Oberlandesgericht Celle:
Urteil vom 15. März 2000
Aktenzeichen: 9 U 209/99

(OLG Celle: Urteil v. 15.03.2000, Az.: 9 U 209/99)

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 26. August 1999 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Stade geändert und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 25.000 DM abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Beiden Parteien bleibt nachgelassen, die Sicherheit durch eine selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank, Volksbank oder öffentlichen Sparkasse zu erbringen.

Wert der Beschwer für den Kläger: 100.000 DM.

Tatbestand

Der Kläger begehrt als Verwalter im Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der Firma *** Schadensersatz von dem Beklagten als früheren Geschäftsführer der Gesellschaft.

1993 beabsichtigte die niederländische Familiengruppe ***, die zum früheren DDR-Kombinat *** gehört hatten, zu erwerben und verhandelte hierzu mit der Treuhandanstalt. Im Oktober 1993 war der Kaufvertrag zwischen der *** und der Treuhand ausgehandelt und unterschriftsreif. Da sich die Käufer gegen mögliche Haftungsrisiken weitgehend absichern wollten, trat weder die niederländische *** noch ein Gesellschafter dieser *** als Käufer auf. Vielmehr wurde eine Zwischenholding unter der Firma *** mit Sitz in *** gegründet. Hierzu wurde bei dem Notar ***, ***, am 7. Oktober 1993 eine Gründungsurkunde über die Errichtung der *** und der *** erstellt. Alleinige Gesellschafterin der neu gegründeten GmbH war die *** mit Sitz in ***. Mit der Gründung bestellt die ***H ihren alleinigen Geschäftsführer, den Beklagten, zum Geschäftsführer der ***. Am 12. Oktober 1993 unterzeichnete der Beklagte die Anmeldung der Gesellschaft zum Handelsregister, wobei er auf S. 2 der Registeranmeldung erklärte: €Ich versichere, dass die Stammeinlage in Höhe von 100.000 DM in voller Höhe eingezahlt ist und dass sich der eingezahlte Betrag endgültig zu meiner freien Verfügung als Geschäftsführer befindet€. Der Urkundsnotar reichte die Anmeldung wegen der Eilbedürftigkeit im Hinblick auf den beabsichtigten Vertragsschluss mit der Treuhandanstalt unverzüglich beim Amtsgericht ein. Zum Zeitpunkt der Erklärung am 12. Oktober 1993 war das Stammkapital noch nicht auf dem Konto der zu gründenden Gesellschaft eingezahlt worden. Dies erfolgte auf Grund einer durch den Beklagten veranlassten Überweisung vom Konto einer Tochtergesellschaft der *** mit Wertstellung zum 15. Oktober 1993 auf ein Konto der Gesellschaft in Gründung. Auf dem Überweisungsträger war als Verwendungszweck €Übertrag€ angegeben, die Gutschrift auf dem Kontoauszug der *** erfolgte unter dem Stichwort €Vergütung€.

Am 29. Oktober 1993 veranlasste der Beklagte persönlich die Rücküberweisung des Betrages von 100.000 DM auf das Konto der einzahlenden ***. Das Konto der *** wies zum 1. November 1993 ein Guthaben von 0,00 DM aus.

Die Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister erfolgte am 19. November 1993.

Durch Gesellschafterbeschluss vom 3. März 1994 wurde die Firma der *** in *** geändert. Ab Herbst 1995 gerieten die von der Familiengruppe ***n übernommenen Gesellschaften des früheren DDR-Kombinates *** in erheblich wirtschaftliche Schwierigkeiten, sodass nach und nach eine Gesamtvollstreckung angeordnet wurde. Nachdem zunächst Sequestration angeordnet war, wurde über das Vermögen der *** am 15. Januar 1997 ebenfalls das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet. Auch die *** verfiel in Konkurs.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass der Beklagte in Höhe der Stammeinlage von 100.000 DM schadensersatzpflichtig sei, weil er in Verletzung seiner Sorgfaltspflicht als Kaufmann die Stammeinlage nicht angefordert bzw. diese ohne Sicherheiten einer anderen Gesellschaft zur Verfügung gestellt habe. Überdies habe er am 12. Oktober 1993 fälschlich versichert, dass die Einlage geleistet sei und ihm in voller Höhe zur Verfügung stehe.

Der Beklagte hat bestritten, dass die Stammeinlage nicht wirksam erbracht worden sei. Die Hingabe des Darlehens an die Schwestergesellschaft sei wirtschaftlich sinnvoll gewesen, weil die Gemeinschuldnerin als Verwaltungsgesellschaft keinen eigenen Kapitalbedarf gehabt habe und durch die Darlehensgewährung Zinseinnahmen erzielt worden seien. Vorsorglich hat sich der Beklagte auf Verjährung berufen.

Das Landgericht hat eine Pflichtverletzung i. S. des § 43 Abs. 2 GmbHG darin gesehen, dass der Beklagte das gesamte Gesellschaftsvermögen als ungesichertes Darlehen herausgegeben habe.

Mit seiner Berufung begehrt der Beklagte Klagabweisung. Hierzu meint er, dass die vom Landgericht bejahten Voraussetzungen des § 43 GmbHG nicht vorliegen würden. Insbesondere fehle es an einem Verstoß gegen allgemeine Geschäftsführerpflichten. Zwar sei die Darlehenshingabe möglicherweise risikobehaftet gewesen, dies sei aber im kaufmännischen Leben nicht ungewöhnlich. Überdies habe es sich bei der Empfängerin um ein Schwesterunternehmen gehandelt, sodass auf eine Sicherung des Darlehens verzichtet werden konnte. Ferner sei das Darlehen jederzeit kündbar gewesen.

Er meint weiter, dass es jedenfalls an einem Schaden fehle, weil der Darlehensbetrag ohnehin verwirtschaftet worden wäre. Zudem könne der Kläger das Darlehen auch bei der Darlehensnehmerin zurückfordern.

Der Beklagte beruft sich weiterhin auf Verjährung und meint, dass die Frist des § 43 Abs. 4 GmbHG mit dem Zeitpunkt beginne, in dem er mit einer Feststellungsklage hätte belangt werden können. Dies sei aber spätestens im November 1993 nach Hingabe des ungesicherten Darlehens der Fall gewesen.

Er beantragt,

das am 26. August 1999 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Stade zu ändern und die Klage abzuweisen,

für den Fall der Anordnung einer Sicherheitsleistung ihm zu gestatten, diese auch durch die selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank, Volksbank oder öffentlichen Sparkasse zu leisten.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

hilfsweise,

als Sicherheit im Rahmen des § 711 ZPO die schriftliche Bürgschaft einer Bank, die einem anerkannten Einlagensicherungsfonds angehört, oder einer öffentlichen Sparkasse zuzulassen.

Er meint, dass die Haftung des Beklagten bereits § 9 a Abs. 1 GmbHG folge. Denn die Stammeinlage in Höhe von 100.000 DM sei nicht in das Gesellschaftsvermögen geflossen. Die Zahlung durch die *** habe keine schuldbefreiende Wirkung haben können, weil ihre Zweckbestimmung nicht erkennbar gewesen sei. Jedenfalls fehle es an einer realen Kapitalaufbringung, weil der Betrag nach kurzer Zeit wieder an die *** zurückgezahlt worden sei.

Er vertritt weiterhin die Auffassung, dass der Beklagte mehrfach gegen die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes verstoßen habe. Ein derivativer Verstoß liege zum einen darin, dass die Hingabe des Darlehens ohne Sicherheit erfolgt sei, zum anderen sei ein Verstoß deshalb zu bejahen, weil es der Beklagte unterlassen habe, bis zu seinem Ausscheiden als Geschäftsführer im Juni 1994 die nicht erbrachte Stammeinlage anzufordern.

Schließlich meint er, dass die Verjährungsfrist erst zum 5. Juni 1994 (Ausscheiden des Beklagten als Geschäftsführer), frühestens aber bei Eintritt des Vermögensverfalles der Darlehensnehmerin, der jedenfalls Ende 1993 noch nicht vorgelegen habe, weil die Verjährung erst mit Eintritt des Schadens beginne.

Wegen des weiteren Sach - und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Gründe

Die Berufung ist begründet. Dem Kläger steht gegen den Beklagten zwar ein Anspruch aus § 9 a GmbHG zu, der Durchsetzbarkeit dieses Anspruches steht aber die vom Beklagten erhobene Einrede der Verjährung entgegen. Daneben kommt vorliegend ein Anspruch des Klägers aus § 43 Abs. 2 GmbHG nicht in Betracht.

Im Einzelnen gilt Folgendes:

1. Der Beklagte hat gegenüber dem Handelsregister eine unzutreffende Angabe gemacht, als er versichert hat, dass die Stammeinlage gezahlt und zur freien Verfügung der Gesellschaft vorhanden ist. Dies ergibt sich aus zwei Gesichtspunkten: Zum einen fehlt es an einer Leistung der Gründungsgesellschafterin, zum anderen ist das Geld nicht in das Gesellschaftsvermögen gelangt.a) Unstreitig hat die Gründungsgesellschafterin, die *** , selbst die Stammeinlage nicht gezahlt. Vielmehr ist die Zahlung eines Betrages in Höhe von 100.000 DM durch die *** erfolgt, und zwar ausweislich des Überweisungsträgers (Bl. 28) erst unter dem 13. Oktober 1993, wobei zudem die Wertstellung (Bl. 29) erst zum 15. Oktober 1993 erfolgte. Zwar ist es für die Erbringung der Stammeinlageverpflichtung nicht erforderlich, dass die Leistung unmittelbar durch die Schuldnerin selbst bewirkt wird, die Zuwendung eines Dritten besitzt aber nur dann schuldbefreiende Wirkung, § 267 Abs. 1 BGB, wenn der Gläubiger die Zuwendung bei objektiver Betrachtungsweise als Leistung des Schuldners ansehen musste. Weder dem von der *** stammenden Überweisungsträger noch dem Kontoauszug mit der Wertstellung ist bei objektiver Betrachtung zu entnehmen, dass die *** bH mit der Zahlung des Betrages in Höhe von 100.000 DM die Stammeinlagenverpflichtung der *** erfüllen wollte. Denn der Überweisungsträger enthält als Verwendungszweck lediglich die Bezeichnung €Übertrag€, der Kontoauszug nur den Vermerk €Vergütung€. Jedweder Bezug zur *** und der ihr obliegenden Stammeinlagenverpflichtung fehlt. Das vom Beklagten mit der Klagerwiderung in Kopie zu den Akten gereichte Schreiben vom 11. Oktober 1993 (Bl. 47) ändert an dieser rechtlichen Beurteilung nichts, weil zum einen dort unter dem 11. Oktober 1993 eine Zahlung als erfolgt bestätigt wird, die datumsmäßig in der Zukunft liegt (12. Oktober 1993) und tatsächlich erst am 13. Oktober 1993 zur Ausführung angewiesen wurde, mithin gegen die Richtigkeit der Erklärung erhebliche Bedenken bestehen, und zum anderen der Betrag bei Abgabe, der der Eintragung dienenden Erklärung noch nicht gezahlt war.b) Aber selbst wenn man zu Gunsten des Beklagten annehmen wollte, dass die vorgenommene Zahlungsweise für die Bejahung der Leistung durch einen Dritten i. S. des § 267 Abs. 1 BGB ausreichend gewesen wäre, müsste die Stammeinlage jedenfalls in das Gesellschaftsvermögen geflossen sein und der Gesellschaft zur freien Verfügung gestanden haben. Dies ist vorliegend zu verneinen.Die von einem GmbH-Gesellschafter geschuldete (Bar)Stammeinlage ist nur dann wirksam entrichtet, wenn der Gesellschaft die eingezahlten Geldbeträge endgültig und ohne Beschränkung oder Rückzahlungsvorbehalt zugeflossen sind. Nach herrschender Auffassung (BGH GmbHR 1991, 255/258 m. w. N.; OLG Koblenz BB 1989, 451) fehlt es an der erforderlichen freien Verfügbarkeit über die Einlage in allen Fällen, in denen diese alsbald dem Einleger direkt oder indirekt zurückgewährt wird. Die alsbaldige Rückzahlung der Einlage unterfällt nicht den Kapitalerhaltungsregeln der §§ 30, 31 GmbHG und der Verjährungsvorschrift des § 31 Abs. 5 GmbHG, sondern der Regelung des § 19 GmbHG, da von einer Erhaltung des Stammkapitals erst dann gesprochen werden kann, wenn die Gesellschaft eine Zeit lang über das Kapital überhaupt erst einmal hat verfügen können. Der Kapitalerhaltungsschutz ist im Verhältnis zur Sicherung der Kapitalaufbringung weniger streng sanktioniert, und es ist nicht einzusehen, warum der Gesellschafter mit der Scheinoperation des €Hin und Herzahlens" den strengeren Vorschriften über die Kapitalaufbringung soll entgehen können. Im Hinblick auf den durch § 19 GmbHG vermittelten Schutz der Gesellschaftsgläubiger ist es vielmehr ohne Belang, ob die Einlage gar nicht geleistet worden ist oder ob sie wie vorliegend wieder an den Zahlenden zurückgewährt worden ist. Angesichts des engen zeitlichen Zusammenhanges zwischen der Zahlung des der Stammeinlage entsprechenden Betrages und der Rückzahlung ist davon auszugehen, dass der Betrag in Höhe von 100.000 DM nie der Gesellschaft zur Verfügung stehen sollte, sondern lediglich der Sicherung der Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister dienen sollte.

Nicht nur der enge zeitliche Zusammenhang zwischen Ein und Auszahlung des Betrages und die Identität zwischen Zahlendem und Rückzahlungsempfänger, sondern auch der wirtschaftlich wenig sinnvolle Umstand, dass die *** zunächst einen Betrag in Höhe von 100.000 DM gezahlt haben soll, um sich diesen sodann gegen Zinsen als Darlehen zurückgewähren zu lassen, spricht eindeutig dafür, dass der Betrag nie in das Gesellschaftsvermögen der *** gelangen sollte. Der Beklagte, der hierzu als seinerzeitiger Geschäftsführer auch der Alleingesellschafterin *** in der Lage gewesen wäre, hat diese wirtschaftlichen Bedenken auch nicht etwa dadurch ausgeräumt, dass er dargelegt hätte, inwieweit die *** der *** zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 100.000 DM verpflichtet gewesen wäre oder die *** der *** den angeblich von dieser für die *** gezahlten Betrag erstattet hätte.

Der Senat ist daher der sicheren Überzeugung, dass von vornherein nicht beabsichtigt war, den Betrag der *** zur Kapitalaufbringung zur Verfügung zu stellen.

2. Infolge dieser unrichtigen Erklärung ist der Beklagte verpflichtet, die Gesellschaft so zu stellen, wie sie gestanden hätte, wenn die abgegebene Erklärung richtig gewesen wäre. Dem Kläger steht daher (für die Gemeinschuldnerin) ein Anspruch auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 100.000 DM zu, weil Richtigkeit der Erklärung des Beklagten unterstellt eben dieser Betrag dem Gesellschaftsvermögen zugeflossen wäre. Dies gilt unabhängig davon, ob zur Eintragung in das Handelsregister auch die Einzahlung eines geringeren Betrages genügt hätte (§ 7 Abs. 2 GmbHG, vgl. Roth- Altmeppen, GmbHG, 3. Aufl. § 9 a Rdnr. 8 m. N.).Insoweit kann sich der Beklagte auch nicht darauf berufen, dass der Gemeinschuldnerin weiterhin ihren Anspruch auf Erbringung der Stammeinlage gegen die Alleingesellschafterin besitzt. Denn zwischen den Ansprüchen der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer gemäß § 9 a GmbHG und der Gesellschaft gegen den Gesellschafter aus § 19 GmbHG besteht Gesamtschuld (Lutter-Hommelhoff, GmbHG, 15. Aufl., Rdnr. 6 zu § 9 a), sodass es der Gesellschaft frei steht, wen sie in Anspruch nimmt. Ebenso wenig kann sich der Beklagte darauf berufen, dass der Gemeinschuldnerin kein Schaden entstanden sei, weil es sich bei § 9 a GmbHG um eine Norm handelt, die trotz ihres deliktischen Aufbaus nicht den Ersatz eines Schadens, sondern die Pflicht zur Differenzleistung bezüglich der falschen Angaben zum Inhalt hat.

3. Der dem Kläger zustehende Anspruch ist aber verjährt. Gemäß § 9 b Abs. 2 Satz 1 GmbHG verjähren Ansprüche nach § 9 a GmbHG in 5 Jahren. Diese Frist beginnt, § 9 b Abs. 2 Satz 2 GmbHG, mit der Eintragung in das Handelsregister, mithin im vorliegenden Fall am 19. November 1993. Bei Einreichung der Klage am 14. Dezember 1998 war daher die Frist bereits abgelaufen.4. Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein Anspruch aus § 43 Abs. 2 GmbHG nicht zu.a) Es fehlt bereits an einem sorgfaltswidrigen Verhalten des Beklagten. Ein Geschäftsführer schuldet die Sorgfalt, die ein ordentlicher Geschäftsmann in verantwortlich leitender Position bei selbstständiger Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen zu wahren hat (Roth/Altmeppen, GmbH-Gesetz, 3. Aufl., Rdnr. 3 zu § 43). Inhaltlich entspricht dies der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters, wie sie § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG fordert. Sie geht über die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns hinaus; denn verlangt wird die Sorgfalt, die ein ordentlicher Geschäftsmann in verantwortlich leitender Position bei selbstständiger Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen zu beachten hat (OLG Koblenz, GmbHR 1991, 416). Daraus folgt, dass persönliche Eigenschaften wie Alter, Unerfahrenheit oder Unkenntnis für die Beurteilung der Einhaltung des Sorgfaltsmaßstabes unerheblich sind. Auch bei Anwendung dieser Kriterien ist ein Pflichtenverstoß des Beklagten nicht feststellbar.aa) Die Zahlung des Betrages von 100.000 DM an die MEFAM Anlagenbau GmbH stellt schon deshalb keinen Pflichtenverstoß dar, weil dieses Geld wie oben ausgeführt nie der Gemeinschuldnerin zur Verfügung stehen sollte. Eine Darlehenshingabe seitens der Gemeinschuldnerin ist dadurch nicht erfolgt, vielmehr ist wie von vornherein beabsichtigt das von der *** stammende Geld wieder an diese zurückgeflossen. Die Rückzahlung ist Teil des €Hin und Herzahlens€, welches der Umgehung der Kapitalaufbringungsvorschriften diente, und kann deshalb nicht isoliert als gesonderter Pflichtverstoß des Beklagten gewertet werden.bb) Der Beklagte hat aber auch nicht dadurch pflichtwidrig i. S. des § 43 Abs. 2 GmbHG gehandelt, dass er bis zu seinem Ausscheiden als Geschäftsführer am 5. Juni 1994 die Stammeinlage bei der Alleingesellschafterin nicht angefordert hat. Zwar war gemäß § 4 des Gesellschaftsvertrages vom 7. Oktober 1993 die Stammeinlage in Höhe von 100.000 DM sofort in voller Höhe einzuzahlen, sodass es eines gesonderten insoweit nicht vorliegenden Gesellschafterbeschlusses zur Einforderung, § 46 Nr. 2 GmbHG, als Voraussetzung für die wirksame Anforderung der Einlage durch den Geschäftsführer nicht bedurfte. Jedoch hat die *** als Alleingesellschafterin durch ihr Verhalten zum Ausdruck gebracht, dass sie die Stammeinlage nicht (wirksam) erbringen wollte. Die Nichtanforderung der Einlage durch den Geschäftsführer erfolgte daher nicht nur im mutmaßlichen, sondern ausdrücklich im Einverständnis der Gesellschaft, repräsentiert durch ihre Alleingesellschafterin.b) Aber selbst wenn man hierin ein pflichtwidriges Verhalten des Beklagten sehen wollte, wäre ein Rückgriff auf die Haftungsnorm des § 43 Abs. 2 GmbHG nicht möglich. Denn diese Vorschrift wird vorliegend durch die Spezialvorschrift des § 9 a GmbHG verdrängt. Soweit nämlich die Pflichtverletzung in den durch § 9 a Abs. 1 GmbHG erfassten Handlungen besteht, geht die Vorschrift der allgemeinen Haftungsnorm des § 43 GmbHG vor (Altmeppen/Roth, GmbHG, 3. Aufl., Rdnr. 16 zu § 9 a; Scholz/Winter, GmbHG, 8. Aufl., Rdnr. 44 zu § 9 a m. w. N.; OLG Rostock, GmbHR 1995, 658 ff.). In den Fällen, in denen der Geschäftsführer wissentlich gegenüber dem Handelsregister eine falsche Erklärung des Inhalts abgibt, die Stammeinlage sei bereits in voller Höhe erbracht, erfolgt regelmäßig keine spätere Anforderung der Stammeinlage durch den Geschäftsführer mehr. Das Unterlassen der Anforderung hat gegenüber der Abgabe der falschen Erklärung jedenfalls dann keinen eigenen Unwertgehalt, wenn die Nichteinzahlung der Stammeinlage und die Abgabe der falschen Erklärung sowohl mit Wissen und Wollen des Geschäftsführers als auch der Gesellschafter erfolgen. Der Anwendungsbereich des § 9 a Abs. 1 GmbHG und der hiermit verbundenen kurzen Verjährung des § 9 b GmbHG würde überdies weitgehend obsolet, wenn man in derartigen Fällen in der der Abgabe der falschen Erklärung nachfolgenden Untätigkeit des Geschäftsführers einen der Vorschrift des § 43 GmbHG unterliegenden Pflichtverstoß sehen würde.5. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1; 708 Nr. 10, 711; 546 Abs. 2 ZPO.






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Az: 9 U 209/99


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