütung dieser gutachterlichen Tätigkeit konnte zwischen den Parteien frei vereinbart werden (AnwaltKomm-Onderka RVG § 34 Rnr. 58), ohne dass insofern die Textform zu beachten gewesen wäre (§ 3a Abs. 1 S. 4 RVG).
Der Senat ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass diese Vereinbarung tatsächlich - mündlich - getroffen wurde und sich auf eine Abrechnung auf Stundensatzbasis bezog, dem in der Praxis häufigsten Abrechnungsmodell (Schons, in: Hartung/Enders/Schons RVG, 2011, § 3a Rnr. 83).
Der Zeuge F2 bekundete dazu, dass er im Rahmen seiner damaligen Tätigkeit als Beteiligungsmanager für die Beklagte häufig mit externen Rechtsanwälten zusammengearbeitet habe. Dabei sei ausschließlich nach Stundensätzen abgerechnet worden. Jede andere Form der Abrechnung sei für ihn hinsichtlich der Gebührenhöhe auch nicht kalkulierbar gewesen. Insbesondere bei einer beabsichtigten Abrechnung nach Gegenstandswerten hätte er zunächst Erkundigungen über die dann anfallenden Gebühren einholen müssen. Angesichts des zeitlichen Drucks, unter dem die Projektrealisierung gestanden habe, habe er gar keine Gelegenheit gehabt, sich mit solchen für ihn ungewohnten Fragen des Gebührenrechts zu beschäftigen. Insbesondere habe er in der Vergangenheit auch nie selbst als Rechtsanwalt praktiziert, sondern nur kurzzeitig in den Jahren 1997/1998 aus versorgungsrechtlichen Gründen eine Anwaltszulassung besessen. Zu diesem Kontext passt wiederum die konkrete Aussage des Zeugen F2, dass er sich mit dem Kläger bereits anlässlich des ersten Telefonats im Februar 2010 über eine Abrechnung nach Stundensatz verständigt habe. Er - der Zeuge - habe dies vorgeschlagen und der Kläger habe entgegnet, das sei "okay".
Der Senat sieht keinen Anlass, die Glaubwürdigkeit des Zeugen in Zweifel zu ziehen. Zum einen ist der Zeuge nicht mehr für die Beklagte tätig, so dass kein Abhängigkeitsverhältnis besteht. Zum anderen konnte nicht der Eindruck gewonnen werden, dass dem Zeugen aus sonstigen Gründen an einer Benachteiligung des Klägers gelegen war. Denn der Zeuge räumte an anderer Stelle durchaus eigene Versäumnisse ein - so hinsichtlich des Umstands, dass er den Kläger nicht zeitnah über die Beendigung des Projekts informiert und seinerzeit auch nicht die konkrete Stundensatzhöhe festgelegt habe.
Die fehlende Festlegung der Stundensatzhöhe führt indes nicht zur Unwirksamkeit der zwischen dem Kläger und dem Zeugen F2 mündlich getroffenen Vereinbarung, weil insofern die übliche Stundensatzhöhe hätte zugrunde gelegt werden müssen (§ 632 Abs. 2 BGB).
Eine entsprechende Abrechnung der angefallenen Arbeitsstunden hat der Kläger allerdings nicht vorgenommen; sie entspricht auch nicht seinem Klagebegehren.
2. Soweit der Kläger nach Erstellung des Gutachtens weiter für die Beklagte tätig gewesen ist, rechtfertigte auch dies nicht die streitgegenständliche Honorarabrechnung nach Gegenstandswert.
Der Kläger hatte der Beklagten in seinem Gutachten die "Strategie der kommunikativen Absicherung" empfohlen, d.h. die Beklagte sollte ihrerseits Gespräche mit dem Energieversorgungsunternehmen führen und eine Einigung über die Anerkennung der Konversionsfläche bewirken. In seiner an den Zeugen F2 gerichteten Email des Klägers vom 22.02.2010 schlug der Kläger diesem vor, eine entsprechende Korrespondenz mit Dritten führen zu können.
In der Folgezeit wurde vom Kläger zwar kein derartiger Schriftwechsel geführt, er wurde allerdings Anfang März 2010 in eine Telefonkonferenz eingebunden, die ‑ jedenfalls laut Email des Zeugen F2 vom 08.03.2010 - das Ziel verfolgte, eine Abstimmung mit dem Energieversorger F zur Frage der "Flächenqualität" herbeizuführen.
Vor diesem Hintergrund könnte die Beteiligung des Klägers an der Telefonkonferenz, die auch den anderen Teilnehmern bekannt gemacht wurde, nicht ausschließbar als Erteilung eines Anschlussauftrags angesehen werden, der nicht länger auf die interne Gutachtenerstattung oder Beratung gerichtet war, sondern nunmehr ein Tätigwerden gegenüber Dritten zum Gegenstand haben sollte.
Selbst wenn man einen solchen Anschlussauftrag zu einer Geschäftsbesorgung im Außenverhältnis annähme, könnte der Kläger daraus indessen nicht den geltend gemachten Honoraranspruch herleiten. Denn der Kläger war zu dem - unstreitig nicht erteilten - Hinweis verpflichtet, dass er für diese Tätigkeit nunmehr eine Geschäftsgebühr nach Gegenstandswert abzurechnen gedachte. Diese Hinweispflicht ergab sich nicht nur aus § 49b Abs. 5 BRAO, sondern auch daraus, dass die Parteien zuvor eine abweichende Vergütungsberechnung nach Stundensätzen vereinbart hatten.
Wenn man nicht ohnehin davon ausgeht, dass diese vorherige Stundensatzvereinbarung auch für die nach der Gutachtenerstellung folgende Anwaltstätigkeit gelten sollte, wäre der Kläger jedenfalls aus Rechtsgründen gehindert, von der Beklagten das nach Gegenstandswert abgerechnete Honorar zu verlangen.
Insofern entspricht es dem allgemeinen und vom Senat geteilten Verständnis, dass ein Verstoß gegen die Hinweispflicht aus § 49b Abs. 5 BRAO einen Schadensersatzanspruch gem. § 280 Abs. 1 BGB nach sich zieht (BGH NJW 2007, 2332; AnwaltKomm-Onderka/ N.Schneider § 2 Rnr. 77; Fahrendorf, in: Fahrendorf/ Mennemeyer/Terbille Die Haftung des Rechtsanwalts, 8. Aufl. 2010, Rnr. 1726; D.Fischer, in Zugehör u.a. Handbuch der Anwaltshaftung, 3. Aufl. 2011, Rnr. 899).
Die Hinweispflicht entfiel hier auch nicht aufgrund der juristischen Vorbildung des Zeugen F2, denn dieser hatte in Fragen des anwaltlichen Gebührenrechts nicht den Anschein einer Sachkunde erweckt, so dass der Schutzzweck des § 49b Abs. 5 BRAO auch auf ihn anwendbar war.
Die Beklagte kann deshalb verlangen, so gestellt zu werden, als sei ihr der Hinweis auf die Abrechnung von Gebühren nach Gegenstandswert vom Kläger mitgeteilt worden.
Insoweit ergab sich aus der Vernehmung des Zeugen F2, dass dieser eine Honorierung nach Gegenstandswert - wie auch bei allen anderen Projekten - abgelehnt hätte. Allenfalls wenn von Klägerseite eine Rechnungssumme in der Größenordnung eines üblichen Stundensatzhonorars in Aussicht gestellt worden wäre, hätte er sich - so der Zeuge F2 - aus kaufmännischer Sicht auf einen entsprechenden Vorschlag eingelassen. Dabei ging der Zeuge T in einer Größenordnung von 250,00 bis 300,00 EUR aus, so dass aus seiner Sicht für die Teilnahme an der Telefonkonferenz und etwaigen ergänzenden Gesprächen ein Honorar in einem unteren vierstelligen Bereich "üblich" gewesen wäre.
Hierzu kann der Senat aber nicht mit der im Rahmen des § 287 Abs. 1 ZPO erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit (G.Fischer, in: Zugehör u.a. Rnr. 1102) feststellen, dass der Kläger sich mit einem entsprechend niedrigen Honorar abgefunden hätte. Der Kläger empfand selbst die Geltendmachung eines (Gesamt-) Betrages von 100.000,00 EUR als "Discountrechnung". Im Übrigen hat er eine Stundensatzabrechnung auch in der Folgezeit nicht wenigstens hilfsweise geltend gemacht.
Wenn aber der Kläger eine nach Gegenstandswert abgerechnete Honorarforderung in der streitgegenständlichen Höhe wegen Verstoßes gegen die Hinweispflicht aus § 49b Abs. 5 BRAO ohnehin alsbald an die Beklagte zurückzuerstatten hätte, verstößt deren Geltendmachung letztlich gegen Treu und Glauben - dolo agit qui petit quod statim redditurus est - (BGH NJW 2011, 229).
In diesem Zusammenhang kann der Kläger sich auch nicht darauf berufen, dass die Vereinbarung eines Stundensatzhonorars für seine an die Gutachtenerstellung anknüpfende Tätigkeit der Textform bedurft hätte (§§ 3a Abs. 1 S. 1 RVG, 126b BGB), diese aber nicht gewahrt wurde. Denn es wäre wiederum die vertragliche Verpflichtung des Klägers gewesen, eine rechtswirksame Vergütungsvereinbarung herbeizuführen, so dass er sich auf deren fehlendes Zustandekommen analog § 162 Abs. 1 BGB nicht berufen kann.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 516 Abs. 3 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
IV.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO).
OLG Hamm:
Urteil v. 11.10.2012
Az: 28 U 88/11
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/694df5d0cca7/OLG-Hamm_Urteil_vom_11-Oktober-2012_Az_28-U-88-11