Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Beschluss vom 8. April 2014
Aktenzeichen: 11 Verg 1/14
(OLG Frankfurt am Main: Beschluss v. 08.04.2014, Az.: 11 Verg 1/14)
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Beigeladenen gegen den Beschluss der 1. Vergabekammer des Landes Hessen vom 13.12.2013 (Az.: 69d € 30 / 2013 - wird zurückgewiesen.
Auf die Anschlussbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss aufgehoben und dem Antragsgegner untersagt, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen.
Von den Kosten des Nachprüfungs- und des Beschwerdeverfahrens trägt die Beigeladene ½. Die zur Rechtsverfolgung der Antragstellerin erforderlichen Aufwendungen haben die Beigeladene und der Antrags-gegner jeweils zur Hälfte zu erstatten.
Der Streitwert wird auf 597.653,70 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsgegner gab im November 2012 europaweit die Ausschreibung einer Rahmenvereinbarung über die Beschaffung von Hardware, Software und Dienstleistungen zur Ertüchtigung der Leitstellen des Brandschutzes, Katastrophenschutzes und Rettungsdienstes für neue Übertragungstechnik im nichtoffenen Verfahren mit Teilnahmewettbewerb gem. § 3 Abs. 2 d VOL/A-EG bekannt. In der Bekanntmachung und den Teilnahmeantragsbestimmungen war hinsichtlich der Eignungsprüfung im Rahmen des Teilnahmewettbewerbs u. a. gefordert:
Fachliche und Technische Leistungsfähigkeit:
1. ReferenzenAngaben von mindestens zwei Referenzen (vom Bewerber und/oder der Bietergemeinschaft und/oder Subunternehmer) in vergleichbarer Art und Größenordnung seit 2009 (Datei €Referenzen.doc€ auf der Vergabeplattform). Durch die Angabe der Referenzen muss der Bewerber das Vorhandensein entsprechender Erfahrungen im sicherheitsrelevanten Bereich (hier: drahtlose und drahtgebundene Kommunikationstechnik für Sicherheitsbehörden) aufzeigen.
Neben der Antragstellerin und der Beigeladenen haben fünf weitere Bieter Teilnahmeanträge eingereicht. Die Beigeladene hat insgesamt 7 Referenzen vorgelegt. Hiervon hat die Vergabestelle im Rahmen der Eignungsprüfung 2 als den Anforderungen an vergleichbare Referenzen entsprechend berücksichtigt und die Eignung der Beigeladene bejaht. Insgesamt wurden sechs Bieter zur Abgabe von Angeboten aufgefordert, darunter die Antragstellerin und die Beigeladene.
Mit Fax vom 29.07.2013 informierte die Vergabestelle die Antragstellerin gem. § 101 a GWB darüber, dass sie beabsichtige, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen. Das Angebot der Antragstellerin weise weder das beste Leistungs-/ Preisverhältnis noch den niedrigsten Preis auf.
Die Antragstellerin rügte durch ihre Verfahrensbevollmächtigten mit Fax vom 02.08.2013, die Vergabeentscheidung sei in mehrfacher Hinsicht rechtswidrig. Das Angebot der Beigeladenen weise einen unangemessen niedrigen Angebotspreis auf. Es sei ferner nicht berücksichtigungsfähig, weil die Beigeladene die für die Durchführung des ausgeschriebenen Auftrags erforderliche technische Leistungsfähigkeit nicht besitze und nicht über vergleichbare Referenzen verfüge. Sie könne keine Referenzaufträge vorweisen, die Leistungen der Kommunikationstechnik im Zusammenhang mit öffentlichem Notruf und/oder Digitalfunk zum Gegenstand hätten. Es handele sich bei ihren Referenzauftraggebern nicht um Sicherheitsbehörden. Das Angebot der Beigeladenen sei auch nicht ausschreibungskonform, weil es nicht den Vorgaben in Ziff. 1.12 oder 3.4.1 der Leistungsbeschreibung entspreche. Aufgrund des niedrigen Gesamtpreises sei davon auszugehen, dass das Angebot von dem Amtsvorschlag abweiche.
Nachdem der Antragsgegner die Rügen zurückwies, leitete die Antragstellerin am 08.08.2013 ein Nachprüfungsverfahren ein mit dem Antrag, die Angebotswertung zu wiederholen und dabei das Angebot der Beigeladenen nicht zu berücksichtigen. Mit dem Antrag wiederholte und vertiefte sie die zuvor erhobenen Rügen.
Der Antragsgegner und die Beigeladene sind dem Antrag entgegengetreten. Sie haben die vorgelegten Referenzen der Beigeladenen für ausreichend erachtet und gemeint, nach dem Wortlaut der Ausschreibung seien keine Referenzen im Bereich öffentlicher Notruf- und Digitalfunktechnik oder im Bereich des Brand-, Katastrophenschutzes und Rettungsdienstes gefordert worden. Durch die Referenzen habe der Bewerber das Vorhandensein entsprechender Erfahrungen im Bereich €drahtlose und drahtgebundene Kommunikationstechnik für Sicherheitsbehörden€ aufweisen müssen. Die Anforderungen an die geforderten Referenzen seien nicht zu überspannen. Auch Newcomern müsse eine Chance geboten werden, sich an dem Ausschreibungsverfahren zu beteiligen. Ausschlaggebend für die aufgestellten Bedingungen an die Referenzen sei es gewesen, die kommunikationstechnische Vernetzung mehrerer Standorte sicherzustellen. Diese Anforderungen hätten alle Teilnehmer am Teilnahmewettbewerb erfüllt. Die von der Beigeladenen vorgelegte erste Referenz eines militärischen Auftragsgebers sei abstrakt geeignet, denn der Bundeswehr als Auftragsgeber sei ein Bezug zur Sicherheitsrelevanz immanent. Auch konkret sei die Referenz zum Nachweis der Eignung der Beigeladenen geeignet. Ob in eine Kommunikationsanlage militärische oder analoge BOS-Funkgeräte integriert würden, sei von den technischen Aufgabenstellungen her identisch und begründe keinen Ausschlussgrund zu Lasten der Beigeladenen. Hinsichtlich der weiteren gewerteten Referenz habe die Beigeladene als Subunternehmer der A AG mitgewirkt. Dass ein Konzentrator keine vollständige Leitstellentechnik darstelle, sei irrelevant, da in der vorliegenden Ausschreibung der Fokus der Referenzen auf €drahtgebundene Kommunikationstechnik für Sicherheitsbehörden€ liege. Mit diesen Anforderungen sei die vorgelegte Referenz der Beigeladenen ausreichend.
Mit Beschluss vom 13.12.2013 hat die Vergabekammer das Verfahren in den Stand der Eignungsprüfung zurückversetzt und den Antragsgegner verpflichtet, die Eignung der Beigeladenen anhand der von dieser vorgelegten Referenzen unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer erneut zu prüfen, die Prüfung zu dokumentieren und nach der Entscheidung über die Eignung der Beigeladenen erneut eine Mitteilung nach § 101 a GWB zu versenden.
Zur Begründung hat die Vergabekammer im Wesentlichen ausgeführt, die Antragstellerin sei antragsbefugt, insbesondere habe sie die von ihr behaupteten Vergaberechtsverstöße unverzüglich gerügt. Der Nachprüfungsantrag sei auch begründet. Die Vergabestelle habe den ihr gem. § 19 Abs. 5 VOL/A-EG eingeräumten Beurteilungsspielraum bei der Prüfung der Eignung der Beigeladenen nicht ordnungsgemäß ausgeübt und keine fehlerfreie materielle Eignungsprüfung vorgenommen. Bei der Frage der Vergleichbarkeit der Referenzen seien die selbst aufgestellten Anforderungen nicht beachtet, sondern nachträglich zu Gunsten der Beigeladenen verändert worden. Die Prüfung der Eignung der Beigeladenen sei daher unter Vermeidung der festgestellten Beurteilungsfehler zu wiederholen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den angefochtenen Beschluss verwiesen.
Gegen diesen Beschluss richten sich die sofortige Beschwerde der Beigeladenen und die Anschlussbeschwerde der Antragstellerin.
Die Beigeladene rügt, die Vergabekammer habe den Maßstab für die materielle Eignungsprüfung, insbesondere den Beurteilungsspielraum des Auftraggebers, verkannt, den Sachverhalt nicht richtig erfasst und für die materielle Eignungsprüfung falsche Schlüsse gezogen. Es könnten nur diejenigen Eignungskriterien maßgeblich sein, die in der Auftragsbekanntmachung und den Teilnahmeantragsbestimmungen konkret bekannt gemacht worden seien. Demgegenüber habe die Vergabekammer die Leistungsbeschreibung zur Konkretisierung der bekannt gemachten Eignungsvorgaben herangezogen, obwohl diese im Stadium des Teilnahmewettbewerbs den Bewerbern noch nicht bekannt gewesen sei. Der objektive Bewerberhorizont der potentiellen Bieter könne sich nur auf die im Teilnahmewettbewerb verwendeten Dokumente beziehen. Zentraler Punkt für die Eignungsprüfung sei deshalb die Auftragsbekanntmachung, die durch die Vorgabe der Teilnahmeantragsbestimmungen konkretisiert werde. Dabei sei im Zweifel für den Wettbewerb zu entscheiden. Eine zu restriktive Auslegung des Merkmals der Vergleichbarkeit berge die Gefahr, dass Newcomer keine geeigneten Referenzen vorlegen könnten und deshalb von vornherein keine Chancen auf Erteilung des Auftrags hätten. So verfüge sie, die Beigeladene, zwar über umfassende Erfahrung mit der Thematik, habe aber im Teilmarkt der deutschen Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) noch keine Referenzen. Die Ansicht der Vergabekammer führe dazu, dass auch künftig nur das €kleine Oligopol von Platzhirschen€ die relevanten öffentlichen Aufträge erhielte. Die Vergabestelle habe deswegen bewusst auf eine spezifische Eignungsvorgabe €Referenzen bei deutschen BOS€ verzichtet und stattdessen allgemein und offen auf das €Vorhandensein entsprechender Erfahrungen im sicherheitsrelevanten Bereich (hier: drahtlose und drahtgebundene Kommunikationstechnik für Sicherheitsbehörden)€ abgestellt. Entgegen der Intention der Vergabestelle habe die Vergabekammer fälschlich gemeint, dass unter Sicherheitsbehörden nur BOS-Berechtigte zu verstehen seien. Sie habe eigenmächtig die bekannt gegebene Anforderung €Erfahrungen im sicherheitsrelevanten Bereich (hier: drahtlose und drahtgebundene Kommunikationstechnik für Sicherheitsbehörden)€ nur auf €BOS-Berechtigte€ bezogen. Der Vergabestelle sei der Begriff €BOS€ hinlänglich bekannt. Wenn sie mit €Sicherheitsbehörden€ nur die €BOS-Berechtigten€ gemeint hätte, hätte sie dies mit Sicherheit auch so geschrieben. Dass die Formulierung offener sei, stelle eine bewusste Entscheidung dar. Da der Begriff €Sicherheitsbehörden€ nicht legal definiert sei, müsse die Vorgabe des Auftragsgebers interpretiert werden. Gerade die Bundeswehr sei im Wege eines erst Recht-Schlusses zu den Sicherheitsbehörden zu zählen. Dort würden sogar noch strengere Sicherheitsmaßstäbe gefordert als bei sonstigen Sicherheitsbehörden und €organisationen wie dem Rettungsdienst, dem Katastrophenschutz und der Polizei.
Die Vergabestelle sei nicht zu Gunsten der Beigeladenen nachträglich von ihren Eignungsanforderungen abgerückt. Bei der Vergleichbarkeit der Auftragsgröße könne nicht schematisch auf die Anzahl von 26 Leitstellen abgestellt werden.
Abgesehen davon, dass eine Vernetzung in den Teilnahmewettbewerbsunterlagen an keiner Stelle gefordert werde, werde man bei den wenigsten Bewerbern Referenzen über eine Vernetzung von 26 Leitstellen finden. Insofern sei die Vorgabe dieser Größenordnung technisch unzutreffend, weil sie keine taugliche Prognose zur Eignung abgebe.
Die Formulierungen im Vergabevermerk seien keine Anzeichen dafür, dass die Prüfungstiefe und der Prüfungsmaßstab bei den Bietern unterschiedlich gehandhabt worden seien. Zwar sei zuzugestehen, dass manche Formulierungen in der Dokumentation der Eignungsprüfung angreifbar erschienen; die Dokumentation bewege sich allerdings auf einem hohen Niveau. Es sei illusorisch anzunehmen, dass bei sieben Bewerbern und insgesamt 50 Referenzen eine Form der Dokumentation möglich sei, in welcher jede Referenzbeurteilung einer anderen gegenüber gestellt werden könne und der Vergleich einer durchgängigen Linie folge. Bei einer solchen Vielzahl von Referenzen seien immer Punkte zu finden, die angreifbar erschienen. In der Gesamtbetrachtung sei jedoch festzustellen, dass die Vergabestelle bei allen Bewerbern die materielle Eignung bejaht und sich dabei durchaus Gedanken über die Frage der Vergleichbarkeit gemacht habe. Es seien deshalb allenfalls Dokumentationsmängel festzustellen, die aber nicht dazu führen könnten, dass selektiv nur die Eignung der Beigeladenen verneint werde. Wolle man die Prämissen der Vergabekammer auf die Referenzen aller Bewerber anwenden, so wären auch deren Referenzen zum Großteil unbrauchbar.
Die Bewertung der Bundeswehr-Referenz durch die Vergabekammer sei zu kurz gefasst. Sie belege sowohl eine Anschaltung weiterer Standorte als auch deren Vernetzung. Hinsichtlich der Referenz Rheinland-Pfalz sei belegt worden, dass die Beigeladene über Erfahrungen bezüglich der Bestandteile, die nicht durch den Konzentrator abgedeckt sind, besitze. Schließlich werde die Eignung der Beigeladenen auch durch die Referenz Nr. 2 belegt, die zunächst von dem Antragsgegner fälschlicherweise nicht gewertet worden sei.
Die Beigeladene und Beschwerdeführerin beantragt:
1. Der Beschluss der 2. Vergabekammer des Landes Hessen vom 13.12.2013 € Az: 69 d VK 30/2013 € wird aufgehoben.
2. Die Vergabestelle wird verpflichtet, den Zuschlag auf das Angebot der Beschwerdeführerin/Beigeladenen zu erteilen.
3. Hilfsweise:
Die Vergabestelle wird verpflichtet, die Eignung der Beigeladenen anhand der von dieser vorgelegten Referenzen sowie unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu prüfen, dies zu dokumentieren und erneut eine Vorabinformation zu versenden.
4. Der Antragstellerin und Beschwerdegegnerin werden die Kosten des Verfahrens sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen auferlegt.
5. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Beschwerdeführerin wird für notwendig erklärt.
Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin beantragt,
1. die sofortige Beschwerde der Beigeladenen wird zurückgewiesen,
sowie im Wege der Anschlussbeschwerde:
2. der Beschluss der 2. Vergabekammer des Landes Hessen bei dem Regierungspräsidium Darmstadt vom 13.12.2013 € 69 d. VK-30/2013 € wird in Ziffer 1 aufgehoben und in Ziffer 2 dahingehend abgeändert, dass der Antragsgegner verpflichtet wird, das Angebot der Beigeladenen auszuschließen.
Die Vergabekammer habe zu Recht entschieden, dass der Antragsgegner die Referenzen der Beigeladenen fehlerhaft bewertet habe, weil er die selbstgestellten Anforderungen und den ausgeschriebenen Auftragsgegenstand nicht hinreichend berücksichtigt habe.
Die von der Beigeladenen benannten Referenzen erfüllten nicht die gestellten Anforderungen. Die von dem Antragsgegner zu Unrecht positiv gewertete Referenz Nr. 1 (Bundeswehr) erfülle als Referenz eines militärischen Auftraggebers nicht die ausdrückliche Vorgabe, dass mit der Referenz Erfahrungen im sicherheitsrelevanten Bereich (hier drahtlose und drahtgebundene Kommunikationstechnik für Sicherheitsbehörden) aufgezeigt werden müssten. Bei einem militärischen Auftraggeber handele es sich nicht um eine Sicherheitsbehörde/BOS-Organisation. Unter BOS seien die staatlichen (polizeiliche und nichtpolizeiliche) sowie nicht staatlichen Akteure zu verstehen, die spezifische Aufgaben zur Wahrung und/oder Wiedererlangung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung wahrnehmen. Konkret seien dies z. B. die Polizei, die Feuerwehr, das Technische Hilfswerk (THW), die Katastrophenschutzbehörden der Länder und privaten Hilfsorganisationen, sofern sie im Bevölkerungsschutz mitwirkten. Als BOS würden ausschließlich erfasst die Polizei des Bundes und der Länder, Feuerwehren, Rettungsdienste, Katastrophen- und Zivilschutzbehörden, THW und die Bundeszollverwaltung. Der Bundeswehr obliege demgegenüber die Aufgabe der nationalen Sicherheit und Verteidigung, also die äußere Gefahrenabwehr. Die Annahme, der Begriff Sicherheitsbehörden sei hier nicht im Sinne von BOS€Behörden zu verstehen, sei unter Berücksichtigung des ausgeschriebenen Auftragsgegenstandes abwegig. Auftragsgegenstand sei eine spezielle Kommunikationstechnik, die den spezifischen Anforderungen genau dieser Behörden und die von der BDBOS (Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben) vorgegebenen Voraussetzungen für den öffentlichen Digitalfunk erfülle. Der Beigeladenen habe klar sein müssen, dass eine Referenz aus dem militärischen Bereich den gestellten Anforderungen nicht entspreche. Die Notrufannahme und Abarbeitung von Rettungseinsätzen sei der Zweck von Rettungsleitstellen des Brand- und Katastrophenschutzes und des Rettungsdienstes. Die Bezeichnung Notruf für BOS-Leitstellen beziehe sich auf Anschlüsse, für die Artikel 26 der Universaldienstrichtlinie und § 108 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) sowie die Verordnung über Notrufverbindungen (NotrufV) und die technische Richtlinie Notrufverbindungen (TR Notruf) gälten. Schon dieser rechtliche Rahmen unterscheide BOS-Kommunikationstechnik von der Kommunikationstechnik anderer Institutionen wie etwa militärischer Kommunikationstechnik. Die Vergabestelle sei von ihren eigenen Anforderungen nachträglich abgewichen, um zu Gunsten der Beigeladenen auch Referenzen aus dem militärischen Bereich zu berücksichtigen. Sie habe deshalb den Maßstab für die Referenzen geändert und diese nicht mehr an der Anforderung €Kommunikationstechnik für Sicherheitsbehörden€, sondern an der Anforderung €Vernetzung mehrerer Standorte im Sicherheitsumfeld (Brand-/ Katastrophenschutz, Polizei, Militär) gemessen. Nur so habe sie zu einer positiven Bewertung der Beigeladenen kommen können. Die Referenz sei auch in technischer Hinsicht nicht vergleichbar, da es sich um militärische Funk- und Kommunikationssysteme handele, die für andere funktionale Aufgaben konzipiert seien und andere Technologien nutzten.
Dass es der Vergabestelle auf die wesentlichen und spezifischen Systeme von Sicherheitsbehörden angekommen sei, ergebe sich auch aus der Bewertung anderer Referenzen. Dort habe die Vergabestelle entsprechende Erfahrungen mit BOS spezifischen Komponenten vorausgesetzt. Vorliegend sei als Teil des Projektes auch die bestehende Lehrleitstelle in O1 auszustatten. Dies sei ein wichtiges Projektziel und das Verlangen dieser Komponente bei den Referenzen sei zwingend, wenn diese entsprechende Erfahrungen mit Kommunikationssystemen im Sicherheitsbereich aufzeigen müssen. Dass die Vergabestelle bei der Referenz der Beigeladenen keinen Wert auf Erfahrungen mit diesen wesentlichen Systemen einer Rettungsleitstelle gelegt habe, zeige, dass sie hier einen von den Anforderungen der Bekanntmachung abweichenden Maßstab angesetzt habe.
Aus diesem Grund habe die Vergabestelle folgerichtig die Referenz eines Bieters abgelehnt, der über entsprechende Nachweise nicht verfügt habe. Hätte, so meint die Antragstellerin, die Vergabestelle diesen Maßstab auch auf die Referenz der Beigeladenen angewandt, hätte sie diese nicht positiv bewerten können. Nach allem sei es auch unter Berücksichtigung des dem Auftraggeber zustehenden Beurteilungsspielraumes objektiv nicht vertretbar, die Referenz der Beigeladenen als Referenz vergleichbarer Art und Größenordnung zu bewerten. Auch die Referenz Rheinland-Pfalz könne nicht gewertet werden, weil die dort beschriebene Leistung weder von der Beigeladenen noch von ihrem Subunternehmer A, sondern von der Firma B erbracht worden sei. Der Konzentrator sei nicht Gegenstand des Auftrags über die Leitstellentechnik gewesen. Die Firma A habe lediglich den Auftrag über die Lieferung eines Leitstellenkonzentrators erhalten, bei dem es sich um eine technische Variante der Übertragungstechnik zwischen digitalem Funknetz und der Leitstelle und nicht um die Komponente der Leitstelle selbst handele. Der Leitstellenkonzentrator ersetze lediglich herkömmliche ISDN-Festverbindungsleitungen durch IP-Datenverbindungen, habe aber selbst keinerlei funktionalen Einfluss auf die technischen Systeme einer Leitstelle, die den wesentlichen Gegenstand dieser Ausschreibung ausmachten. Bei dem vorliegend ausgeschriebenen Auftrag mache der Konzentrator allenfalls 5% des Auftragsgegentandes aus. Deshalb könne selbst bei wohlwollender Auslegung nicht mehr von einer nach Art und Größenordnung vergleichbaren Referenz gesprochen werden.
Die Referenz Nr. 2 (C) habe die Vergabestelle zu Recht (zunächst) abschlägig bewertet, weil sie weder im BOS-/Sicherheitsumfeld liege noch BOS-Tetrabestandteil sei. Soweit die Vergabestelle im Nachprüfungsverfahren die Referenz Nr. 2 nunmehr doch positiv bewerten wolle, sei ihr diesbezügliches Vorbringen nicht mehr berücksichtigungsfähig. Der Vortrag sei wegen Verstoßes gegen die Verfahrensförderungspflicht gem. § 113 Abs. 2 S. 1 GWB nicht zu berücksichtigen. Im Übrigen lägen auch keine neuen Erkenntnisse vor, die es rechtfertigen könnten, von der ursprünglichen Negativbewertung abzuweichen. Bei unveränderter Sachlage sei es dem Auftraggeber verwehrt, von seiner ursprünglichen Beurteilung abzurücken. Die Referenz erfülle auch nicht die gestellten Anforderungen. Die C habe einen vollkommen anderen Tätigkeits- und Wirkungsbereich, der in der Finanzierung des Autobahn- und Schnellstraßennetzes in Österreich liege. Die Erhebung von Mautgebühren könne indes nicht als Aufgabe zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit angesehen werden. Die Aufrechterhaltung der allgemeinen Verkehrssicherheit in Österreich obliege nicht der C, sondern den öffentlichen Organen der Polizei. Die C sei folglich keine BOS-Behörde und ihrem Geschäftsgegenstand nach mit einer solchen auch nicht vergleichbar. Im Ergebnis sei daher festzustellen, dass die Beigeladene objektiv noch nicht einmal eine Referenz in vergleichbarer Art und Größenordnung, die das Vorhandensein entsprechender Erfahrungen mit drahtloser und drahtgebundener Kommunikationstechnik für Sicherheitsbehörden aufzeige, vorweisen könne. Die Mindestanforderung, wonach die Bewerber mindestens zwei vergleichbare Referenzen, konkret zwei ausgeführte Aufträge über drahtlose und drahtgebundene Kommunikationstechnik für Sicherheitsbehörden vorweisen müssen, sei sachlich gerechtfertigt und schließe die Berücksichtigung von Newcomern in zulässiger Weise aus.
Im Übrigen wiederholt die Antragstellerin ihre früheren Rügen eines unangemessen niedrigen Preises und eines nicht ausschreibungskonformen Angebotes. Weiter meint sie, die Beigeladene habe im vorgegebenen Preisblatt eine Vielzahl von Preisangaben und eine geforderte Erklärung unterlassen, so dass ihr Angebot auch wegen Unvollständigkeit auszuschließen sei.
Der Antragsgegner/Vergabestelle schließt sich der sofortigen Beschwerde an und beantragt,
1. der Beschluss der 2. Vergabekammer des Landes Hessen vom 13. Dezember 2013 € Az.: 69 d € VK-30/2013 € wird aufgehoben.
2. Der Antragstellerin und Beschwerdegegnerin werden die Kosten des Verfahrens sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen des Antragsgegners auferlegt.
3. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch den Antragsgegner in dem Beschwerdeverfahren und dem Antragsverfahren nach § 121 GWB wird für notwendig erklärt.
Der Antragsgegner/Vergabestelle hält die sofortige Beschwerde der Beigeladenen für zulässig und begründet und die Anschlussbeschwerde der Antragstellerin für unzulässig und unbegründet.
Sie meint, die Anschlussbeschwerde sei nicht fristgerecht eingelegt worden.
Sie sei schon deshalb unbegründet, weil der Nachprüfungsantrag € was die Vergabekammer in ihrer Entscheidung verkannt habe € unzulässig sei. Die mit Fax vom 02.08.2013 erhobene Rüge der Antragstellerin sei verspätet erhoben worden und gem. § 107 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GWB präkludiert. Die Antragstellerin habe gegen ihre Pflicht, erkannte Verstöße im Vergabeverfahren unverzüglich zu rügen, verstoßen. Sie habe seit Erhalt des Mitteilungsschreibens der Vergabestelle vom 29.07.2013 positive Kenntnis von der Absicht, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen, gehabt. Die erst nach vier Arbeitstagen am 02.08.2013 erhobene Rüge sei nicht mehr fristgerecht im Sinne von § 107 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GWB. Die Rügefrist sei in der Praxis der Vergaberechtsprechung insbesondere auch des erkennenden Senates regelmäßig 1 bis äußerstenfalls 3 Tage. Angesichts der bei der Antragstellerin bereits vorhandenen Kenntnis der vermeintlichen Nichteignung der Beigeladenen habe sie nach Erhalt des Mitteilungsschreibens am 29.07.2013 mit einem Blick auf den Namen des benannten Zuschlagsdestinatärs Kenntnis von der vermeintlichen Ungeeignetheit gehabt. Damit sei die Rüge als verspätet und präkludiert zurückzuweisen.
Der unzulässige Nachprüfungsantrag sei daneben auch unbegründet. Zunächst habe die Vergabekammer bei ihrer Entscheidung eine falsche Norm zugrunde gelegt. Einschlägig sei im Rahmen des hier durchgeführten nicht offenen Verfahrens § 10 Abs. 1 VOL/A-EG und nicht § 19 Abs. 5 VOL/A-EG. Bereits aus diesem Grund sei der streitgegenständliche Beschluss aufzuheben.
Die Beigeladene habe ihre Eignung mittels der von ihr vorgelegten Referenzen unzweifelhaft und zu ihrer, der Vergabestelle, vollen Überzeugung anhand des bekanntgegebenen und für alle Bewerber im Teilnahmewettbewerb gleichermaßen angelegten Prüfungsmaßstabes nachgewiesen.
Die Vergabekammer habe den ihr eingeräumten Überprüfungsspielraum bei einer Eignungsentscheidung unzulässig überschritten. Gegen ihre eigene Feststellung habe sie sehr wohl Interpretationen und Auslegung der Eignungsanforderung vorgenommen. So habe sie die Formulierung €vergleichbare Art€ dahin ausgelegt, dass es sich um Referenzen über die Ertüchtigung von BOS-Leitstellen und hinsichtlich der €vergleichbaren Größenordnung€ um die Anbindung von 26 Leitstellen handeln müsse. Demgegenüber habe die Vergabestelle den sicherheitsrelevanten Bereich ausdrücklich als drahtlose und drahtgebundene Kommunikationstechnik für Sicherheitsbehörden beschrieben und damit offenkundig nicht den engeren Begriff €BOS€, der in Deutschland gem. § 2 Abs. 1 S. 3 BDBOSG als €Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben€ definiert sei, gewählt. Dies sei gewollt gewesen, wozu sie, die Vergabestelle, durch ihr Bestimmungsrecht als öffentlicher Auftraggeber berechtigt gewesen sei. Es obliege nicht der Vergabekammer, Eignungsanforderungen des Auftraggebers im Nachhinein zu ändern. Es stehe allein dem Auftraggeber zu, die inhaltlichen Anforderungen an die Referenzen vorzusehen. Den von der Vergabekammer angefügten Zusatz (BOS-Berechtigte) habe sie, die Vergabestelle, bewusst nicht als Anforderung an die Referenzen geltend machen wollen und dies folgerichtig auch so nicht in der Bekanntmachung veröffentlicht.
Würde man den sachlich wie rechtlich unzutreffenden Wertungsmaßstab der Vergabekammer bei der Prüfung der von allen Bewerbern eingereichten Referenzen anlegen, würde dies zu dem Ergebnis führen, dass keiner der Bewerber zur Auftragsdurchführung geeignet sei. Kein Bewerber verfüge über zwei Referenzen gem. der Definition der Vergabekammer, nämlich der Anbindung an den deutschen Digitalfunk BOS im Sinne von § 1 BDBSG mit einem Umfang von 26 BOS-Leitstellen.
Die von der Vergabekammer geforderte Erfahrung im Bereich €BOS€ sei zu keinem Zeitpunkt gefordert worden. Technisch erforderlich aber auch ausreichend sei, dass die Bewerber nachweisen, dass sie zum Anschluss mehrerer Leitstellen in der Lage seien. Diesen Nachweis hätten alle fünf Bieter erbringen können. Bei der von der Beigeladenen vorgelegten Bundeswehr-Referenz handele es sich um eine technisch mit dem Ausschreibungsgegenstand nach dessen Art vergleichbare Leistung. Die Vergabekammer habe verkannt, dass es sich bei der Bundeswehr um einen berechtigten Teilnehmer am deutschen Digitalfunk BOS handele. Die Grundtechnologie (IP-basiertes Sprachvermittlungssystem) sei identisch. Die anwenderspezifischen Ausprägungen wie Funkmeldesysteme und Alarmierung im BOS-Bereich bzw. militärspezifische Konfigurationen bedeuteten keine grundsätzlich unterschiedliche Leitstellentechnik. Bei der Umsetzung verschiedener Auftraggeber-Anforderungen komme es prinzipiell darauf an, ob ein Unternehmen Erfahrungen mit bestimmten Schnittstellen habe. Ob an eine RS232-Schnittstelle ein FMS-Leitstellengerät oder eine militärische Kommunikationskomponente angeschlossen werde, sei in Bezug auf die technische und fachliche Leistungsfähigkeit unbedeutend. Wichtig und entscheidend sei, dass das Unternehmen die verschiedenen Schnittstellen grundsätzlich beherrsche, was bei der Referenz der Beigeladenen der Fall sei. Diese Referenz sei auch von der Größe mit dem ausgeschriebenen Auftrag vergleichbar. Hinsichtlich der Referenz des Landes Rheinland-Pfalz sei der Beschluss der Vergabekammer in mehrerer Hinsicht unzutreffend und zeige einmal mehr das mangelnde technische und vergaberechtliche Verständnis der Vergabekammer. Die geforderten Voraussetzungen würden hier kumulativ durch die eingereichte Referenz des Subunternehmers A dargelegt. Durch die Konzentratorlösung der A werde die Anbindung der Leitstellen an den Digitalfunk ermöglicht. Weiterhin sei der Einsatz einer drahtlosen und drahtgebundenen Kommunikationstechnik sowie die Vernetzung von mindestens zwei Standorten erfolgt. Eine Abweichung von diesen Bewertungskriterien würde einen vergaberechtlichen Verstoß darstellen.
Auch die Referenz der C sei neben den vorgenannten Referenzen zu berücksichtigen und führe zur Eignungsfeststellung. Insoweit sei der Nachweis der geforderten Erfahrungen im sicherheitsrelevanten Bereich mit drahtloser und drahtgebundener Kommunikationstechnik für Sicherheitsbehörden mittels dieser Referenz erbracht. Die österreichische C sei nur zum Teil mit den Autobahn- und Straßenmeistereien in Deutschland vergleichbar. Ein wesentlicher Unterschied sei die Wahrnehmung von hoheitlichen Vollzugsaufgaben durch die C, was ihr den Charakter einer Sicherheitsbehörde verleihe.
Ergänzend wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
A. Sofortige Beschwerde
Die sofortige Beschwerde der Beigeladenen ist statthaft (§§ 116 Abs. 1, 109 GWB) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden (§117 Abs.1 -3 GWB). In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.
1.
Die Entscheidung der Vergabekammer ist nicht schon deshalb aufzuheben, weil der Nachprüfungsantrag unzulässig war.
Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zu Recht für zulässig gehalten. Die sofortige Beschwerde erhebt dagegen auch keine Bedenken. Soweit die Vergabestelle meint, die Rüge der fehlenden Eignung der Beigeladenen sei präkludiert (§ 107 Abs. 3 GWB), weil sie nicht innerhalb eines Tages nach Zugang des Informationsschreibens gem. § 101a GWB erhoben wurde, ist ihrer Auffassung nicht zu folgen. Zwar hat der Senat in dem von der Vergabestelle angeführten Beschluss ausgeführt, die Beanstandung einer unzureichenden Vorabinformation müsse grundsätzlich noch am Tag des Zugangs, spätestens jedoch am Folgetag erfolgen, eine spätere Rüge sei nicht mehr unverzüglich (so insbesondere auch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.8.2004, Verg 54/04; VK Nordbayern, Beschl. v. 26.8.2009, 21. VK € 3194 -30/09; weitere Rspr. bei Weyand, Vergaberecht, 3 Aufl., § 107 Rn. 3639). Diese Rechtsprechung betrifft indes nur den besonderen Fall einer mangelhaften Vorabinformation und beruht darauf, dass Mängel der Vorabinformation mit der Information selbst ohne weiteres sofort erkennbar sind und deshalb unverzüglich nur innerhalb von 1 € 2 Tagen gerügt werden können. Im Übrigen war diese Frist in dem entschiedenen Fall nicht erheblich, weil die Rüge der am 11.2. zugegangenen Vorabinformation erst am 19.2, also nach sieben Tagen und damit in jedem Fall verspätet erfolgt war.
Der vorliegende Fall ist damit jedoch nicht vergleichbar. Der vermeintliche Mangel erschließt sich nicht unmittelbar aus der Vorabinformation. Vielmehr muss aus dem Inhalt der Vorabinformation unter Verwendung mutmaßlich bereits vorhandener Kenntnisse über den Konkurrenten, der den Zuschlag erhalten soll, der Rückschluss auf eine vermeintlich vergaberechtswidrige Eignungsprüfung gezogen werden. In diesem Fall ist dem Bieter ohne weiteres eine mittlere Rügefrist von 2 € 4 Tagen zuzugestehen, zumal nach der Rechtsprechung des OLG München (VergabeR 2013, 78), der sich der Senat angeschlossen hat, im Hinblick auf die Entscheidung des EuGH v. 28.1.2010 € CV 406/08, C € 456/08 eine eher großzügige Handhabung angezeigt erscheint.
Die Antragstellerin hat die Vorabinformation am 29.7.2013 erhalten und € nach Einschaltung ihrer Verfahrensbevollmächtigten € mit am 2.8.2013, 9.35 Uhr bei der Vergabestelle eingegangenem Fax Rügen erhoben. Damit hat sie die vermeintlich mangelnde Eignung der Beigeladenen innerhalb von 3 Tagen noch unverzüglich gerügt. Für die in dem Schreiben ebenfalls erhobenen Rügen der Unauskömmlichkeit des Preises und eines von der Leistungsbeschreibung abweichenden Angebots gilt dies erst recht.
2.
Die Vergabekammer hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass die hinsichtlich der Beigeladenen durchgeführte Eignungsprüfung vergaberechtswidrig ist und die Antragstellerin in ihren Bieterrechten gem. § 97 GWB verletzt.
a)
Die Anforderung von Referenzen stellt eine geeignete, vergaberechtskonforme Maßnahme dar, die es der Vergabestelle erleichtert, die Eignungsprüfung im Rahmen der Angebotswertung durchzuführen. Das gilt insbesondere für Referenzen über durchgeführte vergleichbare Leistungen.
Der Vergabestelle kommt bei der Prüfung der Eignung eines Bieters grundsätzlich ein weiter Beurteilungsspielraum zu, der der Überprüfung durch die Nachprüfungsinstanzen weitgehend entzogen ist. Das gilt namentlich für die Überprüfung von Referenzen und die Beurteilung von deren Vergleichbarkeit (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9.6.2010, VII Verg 14/10; OLG München, Beschl. v. 12.11.2012, Verg 23/ 12 jeweils bei juris; Müller-Wrede/Schwabe, VOL, 4. Aufl., § 15 EG Rn. 62). Die Überprüfung der Vergleichbarkeit ist darauf beschränkt, ob der der Eignungsprüfung zugrunde gelegte Sachverhalt zutreffend und vollständig ermittelt und bei der Eignungsprüfung berücksichtigt worden ist sowie allgemeine Bewertungsmaßstäbe eingehalten worden sind und sachwidrige Erwägungen dabei keine Rolle gespielt haben ( OLG Düsseldorf a.a.O; Weyand a.a.O. § 97 GWB, Rn.768).
b)
Die Vergabekammer hat diesen Maßstab entgegen der Auffassung der Beigeladene und der Vergabestelle nicht verkannt, sondern die Prüfung auf die den Nachprüfungsstellen vorbehaltenen Gesichtspunkte beschränkt. Insbesondere ist sie zutreffend davon ausgegangen, dass dem Auftraggeber bei der Entscheidung, welche Anforderungen er an die Eignung der Bieter stellen will, und bei der Bewertung der Referenzen zwar ein weiter Beurteilungsspielraum zusteht, er aber an die von ihm selbst aufgestellten und bekannt gegebenen Anforderungen gebunden ist und hiervon nicht nachträglich zugunsten einzelner Bieter abweichen darf, indem er bei der Wertung der Teilnahmeanträge an die Eignung höhere oder geringere als die allgemein bekannt gemachten Anforderungen stellt. Fordert er zum Nachweis der Eignung der Bieter € wie hier € Referenzen über frühere Aufträge, so steht es zwar weitgehend in seinem Ermessen, welche Anforderungen an die Referenzen er stellen will. Fordert er aber ausdrücklich Referenzen über Aufträge €vergleichbarer Art und Größe€, so darf er wegen des Gebots der Gleichbehandlung und der Transparenz nur solche Referenzen berücksichtigen, die vergleichbare Leistungen nachweisen (OLG Koblenz, Beschl. v. 13.6.2012, 1 Verg 2/12; KG, Beschl. v. 21.2.2009, 2 Verg 11 / 09). Hält ein Bieter diese Vorgaben nicht ein, kann ein anderer Bieter dies beanstanden und im Nachprüfungsverfahren überprüfen lassen.
c)
Bei dem Begriff €vergleichbare Leistung€ handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der anhand des Wortlauts der Vergabeunterlagen und von Sinn und Zweck der geforderten Angaben unter Berücksichtigung des Wettbewerbs- und Gleichbehandlungsgrundsatzes auszulegen ist (Weyand a.a.O. Rn. 741 ff.). Dabei bedeutet die Formulierung €vergleichbar€ nicht €gleich€ oder gar €identisch€, sondern, dass die Leistungen im technischen oder organisatorischen Bereich einen gleich hohen oder höheren Schwierigkeitsgrad hatten (OLG Düsseldorf, Verg 54/08; OLG Frankfurt, 11 Verg 8/06; VK Baden-Württemberg, Beschl. v. 28.10.2011, 1 VK 54/11; VK Bund, VK 1-153/11). Die ausgeschriebene Leistung muss den Referenzaufträgen soweit ähneln, dass sie einen tragfähigen Rückschluss auf die Leistungsfähigkeit des Bieters für die ausgeschriebene Leistung eröffnet (OLG München a.a.O.; Senat, Beschl. v. 24.10.2006, 11 Verg 8/06; vgl. auch Ott, www.vergabeblog.de). Wird eine Referenz über eine Leistung vergleichbarer Art und Größe gefordert, so kann ein verständiger und sachkundiger Bieter die damit verbundenen Anforderungen nur in diesem Sinn verstehen und muss sich die Vergabestelle an die von ihr so definierte Vorgabe halten. Maßgeblich ist dabei nicht, wie sie die Anforderung gemeint hat, sondern wie sie nach dem objektiven Empfängerhorizont zu verstehen ist.
d)
Die Vergabekammer hat zu Recht angenommen, dass die Vergabestelle die von ihr selbst gestellten Anforderungen nicht beachtet, sondern zugunsten der Beigeladenen verändert hat.
aa)
Die Entscheidung der Vergabekammer ist nicht deshalb aufzuheben, weil sie bei der Bewertung der Eignungsprüfung § 19 Abs. 5 VOL/A € EG herangezogen hat, statt die bei Teilnahmewettbewerb im Rahmen eines nichtoffenen Verfahrens einschlägige Bestimmung in § 10 Abs. 1 VOL/A € EG. Daraus ergibt sich für die Eignungsprüfung kein unterschiedlicher Maßstab, weil in beiden Fällen der Auftrag nur an geeignete Bieter zu erteilen ist und bei vorangegangenem Teilnahmewettbewerb nur diejenigen Bieter zur Angebotsabgabe aufzufordern sind, die ihre Eignung nachgewiesen haben (Müller€Wrede/Gnittke/Hattig a.a.O. § 10 Rn. 10).
bb)
Die Beigeladene rügt im Ergebnis ohne Erfolg, die Vergabekammer habe zur Konkretisierung der bekanntgemachten Eignungskriterien die Leistungsbeschreibung herangezogen, die bekannt gemachten Eignungsvorgaben ergänzt und falsch interpretiert, obwohl den Bietern im Teilnahmewettbewerb nur die Bekanntmachung und die Teilnahmeantragsbestimmungen bekannt gewesen seien. Die wesentlichen Einzelheiten der Auftragsbeschreibung finden sich nicht erst in der Leistungsbeschreibung, sondern bereits in den Teilnahmeantragsbestimmungen, wo der Auftrag wie folgt beschrieben wird:
€Im Rahmen dieser Ausschreibung sollen die BOS€Leitstellen, -Leitwarten, -Leitstände sowie BOS€Befehlsstellen für den Digitalfunk ertüchtigt werden. Hierzu gehören 25 bis 26 Standorte. Es soll ein Rahmenvertrag für die Dauer von 4 Jahren geschlossen werden, um je nach Größe und Funktion des Standortes die Leitstellen variabel mit aktiver und passiver Leitstellentechnik und €ausstattung nach den aktuellen Vorschriften (bezüglich der Anschaltung an Telekommunikationsschnittstellen, der Arbeitsplatzausstattung, der Produktsicherheit, der elektromagnetischen Verträglichkeit, den gültigen VDE € Richtlinien, den gültigen DIN- sowie EN-Normen und der CE € und ISO € Kennzeichnung) ausstatten zu können.
Bestandteil dieser Ausschreibung ist die Konzeption, Lieferung, Installation und Inbetriebnahme (incl. Schulung und Unterstützung) sowie Pflege und Support der Notruf- /Funkabfrage € und Vermittlungseinrichtungen incl. der Ausstattung mit Dokumentationsanlagen und FMS - Leitstellengeräten, Erweiterungen der Funktionalität im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnik (z.B. Notruftechnik, Katastrophenschutzalarmierungssysteme, Empfangstechnik für Brandmeldeanlagen, eCall oder neue Schnittstellen für Video-, Text-, und Sprachkommunikation) sowie die notwendige Verkabelung. Die Ausschreibung umfasst die Arbeitsplätze für die Einsatzsachbearbeiter und das dazu gehörige Mobiliar sowie die Ertüchtigung der Leitstellen € und ggfs. Technikräumlichkeiten. Die Altanlagentechnik und Altgeräte sind zu demontieren und fachgerecht zu entsorgen.
Ferner sind die nachfolgenden bereits vorhandenen Systeme bzw. Komponenten funktions- und leistungsfähig an die Leitstellenlösung anzuschließen: Einsatzleitsysteme (ELS) der Firmen D und E; Analoge Funkverkehrskreise, Gleichwellensysteme und Relaissteuerungen, Digitale Funkgeräte (FRT), Funkmeldesysteme, Telefonanlagen, Haustechnik.
Der Ausschreibungsgegenstand besteht aus folgenden Komponenten:
- Ertüchtigung der Leitstellen gemäß den Vorgaben dieser Leistungsbeschreibung und Realisierung der Infrastrukturvoraussetzungen
- Erforderliche Hardwaresysteme, Dokumentationsanlagen und weitere notwendige Komponenten;
- Anschaltung an die Vermittlungsstellen (DXT) des BOS € Digitalfunks unter Verwendung von Leitungsmultiplexern;
- Leitstellenmobiliar; Installation der Antennen und Antennenleitungen für die Digitalfunkgeräte (FRT);
- Installation der benötigten elektrischen Leitungen;
- Unterbrechungsfreie Stromversorgung;
- Schnittstellen € Realisierung zum Einsatzleitsystem;
- Schnittstellenrealisierung zur Anschaltung von Gefahrenmeldesystemen;
- Beratungs- und Unterstützungsleistung hinsichtlich der Einführung und Nutzung der Leitstellenlösung;
- Schulung und Einweisung der Einsatzsachbearbeiter, Leitstellen € Administratoren und System € Administratoren;
- Realisierung der Schulungsumgebung an der Hessischen Landesfeuerwehrschule€;€
Auch die Beigeladene geht bei der Frage, welche Anforderungen an die Referenzen zu stellen sind, von dieser Auftragsbeschreibung in den Teilnahmeantragsbestimmungen aus. Im Hinblick auf diese, den Bietern mit den Teilnahmeantragsbestimmungen bekannt gegebenen Anforderungen ist von nach Art und Größe vergleichbaren Referenzen jedenfalls zu erwarten, dass ein Bieter Erfahrungen im Bereich der Ertüchtigung von Leitstellen - insbesondere mit drahtloser und drahtgebundener Kommunikationstechnik für Sicherheitsbehörden - und den damit verbundenen Zielen hat. Ob eine Referenz damit hinsichtlich aller von der Vergabekammer als wesentlich herausgearbeiteten Punkte, nämlich
- Anschaltung an den BOS-Digitalfunk;
- Anbindung an die Telefonie;
- Dokumentation der geführten Kommunikation;
- Beschaffung der Soft- und Hardware;
- Alarmempfangstechnik;
- Gewährleistung einer unterbrechungsfreien Stromversorgung;
- Einrichtungen und Ausstattung der Arbeitsplätze mit technischen Geräten und Mobiliar sowie
- Verkleidung der Kabel
aussagekräftig sein muss, kann letztlich dahinstehen. Die Vergabestelle selbst hat bei der Wertung einzelner Referenzen zu erkennen gegeben, welche Angaben sie vor diesem Hintergrund als mindestens erforderlich ansieht, um von Referenzen auszugehen, die im technischen und organisatorischen Bereich Leistungen mit einem gleich hohen oder höheren Schwierigkeitsgrad aufweisen.
Insoweit hat sie verlangt, dass die Kriterien
- funktionsfähige Anschaltung an die Digitalschnittstellen des Bundes einschließlich Kryptofunktionalität,
- Zusammenwirken mehrerer Leitstellen und Vernetzung mehrerer Standorte/Überlaufszenarien im Sicherheitsumfeld,
- VoIP, Digitalfunk (FRT), Drahtanbindung,
- Schulungsplattform und Dokumentationsanlage
erfüllt sind. Einzelne Referenzen, die keine entsprechenden Nachweise enthielten, hat sie nicht berücksichtigt ( z. B. Bewerber 1, Ref. 2 und 4; Bewerber 3 € 5).
Im Hinblick auf den komplexen Auftragsinhalt erscheint es ohne weiteres vertretbar und plausibel, dass die Vergabestelle zur Prüfung der Vergleichbarkeit der Referenzen auf (mindestens) diese Punkte abgestellt hat. Das gilt umso mehr als sie in den Verdingungsunterlagen mitgeteilt hat, es würden strenge Anforderungen an die Eignungsprüfung gestellt.
Teilweise haben diese (Ausschluss-) Kriterien aber offensichtlich keine Rolle gespielt. So soll nach Auffassung der Vergabestelle der Umstand, dass ein Konzentrator keine vollständige Leitstellentechnik darstellt, irrelevant sein, weil in der hiesigen Ausschreibung der Fokus der Referenzen auf €( ) drahtgebundener Kommunikationstechnik für Sicherheitsbehörden€ liege. Bereits daraus wird deutlich, dass die Vergabestelle an die Vergleichbarkeit keine durchgängig einheitlichen Anforderungen gestellt hat.
Die aufgezeigten Wertungsunterschiede sind weder marginal noch können sie damit erklärt werden, dass bei einer Anzahl von 50 Referenzen keine Form der Dokumentation gefunden werden könne, in der jede Referenzbeurteilung jeder anderen gegenüber gestellt werden kann und der Vergleich einer durchgängigen Linie folge. Die Beigeladene vermag ihre Behauptung, warum dies nicht möglich sein soll, nicht einmal zu belegen. Sie ist auch nicht nachvollziehbar. Hätte die Vergabestelle diejenigen Kriterien, an denen sie die Vergleichbarkeit festmachen möchte, geordnet zusammengestellt und jede Referenz darauf überprüft, ob sie diese Kriterien erfüllt, wäre die Prüfung jeder einzelnen Referenz mit jeder anderen transparent und vergleichbar. Tatsächlich hat die Vergabestelle aber nicht bei jeder Referenz die gleich strengen Anforderungen gestellt.
cc)
Die Vergabekammer hat die Referenz 3 (Konzentratorlösung in RP) für ungeeignet gehalten, weil sie nur die Digitalfunktechnik, nicht aber die in einer Leitstelle vorhandenen Ressourcen Analogfunk, Telefonie und Notrufe betrifft. Damit seien durch die Referenz keine Erfahrungen im Hinblick auf diejenigen Leistungsteile nachgewiesen, die nicht durch den Konzentrator abgedeckt sind. Diese sollen nach den Feststellungen der Vergabekammer etwa 40% des Auftrags ausmachen, nach Behauptung der Antragstellerin sogar noch weit mehr.
Die Beigeladene ist dem nicht mit schlüssigem Vortrag entgegengetreten. Sie hat in der Beschwerdebegründung behauptet, die Vergabekammer sei von falschen Voraussetzungen ausgegangen, weil bei dem von ihr vorgeschlagenen technischen Lösungsweg der Digitalfunkanteil aufgrund technischer Innovation nur 30% ausmache. Legt man diese Zahlen zugrunde, wäre der nicht durch den Konzentrator abgedeckte Leistungsanteil sogar noch größer und läge bei 70 %.
Im Übrigen hat die Beigeladene zwar behauptet, dass sie über Erfahrungen hinsichtlich der Bestandteile verfüge, die nicht durch den Konzentrator abgedeckt seien und auf einen dem Senat nicht vorgelegten Schriftsatz aus einem Parallelverfahren und beim Auftraggeber €vermutlich vorliegende Erkenntnisse€ verwiesen. Da die einschlägigen Erfahrungen aber durch die Referenzen nachzuweisen waren, ist ein Verweis auf außerhalb liegende Umstände und beim Auftraggeber €vermutlich vorliegende Erkenntnisse€ unbehelflich. Die Nichtvorlage von in den Verdingungsunterlagen geforderten Referenzen wird nicht dadurch geheilt, dass der nachzuweisende Sachverhalt vorliegt und der Auftraggeber sich davon durch eigene Ermittlungen überzeugt hat (KG a.a.O.).
Damit steht fest, dass die Vergabestelle auf den (von ihr geforderten) Nachweis von Erfahrungen hinsichtlich derjenigen Leistungsteile, die nicht den Digitalfunk betreffen, im Fall der Beigeladenen verzichtet hat. Dass die Referenz den Anforderungen des streitbefangenen Auftrags nur partiell entspricht, weil sie nur einen Teil des abgeforderten Leistungsspektrums abbildet, hat auch die Vergabestelle € wie dargelegt - nicht bestritten. Aus ihrer Einlassung wird zugleich deutlich, dass sich die Vergabestelle nicht an ihre eigenen Anforderungen bezüglich der Referenzen gehalten hat, sondern nachträglich geringere Anforderungen gestellt hat, indem der €Fokus der Referenzen (nur noch ) auf €drahtgebundener Kommunikationstechnik für Sicherheitsbehörden€ liegen soll. Das entspricht nicht einmal dem konkretisierenden Klammerzusatz in der Bekanntmachung €drahtlose und drahtgebundene Kommunikationstechnik für Sicherheitsbehörden€. Erst recht setzt sich die Vergabestelle in Widerspruch zu ihrer eigenen Wertung, soweit sie bei anderen Referenzen Erfahrungen im Bereich Schulungsplattform und Dokumentationsanlage gefordert hat, von denen bei der Konzentratorlösung überhaupt nicht die Rede ist.
Schließlich entspricht die Referenz der in der Bekanntmachung veröffentlichten zeitlichen Vorgabe nicht. Gefordert waren Referenzen ab 2009. Die Lieferung des Konzentrators, die die Leistung im Wesentlichen abbildet, erfolgte bereits in 2008. Soweit die Beigeladene und die Vergabestelle in der mündlichen Verhandlung gemeint haben, dass es sich dabei um eine unbedeutende Abweichung handele, ist darauf hinzuweisen, dass ein Vergleich von Angeboten voraussetzt, dass diese in jeder Hinsicht vergleichbar sind, was nur der Fall ist, wenn sie die Vorgaben der Ausschreibung in jeder Hinsicht einhalten. Es steht im Belieben der Vergabestelle, die geforderten Referenzen zeitlich einzugrenzen oder nicht. Entscheidet sie sich für eine zeitliche Begrenzung, so muss sie sich daran auch halten. Die Erwägung, die zeitliche Abweichung sei €unschädlich€, ist dem Senat nicht nachvollziehbar, weil dann auf eine zeitliche Begrenzung hätte verzichtet werden können. Die zeitliche Vorgabe €ab 2009€ ist schon deshalb nicht unbeachtlich, weil sich andere Bieter, die nur Referenzen aus dem Zeitraum vor 2009 aufweisen können, aufgrund der zeitlichen Vorgabe nicht zu einer Teilnahme am Wettbewerb in der Lage gesehen haben könnten. Würden nunmehr dennoch Referenzen aus früheren Zeiträumen berücksichtigt, würde der Wettbewerb verfälscht.
Die Abweichung ist auch nicht etwa marginal, sondern der wesentliche Leistungsbestandteil, auf den sich die Beigeladene bezieht, die Lieferung des Konzentrators, erfolgte bereits in 2008. Es kommt hinzu, dass der Gesamtauftrag noch nicht fertiggestellt ist, weil die virtuelle Anschaltung, auf die in der Referenz Bezug genommen wird, erst bis 2015 bzw. 2021 fertiggestellt sein soll. Damit liegen wesentliche Leistungsphasen vor dem angegebenen Zeitraum bzw. sind überhaupt noch nicht fertiggestellt.
dd)
Zu Recht hat die Vergabekammer darüber hinaus Bedenken gegen die Prüfung der Vergleichbarkeit der vorgelegten Referenzen im Hinblick auf die Größenordnung des Auftrags gehabt. Da Vergleichbarkeit nicht Identität bedeutet, müssen die Referenzen zwar keinen Nachweis über eine Vernetzung von 26 Leitstellen führen. Allerdings wird mit dem Kriterium Größenordnung ein Maßstab gesetzt, der auf den wirtschaftlichen Auftragsumfang und die zur Erfüllung des Auftrags erforderlichen Kapazitäten verweist.
Die Vergabestelle hat bei der Vergleichbarkeit der Größenordnung aber weder auf das Auftragsvolumen noch sonstige Gesichtspunkte abgestellt, die als Kriterium für die Größenordnung eines Auftrags in Betracht kommen könnten.
In dem Vergabevermerk heißt es zur Vergleichbarkeit der Größenordnung:
Entscheidend für die Vergleichbarkeit war, dass durch die Referenzen dargelegt wurde, dass die Bewerber zur Vernetzung mehrerer Standorte im Sicherheitsumfeld in der Lage sind. Unerheblich war, dass die Laufzeiten und Projektumfänge nicht mit dem zu vergebenden Auftrag identisch waren, weil das aus den o.g. Gründen nicht möglich ist. Für Bieter sei auch erkennbar gewesen, dass zur Prüfung der Eignung nicht die Laufzeit und das Auftragsvolumen der Referenzprojekte maßgeblich sein sollten, sondern dass hinsichtlich der Größenordnung maßgeblich eine Vernetzung mehrerer Standorte im Sicherheitsumfeld maßgeblich ist.
Diese Erwägungen sind nicht tragfähig. Die Forderung nach Referenzen vergleichbarer Größenordnung ist eindeutig. Nach der Formulierung €vergleichbare Größenordnung€ ist zumindest ein Vergleich von größenbezogenen Kriterien wie etwa Auftragsvolumen und/oder Auftragslaufzeit zu fordern. Denn der Bewerber soll damit u.a. nachweisen, dass er wirtschaftlich und logistisch in der Lage ist, einen Auftrag entsprechender Größenordnung auszuführen. Der stattdessen für ausreichend angesehene Nachweis, dass der Bewerber zur Vernetzung mehrerer Standorte in der Lage ist, betrifft dagegen nicht die Größenordnung, sondern die Art des Auftrags und greift darüber hinaus punktuell nur einen technischen Teilaspekt heraus. Die Vergabestelle ist damit eindeutig von einer selbst aufgestellten Eignungsanforderung abgewichen. Das kann nicht mit der (internen) Erwägung gerechtfertigt werden, dass die Bieter die Angaben gar nicht anders hätten verstehen können. Handelt es sich bei den ausgeschriebenen Leistungen um eine völlig neue Maßnahme und verlangt der Auftraggeber, dass die Bieter vergleichbare Leistungen bereits ausgeführt haben, müssen schon in den Vergabeunterlagen eindeutige Aussagen dazu gemacht werden, welche abstrakten Gesichtspunkte Maßstab für die Vergleichbarkeit sein sollen (VK Bund, Beschl. v. 29.4.2009, VK 3 € 61/09). Das muss auch für die Vergleichbarkeit der Größenordnung gelten. Sind Aufträge vergleichbarer Größenordnung im sicherheitsrelevanten Bereich bislang nicht durchgeführt worden und können vergleichbare Auftragsvolumina deshalb nicht nachgewiesen werden, hätte die Vergabestelle schon in der Bekanntmachung definieren müssen, auf welche Gesichtspunkte es ihr für die Vergleichbarkeit der Größenordnung ankommt. Es ist aber keinesfalls hinnehmbar, dass die Vergabestelle erst nachträglich bei der Angebotswertung von dieser eindeutigen Vorgabe abweicht und den Begriff (intern) so konkretisiert, dass Manipulationen bei der Wertung nicht ausgeschlossen sind.
Durch die nachträgliche Abweichung kann die Antragstellerin auch beschwert sein, weil sie jedenfalls eine Referenz vorweisen kann, die über dem Auftragsvolumen des streitbefangenen Auftrags liegt und noch weitere Referenzen mit einem deutlich höheren Auftragsvolumen als andere Bieter und insbesondere die Beigeladene. Das hätte die Vergabestelle bei einer korrekten Prüfung der Vergleichbarkeit von Auftragsgrößen in ihre Erwägungen zumindest einbeziehen müssen. Durch den vollständigen Verzicht auf einen Größenvergleich ist die Vergabestelle ebenfalls von ihren Eignungsanforderungen abgewichen. Allein schon vor diesem Hintergrund kommt die unmittelbare Erteilung eines Zuschlags auf das Angebot der Beteiligten nicht in Betracht.
e)
Soweit die Vergabestelle entgegen ihrer ursprünglichen Wertung nunmehr auch die Referenz 2 (C) berücksichtigen möchte, liegen die Voraussetzungen für eine Korrektur nicht vor.
aa)
Die Referenz wurde ursprünglich mit der Begründung nicht berücksichtigt, dass der Auftrag nicht im BOS € Sicherheitsumfeld liege und nur eine zivile Tetra€Anwendung ohne Ende zu Ende Verschlüsselung betreffe (Vergabeakte S. 60). Allerdings kann eine Vergabestelle Mängel des Vergabeverfahrens von sich aus im Laufe des späteren Verfahrens korrigieren. Das gilt namentlich für solche Fälle, in denen die Eignung eines Bieters zunächst vergaberechtswidrig verneint worden ist. Deshalb kann es der Vergabestelle auch nicht grundsätzlich verwehrt sein, die Bewertung einzelner Referenzen im Zuge eines Nachprüfungsverfahrens zu überdenken und zu korrigieren (BGH, NZBau 2014, 185; OLG Frankfurt, Beschl. v. 10.2.2009, 11 Verg 16/08).
bb)
Die Vergabestelle stützt eine Neubewertung zugunsten der Beigeladenen auf den Umstand, dass sie bei der früheren Wertung den Charakter der österreichischen C als Sicherheitsbehörde nicht ausreichend berücksichtigt habe. Tatsächlich nehme die C hoheitliche Vollzugsaufgaben war und sei von daher mit dem deutschen Bundesamt für Güterverkehr vergleichbar, welches Teilnehmer am BOS€Digitalnetzfunk sei.
Auch wenn grundsätzlich die Möglichkeit zur Fehlerkorrektur besteht, ist ein öffentlicher Auftraggeber an eine in Ausübung seines Beurteilungsspielraums getroffene Entscheidung grundsätzlich gebunden und kann im Allgemeinen bei unveränderter Sachlage von seiner Entscheidung nicht abrücken (OLG Thüringen, Beschl. v. 16.9.2013, 9 Verg 3/13). Die Entscheidung betrifft zwar den Fall einer zunächst positiven Beurteilung der Eignung. Im Interesse größtmöglicher Transparenz eines Vergabeverfahrens muss diese Voraussetzung aber auch gelten, wenn der Auftraggeber die Eignung eines Bieters oder jedenfalls einzelner von ihm vorgelegter Referenzen verneint hat. Denn könnte der Auftraggeber seine Eignungswertung ohne jeden Anlass jederzeit revidieren, würde dies die Möglichkeit zu Manipulationen eröffnen. Deshalb ist auch zu erwägen, ob die Änderung der Eignungsbewertung sachfremd motiviert sein könnte, wobei die ursprüngliche Wertung aufschlussreich sein kann (BGH a.a.O.).
Vorliegend ist nicht ersichtlich, dass der Vergabestelle bei der ursprünglichen Wertung der Referenz Nr. 2 ein zur Korrektur berechtigender Fehler unterlaufen ist. Die Vergabestelle hat in Kenntnis und unter Zugrundelegung eines zutreffenden Sachverhalts entschieden, dass die Ref. Nr. 2 hinsichtlich Art und Größe nicht vergleichbar sei. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass sich die Vergabestelle bei der Eignungsprüfung über Funktion und Aufgaben der C im Unklaren gewesen sein könnte, noch sind sonstige Wertungsmängel erkennbar. Im Vergabevermerk heißt es zu Ref. Nr. 2: €Für die Autobahnen € und Schnellstraßen - Finanzierungs € AG (C) wurde ein landesweites Kommunikations- und Notrufsystem entwickelt und installiert. Dieses beinhaltet auch Analogfunk, Telefonie und Tetra € Funk.€ Die daraus abgeleitete Wertung, die Referenz könne nicht gewertet werden, weil sie nicht im BOS€Sicherheitsumfeld liege, lässt € auch vor dem Hintergrund des späteren Vortrags zu den angeblichen hoheitlichen Befugnissen der C - keine Beurteilungsfehler erkennen. Der Vergabestelle war von Anfang an bekannt, dass die Beigeladene für die C ein landesweites Notrufsystem entwickelt hat; ungeachtet dessen hat sie den Auftrag nicht dem €Sicherheitsumfeld€ zugeordnet.
Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Vergabestelle erst später davon erfahren haben will, dass die C auch hoheitliche Vollstreckungsfunktionen im Bereich der Einziehung der Maut wahrnimmt, erscheint es dem Senat zweifelhaft, sie deshalb als Sicherheitsbehörde im hier einschlägigen Verständnis einzuordnen, die der Abwehr von Gefahren für die innere Sicherheit dient.
Soweit die Vergabestelle sich auf die angebliche Vergleichbarkeit der C mit dem Bundesamt für Güterverkehr beruft, welches am BOS€Digitalfunk teilnimmt, handelt es sich um ein rein formales Argument, welches die ursprüngliche Wertung nicht in Frage stellt.
Selbst wenn man die Voraussetzungen einer Wertungskorrektur in diesem Punkt bejaht, hat die Vergabestelle die Nichtberücksichtigung der Ref. Nr. 2 zusätzlich mit dem fehlenden Nachweis der für den behördlichen BOS€Funk spezifischen €Ende zu Ende-Verschlüsselung€ begründet. Jedenfalls insoweit liegen keine neuen Erkenntnisse und keine veränderte Sachlage vor, so dass dieser Ausschlussgrund weiterhin gilt und für sich allein schon einer nachträglichen Berücksichtigung der Referenz entgegensteht. Die Vergabestelle hat andere Referenzen, die keinen Nachweis einer für den Sicherheitsbereich wesentlichen €Ende zu Ende€Verschlüsselung€ enthielten, nicht berücksichtigt (so etwa Bewerber 7, Ref. 4). Warum dies bei der Beigeladenen keine Rolle spielen soll, ist nicht einsichtig.
d)
Die sofortige Beschwerde kann mit ihrem Hauptantrag auf Zuschlagserteilung angesichts der von der Vergabekammer zu Recht beanstandeten Wertungsmängel bei der Eignungsprüfung keinen Erfolg haben. Auch dem Hilfsantrag auf nochmalige Eignungswertung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats kann nicht entsprochen werden, weil das Angebot der Beigeladenen € wie sogleich noch darzulegen ist - auf die Anschlussbeschwerde von der weiteren Wertung auszuschließen ist.
B. Anschlussbeschwerde
1.
Die Anschlussbeschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig.
Die unselbständige Anschlussbeschwerde im Beschwerdeverfahren nach §§ 116 ff. GWB wird in Rechtsprechung und Schrifttum einhellig für zulässig gehalten (Dicks in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 2. Aufl., § 116 GWB Rn.8).
Auch die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen liegen vor. Beschwerde und Anschlussbeschwerde richten sich gegen dieselbe Entscheidung und verfolgen gegenläufige Interessen (Dicks a.a.O; Weber in: Schulte/Just, § 116 GWB Rn. 39).
Die Anschlussbeschwerde ist auch fristgerecht eingelegt und begründet worden.
In Rechtsprechung und Schrifttum wird die Frist zur Anschlussbeschwerde bislang uneinheitlich behandelt. Zum Teil wird in analoger Anwendung von § 524 Abs. 2 ZPO angenommen, dass die Frist zur Anschlussbeschwerde mit dem Ablauf der Beschwerdeerwiderungsfrist endet. Nach anderer Auffassung beträgt die Frist zwei Wochen ab Zustellung der Beschwerdebegründung (vgl. Weber a.a.O. m.w.N.). Die Frage kann hier offen bleiben, da die Anschlussbeschwerde der Antragstellerin nach beiden Auffassungen rechtzeitig eingelegt worden ist. Die Beschwerde ist der Antragstellerin am 14.1.2014 zugestellt worden. Die Anschlussbeschwerde ist noch am selben Tag bei Gericht eingegangen (GA 95). Soweit die Vergabestelle meint, die zweiwöchige Frist zur Anschlussbeschwerde sei am 14.1.2014 bereits verstrichen gewesen, stellt sie es offenbar auf die Übermittlung der Beschwerde durch die Beigeladene zur Unterrichtung gem. § 117 Abs. 4 ZPO ab. Die Unterrichtung ersetzt jedoch nicht die Zustellung von Amts wegen und setzt keine Fristen in Lauf.
2.
Die Anschlussbeschwerde hat Erfolg. Das Angebot der Beigeladenen ist mangels Nachweises der Eignung der Beigeladenen durch Vorlage zweier Referenzen, die die bekannt gemachten Anforderungen an die Vergleichbarkeit der durchgeführten Aufträge erfüllen, vom weiteren Wettbewerb auszuschließen.
a)
Da die von der Beigeladenen vorgelegte Referenz über eine Konzentratorlösung inhaltlich nicht vergleichbar ist und einen schon vor 2009 ausgeführten Auftrag betrifft, kann sie nicht gewertet werden. Daran könnte auch die Wiederholung der Wertung nichts ändern.
b)
Die Referenz der C kann aus den dargelegten Gründen ebenfalls nicht berücksichtigt werden. Die Vergabestelle würde damit ohne ersichtliche Rechtfertigung von ihrer früheren Wertung abweichen und an die Referenz der Beigeladene geringere Anforderungen stellen als an andere Referenzen, wenn sie den Nachweis des zivilen TETRA€Funks ausreichen ließe.
c)
Damit kann offen bleiben, ob die militärische Referenz ebenfalls ungeeignet ist, weil die Beigeladene jedenfalls die erforderliche Mindestzahl von zwei vergleichbaren Referenzen nicht erreicht.
d)
Auf die mit der Anschlussbeschwerde geltend gemachten sonstigen Rügen braucht der Senat bei dieser Sachlage nicht einzugehen.
e)
Der Senat weist darauf hin, dass mit dem Ausschluss des Angebots der Beigeladenen nicht zwingend die Erteilung des Zuschlags auf das Angebot der zweitplatzierten Antragstellerin verbunden ist. Die Antragstellerin hat im Beschwerdeverfahren auch keinen dahin gehenden Antrag mehr gestellt.
Es steht auch insoweit noch eine vergaberechtmäßige Prüfung der Vergleichbarkeit nach der Größe der Aufträge aus.
Dass das Angebot der Beigeladenen in diesem Punkt ebenfalls nicht ermessensfehlerfrei geprüft wurde, spielt im Ergebnis keine Rolle, weil die Referenzen der Beigeladenen schon aus anderen Gründen nicht berücksichtigungsfähig sind, so dass eine nochmalige Wertung im Hinblick auf die Vergleichbarkeit der Auftragsgröße kein günstigeres Ergebnis für sie herbeiführen könnte.
C.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 120 Abs. 2, 78 GWB. Der Antragsgegner und die Beigeladene sind an den erforderlichen Aufwendungen der Antragstellerin zu gleichen Teilen zu beteiligen, da die Beigeladene im erstinstanzlichen Verfahren und der Antragsgegner im Beschwerdeverfahren aktiv mitgewirkt und eigene Anträge gestellt haben.
Für die Verfahrenskosten haften der Antragsgegner und Beigeladene als Gesamtschuldner. Da der Antragsgegner gebührenbefreit ist, kann die Beigeladene jedoch nur mit der Hälfte der Gerichtskosten belastet werden.
Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 50 Abs. 2 GKG.
OLG Frankfurt am Main:
Beschluss v. 08.04.2014
Az: 11 Verg 1/14
Link zum Urteil:
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