Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg:
Urteil vom 30. März 2009
Aktenzeichen: 10 Sa 70/09

(LAG Berlin-Brandenburg: Urteil v. 30.03.2009, Az.: 10 Sa 70/09)

Der aktienrechtliche Grundsatz der Kapitalerhaltung steht der Anwendung vertraglicher Verfallfrist - außer bei Rechtsmissbrauch - nicht entgegen.

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des ArbeitsgerichtsBerlin vom 3. Dezember 2008 - 17 Ca 11892/08 - wirdzurückgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger bei einemStreitwert von 1.669,00 EUR zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Rückzahlung eines dem Beklagten durch seine ehemalige Arbeitgeberin, die w. t. AG (nachfolgend: Schuldnerin), zum Zwecke des Erwerbs von Aktien der Schuldnerin gewährten Mitarbeiterdarlehens.

Der Beklagte stand aufgrund eines Arbeitsvertrages vom 30. Juni 2000 (Bl 92-100 d.A.) seit dem 12. Juni 2000 in einem Arbeitsverhältnis mit der Schuldnerin. Er war beschäftigt als Software-Entwickler. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund betriebsbedingter Kündigung zum 1. Dezember 2004. Im Arbeitsvertrag war unter anderem vereinbart:

§ 13Rückzahlung von Vorschüssen und Darlehen Im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch offene Restbeträge von Vorschüssen und Darlehen werden ohne Rücksicht auf die bei Hingabe getroffenen Vereinbarungen bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Rückzahlung fällig. Dies gilt nicht, wenn die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen gekündigt hat oder der Arbeitnehmer aus einem zur außerordentlichen Kündigung berechtigenden Grund gekündigt und hierauf hingewiesen hat. § 16Verfallfristen (1) Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht worden sind. (2) Lehnt die Gegenseite den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird. €€Am 8. Juli 2004 erwarben mehrere Arbeitnehmer der Schuldnerin, u.a. der Beklagte, von C. B., einem Aktionär und ehemaligem Vorstand der Schuldnerin, Aktien zu einem Gesamtkaufpreis von 50.000,-- EUR. Der Beklagte erwarb 1.000 Aktien zu einem Kaufpreis von 3.169,-- EUR, nachdem er bereits zuvor Aktionär der Schuldnerin mit 1.000 Aktien war. Zum Zwecke des Erwerbs schloss der Beklagte mit der Schuldnerin einen Darlehensvertrag ohne Datum (Bl. 31-32 d.A.), nach dem die Schuldnerin dem Beklagten ein zweckgebundenes Darlehen in Höhe von 1.669,-- EUR gewährte.

Der Jahresabschluss der Schuldnerin per 31. Dezember 2003 wies einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von 414.023,71 EUR aus. Im Monatsbericht der Schuldnerin für Juni 2004 war zum Eigenkapital ausgeführt: €Das Eigenkapital der Gesellschaft liegt per 30.06.2004 bei T€ ./. 474. Es wird zur Vermeidung der bilanziellen Überschuldung eine Ausweitung der Rangrückstellung bei der tbg beantragt.€ Zum 31. Dezember 2004 erhöhte sich der nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag auf 1.003.206,92 EUR.

Mit Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 1. April 2005 (Bl. 14-15 d.A.) wurde über das Vermögen der Schuldnerin wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt, nachdem die Schuldnerin unter dem 31. Januar 2005 einen entsprechenden Antrag gestellt hatte (Bl. 161 d.A.).

Unter dem 5. September 2005 sowie nochmals mit Schreiben vom 29. Dezember 2005 (Bl. 52-54 d.A.) forderte der Kläger den Beklagten zur Rückzahlung des Darlehens auf, da der Darlehensvertrag nach § 71a AktG unwirksam sei. Grundsätzlich sei zwar die Gewährung eines Darlehens zum Zwecke des Erwerbs von Aktien durch einen Arbeitnehmer nach § 71a Abs.1 Satz 2 AktG zulässig, doch setze dieses voraus, dass die Gesellschaft in der Lage sei, die nach § 272 Abs. 4 des Handelsgesetzbuchs vorgeschriebene Rücklage für eigene Aktien bilden zu können, ohne das Grundkapital oder eine nach Gesetz oder Satzung zu bildende Rücklage zu mindern, die nicht zu Zahlungen an die Aktionäre verwandt werden dürfe. Aufgrund des nicht mehr durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrages und des vollständigen Verbrauchs der Rücklagen hätten keine Rücklagen zum Erwerb eigener Aktien mehr gebildet werden können.

Mit Schreiben vom 16. September 2005 sowie mit Schreiben vom 17. Januar 2006 lehnte der Beklagte die Rückzahlung ab und verwies darauf, dass die Annahme der Unwirksamkeit nach § 71a AktG unzutreffend sei. Der Jahresabschluss 2003 sei geprüft und abgenommen worden. Durch den Rangrücktritt der tbg per 31. Dezember 2003 habe keine bilanzielle Überschuldung vorgelegen.

Der Kläger geht davon aus, dass er als Insolvenzverwalter an die besonderen Regelungen im Darlehensvertrag nicht gebunden sei. Dass die Darlehensgewährung von vornherein mit dem Risiko eines totalen Wertverlustes verbunden gewesen sei (mit der Folge, dass eine Rückforderung nach § 817 Satz 2 BGB ausscheide), werde mit Nichtwissen bestritten. Im Übrigen greife die Rückforderungssperre des § 817 Satz 2 BGB nicht, wenn der Schutzzweck der Nichtigkeitssanktion dem entgegen stehe. Der Beklagte sei auch nicht entreichert. Sofern der Beklagte aufgrund der Regelungen in §§ 4 und 6 des Darlehensvertrages das Darlehen ohnehin nicht hätte zurückzahlen wollen, wie sich aus einer E-Mail an den Vorstand P. H. vom 10.6.2004 (Bl. 210-211 d.A.) ergebe, läge eine unentgeltliche Leistung im Sinne des § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO vor. Eine Aufrechnung sei im Hinblick auf § 96 InsO ausgeschlossen. Der Anspruch sei auch nicht verfallen, weil er von der Verfallklausel im Arbeitsvertrag nicht erfasst werde. Der Schutzzweck der §§ 70 und 71a AktG, dass zum Schutz der Aktionäre und Gläubiger der Schuldnerin verhindert werden solle, dass das Grundkapital von der Schuldnerin an die Gesellschafter zurückgezahlt werde, weil den Gesellschaftsgläubigern nur mit dem Grundkapital gehaftet werde, stehe die Anwendung arbeitsvertraglicher Verfallklauseln entgegen. Denn hier gehe es nicht nur um die Arbeitgeber-Arbeitnehmerbeziehung, sondern in Ansehung des § 71a AktG liege ein Drittbezug bezüglich der Gesellschaftsgläubiger vor. Schließlich sei auch eine Rückforderung des Darlehensbetrages nach § 62 AktG begründet. Gemäß § 57 Abs.1 Satz 1 AktG dürften Aktionären ihre Einlagen nicht wieder zurückgewährt werden. Aufgrund seines Schutzzwecks finde diese Vorschrift auch auf künftige Aktionäre Anwendung. Deshalb sei der Beklagte auch insoweit wegen des unter Verstoß gegen § 71a AktG zustande gekommenen Darlehensvertrages zur Rückzahlung der Darlehenssumme verpflichtet. Nach Ansicht des Klägers lag mit dem nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag zum Zeitpunkt der Darlehensgewährung eine handelsbilanzielle Überschuldung vor. Bei der Rückforderung des Darlehens mit Schreiben vom 5. September 2005 habe es sich um eine außerordentliche Kündigung des Darlehensvertrages gehandelt.

Der Beklagte meint, dass die Darlehensgewährung von vornherein mit dem Risiko eines totalen Wertverlustes verbunden gewesen sei und deshalb eine Rückforderung nach § 817 Satz 2 BGB ausscheide. Der Schuldnerin sei ggf. auch ihre wirtschaftliche Situation bekannt gewesen, so dass auch insoweit die Rückforderungssperre des § 817 Satz 2 BGB greife. Abweichende Anhaltspunkte seien angesichts der unstreitigen vorherigen anwaltlichen Beratung der Schuldnerin nicht ersichtlich oder vorgetragen. Allerdings sei bisher auch kein Vortrag des Klägers erfolgt, der den zwingenden Schluss auf die Vermögensverhältnisse der Schuldnerin zum Zeitpunkt der Darlehensgewährung zulasse. Eine Kündigung des Darlehensvertrages sei nicht erfolgt, sondern die Rückforderung ausdrücklich nur unter Berufung auf § 71a AktG erfolgt. Selbst wenn man das Rückforderungsschreiben als außerordentliche Kündigung ansehen würde, sei die Rückforderung im Dezember 2005 verwirkt gewesen. Der Kläger sei auch entreichert, denn die Darlehenssumme sei ihm nie zugegangen. Er habe auch keine Aufwendungen erspart, weil er ansonsten keine Aktien der Schuldnerin erworben hätte. Eine unentgeltliche Leistung im Sinne des § 134 InsO liege nicht vor. Denn grundsätzlich sei sowohl eine Verzinsung wie auch eine Rückzahlung im Darlehensvertrag vereinbart worden. Auch habe die Schuldnerin einen eigenen Vorteil durch die Darlehensgewährung erlangt, so dass allein aus diesem Grund schon die Annahme der Unentgeltlichkeit ausscheide. Schließlich sei die Verfallfrist des Arbeitsvertrages einschlägig.

Von der weiteren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird gemäß § 69 Abs. 2 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) abgesehen.

Das Arbeitsgericht Berlin hat mit Urteil vom 3. Dezember 2008 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die arbeitsvertraglich vereinbarte Verfallfrist auf den Darlehensvertrag anzuwenden sei und zumindest eine rechtzeitige gerichtliche Geltendmachung nicht erfolgt sei. Aktienrechtliche Vorschriften stünden dem Verfall des Rückforderungsanspruchs nicht entgegen. Nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 16.9.2002 - II ZR 107/01) hafte in der Regel das Organ einer Gesellschaft den Gesellschaftern, was auch für die verspätete Geltendmachung von Forderungen gelte.

Gegen dieses dem Kläger am 11. Dezember 2008 zugestellte Urteil legte dieser am 8. Januar 2009 Berufung ein und begründete diese mit am 10. Februar 2009 per Telefax eingegangenem Schriftsatz vom 9. Februar 2009.

Zur Begründung führte der Kläger aus, dass die Verfallfrist keine Anwendung auf den Darlehensvertrag finde. Unabhängig davon sei die Verfallklausel aber in Ansehung der §§ 70 und 71a AktG auch nichtig. Zwingende Grundsätze des Aktienrechts würden arbeitsvertraglichen Verfallfristen entgegenstehen, wie das BAG in dem Urteil vom 4.10.2005 - 9 AZR 58´98/04 ausgeführt habe. Die Anwendung einer vertraglichen Regelung, die die Möglichkeit der Durchsetzung von kapitalerhaltenden Vorschriften zum Nachteil der Gesellschaftsgläubiger reduziere, widerspreche dem Willen des Gesetzgebers. Bei Drittwirkungen könnten vertragliche Verfallklauseln nicht wirksam sein. Insoweit müssten die Verjährungsfristen angewandt werden. Und die seien bei dem nach §§ 62, 57 AktG geltend gemachten Ansprüchen sogar 10 Jahre. Eine angemessene Zeit zur Prüfung und Durchsetzung der Forderung sei angesichts der kurzen Verfallfrist nicht gegeben. Der insolvenzrechtliche Erstattungsanspruch werde von der Verfallfrist nicht erfasst. Und weil es sich hier um eine unentgeltliche Leistung gehandelt habe, sei § 134 InsO in Verbindung mit § 140 Abs. 3 InsO einschlägig.

Der Kläger und Berufungskläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 3. Dezember 2008, Aktenzeichen 17 Ca 11892/08 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger den Betrag von € 1.669,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20. Januar 2006 zu zahlen.

Der Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung. Der Grundsatz der Kapitalerhaltung überwiege nicht gegenüber der vertraglichen Verfallfrist. Denn grundsätzlich seien auch Verjährungsvorschriften anzuwenden. Weshalb dann vertragliche Verfallfristen nicht gelten sollten, sei nicht nachvollziehbar. Eine rechtzeitige Geltendmachung sei dem Kläger möglich gewesen. Etwas anderes behaupte der Kläger auch nicht.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den vorgetragenen Inhalt der Berufungsbegründung des Klägers vom 9. Februar 2009, seine Schriftsätze vom 20. März 2009 und 26. März 2009 sowie auf die Berufungsbeantwortung des Beklagten vom 18. Februar 2009 und das Sitzungsprotokoll vom 30. März 2009 Bezug genommen.

Gründe

I.

Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht im Sinne der §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 Zivilprozessordnung (ZPO) eingelegt und begründet worden.

II.

Die Berufung ist aber unbegründet und daher zurückzuweisen.

Sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung hat das Arbeitsgericht zu Recht der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht folgt dem Arbeitsgericht Berlin im Ergebnis und im Wesentlichen auch in der Begründung. Die Kammer sieht gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG von einer ausführlichen, nur wiederholenden Begründung ab. Im Hinblick auf die vom Arbeitsgericht nicht angesprochenen Aspekte des Falles und die dazu erfolgten Ausführungen in der Berufungsinstanz ist aber unabhängig davon, dass die erstinstanzlich vom Kläger erklärte Aufrechnung mit Schadenersatzansprüchen nach § 96 InsO wohl ins Leere gehen dürfte (vgl. BGH, Urteil vom 11. Dezember 2008 - IX ZR 195/07), ohne dass es entscheidungserheblich wäre, folgendes zu ergänzen:

1. Der Berufungskläger hat schon keine hinreichenden Tatsachen dargelegt, aus denen sich ergibt, dass ein Fall der Rückausnahme des § 71a Abs. 1 Satz 2 AktG hier überhaupt vorliegt, also die Schuldnerin am 8. Juli 2004 die nach § 272 Abs. 4 HGB vorgeschriebene Rücklage für eigene Aktien nicht mehr bilden konnte, ohne das Grundkapital oder eine nach Gesetz oder Satzung zu bildende Rücklage zu mindern, die nicht zu Zahlungen an die Aktionäre verwandt werden durfte, obwohl der Beklagte im Schriftsatz vom 9. Juli 2008 bereits ausdrücklich - auch unter Bezugnahme auf eine Auflage des AG Mitte in einem Parallelverfahren - darauf hingewiesen hatte. Soweit im Termin vor dem Landesarbeitsgericht ergänzende Ausführungen erfolgt waren, hat der Kläger diese zulässigerweise mit Nichtwissen bestritten. Angesichts des Bestreitens des Klägers bereits im Schriftsatz vom 9. Juli 2008 bedurfte es der Einräumung einer Schriftsatzfrist, die der Kläger auch nicht erbeten hatte, nicht. Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistet dem an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten das Recht, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt und zur Rechtslage zu äußern. Eine dem verfassungsrechtlichen Anspruch genügende Gewährung rechtlichen Gehörs setzt voraus, dass der Verfahrensbeteiligte bei Anwendung der von ihm zu verlangenden Sorgfalt zu erkennen vermag, auf welche Gesichtspunkte es für die Entscheidung ankommen kann. In einem solchen Fall ist ein gerichtlicher Hinweis geboten (BGH, Beschluss vom 15. Februar 2005 - XI ZR 144/03). Ein Gericht verstößt gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs, wenn es ohne vorherigen Hinweis Anforderungen an den Sachvortrag stellt oder auf rechtliche Gesichtspunkte abstellt, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 12. Juni 2003 - 1 BvR 2285/02). Ein gerichtlicher Hinweis ist allerdings entbehrlich, wenn die Partei von der Gegenseite die gebotene Unterrichtung bereits erhalten hat (BGH, Beschuss vom 20. Dezember 2007 - IX ZR 207/05 mit weiteren Nachweisen). Entsprechendes gilt für das Berufungsgericht, wenn der Hinweis bereits im ersten Rechtszug erfolgt ist (BGH, Urteil vom 22. November 2006 - VIII ZR 72/06).

2. Selbst wenn man aber davon ausgehen sollte, dass entsprechend hinreichender Vortrag durch den Kläger erfolgt sei und damit der Darlehensvertrag zwischen der Schuldnerin und dem Beklagten grundsätzlich nichtig wäre, übersieht der Kläger, dass hier die Rückforderungssperre des § 817 Satz 2 BGB eingreift. Zwar hat der Kläger mit Nichtwissen bestritten, dass der für die Schuldnerin handelnde Vorstand P. H. bei Auskehr des Darlehens zumindest leichtfertig gehandelt habe, doch angesichts der Ausführungen des Beklagten im Schriftsatz vom 9. Juli 2008, dass aufgrund regelmäßiger anwaltlicher Beratung des Herrn H. zunächst eine korrekte Beratung anzunehmen sei, hätte es eines substantiierten Bestreitens seitens des Klägers bedurft, was nicht erfolgt ist. Zwar hat der BGH mit Urteil vom 10. November 2005 - III ZR 72/05 entschieden, dass die Rückforderungssperre des § 817 Satz 2 BGB nicht greife, wenn der Schutzzweck der Nichtigkeitssanktion dem entgegen stehe, doch zum einen nahm der BGH dieses nur bei entsprechender Sittenwidrigkeit an und im übrigen steht der Schutzzweck des § 71a AktG Rückforderungssperre des § 817 Satz 2 BGB nicht entgegen. Abgesehen von dem unklaren Schutzzweck (vgl. dazu unten 4.) ist auch nicht erkennbar, dass der Grundsatz der Kapitalerhaltung ein überragendes Rechtsgut darstellt, das der Rückforderungssperre entgegenstehen würde.

3. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Rückforderungssperre des § 817 Satz 2 BGB hier nicht eingreife, weil der Beklagte die Leichtfertigkeit des Herrn H. nicht hinreichend dargelegt habe oder sie aus sonstigen Gründen nicht einschlägig sei, übersieht der Kläger, dass die arbeitsvertragliche Verfallfrist entsprechend der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 4. Oktober 2005 - 9 AZR 598/04 auf die Rückforderung aus einem Darlehensvertrag wie dem hier vorliegenden anzuwenden ist.

4. Selbst wenn man davon ausgehen sollte, dass aufgrund des aktienrechtlichen Grundsatzes der Kapitalerhaltung arbeitsrechtliche Verfallfristen nur eingeschränkt anzuwenden seien, übersieht der Kläger, dass § 71a AktG nicht, zumindest nicht allein dem Grundsatz der Kapitalerhaltung dient. Aus der amtlichen Überschrift wird nämlich überwiegend gefolgert, die Norm diene der Verhinderung von Umgehungen des Verbots des Erwerbs eigener Aktien entsprechend § 71 AktG (Lutter, in: Kölner Komm., AktG, 2. Aufl. (1988), § 71 Rdnr. 2). Darüber hinaus werden als weiterer Zweck aber auch die Vermeidung einer bestimmten Art der Finanzierung bei der Unternehmensübernahme (Oechsler, in: MünchKomm-AktG, 2. Aufl. (2003), § 71 Rdnr. 4a. E), der Schutz der (Minderheits-)Aktionäre vor Ungleichbehandlungen entsprechend § 53a AktG (Schroeder, Finanzielle Unterstützung des Aktienerwerbs, 1994, S. 162f.) sowie die Funktion genannt, einer Einflussnahme der Gesellschaft auf die Zusammensetzung des Aktionärskreises zu begegnen (Habersack, in: Festschrift für Röhricht, S. 155, 160, 164, 166). Eine weitere Ansicht sieht - wie vom Kläger angenommen - die Sicherung der Kapitalerhaltung (Hüffer, AktG, 7. Aufl. (2006), § 71a Rdnr. 3) als Zweck des § 71a AktG an. Insofern ist ein Vorrang des aktienrechtlichen Grundsatzes der Kapitalerhaltung vor der Einhaltung arbeitsvertraglicher Regelungen aus dem Schutzzweck des § 71a AktG nicht abzuleiten.

285. Selbst wenn man aber davon ausgehen sollte, dass der Grundsatz der Kapitalerhaltung der Hauptzweck oder der alleinige Zweck des § 71a AktG wäre, übersieht der Kläger, dass dieser kein gesetzliches Verbot der Vereinbarung arbeitsvertraglicher Verfallfristen beinhaltet und die im Rahmen der Vertragsfreiheit entsprechend vereinbarten Verfallfristen auch grundsätzlich nicht sittenwidrig sind, da an keiner Stelle entsprechende Hinweise des Gesetzgebers erfolgt sind. Deshalb ist ein Berufen auf eine Verfallfrist bei mittelbarer Gesellschafterbenachteiligung nur dann unzulässig, wenn das Vorgehen in einem derartigen Maße gegen Treu und Glauben verstieße, dass der Anwendung der Verfallfrist unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung die Wirksamkeit abzusprechen wäre, wie der BGH im Urteil vom 16.9.2002 - II ZR 107/01 für den insoweit vergleichbaren Fall der Verjährungseinrede entschieden hat.

Gleiches gilt für den Rückgewähranspruch aus §§ 57, 62 AktG, der - abgesehen vom Fall des Rechtsmissbrauchs - auch von den Verfallfristen erfasst wird. Soweit der Kläger meint, dass es nicht nachvollziehbar sei, dass bei einem Schadenersatzanspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber das Gebot der Kapitalerhaltung dem entgegenstehen könne, bei der Anwendung von Verfallfristen aber nicht, übersieht der Kläger, dass das BAG zum einen lediglich - als nicht tragenden Grund seiner Entscheidung - auf die Entscheidung des BGH vom 9. Mai 2005 - II ZR 287/02 - verwiesen hat und der BGH damit nur die Rückgewähr der Einlagen und den Erwerb eigener Aktien im Rahmen der Naturalrestitution entgegen dem Gesetzeswortlaut für zulässig erachtet hat, obwohl diese Vorschriften einem solchen Schadenausgleich normalerweise entgegenstehen würden.

Hier kommt noch hinzu, dass angesichts der betriebsbedingten Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Beklagten die Rückforderung der Darlehenssumme durch das Ende des Arbeitsverhältnisses aufgrund der Regelung in § 13 Satz 2 des Arbeitsvertrages noch gar nicht fällig war und insofern der Kläger selbst es in der Hand hatte, den Beginn der Verfallfrist nach § 488 Abs. 3 BGB selbst zu bestimmen. Schützenswerte Interessen des Klägers, die eine Nichtigkeit bzw. Teilnichtigkeit der arbeitsvertraglichen Verfallfrist erfordern würden, sind nicht ersichtlich.

6. Auch die vom Kläger herangezogene insolvenzrechtliche Rückgewähr nach § 134 InsO verschafft der Berufung keinen Erfolg. Der insolvenzrechtlichen Rückgewähr steht entsprechend der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 19.11.2003 - 10 AZR 110/03 - zwar nicht die arbeitsvertragliche Verfallklausel entgegen, aber die arbeitsrechtliche Verfallklausel wurde am 30.6.2000 außerhalb des Vier-Jahres-Zeitraums des § 134 Abs. 1 InsO vereinbart.

7. Selbst wenn man davon ausgehen sollte, dass die Anfechtung innerhalb des Vier-Jahres-Zeitraums erfolgt wäre, übersieht der Kläger, dass es sich nicht um eine unentgeltliche Leistung handelte, wie das Landgericht Berlin in einem Parallelverfahren (53 S 340/08) unter Hinweis auf die Verzinsung und die grundsätzliche Rückzahlungspflicht zutreffend ausgeführt hat.

8. Selbst wenn es sich aber hier um eine unentgeltliche Leistung im Sinne des § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO handeln sollte, würde die Rückgewähr nach § 143 Abs. 2 Satz 1 InsO eine Bereicherung des Beklagten voraussetzen. Da dem Beklagten die Darlehenssumme nie zugegangen ist, sondern er diese sogleich und zweckgebunden für den Aktienkauf zu verwenden gehabt hatte und der Beklagte keine Aufwendungen erspart hätte, weil er ansonsten keine Aktien der Schuldnerin erworben hätte, ist eine Bereicherung des Beklagten nicht ersichtlich.

9. Selbst wenn aber noch eine Bereicherung des Beklagten ersichtlich wäre, weil er noch die erworbenen Aktien besitzen würde und diese noch einen Restwert hätten, was bisher weder vorgetragen noch ersichtlich ist, träfe den Beklagten nur die gemilderte Haftung des § 143 Abs. 2 Satz 1 InsO. Die verschärfte Haftung des § 143 Abs. 2 Satz 2 InsO würde den Beklagten nur bei Kenntnis der Gläubigerbenachteiligung treffen, was nach der jüngsten Rechtsprechung des BGH bei Arbeitnehmern eine sehr hohe Hürde ist (Urteil vom 19.2.2009 - IX ZR 62/08) und für die keine Anhaltspunkte ersichtlich sind.

Denn das Arbeitsgericht hatte unter Bezugnahme auf die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts mit zutreffenden Erwägungen ausgeführt, dass von einer betrieblichen Übung auszugehen sei. Soweit die Beklagte meint, dass Arbeitszeitfragen eher nicht einer betrieblichen Übung unterfallen würden, weil sie stark in das Organisationsgefüge des Betriebes eingreifen würden, übersieht die Beklagte zum einen, dass in diesem Bereich dennoch eine betriebliche Übung entstehen kann und zum anderen, dass es hier eher nicht um das Organisationsgefüge geht.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs.6 ArbGG in Verbindung mit §§ 91, 97 Abs. 1 ZPO. Als unterlegene Partei hat der Kläger die Kosten der Berufung und des Rechtsstreits zu tragen.

Die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs.2 ArbGG kam nicht in Betracht, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorgelegen haben. Ein Grund die Revision zuzulassen ist nicht ersichtlich. Der Kern des Rechtsstreits, nämlich die Wirkung von Verfallfristen auf aktienrechtliche und insolvenzrechtliche Rückgewähransprüche ist vom Bundesarbeitsgericht bereits höchstrichterlich entschieden und weitergehende Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung sind, sofern man sie überhaupt annehmen sollte, für den Fall nicht von entscheidender Bedeutung.






LAG Berlin-Brandenburg:
Urteil v. 30.03.2009
Az: 10 Sa 70/09


Link zum Urteil:
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