Bundespatentgericht:
Urteil vom 20. Januar 2011
Aktenzeichen: 2 Ni 13/09
(BPatG: Urteil v. 20.01.2011, Az.: 2 Ni 13/09)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Beklagte ist Inhaber des am 15. März 1996 angemeldeten europäischen Patents 0 744 478 (Streitpatent), dass mit der Bezeichnung "Fremdfaserdetektion an einer Öffnungsmaschine" u. a. mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilt worden ist. Das Streitpatent nimmt die Priorität der deutschen Patentanmeldung DE 195 18 783 vom 22. Mai 1995 in Anspruch und wird beim Deutschen Patentund Markenamt unter der Nummer 596 05 344 geführt. Das Streitpatent umfasst 7 Ansprüche. Patentanspruch 1 lautet wie folgt:
1. Vorrichtung zum Erfassen von andersfarbigen Fasern, Folien oder Geweben in Faseröffnungslinien, dadurch gekennzeichnet, dass gegenüber der Oberfläche einer Öffnungswalze (W) Farbsensoren (S) über die Arbeitsbreite der Öffnungswalze angebracht sind die dann, wenn die Farbsensoren und die Auswerteelektronik eine deutliche Farbabweichung im geöffneten Material gegenüber der Normalfaser feststellen, dafür sorgen, dass der Faserstrom ganz oder teilweise aus der normalen Faseröffnungslinie durch eine Ausschleusevorrichtung (F) ausgeschleust werden kann."
Zum Wortlaut der auf Anspruch 1 direkt oder indirekt rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 7 wird auf die Streitpatentschrift Bezug genommen.
Die Klägerin meint, dass die patentgemäßen Gegenstände des Anspruchs 1 sowie der auf diesen Anspruch direkt oder indirekt rückbezogenen Ansprüche 2 bis 7 des Streitpatents gegenüber dem zu berücksichtigenden Stand der Technik nicht neu seien. Zumindest ergäben sich die Gegenstände des Streitpatents in naheliegender Weise aus dem vorveröffentlichten Stand der Technik und beruhten daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Dazu beruft sich die Klägerin auf folgende Druckschriften:
(NK1) DE 44 15 907 A1
(NK2) EP 0 606 626 A1
(NK2a) EP 0 606 626 A1 (Übersetzung)
(NK3) EP 0 331 039 A2
(NK4) DE 39 28 279 A1
(NK5) WALZ, F.: Handbuch der Baumwollspinnerei, Bernh. Friedr. Voigt Verlag Handwerk und Technik, Berlin, Hamburg, 1962, Band I, S. 156-158
(Anlage 4 des Gutachtens NK9)
(NK6) EP 0 485 881 A1 (=P1)
(NK7) WALZ, F.: Handbuch der Baumwollspinnerei, Bernh. Friedr. Voigt Verlag Handwerk und Technik, Berlin, Hamburg, 1962, Band II, S. 56
(NK8) Erläuterungen zu den Kardentrommeln-Umfangsgeschwindigkeiten der Druckschriften 8.1 bis 8.8
(NK 8.1) WALZ, F.: Handbuch der Baumwollspinnerei, Bernh. Friedr. Voigt Verlag Handwerk und Technik, Berlin, Hamburg, 1962, Band II, S. 39
(NK 8.2) GB 1 084 789 A
(NK 8.3) PERNER, H.: Technologie und Maschinen der Garnherstellung. VEB Fachbuchverlag Leipzig, 1969, S. 114
(NK 8.4) US 4 219 908 A
(NK 8.5) KLEIN, W.: A Practical Guide to Opening and Carding. The Textile Institute, Manchester, 1987, S. 43
(NK 8.6) EP 0 330 750 A2
(NK 8.7) N.N.:Textilmaschinenbau stellt sich gesteigerten Qualitätsanforderungen. In: ITB Garnherstellung, 2/1992, S. 37-39
(NK 8.8) Hochleistungskarde. Firmenschrift Fa. Trützschler GmbH & Co. KG, 6/1993
(NK 9) Gutachten zur technischen Lehre der europäischen Patentschutzrechte EP 0 606 626 A1 und EP 0 744 478 B1 (nebst Anlagen NK 9.1 bis NK 9.11)
(NK 9.1) Wagner, B. und Topf, W.: Untersuchungen zum Verbleib von Fremdfasern im OE-Rotorund Ringspinnprozeß. In: textil praxis international, Januar 1992
(NK 9.2) WALZ, F.: Handbuch der Baumwollspinnerei, Bernh. Friedr. Voigt Verlag Handwerk und Technik, Berlin, Hamburg, 1962, Band I, S. 186 -188
(NK 9.3) US 4 126 913 A
(NK 9.4) US 4 476 611 A
(NK 9.5) EP 0 113 819 A2
(NK 9.6) DE 35 04 607 A1
(NK 9.7) EP 0 175 851 A1
(NK 9.8) Hohenadel, P. und Relton, J.: Textil-Wörterbuch, Englisch -Deutsch.
Oskar Brandstetter Verlag GmbH & Co. KG, Wiesbaden, Band 1. 1984, S. 375
(NK 9.9) Textile Terms and Definitions. The Textile Institute, Manchester, 7. Auflage, 1975, S. 212
(NK 9.10) DIN 60000, Januar 1969, Textilien Grundbegriffe
(NK 9.11) DIN 61210 Januar 1982, Vliese, verfestigte Vliese und Vliesverbundstoffe auf Basis textiler Fasern (NK 9.12) DIN 61210 Teil 2 Oktober 1988, Vliesstoffe (NK 10) Herget, H.: Fremdfasererkennung und -Ausschleusung im Vorwerk.
Fachtagung Spinnerei-Vorwerke 2000, 7./ 8. Juli 1994 in Ascona In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin ferner das Dokument "Spinnerei Vorwerke 2000" eingeführt.
Im Prüfungsverfahren sind außerdem folgende Druckschriften in Betracht gezogen worden:
(P1) EP 0 485 881 A1 (=NK6)
(P2) JP 05025713 A (Abstract)
(P3) JP 62021047 A (Abstract)
(P4) JP 06081224 A (Abstract)
Die Klägerin stellt den Antrag, das europäische Patent EP 0 744 478 mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
Die Beklagte stellt den Antrag, die Klage abzuweisen.
Sie tritt den Ausführungen der Klägerin in allen Punkten entgegen und hält das Streitpatent für patentfähig, da die in das Verfahren eingeführten Druckschriften Neuheit oder eine erfinderische Tätigkeit nicht in Frage stellen könnten. Für den Fall, dass der Senat in diesem Zusammenhang die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 17. Januar 2011 eingereichte Druckschrift NK10 bzw. das im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegte Dokument "Spinnerei-Vorwerke 2000" (NK 10) zu ihren Lasten für entscheidungserheblich halte, beantragt sie hilfsweise Vertagung.
Ferner verteidigt die sie das Streitpatent in der mündlichen Verhandlung vom 20.
Januar 2011 hilfsweise damit, dass die Unteransprüche einen eigenen erfinderischen Gehalt aufweisen. Die Klägerin beantragt im Hinblick auf diesen Vortrag der Beklagten Vertagung.
Die Beklagte hat sich zudem in ihrer Widerspruchsbegründung vom 21.
September 2009 auf eine Nichtangriffsverpflichtung aus einem zwischen den Parteien im April 1998 geschlossenen und neben weiteren Schutzrechten auch das Streitpatent umfassenden Lizenzvertrag berufen, da dieser eine Nichtangriffspflicht in Bezug auf die vertragsgegenständlichen Schutzrechte und damit auch das Streitpatent enthalte. Wegen der Einzelheiten wird auf den als Anlage HE 1 zur Akte gereichten Vertrag Bezug genommen.
Die Klägerin kündigte diesen gegenüber dem Beklagten am 2. Februar 2007. Die dagegen seitens des Beklagten erhobene Klage auf Feststellung, dass der Lizenzvertrag nicht durch die Kündigungserklärung des Beklagten vom 2. Februar 2007 nicht beendet worden ist, wurde durch Urteil des OLG Düsseldorf vom 17. Dezember 2009 -Az.: I -2 U 118/08 -rechtskräftig abgewiesen. Beide Parteien haben danach zu der Nichtangriffsabrede nicht weiter vorgetragen, insbesondere auch nicht in der mündlichen Verhandlung vom 20. Januar 2011.
Zum weiteren Vorbringen der Parteien wird ergänzend auf die Schriftsätze verwiesen.
Gründe
Die zulässige Klage, mit der der Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit nach Artikel II § 6 Absatz 1 Nr. 1 IntPatÜG, Artikel 138 Abs. 1 lit a EPÜ i. V. m. Artikel 54 Absatz 1, 2 und Artikel 56 EPÜ geltend gemacht wird, ist unbegründet.
I.
Die Klage ist zulässig. Der zwischen den Parteien im April 1998 geschlossene und auch das Streitpatent umfassende Lizenzvertrag gemäß Anlage HE 1 steht der Zulässigkeit unabhängig von der Frage, ob er überhaupt eine wirksame Nichtangriffsverpflichtung in Bezug auf das vorliegende Streitpatent enthielt, bereits deshalb nicht entgegen, weil dieser Vertrag zum Zeitpunkt der Erhebung der Nichtigkeitsklage keinen Bestand mehr hatte. Denn aufgrund des Urteils des OLG Düsseldorf vom 17. Dezember 2009 -Az.: I -2 U 118/08, mit dem die Berufung der Beklagten gegen die Abweisung ihrer auf Unwirksamkeit der Kündigung der Klägerin vom 2. Februar 2007 gerichteten (negativen) Feststellungsklage durch Urteil des LG Düsseldorf vom 9. Oktober 2008 -4b O 205/07 -rechtskräftig zurückgewiesen wurde, ist mit bindender Wirkung festgestellt (§ 322 ZPO), dass der Vertrag durch die vorgenannte Kündigung beendet worden ist. Ein Urteil, das eine negative Feststellungsklage aus sachlichen Gründen abweist, hat insoweit dieselbe Rechtskraftwirkung wie ein Urteil, das das Gegenteil dessen, was mit der negativen Feststellungsklage begehrt wird, positiv feststellt (vgl. BGH, NJW 1995, 1757; Thomas/Putzo, ZPO, 30. Aufl., § 256 Rdnr. 23).
II.
Die Klage ist jedoch unbegründet, da der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit nicht vorliegt.
1.
Das Streitpatent betrifft die Detektion von Fremdfasern in Baumwollfasern, hervorgerufen z.B. durch Stofffetzen in den Baumwollballen.
Aus dem Stand der Technik sind nach den Angaben in der Streitpatentschrift Geräte bekannt, die Baumwolle in der Flocke oder in die fertigen Baumwollgarne inspzierten. So habe zur Kontrolle von Baumwollflocken ein Gerät "OPTISCAN" weite Verbreitung gefunden, Bei diesem Gerät würden in der Reinigungslinie in einer separaten Maschine die Flocken über ein Transportband gefördert. In einem engen Spalt seien gegenüber dem Transportband Farbsensoren angeordnet, welche Farbunterschiede von Fremdteilen erkennen und eine Ausschleusevorrichtung auslösen würden. Die Erkennung von Fremdfasern im fertigen Garn erfolge hingegen im Spulprozess in der Weise, dass mit einem schwarzweiß Sensor die Garne beurteilt und ggf. das dunklere Garnstück herausgeschnitten werde. Beide Methoden seien mit deutlichen Investionskosten verbunden und nicht einfach in vorhandene Anlagen zu integrieren (Streitpatentschrift, Absatz [0001]).
2.
Ausgehend von diesem Stand der Technik besteht die Aufgabe darin (vgl. Streitpatentschrift, Absatz [0001] am Ende), eine preiswerte und leicht zu installierende Hilfe zur Bekämpfung der Fremdfasern in der Spinnerei zu schaffen, wobei zu beachten sei, dass zur Erkennung von Fremdfasern eine Öffnung der Baumwollballen zu Flocken und ein große, durch Farbsensoren zu beobachtende Oberfläche erforderlich seien (vgl. Streitpatentschrift, Absatz [0002]).
3.
Diese Aufgabe soll mit den Gegenständen der erteilten Ansprüche 1 bis 7 gelöst werden. Dementsprechend beschreibt der erteilte Anspruch 1 eine Vorrichtung mit de Merkmalen gemäß folgender Gliederung:
1.
Vorrichtung zum Erfassen von andersfarbigen Fasern, Folien oder Geweben 2.
in Faseröffnungslinien, dadurch gekennzeichnet, daß
3.
gegenüber der Oberfläche einer Öffnungswalze (W) Farbsensoren (5)
4.
über die Arbeitsbreite der Öffnungswalze angebracht sind, 5.
die dann, wenn die Farbsensoren und die Auswerteelektronik eine deutliche Farbabweichung im geöffneten Material gegenüber der Normalfaser feststellen, 6.
dafür sorgen, daß der Faserstrom ganz oder teilweise aus der normalen Faseröffnungslinie durch eine Ausschleusevorrichtung
(F) ausgeschleust werden kann.
4.
Als Fachmann ist dabei ein Maschinenbauingenieur (FH) mit langjähriger Erfahrung in Konstruktion und Herstellung von Faservorbereitungsmaschinen anzusehen. Dieser versteht nach Auffassung des Senats unter dem Begriff Öffnungswalze eine Walze, die Öffnungsund Reinigungsfunktion hat und im Faservorbereitungsprozess vor der Karde angeordnet ist. Zwar hat eine Karde unter anderem auch die Funktion des Öffnens (hier: Auflösen der Faserflocken zu Einzelfasern), jedoch bezeichnet der Fachmann die Karde und die ihr zugeordneten Walzen nicht als Öffnungswalzen II.
Zur erteilten Fassung des Streitpatents 1.
Den im Anspruch 1 verwendeten und unter den Parteien strittigen Begriff Öffnungswalze definiert die Patentschrift als mit Stiften oder Haken versehene Walze oder Trommel, wobei mit den Stiften oder Haken der Öffnungswalze Faserbüschel geöffnet und BaumwolIflocken und Fremdfasern (Stoffstücke) von der Trommel am Umfang transportiert werden (Sp. 1, Z. 51 -54). Auch der mit dem Gutachten der Klägerin vorgelegte Stand der Technik definiert eine Öffnungswalze in der gleichen Weise. In der Druckschrift NK9.7 ist beispielsweise angegeben, dass eine Öffnungswalze (dort: Öffnerwalze) aus ihrer Oberfläche herausstehende Spitzen aufweist. Zum Auflösen noch zusammenhängender Fasern oder Faserbüschel werden diese gegen die mit großer Geschwindigkeit rotierenden Öffnerwalzen bewegt. Dabei reißen die Spitzen die Faserbüschel auf, und Fasermaterialwird in Form kleiner und luftiger Faserflocken weggerissen (S. 1,2.Abs.). Da auch der übrige von der Klägerin vorgelegte Stand der Technik, der zur Erläuterung des Begriffes Öffnungswalze dient, Walzen oder Trommeln zeigt, die an der Oberflächen mit Stiften oder Haken versehen sind und Faserbüschel zu Faserflocken auflösen, geht der Senat von dieser Definition aus. Demnach ist eine Karde, die an ihrer Oberfläche zwar eine stiftoder hakenartige Garnitur aufweist, jedoch Flocken zu Einzelfasern auflöst, keine Öffnungswalze.
2.
Die Vorrichtung nach dem erteilten Anspruch 1 ist neu. Der dem Streitgegenstand nach Anspruch 1 am nächsten kommende Stand der Technik gemäß NK2 ist eine Vorrichtung zum Erfassen von andersfarbigen Fasern, Folien oder Geweben (apparatus tor the inprocess, realtime measurement and control of entities in thin webs of textile materials, Sp. 1, 1. Abs i. V. m. "any material which exhibits strong spectral responses other than yellow or white must be regarded as composed ot toreign material for removal", Sp. 21, Z. 28 - 31). Da auch der Transportweg der noch weiter zu öffnenden Faserflocken zur Faseröffnungslinie gehört, liegt die in Fig. 1 und 3 dargestellte sowie in Sp. 5, Z. 23 -51 beschriebene Probenahme und Kontrollstation in einer Faseröffnungslinie. Insoweit sind die Merkmale 1 und 2 des gegliederten Anspruchs 1 zwar erfüllt, und aus dieser Druckschrift geht auch das Merkmal 5 hervor, wonach die Farbsensoren und die Auswerteelektronik eine deutliche Farbabweichung im geöffneten Material gegenüber der Normalfaser feststellen (Sp. 21, Z. 27 - 31).
Der Gegenstand des Streitpatents unterscheidet sich jedoch vom Stand der Technik nach NK2 durch die Merkmale 3, 4 und 6.
Nach der Lehre der NK2 ist zum Erfassen von Fremdfasern über einer Präsentationswalze (Sp. 6, Z. 49 - 58 i. V. m. Fig. 3; presentation cylinder 40) ein Bildanalysesystem (Sp. 7, Z. 10 - 13; image analysis system 50) angebracht, welches nach Sp. 21, Z. 27 - 31 Farben unterscheiden kann. Die Präsentationswalze hat aber im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin nicht die Funktion einer Öffnungswalze. Die Klägerin vertritt die Meinung, die Faserbüschel würden von der Klemmund Förderwalze 34 der Präsentationswalze 40 übergeben, hierbei aufgelöst und zur Fremdfasererkennung transportiert. Somit habe diese Walze 40 sowohl Transportals auch Auflösefunktion und sei demnach eine Öffnungswalze. Diese Auffassung teilt der Senat nicht. Nach der oben angeführten Definition ist eine Öffnungswalze mit Stiften oder Haken versehen, um die Funktion der Öffnung mit Faserbüscheln auszuüben. Die gemäß der Lehre der NK2 vorgesehene Walze weist Nadeln auf, kann aber -im Gegensatz zur Definition einer Öffnungswalze -auch ohne Nadeln, nur mit einem feinmaschigen Sieb versehen sein ("In some applications, the pins 42 are excluded and the fibers and other entities are deposited on a fine mesh screen 84", Sp. 6, Z. 53 - Sp. 7, Z. 7). Die Aufgabe der Walze besteht nach Sp. 7, Z. 7 -10 darin, 100 % der Faserprobe zu transportieren einschließlich aller Fremdpartikel, ohne die Probe zu verändern, beispielsweise zu beschädigen ("The first objective of this transfer step is to transfer 100% of the fiber sample, including all entities in the sample such as neps or trash, without substantial modification, such as breakage."). Ein Auflösen der Faserprobe durch die mit oder ohne Stifte ausgestattete Walze ist demnach weder wörtlich erwähnt noch für den Fachmann aus diesem Zusammenhang zu erkennen. Auch dient die Probenahmevorrichtung ("needle sampler 32") bereits dazu, die Fasern zu vereinzeln, denn sie wird als mit Nadeln versehene Vorrichtung zum Vereinzeln von Fasern und anderen Objekten für Testzwecke ("needlebased apparatus for individualizing fibers and other textile entities for testing purposes", Sp. 6, Z. 6 -8) bezeichnet. Wenn die Fasern jedoch bereits bei der Probenahme vereinzelt werden, ist ein Auflösen durch die Präsentationswalze 40 nicht notwendig.
Bei der Ausführungsform nach Fig. 6 der NK2 sind die Farbsensoren gegenüber der Oberfläche der Abnehmerwalze, dem Doffer 110, angebracht. Dem Fachmann ist bekannt, dass, wie oben erwähnt, eine Karde Faserflocken zu einzelnen Fasern vereinzelt, weshalb auf dem Doffer keine Faserflocken mehr vorliegen, sondern ein Faserflor aus vereinzelten Fasern. Das auf dem Doffer befindliche Fasergebilde wird in Sp. 9, Z. 26 - 29 der NK2 als "thin web" bezeichnet und ist folglich ein Faserflor aus vereinzelten Fasern. Demnach liegt, da im Zusammenhang mit der der Präsentationswalze 40 der derselbe Begriff verwendet wird, nämlich "thin web" (vgl. Sp. 6, Z. 48 -52), auch auf der Präsentationswalze ein Faserflor aus vereinzelten Fasern vor. Hätte die Präsentationswalze die Funktion einer Öffnungswalze, lägen dort Faserflocken vor und keine vereinzelten Fasern. Da somit die Präsentationswalze keine Öffnungswalze ist, sind aus dieser Druckschrift die Merkmale 3 und 4, wonach gegenüber der Oberfläche einer Öffnungswalze Farbsensoren über die Arbeitsbreite der Öffnungswalze angebracht sind, nicht zu entnehmen.
Außerdem offenbart dieser Stand der Technik nicht, dass der Faserstrom ganz oder teilweise aus der normalen Faseröffnungslinie durch eine Ausschleusevorrichtung ausgeschleust werden kann (Merkmal 6). Zur Faseröffnungslinie gehören alle Einrichtungen, die das Öffnen der Flocken bis hin zur Einzelfaser gewährleisten. Der Doffer, der den Faserflor von der Karde abnimmt und keine Auflösefunktion hat, zählt somit nicht mehr zur Faseröffnungslinie. Auch ist der Faserflor, der aus einzelnen durch Eigenhaftung verbundenen Fasern besteht, kein Faserstrom. Die Offenbarung des Ausschleusens der Fremdpartikel beschränkt sich jedoch ersichtlich nur auf den Doffer (Sp. 24, Z. 41 -Sp. 25, Z. 38 i. V. m. Fig. 22 und Fig. 6) oder das Ausschleusen von Fremdpartikel aus dem Faserflor ("thin web") (Sp. 22, Z. 53 -Sp. 24, Z. 40 i. V. m. Fig. 8 und 18 bis 20). Auch wird der Fachmann nicht mitlesen, dass beim Erkennen von Fremdfasern auf der Präsentationswalze natürlich der Faserstrom -hier eigentlich der Flockenstrom -ganz oder teilweise ausgeschleust wird. Einerseits ist in Sp. 22, Z. 22 -36 offenbart, dass das Erfassen von Fremdfasern dazu dient, Maßnahmen in den Verarbeitungsprozessen vor und hinter der Probenahmestelle zu treffen, und andererseits ist kein Sinn darin zu erkennen, Fasern auszuschleusen, wenn die als Fremdfasern erkannten Fasern wieder in den Flockenstrom zurückgespeist werden (Sp. 7, Z. 50 54 i. V. m. Fig. 3 und Sp. 8, Z. 34 -40 i. V. m. Fig. 4). Folglich ist auch das Merkmal 6 aus dieser Druckschrift nicht bekannt.
Die Vorveröffentlichung der von der Klägerin genannten Druckschrift NK10 ist von der Beklagten bestritten worden. Zu Gunsten der Klägerin kann jedoch unterstelltwerden, dass sie vorveröffentlicht ist, da sie letztlich die Patentfähigkeit nicht in Frage stellt.
Diese Schrift betrifft nach ihrem Titel eine "Fremdfasererkennung und -Ausschleusung im Vorwerk", wobei zur Fremdfasererkennung eine Farberkennung dient (S. 3, re. Sp., Z. 7 -9). Somit sind die Merkmale 1 und 2 des Anspruchs 1 durch NK10 erfüllt.
Das Fremdfasererkennungssystem unterzieht die Fasern einer Farberkennung, wobei die Fasern gut aufgelöst sind, um ein Verdecken von Fremdfasern durch Gutfasern zu vermeiden (S. 3, re. Sp., Z. 7 -11 i. V. m. Abb. 4). Wenn die vorgelagerte optische Sensorik Fremdfasern erkannt hat, werden Düsen betätigt und Partikel ausgeschieden, die in eine Sammelwanne gelangen (S. 2, re. Sp., 4. Abs.
i. V. m. Abb. 4), Dies entspricht den Merkmalen 5 und 6 des Anspruchs 1, wonach, wenn die Farbsensoren und die Auswerteelektronik eine deutliche Farbabweichung im geöffneten Material gegenüber der Normalfaser feststellen, dafür sorgen, dass der Faserstrom ganz oder teilweise aus der normalen Faseröffnungslinie durch eine Ausschleusevorrichtung ausgeschleust werden kann.
Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass die in der Abb. 4 dargestellte Walze, welche in dem Artikel NK10 als Transporteinrichtung bezeichnet wird, eine Öffnungswalze sei. Diese Walze habe nämlich die gleiche Funktion wie eine Öffnungswalze, da sie die Flocken transportiere, verziehe (S. 2, re. Sp., 3. Abs.) und hierbei öffne und auflöse (S. 3, re. Sp., 2. Abs.). Diese Ansicht teilt der Senat nicht. Nach der Lehre der NK10 werden die Flocken durch eine Transporteinrichtung verzogen und an einem optischen Erkennungssystem vorbeigeführt (S. 2, re. Sp., 3. Abs.). Hieraus entnimmt der Fachmann, dass die Flocken zwar zur besseren Fremdfasererkennung beschleunigt und gestreckt werden, um keine Fasern undetektiert passieren zu lassen (S. 3, re. Sp., letzter Abs.), eine Öffnung der Flocken zu Fasern ist jedoch weder explizit noch implizit erwähnt.
Weiter ist dieser Schrift zu entnehmen, dass es wünschenswert sei, einerseits die Fasern gut aufzulösen, um ein Verdecken von Fremdfasern durch Gutfasern zu vermeiden, andererseits sollten Faserverbände und Folien nicht zerrissen werden, um die Erkennung zu erleichtern. Seien die Fremdfaserverbände oder die Folienteile stark aufgelöst, müsse die zu inspizierende Oberfläche sehr groß sein und eine hohe Erkennungspunktdichte aufweisen, um eine sichere Erkennung zu ermöglichen. Die Vorrichtung werde deshalb immer vor den Feinreinigern, welche mit Stiften oder Garnituren bestückt seien, eingesetzt (S. 3, re. Sp., Z. 9 -25). Somit ist lediglich die Anforderung an die Vorrichtung zur Aufbereitung der Faserflocken beschrieben, welche zu der Vorrichtung gemäß Abb. 4 gelangen, und nicht die Funktion der Transporteinrichtung selbst. Dass diese Vorrichtung keine Öffnungsfunktion besitzt, ergibt sich für den Fachmann auch daraus, dass diese Einrichtung in bereits vorhandene Öffnungszüge integriert wird (S. 5, re. Sp., 2. Abs.). Da die Fremdfasererkennungseinrichtung nach NK10 somit keine Öffnungswalze aufweist, sind die Merkmale 3 und 4, wonach gegenüber der Oberfläche einer Öffnungswalze Farbsensoren über die Arbeitsbreite der Öffnungswalze angebracht sind, nicht offenbart.
Die für den Fachmann den gleichen Offenbarungsgehalt aufweisende nachveröffentlichte NK1 weist keine Öffnungswalze auf, da die dort beschriebene Transporteinrichtung, Walze oder Transportband, die Fasern lediglich verdichten und an den Farbsensoren vorbeiführen soll (Sp. 1, Z. 31 -35). Somit fehlen auch dieser Vorrichtung die Merkmale 3 und 4.
Die Vorrichtung zum Detektieren von Nissen in kardiertem textilen Fasermaterial nach NK3 wertet Helligkeitsänderungen im Faservliesstrom aus (Anspruch 1). Da hier ein bereits kardiertes textiles Material untersucht wird, kann die Lichtmesseinrichtung nicht gegenüber einer Öffnungswalze angebracht sein. Auch werden lediglich Helligkeitsänderungen ausgewertet und keine Farbunterschiede, weshalb keine Farbsensoren vorhanden sind. Folglich fehlen dieser Vorrichtung die Merkmale 3, 4 und 5.
Die Druckschrift NK4 betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Erkennen von störenden Partikeln, insbesondere Trashteilen, Nissen, Schalennissen, Noppen u. dgl., in textilem Fasergut, z. B. Baumwolle, Chemiefasern u. dgl.. Nach Anspruch 1 dieser Schrift wird die Erkennung der störenden Partikel an einem dünnen Faserflor durchgeführt, wobei Grauwerte -keine Farbwerte -ermittelt werden. Nach dieser Lehre wird der Faserflor auf einer eigens vorgesehenen Vorrichtung und nicht auf einer Öffnungswalze untersucht. Aus diesem Grund sind die Merkmale 3, 4 und 5 gemäß Streitpatent bei dieser Vorrichtung nicht verwirklicht.
Zur Einstellung, Steuerung und/oder Regulierung der Kardenparameter (Anspruch 1) werden gemäß NK6 optische Helligkeitsmessungen am Kardenvlies durchgeführt und die ermittelten Werte als Kriterien für die Einstellung der Kardenparameter verwendet. Demnach werden die Messungen weder an einer Öffnungswalze durchgeführt, noch sind Farbsensoren vorhanden, weshalb diese Vorrichtung keines der Merkmale 2 bis 5 aufweist.
Da die Druckschriften NK5 , NK7, NK8.1 bis NK8.8 und NK9.1 bis NK9.7 jeweils keines der Merkmale 1 bis 6 des Streitpatents belegt, können sie die Neuheit der Vorrichtung nach Anspruch 1 nicht in Frage stellen.
3. Die Vorrichtung nach dem erteilten Anspruch 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit muss die nachveröffentlichte Druckschrift NK1 außer Betracht bleiben.
Die Klägerin hat die erfinderische Tätigkeit der streitpatentgemäßen Vorrichtung gegenüber einer Kombination der Druckschriften NK10 und NK2 bestritten. Aus NK10 sei bei gattungsgemäßen Vorrichtungen bekannt, Farbsensoren gegenüber einer Walze anzubringen und Fremdfasern auszuschleusen, sowie aus NK2, an der Öffnungswalze Fremdfasern zu erfassen. Da jedoch, wie bereits zur Neuheit ausgeführt, weder aus dem Artikel NK10 noch aus der Druckschrift NK2 bekannt ist, gegenüber der Oberfläche einer Öffnungswalze Farbsensoren über die Arbeitsbreite der Öffnungswalze anzubringen, führt auch eine Zusammenschau dieser Druckschriften nicht zu den Merkmalen 3 und 4. Überdies lehrt die NK10 eine Fremdfasererkennungsvorrichtung in eine vorhandene Faseröffnungslinie als zusätzliche Einrichtung aufzustellen, und NK2, die Fremdfasererkennung am zu Einzelfasern aufgelösten Faserflor durchzuführen, weshalb der Fachmann hieraus keine Anregung erhält, die Fremdfasererkennung an einer Öffnungswalze durchzuführen.
Auch eine Zusammenschau mit einer der Druckschriften NK3, NK4 oder NK6 führt nicht zur Vorrichtung nach Anspruch 1, da den aus diesen, wie auch allen anderen im Verfahren befindlichen Druckschriften bekannten Vorrichtungen, bereits die Merkmale 3 und 4 fehlen. Darüber hinaus sind diesem Stand der Technik auch keine Anregungen zu diesen Merkmalen zu entnehmen. Sie betreffen nämlich Fremdfasererkennungsvorrichtungen, die am kardierten, textilen Material (NK3; Anspruch 1), am Faserflor (NK4; Anspruch 1) bzw. am Kardenvlies (NK6; Anspruch 1) vorgesehen sind, und untersuchen somit bereits zu Einzelfasern aufgelöstes Material, wohingegen an einer Öffnungswalze noch nicht zu Einzelfasern aufgelöste Flocken vorliegen.
Da die Druckschriften NK5 , NK7, NK8.1 bis NK8.8 und NK9.1 bis NK9.7 noch weiter ab liegen, können diese die erfinderische Tätigkeit ebenfalls nicht in Frage stellen.
Somit hat der Anspruch 1 des Streitpatents Bestand.
Die Ansprüche 2 bis 7 sind ebenfalls bestandsfähig, da die darin angegebenen Merkmale zweckmäßige, nicht selbstverständliche Ausgestaltungen der Vorrichtung nach Anspruch 1 betreffen.
Da dem Hauptantrag der Beklagten stattzugeben ist, erübrigt es sich, auf deren Hilfsanträge und den im Hinblick darauf vorsorglich gestellten Hilfsantrag der Klägerin einzugehen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollsteckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.
Sredl Merzbach Fritze Rothe Hubertprö
BPatG:
Urteil v. 20.01.2011
Az: 2 Ni 13/09
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