Oberlandesgericht Hamm:
Beschluss vom 29. September 2006
Aktenzeichen: 1 ZU 63/06
(OLG Hamm: Beschluss v. 29.09.2006, Az.: 1 ZU 63/06)
Tenor
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Antragsgegnerin werden dem Antragsteller auferlegt.
Der Gegenstandswert wird auf 12.500,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der seit dem 20.07.1970 als Rechtsanwalt bei dem Amtsgericht X2 und dem Landgericht E2 zugelassene Antragsteller beantragte mit Schreiben vom 09.05.2005, ihm das Führen der Bezeichnung "Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht" zu gestatten. Er legte seinem Antrag ein Verzeichnis über die im Zeitraum 2004 bis Mitte Mai 2005 bearbeiteten Fälle bei, die Fallliste wurde auf Anforderung der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 01.06.2005 ergänzt. Der Nachweis der praktischen Fälle ist nach Ansicht der Antragsgegnerin erbracht, sie geht von 81 vom Antragsteller geführten gerichtlichen Verfahren und 14 selbständigen Beweisverfahren im maßgeblichen Zeitraum aus; weitere 38 Fälle betreffen Beratungsmandate.
Uneinigkeit besteht hinsichtlich der Frage, ob der Antragsteller die besonderen theoretischen Kenntnisse in allen Bereichen des § 14 e FAO nachgewiesen hat. Der Antragsteller ist der Auffassung, er müsse im Detail besondere theoretische Kenntnisse nicht nachweisen, er könne sich auf die sogenannte "Alte-Hasen-Regelung" berufen. Im Hinblick auf seine langjährige erfolgreiche Praxis im Bau- und Architektenrecht, seine literarische Tätigkeit und der Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen sei er umfassend auf allen Gebieten des Bau- und Architektenrechts tätig und ausgebildet. Die von ihm besuchten Fortbildungsveranstaltungen und der Schluss von erfolgreicher Mandatsbearbeitung auf theoretische Kenntnisse ersetze den Besuch eines Fachlehrgangs im Sinne des § 4 Abs. 1 FAO.
Die Antragsgegnerin war nach Auswertung der vom Antragsteller eingereichten Publikationsnachweise, seiner Referententätigkeit und der von ihm besuchten Fortbildungsseminare der Auffassung, der Nachweis besonderer theoretischer Kenntnisse auf den Gebieten des Architekten- und Ingenieurrechtes, des öffentlichen Baurechtes und der Besonderheiten der Verfahrens- und Prozessführung sei nicht geführt. Mit Schreiben vom 06.04.2006 lud die Antragsgegnerin den Antragsteller zu einem Fachgespräch, das sich auf die eben genannten Bereiche beziehen sollte. Der Antragsteller teilte mit Schreiben vom 11.04.2006 mit, ein Fachgespräch lehne er ab, weil mangels Defiziten in den genannten Bereichen ein Gespräch nicht geführt werden dürfe. Er sei um des "lieben Friedens willen" bereit, "bei Gestellung eines besonderen, nicht wettbewerbsbelasteten Gremiums und gleichzeitigem dortigen Verzicht auf die Rechtsfolge eines eventuellen negativ verlaufenden Fachgespräches im Bereich Öffentliches Baurecht" sich mit einem Fachgespräch einverstanden zu erklären.
Mit Beschluss vom 16.05.2006 wies die Antragsgegnerin den Antrag auf Verleihung der Bezeichnung "Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht" zurück. Die Antragsgegnerin bezog sich im wesentlichen auf die im Rahmen des Schriftverkehrs mit dem Antragsteller zum Ausdruck gebrachte Auffassung, wonach die theoretischen Kenntnisse auf dem Gebiet des Architekten- und Ingenieurrechts, der Grundzüge des öffentlichen Baurechts und der Besonderheiten der Verfahrens- und Prozessführung im Bauprozess nicht geführt sei. Soweit der Antragsgegner im Rahmen der Korrespondenz (weitere) Fortbildungsmaßnahmen auf den angegebenen Gebieten benannt habe, könnten diese gem. § 4 Abs. 2 FAO nicht berücksichtigt werden. Soweit hinsichtlich einzelner Fortbildungsveranstaltungen ein bauprozessualer Gegenstand behauptet würde, sei dies in dieser Allgemeinheit nicht richtig. Der Antragsteller habe den konkreten Inhalt der Veranstaltungen nicht vorgetragen. Hinsichtlich der beanstandeten fehlenden Angaben zu einzelnen Fortbildungsmaßnahmen habe der Antragsteller eine Ermittlungspflicht der Antragsgegnerin angenommen, die tatsächlich aber nicht bestehe. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Beschluss vom 16.05.2006 Bezug genommen.
Dieser wurde dem Antragsteller am 17.05.2006 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 01.06.2006, bei dem Anwaltsgerichtshof eingegangen am 06.06.2006, hat der Antragsteller Antrag auf gerichtliche Entscheidung gem. § 223 BRAO gestellt. Er hat sein bisheriges Vorbringen vertieft. Er sei seit ca. 35 Jahren Rechtsanwalt, seit 30 Jahren Notar. Seit mindestens 25 Jahren sei er schwerpunktmäßig im Baurecht tätig, sowohl forensisch als auch baubegleitend, wissenschaftlich, literarisch, dozierend und ausbildend. Seine praktischen Erfahrungen ergäben sich aus der von ihm vorgelegten "opulenten Fall-Liste". Die fortlaufende Mandatierung durch die Klientel des Antragstellers lasse einen Rückschluss darauf zu, dass er über die ausreichende "fachliche Kompetenz" verfüge, die "geradezu erdrückend" herüberkomme (Hinweis auf BGH NJW 2000, 3648).
Der Antragsteller beruft sich "als alter Hase" nicht nur auf seine Reputation, sondern auf die "Kompensationsmöglichkeiten mit anderen Nachweisen". Seine Berufung durch die .............................. als Schlichtungsschiedsrichter nach SOBau sei nicht auf ihren "rechtlichen Gehalt" untersucht worden.
Fehlerhaft sei es weiter, dem "Baustein öffentlichrechtliches Baurecht" Bedeutung zuzumessen. Es handele sich hierbei nur um ein "Annex-Vehikel" aus den ursprünglichen "Benennungsschwierigkeiten des FAO-Produktes". Die Aufnahme des öffentlichen Baurechts in den Katalog der nachzuweisenden besonderen Kenntnisse im Bau- und Architektenrecht (§ 14 e Nr. 3 FAO) führe unter berufsrechtlichen Gesichtspunkten zu "rechtswidrig bereiteten Hindernissen auf dem Weg eines Anspruches zum Fachanwalt". Betrachte man den Themenkatalog eines Anbieters eines Fachanwaltslehrgangs (IBR), ergebe sich die Banalität dieses Themenspektrums.
Unklar sei, was unter "Besonderheiten der Verfahrens- und Prozessführung" (§ 14 e Nr. 5 FAO) gemeint sei. Nachdem nicht, anders als bei § 12 FAO für das Familienrecht, auf spezifische Verfahrensregeln abgestellt sei, folge hieraus, dass die theoretischen Kenntnisse schon durch die - vom Antragsteller dargetane - langjährige Prozesserfahrung nachgewiesen seien. Es könne, nachdem es ein besonderes Bauprozessrecht nicht gebe, nur um den Nachweis der Beherrschung derjenigen "Instrumente des Prozessrechts gehen, deren sich gerade das Baugeschehen besonders bedient."
Neben grundsätzlichen Erwägungen führt der Antragsteller Einzelheiten an, die seine besonderen theoretischen Kenntnisse auf den einschlägigen Fachgebieten belegen sollen. Er ist der Auffassung, auch länger als vier Jahre zurückliegende Fortbildungsveranstaltungen müssten berücksichtigt werden, nachdem er "Überbrückungskurse gem. § 15 FAO" besucht habe.
Zum Nachweis der besonderen theoretischen Kenntnisse einzelner Bereiche im Sinne des § 14 e FAO führt der Antragsteller aus:
Er verfüge über besondere Kenntnisse auf dem Gebiet des Architektenrechtes, wie die Aufzählung komplizierter Prozesse, die er auf diesem Gebiet führe, belege (der Antragsteller erwähnt zwei Verfahren, die er näher erläutert).
Der Antragsteller habe seit etwa 20 Jahren an den jeweils zweitägigen Frühjahrs- und Herbsttagungen der AG Baurecht im DAV und den Herbsttagungen des IFB teilgenommen, dort werde ein "Mix aus Bauvertragsrecht, Architektenrecht und Prozessrecht" vermittelt. Er habe durchgehend die jährlich stattfindenden, zweitägigen Seminare für Experten besucht, die sich mit Bauvertragsrecht und Architektenrecht befassten.
Er nimmt ferner Bezug auf neu eingereichte Unterlagen, aus denen sich ergibt, dass eine Reihe von Veranstaltungen, die der Antragsteller in den Jahren 1997 ff. besucht hat, sich mit Architektenrecht befasste.
Hinsichtlich der besonderen Kenntnisse auf dem Gebiet der Verfahrens- und Prozessführung verweist der Antragsteller (nochmals) auf seine Schiedsrichtertätigkeit sowie auf seine "Kurzaufsätze zu § 278 ZPO", für die sich die Richterschaft bei ihm bedankt habe und nach denen "in dieser Hinsicht landauf landab" verfahren werde. Er verweist ferner auf einen Aufsatz in der Zeitschrift Baurecht "über das GSB und seine Durchsetzungsmöglichkeiten".
Hinsichtlich der Grundzüge des öffentlichen Baurechts nennt der Antragsteller keine Fortbildungsmaßnahmen. Er nimmt Bezug auf ein Mandat, bei dem er "beratend bei einem Großkunden in Bezug auf mindestens ca. .............................. Planungs- und Genehmigungsverfahren im öffentlichrechtlichen Sinne begleitet" habe.
Weitere Einzelheiten ergeben sich aus dem schriftsätzlichen Vorbringen des Antragstellers, auf das Bezug genommen wird.
II.
Der zulässige - fristgerecht gestellte - Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist unbegründet. Der Antragsteller erfüllt die Voraussetzungen für die Verleihung der Befugnis, die Bezeichnung Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht zu führen, nicht. Er hat den Erwerb besonderer theoretischer Kenntnisse nicht in der von der Fachanwaltsordnung geforderten Weise belegt.
1. Nachdem der Antragsteller nach zutreffender Auffassung der Antragsgegnerin über die notwendigen praktischen Erfahrungen verfügt, war zu überprüfen, ob er erfolgreich von der gem. § 4 Abs. 3 FAO eröffneten Möglichkeit, den Nachweis zu führen, dass er auch außerhalb eines Lehrgangs besondere theoretische Kenntnisse erworben hat, die dem im Fachgebiet zu vermittelnden Wissen entsprechen, Gebrauch gemacht hat. Die Beurteilung, ob die vom Bewerber vorgelegten Unterlagen die geforderten theoretischen Kenntnisse nachweisen, ist uneingeschränkt gerichtlicher Kontrolle zugänglich (BGH NJW 1999, 2677; BGH NJW 2000, 3648).
Ein Rechtsanwalt verfügt über die besonderen theoretischen Kenntnisse im Sinne der FAO, wenn diese auf dem betreffenden Fachgebiet erheblich das Maß dessen übersteigen, was üblicherweise durch die berufliche Ausbildung und praktische Erfahrung im Beruf vermittelt wird, § 2 Abs. 2 FAO. Es bleibt dem Anwalt überlassen, wie er den Nachweis dafür führt, dass er außerhalb eines Lehrgangs die erforderlichen theoretischen Kenntnisse erworben hat. Es ist in jedem Fall erforderlich, durch Zeugnisse, Bescheinigungen oder andere Unterlagen im Sinne des § 6 FAO zu belegen, dass solche Kenntnisse bei ihm vorhanden sind.
In Betracht kommen Nachweise über den Besuch anderer Lehrveranstaltungen, eigene Lehrtätigkeit, wissenschaftliche Veröffentlichungen auf dem in Rede stehenden Rechtsgebiet, Arbeitsnachweise, mehrjährige Tätigkeit als Richter, Staatsanwalt, Prüfer im Staatsexamen oder Schiedsrichter. Dabei müssen die Unterlagen erkennen lassen, dass sich der Rechtsanwalt auf dem von ihm gewählten Weg das Wissen hat aneignen können, das im jeweiligen Fachlehrgang vermittelt wird (BGH NJW 2000, 3648). Die Antragsgegnerin hat durch die vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen den Nachweis besonderer theoretischer Kenntnisse auf den Gebieten Recht der Architekten und Ingenieure, Besonderheiten der Verfahrens- und Prozessführung sowie öffentliches Baurecht als nicht geführt angesehen (vgl. § 14 e Nrn. 2, 4 und 5 FAO). Sie hat deshalb den Antragsteller zu einem Fachgespräch im Sinne des § 7 FAO geladen.
Dies ist grundsätzlich nicht zu beanstanden. Der Senat schließt sich in diesem Zusammenhang der Rechtsprechung zu § 7 n.F. FAO des Bundesgerichtshofs an (BGH BRAK Mitt. 2005, 123; NJW 2000, 1513). Danach hat das Fachgespräch auch nach der Neuregelung der FAO (nur) die Funktion, die bei der Prüfung der Nachweise nach § 6 FAO festgestellten Defizite auszugleichen. Das Fachgespräch ist auf diejenigen Bereiche zu begrenzen, in denen der Nachweis der besonderen theoretischen Kenntnisse und/oder praktischen Erfahrungen durch die vorgelegten Unterlagen nicht oder nicht voll gelungen ist und in denen der Fachausschuss diesbezüglich Klärungsbedarf sieht (so auch Feuerich/Weyland, BRAO, 6. Auflage, § 7 FAO Rdnr. 9).
Danach kann der Fachausschuss dann, wenn er bei Prüfung der schriftlichen Unterlagen Defizite in formaler Hinsicht feststellt, ein Fachgespräch anordnen. Für ein Fachgespräch ist insbesondere dann Raum, wenn der Bewerber die besonderen theoretischen Kenntnisse gem. § 4 Abs. 3 FAO nachweisen will, jedoch nicht alle Teilbereiche des Fachgebietes abgedeckt sind. Zutreffend verweist der Schleswig Holsteinische Anwaltsgerichtshof für einen solchen Fall darauf, "das der Versuch unternommen werden muss, die bestehende Erkenntnislücke durch die Führung eines Fachgespräches zu schließen und sich seine Überzeugung darüber zu bilden, ob die besonderen theoretischen Kenntnisse auch auf den Gebieten vorliegen, die dem Ausschuss zweifelhaft erscheinen (AGH Schleswig Holstein, BRAK Mitt. 2004, 179; so auch Hartung/Scharner, Anwaltliche Berufsordnung, 3. Auflage, § 7 FAO Rdnr. 25).
2. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Antragsgegnerin zu Recht ein Fachgespräch über die eben genannten drei Teilbereiche des § 14 e FAO anberaumt. Nachdem der Antragsteller der Ladung nicht Folge geleistet hat, wurde sein Antrag zu Recht zurückgewiesen.
a) Zum Kanon des § 14 e FAO gehört gem. § 14 e Nr. 2 das Recht der Architekten und Ingenieure. Die besonderen theoretischen Kenntnisse beziehen sich auf die Regelungen des Werkvertrags- und Architektenvertragsrechts, das in der HOAI geregelte Architektenhonorar, das Architektenhaftungsrecht sowie die Teile V und VIII der HOAI (Scharner, a.a.O., § 14 e FAO, Rdnr. 6).
Der Antragsteller hat, auch in seinem Schriftsatz an den Anwaltsgerichtshof vom 01.06.2006, eine Vielzahl von Fortbildungsveranstaltungen benannt, die er auf dem Gebiet des Architektenrechts besucht hat. Es ist im Ergebnis auch nicht zu beanstanden, dass der Antragsteller auf Veranstaltungen hingewiesen hat, die länger als vier Jahre vor der Antragstellung stattfanden. Zwar gilt auch für die Nachweise gem. § 4 Abs. 3 FAO das Aktualitätsgebot des § 4 Abs. 2 FAO (BayAGH BRAK-Mitt. 2003, 85; AGH Niedersachsen AnwBl 1999, 562; Kleine-Cosack AnwBl 2005, 593, 595). Es muss also grundsätzlich erkennbar werden, dass die besonderen Kenntnisse in den letzten vier Jahren vor Antragstellung erworben wurden. Sofern die maßgeblichen Sachverhalte außerhalb des 4-Jahreszeitraums lagen, ist dies aber unschädlich, nachdem der Antragsteller zwischenzeitlich Fortbildungen gem. § 4 Abs. 2 FAO wahrgenommen hat.
Allein der Besuch von Fortbildungsveranstaltungen genügt aber nicht für den Nachweis der besonderen theoretischen Kenntnisse auf dem Gebiet des Rechts der Architekten und Ingenieure. § 4 Abs. 3 FAO geht von einer Äquivalenz der anderweitig erworbenen besonderen theoretischen Kenntnisse mit den Lehrgangsinhalten aus. Die Kenntnisse müssen zunächst aufgrund ihres Umfangs eine gründliche und intensiv theoretische Durchdringung des Fachgebiets erkennen lassen, es müssen die Kenntnisse darüber hinaus anwaltsspezifischer Natur sein und alle relevanten Gebietes des Fachgebiets umfassen (Scharner, a.a.O., § 4 FAO Rdnr. 41). Der (bloße) Besuch von Fortbildungsveranstaltungen kann zu einer Äquivalenz mit der Teilnahme am Fachlehrgang deshalb nicht führen, weil dieser mit Leistungsnachweisen abschließt, wohingegen bei jenen solche Nachweise nicht gefordert werden. Es müssen deshalb, zu der (reinen) Fortbildung, weitere Belege hinzukommen, die die besonderen theoretischen Kenntnisse belegen.
Insofern ist es nicht ausreichend, dass der Antragsteller auf seine Ernennung durch die .............................. zum Schlichter oder Schiedsrichter verweist.
Der Antragsteller hat als Anlage 2 zum Antrag vom 01.06.2006 die "Verfahrensordnung zur Bestellung eines Schlichters/Schiedsrichters nach der Schlichtungs- und Schiedsordnung für Baustreitigkeiten (SO-Bau) " vorgelegt. Zum Schlichter/Schiedsrichter kann danach berufen werden, wer "zweifelsfrei die Voraussetzungen für diese Tätigkeit" erfüllt. Ferner wird die Liste "ergänzt und fortgeschrieben" durch die Aufnahme weiterer Schlichter/Schiedsrichter, hinsichtlich deren Qualifikation folgendes gilt:
"a) die Tätigkeit als Rechtsanwalt oder eine vergleichbare juristische seit mindestens 7 Jahren
b) eine nachweisbare praktische Tätigkeit mit dem Schwerpunkt Baurecht/Architektenrecht. Der Nachweis ist im Rahmen einer Selbstauskunft ... zu führen. Die Richtigkeit der Angaben ist zu versichern.
c) Zusätzlich muss der Schlichter/Schiedsrichter den Nachweis führen über eine erfolgreiche Teilnahme an den von der Arbeitsgemeinschaft empfohlenen Seminaren über die außergerichtliche Streitbeilegung im Bauwesen und Verfahren nach der SO-Bau."
Danach geht die Verfahrensordnung nicht über eine Selbstauskunft des jeweiligen Antragstellers sowie die Verpflichtung, Fortbildungsveranstaltungen zu besuchen, hinaus. Dass der Antragsteller im Rahmen seiner Aufnahme in die Liste oder seiner Tätigkeit als Schlichter/Schiedsrichter besondere theoretische Kenntnisse erworben oder vertieft hätte, hat er selbst nicht vorgetragen.
Auch der Hinweis auf umfangreiche praktische Erfahrungen, über die der Antragsteller unstreitig verfügt, ersetzt den Nachweis nicht, ungeachtet der Indizwirkung, die praktischen Kenntnissen beigemessen werden kann (mit dem AGH Niedersachsen AnwBl 1999, 562 - im zu entscheidenden Fall erfolgte die Kompensation neben Lehrgangsteilnahmen u.a. durch schriftstellerische Tätigkeit).
Wie die Rechtsprechung entschieden hat, ist umfangreiche praktische Tätigkeit, auch wenn sie das übliche Maß deutlich überschreitet, kein Ersatz für den Erwerb theoretischer Kenntnisse. Selbst ein seit 10 Jahren hochspezialisierter Rechtsanwalt, der die Bearbeitung "1000er Mandate" auf seinem Rechtsgebiet nachweisen kann (Scharner, a.a.O., Rdnr. 43) hat damit den Nachweis theoretischer Kenntnisse in der von der Fachanwaltsordnung geforderten Weise nicht erbracht (BGH BRAK-Mitt. 1995, 128; Kleine-Cosack, AnwBl 2005, 593; 577 f.).
Die schriftstellerische Tätigkeit des Antragstellers bezieht sich auf zwei Veröffentlichungen zur Bauhandwerkersicherung, eine Veröffentlichung zum strafrechtlichen Adhäsionsverfahren und zur Güteverhandlung nach § 278 ZPO. Sie umfasst mithin keine Publikationen auf dem Gebiet des Rechts der Architekten und Ingenieure.
Vor diesem Hintergrund hat die Antragsgegnerin zu Recht den Antragsteller zu einem Fachgespräch auf dem Gebiet des Rechts der Architekten und Ingenieure geladen. Der Antragsteller selbst hat - zunächst - im Rahmen seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung am 20.09.2006 seine Bereitschaft erklärt, sich einem Fachgespräch auf dem genannten Gebiet zu unterziehen. Er hat diese Bereitschaft zurückgezogen, nachdem die Antragsgegnerin an ihrer Auffassung festhielt, das Gespräch müsse sich auf alle drei von ihr genannten Bereiche, damit auch das sogleich zu behandelnde öffentliche Recht, beziehen.
b) Die theoretischen Kenntnisse der Besonderheiten der Verfahrens- und Prozessführung im Baurecht sind machzuweisen, etwa im Zusammenhang mit der Streitverkündung, der einstweiligen Verfügung im Bauprozess, des selbständigen Beweisverfahrens, des Schiedsgerichtsverfahrens und den Besonderheiten des Schlichtungsverfahrens und der Mediation. Unter § 14 e Ziffer 5 fallen außerdem die vergaberechtlichen Sonderregelungen, die öffentlichrechtlichen Klagen im Bereich des § 14 e Ziffer 4. FAO, etwa der einstweilige Rechtsschutz im Verwaltungsprozess und bei Bebauungsplänen das Normenkontrollverfahren (vgl. Scharner, a.a.O., § 14 e FAO Rdnr. 12).
Es mag sein, dass bei Fortbildungsveranstaltungen im Baurecht (zwangsläufig) prozessrechtliche Themen eine Rolle spielen. Es mag weiter sein, dass die unstreitigen praktischen Erkenntnisse des Antragstellers und die damit verbundene (eben angesprochene) Indizwirkung in diesem Bereich für die Annahme streiten, der Antragsteller verfüge über besondere theoretische Kenntnisse.
Angesichts des Umstandes, dass auch hier keine einschlägigen Veröffentlichungen vorliegen (der oben erwähnte Aufsatz zu § 278 ZPO beschränkt sich auf praktische Hinweise), weiter angesichts des Umstandes, dass der Antragsteller selbst einräumt, dass er Kenntnisse auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts nicht belegt hat, andererseits solche Kenntnisse in Verfahren mit öffentlichrechtlicher Ausrichtung, wie dargestellt, erforderlich sind, fehlt es auch an dem erforderlichen Nachweis auf dem Gebiet des Verfahrensrechts.
c) Dasselbe gilt für die Kenntnisse gem. § 14 e Nr. 4 FAO. Diese Regelung erfordert den Nachweis besonderer Kenntnisse auf dem Gebiet des öffentlichen Baurechts, wobei die Kenntnisse von "Grundzügen" ausreichend sind. Der Fachanwalt auf dem Gebiet des Bau- und Architektenrechtes muss im öffentlichen Baurecht Grundzüge der bauplanungsrechtlichen Vorschriften des Bundesbaugesetzes, des Städtebauförderungsgesetzes und der Baunutzungsverordnung beherrschen (vgl. Scharner, a.a.O., § 14 e FAO Rdnr. 10). Aus dem Baurecht der Länder muss er die Grundzüge des Bauordnungsrechtes beherrschen sowie die Vorschriften des Denkmal-, Natur- und Landschaftsschutzes sowie des Wasser- und Straßenrechtes. Aus dem Kommunalrecht sind die jeweiligen baurechtlichen Satzungen und Verordnungen einschlägig, ferner ist das Raumordnungsrecht zu nennen.
Dabei ist es auch, entgegen der Annahme des Antragstellers, kein unauflöslicher Widerspruch, wenn einerseits von besonderen Kenntnissen, andererseits von Grundzügen die Rede ist. Angesichts der Fülle einschlägiger Regelungen, etwa im kommunalrechtlichen Bereich auf Länderebene, wird nicht gefordert, dass der Fachanwalt auf dem Gebiet des Bau- und Architektenrechts einen umfassenden Überblick über alle einschlägigen öffentlichrechtlichen Bestimmungen hat (anders als der Fachanwalt für Verwaltungsrecht). Es ist ausreichend, wenn er die "Grundzüge" kennt, die er dann aber auch im Rahmen eines Überblicks einzuordnen vermag, um auch bei öffentlichrechtlichen Fragestellungen im baurechtlichen Mandat fachkundig beraten zu können. Das besondere Vertrauen, das das rechtssuchende Publikum dem Fachanwalt entgegen bringt, ferner die Annahme, dass ein Fachanwalt auf dem einschlägigen Rechtsgebiet über herausragende Kenntnisse verfügen soll, rechtfertigen es, die Grundzüge des öffentlichen Rechts in den Kanon derjenigen Rechtsmaterien aufzunehmen, die der Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht beherrschen muss.
Der Antragsteller hat nicht für sich in Anspruch genommen, diese besonderen theoretischen Kenntnisse - außerhalb der praktischen Tätigkeit - erworben bzw. durch Fortbildungen auf dem aktuellen Stand gehalten zu haben. Er hat sich hin sichtlich des Bereiches des § 14 e Nr. 4 FAO sich - freilich ohne nähere Erläuterungen - auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 19.06.2000 (BGH NJW 2000, 3648) bezogen. Diese Entscheidung befasst sich mit dem Nachweis besonderer theoretischer Kenntnisse durch Stellungnahmen von Vertretern der Justiz. Solche Stellungnahmen hat der Antragsteller nicht vorgelegt.
Er hat es ferner als berufsrechtswidrig bezeichnet, dass von einem Fachanwalt im Bau- und Architektenrecht Kenntnisse auf dem Gebiet des öffentliches Rechtes gefordert würden. Es ist jedoch nicht ersichtlich, woraus sich die Berufsrechtswidrigkeit ergeben soll. Soweit der Antragsteller damit zum Ausdruck bringen wollte, ihm sei als "altem Hasen", als den sich er sich mehrfach bezeichnet, der Nachweis von Kenntnissen auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts nicht zumutbar gewesen, verkennt er, dass nach dem ausdrücklichen Willen des Satzungsgebers keine "Alte-Hasen-Regelung" geschaffen werden sollte (vgl. zur Beschlussfassung in der Satzungsversammlung Scharner, a.a.O., § 16 Rdnr. 2 ff.). Eine Regelung, die es erfahrenen und langjährig tätigen Rechtsanwälten, zu denen der Antragsteller zweifellos gehört, erlaubt, ohne Nachweis des Erwerbs besonderer praktischer Kenntnisse allein aufgrund umfangreicher besonderer praktischer Erfahrungen die Fachanwaltsbezeichnung zu erwerben, ist aus Gründen der Gleichbehandlung verworfen worden. § 4 Abs. 3 FAO fordert, wie ausgeführt, eine Äquivalenz der anderweitig erworbenen besonderen theoretischen Kenntnisse mit den Lehrgangsinhalten. Die Kenntnisse müssen aufgrund ihres Umfangs eine gründliche und intensive theoretische Durchdringung des Fachgebiets annehmen lassen, was den Erwerb allein durch praktische Erfahrung ausschließt. Sie müssen anwaltsspezifischer Natur sein und alle relevanten Bereiche des Fachgebiets umfassen (Scharner, a.a.O., § 4 Rdnr. 41). Der Antragsteller hat sich zu seinen Kenntnissen auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts vor allem in seinem Schreiben an die Antragsgegnerin vom 14.03.2005 geäußert. Er hat unter Bezugnahme auf Fortbildungsnachweise behauptet, es seien "alle angeforderten Bereiche" abgedeckt. Das öffentliche Baurecht sei "sparsam enthalten, aber immerhin enthalten gewesen". Welche Bereiche des öffentlichen Baurechts in den Fortbildungsveranstaltungen behandelt worden sind, hat der Antragsteller nicht vollständig angegeben. Er hat (wiederum) darauf hingewiesen, dass in den von ihm bearbeiteten Fällen (insbesondere der Baubegleitung) praktische Kenntnisse auf dem Gebiet des öffentlichen Baurechts erforderlich gewesen seien. Er hat mit Schreiben an die Antragsgegnerin vom 31.01.2006 (Blatt 4 des Schreibens; Blatt 267 d.A.) Bezug genommen auf die Tagung Güteschutzkanalbau 605, in der zum kommunalen Abgabenrecht sowie den Gemeindeordnungen als öffentlichrechtlichen Grundlagen für den Kanalbau vorgetragen worden sei, es habe sich hierbei um eine Spezialmaterie aus dem öffentlichen Baurecht gehandelt. Bei den Tiefbaurechtstagungen 2003 bis 2005 seien das Vergaberecht, das materielle Tiefbaurecht und das Kommunalrecht Gegenstand gewesen.
Oben wurde bereits ausgeführt, dass der Hinweis auf die praktische Tätigkeit nicht ausreicht, den Nachweis theoretischer Kenntnisse zu ersetzen. Mit den vom Antragsteller genannten Fortbildungsmaßnahmen sind einzelne Bereiche des öffentlichen Rechts (möglicherweise) abgedeckt. Dies reicht nicht, um den Nachweis der theoretischen Kenntnisse bezüglich der in § 14 e Nr. 4 FAO genannten Bereiche zu führen. Dem Antragsteller wäre es zuzumuten gewesen, den Nachweis besonderer Kenntnisse auf den noch fehlenden Bereichen, etwa des öffentlichen Bauplanungs- und Ordnungsrechts, sowie der einschlägigen Verfahrensregeln zu belegen.
Im Ergebnis ist aus Sicht des Senats dem Antragsteller nicht verborgen geblieben, dass der Nachweis theoretischer Kenntnisse auf dem Gebiet des öffentlichen (Bau-) Rechts nicht geführt ist. Der Antragsteller hat sich auf grundsätzliche Erwägungen zurückgezogen, aus denen sich ergeben soll, dass das öffentliche Baurecht unbegründeter Weise in den Kanon des § 14 e FAO aufgenommen wurde. Diese Bedenken teilt der Senat, wie dargestellt, nicht.
Die Antragsgegnerin war auch nicht gehalten, die vom Antragsteller vorgelegten Nachweise im einzelnen daraufhin zu überprüfen, ob sich (nicht doch) ein (weiterer) Bezug zum öffentlichen (Bau-) Recht finden könnte. Das Verfahren vor dem - zunächst zuständigen - Prüfungsausschuss ist von der Mitwirkung des Antragstellers abhängig (Kleine-Cosack AnwBl 2005, 593, 598). Daraus folgt, dass der Antragsteller seiner Darlegungsobliegenheit bei der Vorlage der Unterlagen nachkommen muss (Kleine-Cosack, a.a.O.). Von einer umfassenden Geltung des Amtsermittlungsprinzips in entsprechender Anwendung des § 24 Abs. 1 Satz 1 VwVfG ist deshalb nicht auszugehen (Kirchberg NJW 2002, 1386, 1387). Es war dementsprechend Pflicht des Antragstellers, zu (weiteren) Fortbildungsmaßnahmen auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts oder anderen lehrgangsersetzenden Maßnahmen vorzutragen.
Zusammenfassend: Der Antragsteller hätte das vom Fachausschuss vorgeschlagene Fachgespräch zu den genannten Gebieten wahrnehmen müssen. Er hatte in seinem Schreiben vom 01.04.2006 (Blatt 2; Blatt 286 d.A.) selbst diese Möglichkeit als akzeptabel bezeichnet, freilich unter der (rechtswidrigen) Voraussetzung der "Gestellung eines besonderen nicht wettbewerbsbelasteten Gremiums und gleichzeitigem dortigen Verzicht auf die Rechtsfolge eines eventuell negativ verlaufenden Fachgespräches". Mangels Teilnahme am Fachgespräch hat die Antragsgegnerin zu Recht den Nachweis der theoretischen Kenntnisse - über den Weg des § 4 Abs. 3 FAO - als nicht geführt angesehen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 201 BRAO, 13 a FGG.
Die Entscheidung über den Geschäftswert entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats.
IV.
Die sofortige Beschwerde nach § 223 Abs. 3 BRAO war nicht zuzulassen, da die maßgeblichen Rechtsfragen bereits höchstrichterlich geklärt sind und der Sache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt.
OLG Hamm:
Beschluss v. 29.09.2006
Az: 1 ZU 63/06
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