Bundespatentgericht:
Beschluss vom 20. Juli 2005
Aktenzeichen: 32 W (pat) 146/03
(BPatG: Beschluss v. 20.07.2005, Az.: 32 W (pat) 146/03)
Tenor
1. Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 12. Februar 2003 aufgehoben, soweit die Anmeldung für
"Ton-, Bild- und Datenträger aller Art, insbesondere Tonbänder, Kassetten, Compact Discs, Schallplatten, DAT-Bänder, Videobänder, Disketten, CD-ROMs, sämtliche vorstehenden Waren in unbespielter Form;
Marketing, Marktforschung, Marktanalyse; Unternehmens- und Organisationsberatung; Meinungsforschung; Werbeforschung;
Vermittlung und Abschluss von Handelsgeschäften für andere; Vermittlung von Verträgen über die Anschaffung und Veräußerung von Waren; telefonische Bestellannahme für Teleshopping-Angebote;
Sammeln von Nachrichten und allgemeinen Informationen; Ton-, Bild- und Datenübertragung durch Kabel, Satellit, Computer (-Netzwerke), Telefon- und ISDN-Leitungen sowie jegliche weitere Übertragungsmedien;
Veröffentlichung von Prospekten; Werbefilmproduktion; Werbefilmvermietung;
Produktion von Film-, Fernseh-, Rundfunk-, BTX-Videotext-, Fernsehunterhaltung; Produktion von Film-, Fernseh-, Rundfunk-, BTX-Videotext-, Teletext-Programmen oder -Sendungen; Filmvermietung, Produktion von Teleshopping-Sendungen; Veröffentlichung und Herausgabe von Druckereierzeugnissen in elektronischer Form, insbesondere Katalogen, Büchern, Zeitungen und Zeitschriften"
zurückgewiesen wurde.
2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die unter anderem für folgende Waren und Dienstleistungen
"Ton-, Bild- und Datenträger aller Art, insbesondere Tonbänder, Kassetten, Compact Discs, Schallplatten, DAT-Bänder, Videobänder, Disketten, CD-ROMs, sämtliche vorstehenden Waren in bespielter und unbespielter Form; Magnetaufzeichnungsträger;
Druckereierzeugnisse; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Marketing, Marktforschung, Marktanalyse; Unternehmens- und Organisationsberatung; Vermittlung und Abschluss von Handelsgeschäften für andere; Vermittlung von Verträgen über die Anschaffung und Veräußerung von Waren; Meinungsforschung; Werbeforschung; Verteilung von Waren zu Werbezwecken; Werbemittlung; Werbung, insbesondere Rundfunk-, Fernseh-, Kino-, Print-, Videotext- und Teletextwerbung; Werbevermarktung, insbesondere in vorbenannten Medien und über vorbenannte Medien;
Veröffentlichung von Prospekten; Werbefilmproduktion; Werbefilmvermietung; telefonische Bestellannahme für Teleshopping-Angebote; Telekommunikation; Ausstrahlung von Film-, Fernseh-, Rundfunk-, BTX-, Videotext-, Teletext-Programmen oder -Sendungen, insbesondere Werbespots; Ausstrahlung von Teleshopping-Sendungen; Sammeln und Liefern von Nachrichten und allgemeinen Informationen; Ton-, Bild- und Datenübertragung durch Kabel, Satellit, Computer (-Netzwerke), Telefon- und ISDN-Leitungen sowie jegliche weitere Übertragungsmedien; Erziehung, Ausbildung, Unterhaltung, sportliche und kulturelle Aktivitäten; Rundfunk- und Fernsehunterhaltung; Produktion von Film-, Fernseh-, Rundfunk-, BTX-Videotext-, Fernsehunterhaltung; Produktion von Film-, Fernseh-, Rundfunk-, BTX-Videotext-, Teletext-Programmen oder -Sendungen; Filmvermietung; Produktion von Teleshopping-Sendungen; Veröffentlichung und Herausgabe von Druckereierzeugnissen in elektronischer Form, insbesondere Katalogen, Büchern, Zeitungen und Zeitschriften; Einrichten und Betreiben einer Datenbank; Anbieten und Mitteilen von auf einer Datenbank gespeicherten Informationen, insbesondere auch mittels interaktiv kommunizierender (Computer-) Systeme"
angemeldete Wortmarke ServiceTainmenthat die Markenstelle mit Beschluss vom 12. Februar 2003 für die oben genannten Waren und Dienstleistungen zurückgewiesen.
Dies ist damit begründet, im Hinblick auf die bekannten Begriffe "Service" (Kundendienst) und "Entertainment" (berufsmäßig gebotene leichte Unterhaltung) sei die Bezeichnung "ServiceTainment" ohne weiteres verständlich als Sachhinweis auf Art, Inhalt und Anwendungsbereich. Der Begriff sei sprachüblich gebildet; "Edutainment" und "Infotainment" stünden für unterhaltende Arten der Wissens- bzw Informationsvermittlung, wie der DUDEN belege. "ServiceTainment" drücke daher lediglich aus, dass ein Service auf unterhaltsame Weise erbracht werde.
Die Verwendung eines Großbuchstabens an der Wortfuge sei eine werbübliche Schreibweise, die weder Unterscheidungskraft verleihe noch das Freihaltungsbedürfnis überwinde.
Voreintragungen von Marken mit dem Bestandteil "-tainment" hätten keine Bindungswirkung.
Dagegen hat die Anmelderin am 4. März 2003 Beschwerde erhoben.
Sie trägt zur Begründung vor, "ServiceTainment" sei eine schöpferische Wortkombination. "Service" habe ganz unterschiedliche Bedeutungsinhalte. Selbst wenn man "Tainment" mit "Entertainment" gleichsetzen wollte, hätte die Kombination mit "Service" keinen verständlichen und rein beschreibenden Bedeutungsinhalt. Dem entspreche die große Zahl vergleichbarer Voreintragungen auf deutscher und europäischer Ebene.
Auch sei völlig unklar, wie man Kundendienst in unterhaltsamer Weise erbringen solle. Berichte über die Sendeformate der Anmelderin machten aus "ServiceTainment" keinen beschreibenden Gattungsbegriff; "ServiceTainment" stehe dort in der Regel in Anführungszeichen.
Die Anmelderin beantragt, den Beschluss vom 12. Februar 2003 insoweit aufzuheben, als die Anmeldung zurückgewiesen wurde, und die Eintragung der angemeldeten Marke in vollem Umfang zu verfügen, hilfsweise die Rechtsbeschwerde zuzulassen, um zu klären, wann und in welcher Form einer Marke ihre Benutzung vor Eintragung entgegengehalten werden könne, oder die grundlegende Frage dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen, wann von der Eintragungsfähigkeit zweier zusammengesetzter Wörter auszugehen sei, die zwar für sich genommen möglicherweise beschreibenden Charakter hätten, jedoch zusammengesetzt eine nicht lexikalisch nachweisbare Wortneuschöpfung darstellten.
Zur Ergänzung des Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze der Anmelderin Bezug genommen; wegen sonstiger Einzelheiten auf den Akteninhalt.
II.
1) Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig und hat in der Sache teilweise Erfolg. Einer Registrierung der angemeldeten Marke stehen für die im Tenor genannten Waren und Dienstleistungen keine Schutzhindernisse aus § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG entgegen.
a) Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die nur aus Zeichen oder Angaben bestehen, welche im Verkehr u.a. zur Bezeichnung der Art, der Bestimmung, der geographischen Herkunft oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale dienen können (vgl. BGH GRUR 2002, 64 - INDIVIDUELLE).
Dabei kommt es nicht darauf an, ob andere gleichwertige Angaben und Zeichen zur Verfügung stehen. Vielmehr muss den Mitbewerbern die freie Wahl zwischen allen unmittelbar beschreibenden Angaben und Zeichen erhalten bleiben. Dies gilt selbst für nicht geläufige beschreibende Bezeichnungen; auch an neuen Begriffen kann ein Freihaltungsbedürfnis bestehen (STRÖBELE/HACKER, Markengesetz, 7. Aufl., § 8 Rdnr. 228).
Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 21. Mai 2003, Az: 32 W (pat) 50/02, zu "EDUTAINMENT" ausgeführt hat, beschreibt der Wortbestandteil "-tainment" eine unterhaltsame, spielerische Vermittlung, im vorliegenden Fall die von Service (vgl. HORX, Trendwörter, S. 68 "Edutainment").
aa) Serviceleistungen und entsprechende Hilfestellungen können auf allen Arten von Datenträgern in bespielter Form gespeichert und Inhalt von Druckereierzeugnissen, Datenbanken sowie Lehr- und Unterrichtsmitteln sein. Damit ist die angemeldete Marke auch für die mit dem Datenbankbetrieb verbunden Dienstleistungen beschreibend; anders als etwa Verlagsdienstleistungen (siehe dazu ii) werden Datenbankangebote nämlich nach dem thematischen Inhalt der gespeicherten Daten benannt.
In unbespielter Form können die Datenträger dagegen nicht mit der angemeldeten Marke beschrieben werden.
bb) Die Verteilung von Waren zu Werbezwecken kann ebenso wie jede andere Werbung bzw. Werbemittlung als Service angesehen und unterhaltsam durchgeführt werden, so dass die angemeldete Marke insoweit beschreibend und damit freihaltungsbedürftig ist.
cc) Alle Formen von Erziehung und Ausbildung können unterhaltsam dargebotene Service-Leistungen darstellen.
dd) Für Unterhaltung, sportliche und kulturelle Aktivitäten; Rundfunk- und Fernsehunterhaltung ist "ServiceTainment" beschreibend, weil diese Dienstleistungen mit Service-Leistungen verbunden sein können.
ee) Telekommunikation besteht auch in der Verbreitung (= Ausstrahlung) von Rundfunk- oder Fernsehprogrammen (siehe die erläuternde Anmerkung zu Klasse 38 gem. Internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen, wiedergegeben im Internet auf der Homepage des DPMA unter http://www.dpma.de/-suche/klass/wd/einteilung_anm.html). Wegen des engen sachlichen Zusammenhangs zwischen Inhalt und Anbieter ist "ServiceTainment" zur Beschreibung der Dienstleistungen Telekommunikation; Ausstrahlung von Film-, Fernseh-, Rundfunk-, BTX-, Videotext-, Teletext-Programmen oder -Sendungen, insbesondere Werbespots; Ausstrahlung von Teleshopping-Sendungen geeignet (vgl. BGH GRUR 2003, 342 - WINNETOU; GRUR 2000, 882 - BÜCHER FÜR EINE BESSERE WELT).
ff) Die Sammlung von Nachrichten und Informationen wird im Gegensatz zu deren Lieferung unterhaltungsfrei geschehen; selbst "trockene2 Nachrichten werden heutzutage aber unterhaltsam "geliefert" (etwa Wetterberichte, News auf Handys etc.), so dass die angemeldete Marke hierfür beschreibend ist.
gg) Bei Marketing, Marktforschung, Marktanalyse, Meinungs- und Werbeforschung sowie Unternehmens- und Organisationsberatung kann zwar die Datenerhebung oder die Darstellung der Ergebnisse unterhaltsam erfolgen, nicht aber die Dienstleistung für einen Auftraggeber, auf die es vorliegend für die Beurteilung des Freihaltungsbedürfnisses allein ankommt.
hh) Handelsgeschäfte und Verträge können zwar auf unterhaltsame Weise bewerkstelligt werden, wie diverse Pay-TV-Kanäle belegen. Die angemeldete Marke heißt aber nicht "VerkaufsTainment", und Service umfasst die darauf bezogenen und hier allein beanspruchten Vermittlungsdienstleistungen für andere nicht.
ii) Tätigkeiten, wie die Veröffentlichung von Prospekten, Werbefilmproduktion und -vermietung, Produktion von medialer Unterhaltung, Programmen und Sendungen sowie von Teleshopping-Sendungen, Veröffentlichung und Herausgabe von Druckereierzeugnissen in elektronischer Form sowie die technischen Datenübertragungsdienstleistungen beschreibt die angemeldete Marke nicht in freihaltungsbedürftiger Weise, weil Tätigkeiten des Herausgebers, Produzenten bzw. Datenübermittlers nicht mit der Angabe des Inhalts der möglicherweise verlegten und sonst angebotenen Produkte oder übermittelten Daten beschrieben werden, wenn sie - wie hier - nicht thematisch beschränkt sind (vgl. BPatG GRUR 2004, 333 - ZEIG DER WELT DEIN SCHÖNSTES LÄCHELN).
b) Unproblematisch nicht unterscheidungskräftig im Sinn von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die angemeldete Marke für die Waren und Dienstleistungen, bei denen - wie oben unter aa) bis ff) ausgeführt - ein Freihaltungsbedürfnis gegeben ist.
Auch der Binnenmajuskel kann keine Unterscheidungskraft begründen; diese Schreibweise ist werbeüblich (BahnCard etc.) und betont die Zusammensetzung des Markenworts aus "Service" und "(Enter)tainment" und damit auch den sich daraus ergebenden Sinngehalt sogar noch.
Ob die angemeldete Marke insoweit auch ein gebräuchlicher Begriff ist, kann dahinstehen.
Unterscheidungskraft im Sinn der genannten Bestimmung ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, die Waren oder Dienstleistungen, für welche die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Waren oder Dienstleistungen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. EuGH GRUR 2004, 1027, 1029, Tz. 33, 42 - DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT).
Die Unterscheidungskraft ist zum einen im Hinblick auf die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen und zum anderen im Hinblick auf die beteiligten Verkehrskreise zu beurteilen, wobei es auf die mutmaßliche Wahrnehmung eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen ankommt (vgl. EuGH GRUR 2004, 428, 431 - Tz. 50 - HENKEL).
Für die übrigen - im Tenor genannten - Waren und Dienstleistungen ist die angegriffene Marke unterscheidungskräftig, da es sich bei ihr um keinen gebräuchlichen Begriff handelt.
2) Für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde bzw. für eine Vorlage an den EuGH besteht keine Veranlassung, da es nicht auf die "Vorbenutzung" ankommt und "ServiceTainment" als Gesamtbegriff beschreibend ist, also nicht auf die Bedeutung der einzelnen Bestandteile und deren Wirkung in der Kombination abzustellen ist.
Viereck Dr. Albrecht Kruppa Hu
BPatG:
Beschluss v. 20.07.2005
Az: 32 W (pat) 146/03
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