Verwaltungsgericht Berlin:
Urteil vom 17. April 2013
Aktenzeichen: 7 K 7.13
(VG Berlin: Urteil v. 17.04.2013, Az.: 7 K 7.13)
Tenor
Die Klage wird abgewiesen, soweit sie nicht übereinstimmend für erledigt erklärt wurde.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Erstellung einer Liste der sie in der Vergangenheit krankschreibenden Ärzte und deren Aufbewahrung in ihrer Personalakte.
Sie ist Beamtin auf Lebenszeit und steht als Kriminalhauptkommissarin im Dienste des Beklagten. Von Mai 2011 bis September 2012 war sie aufgrund psychischer Beeinträchtigungen dienstunfähig erkrankt.
Mit Schreiben vom 9. September 2011 kündigte der Polizeipräsident in Berlin der Klägerin an, dass sie wegen der bestehenden Dienstunfähigkeit polizeiärztlich untersucht werden solle. Dem Schreiben war eine Aufstellung ihrer krankheitsbedingten Fehlzeiten in den vorangegangenen fünf Jahren beigefügt, aus der sich u.a. der jeweils krankschreibende Arzt nebst Fachrichtung, Anschrift und Telefonnummer ergab.
Auf die gegen die Auflistung und deren Verbleib in der Personalakte erhobenen Einwände der Klägerin teilte der Beklagte ihr mit, er sehe keinen Anlass zur Änderung seiner Praxis. Diese finde ihre Rechtsgrundlage in § 84 Abs. 1 Satz 1 Landesbeamtengesetz € LBG € und sei auch im Übrigen rechtmäßig.
Mit der am 4. Januar 2013 beim Verwaltungsgericht Berlin erhobenen Klage hat die Klägerin ursprünglich begehrt, den Beklagten zu verpflichten, die Anlage zur Aufstellung der krankheitsbedingten Fehlzeiten aus der Personalakte zu entfernen und zu vernichten sowie festzustellen, dass der Beklagte nicht berechtigt ist, neben den krankheitsbedingten Fehlzeiten den Namen und die Fachrichtung der behandelnden Ärzte in der Personalakte zu speichern. Im Termin haben die Beteiligten die Klage hinsichtlich des Antrags auf Entfernung und Vernichtung der Liste übereinstimmend für erledigt erklärt.
Die Klägerin trägt zu Begründung ihrer Klage nun noch vor, § 84 LBG stelle keine Ermächtigung dar, derart sensible Daten unverschlossen in die Personalakte aufzunehmen. Aus § 90 Abs. 2 Satz 2 LBG ergebe sich zudem, dass die jeweilige Krankschreibung mit Beendigung der Arbeitsunfähigkeit aus der Personalakte zu entfernen sei. Daher könne auch keine Berechtigung bestehen, die darin enthaltenen Daten weiterhin in einer Liste zu speichern. Zudem habe der Beklagte bei dem erfolgten Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Klägerin den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht beachtet. Schließlich habe auch der Personalrat entgegen § 85 Abs. 1 Nr. 13 b) Personalvertretungsgesetz Berlin nicht mitgewirkt.
Die Klägerin beantragt zuletzt,
festzustellen, dass die Speicherung des Namens und der Fachrichtung des behandelnden Arztes neben der krankheitsbedingten Fehlzeit in einer gesonderten Liste durch den Beklagten rechtswidrig ist.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, Rechtsgrundlage für die Erstellung der Liste krankheitsbedingter Fehlzeiten mit Nennung der krankschreibenden Ärzte sei § 84 Abs. 1 Satz 1 LBG. Die Erstellung sei für das Verfahren zur Feststellung der Dienstunfähigkeit im Rahmen der Durchführung des Dienstverhältnisses erforderlich; nämlich um bei der polizeiärztlichen Untersuchung den Beamten dem Polizeiarzt vorzustellen, der die Begutachtung fachlich am besten durchführen könne. Ausschließlich diesem Zweck diene die Ärzteliste. Erst wenn eine polizeiärztliche Untersuchung auf Feststellung der Dienstunfähigkeit beauftragt werde, erstelle der Personalsachbearbeiter eine solche Liste anhand der in der Teilakte €Erkrankungen€ gesammelten Krankschreibungen. Diese finde sodann Eingang in die Teilakte "Polizeiarztakte". Zu diesen beiden Teilakten hätten nur der Personalsachbearbeiter, der Beamte selbst sowie die mit der Untersuchung des Beamten betrauten Polizeiärzte Zugang. Bei etwaiger Anforderung der Personalakte durch einen anderen Dienstbereich verblieben diese Ordner immer beim Personalservice. Zudem bestehe ein organisatorisches Interesse des Beklagten daran, den ärztlichen Dienst von Verwaltungsaufgaben weitgehend zu entlasten. Daher bereite der Personalservice des Beklagten die in Auftrag gegebene polizeiärztliche Untersuchung so gut wie möglich vor. Gemessen an diesen Zwecken und unter Berücksichtigung des erheblich höheren Aufwandes ohne eine solche Liste sei ihre Erstellung und Aufbewahrung auch verhältnismäßig. Ein Entfernungsanspruch bestünde ebenfalls nicht, insbesondere sei keine Rückgabe der Atteste nach § 90 Abs. 2 Satz 2 LBG geboten, da es sich dabei nicht um Unterlagen handele, aus denen die Art der Erkrankung ersichtlich sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf die Streitakte (1 Band), die Personalakte (5 Bände), die Gesundheitsakte (1 Band) der Klägerin und den von dem Beklagten eingereichten Verwaltungsvorgang (1 Band) verwiesen, die vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Gründe
Die als Feststellungsklage statthafte und jedenfalls nach rügeloser Einlassung des Beklagten (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. April 1994 € BVerwG 11 C 2/93 -, juris, Rn. 18) auch im Übrigen zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung. Der Beklagte ist berechtigt, in der streitgegenständlichen Form eine Fehlzeitentabelle zu erstellen und diese zur Teilakte €Polizeiarztakte€ zu nehmen. Der in diesem Handeln liegende Eingriff in die Grundrechte der Klägerin ist gerechtfertigt.
Die Behandlung von Personalaktendaten der Klägerin durch ihren Dienstherrn unterfällt dem Schutzbereich des ihr zustehenden Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. 1 Abs. 1 Grundgesetz bzw. auf Schutz ihrer personenbezogenen Daten nach Art. 33 Satz 1 Verfassung von Berlin (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Februar 1988 - 2 BvR 522/87 -, juris). Bei den Daten über Krankheitszeiträume und die Namen und Fachrichtungen der krankschreibenden Ärzte handelt es sich um personenbezogene Daten der Klägerin, so dass deren Verwendung und Übermittlung an Dritte einen Eingriff in den Schutzbereich dieser Grundrechte darstellt, der jedoch auf gesetzlicher Grundlage erfolgt (dazu unter 1.) und formell (dazu unter 2.) und materiell rechtmäßig (dazu unter 3.) ist.
1. Ermächtigungsgrundlage ist § 50 Satz 4 Beamtenstatusgesetz € BeamtStG € i.V.m. § 84 Abs. 1 Landesbeamtengesetz € LBG €. Die Auflistung der Fachrichtungen der die Klägerin in der Vergangenheit krankschreibenden Ärzte gehört zu den Personalaktendaten der Klägerin im Sinne des § 50 Satz 2 BeamtStG, da sie die Klägerin betrifft und mit ihrem Dienstverhältnis in einem unmittelbaren inneren Zusammenhang steht. Da es sich somit um ein Rechtsverhältnis auf dem Gebiet des Personalaktenrechts im Rahmen eines Beamtenverhältnisses handelt, ist angesichts der abschließenden, bereichsspezifischen Regelung in §§ 84 ff. Landesbeamtengesetz € LBG € ein Rückgriff auf die allgemeinen Datenschutzgesetze ausgeschlossen (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2003 € BVerwG 2 C 10.02 € juris, Rn. 15; Plog/Wiedow, BBG, Stand Februar 2013, BBG 2009, § 106, Rn. 0.2 unter Verweis auf Plog/Wiedow, a.a.O., BBG (alt), vor § 90, Rn. 6; Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundesund der Länder, Teil C, Vor §§ 84 ff., Rn. 26; Gola/Schomerus, BDSG, 2012, § 32 Rn. 6).
2. Die Erstellung der streitgegenständlichen Liste und deren Aufbewahrung bei den Personalakten ist formell rechtmäßig, insbesondere besteht entgegen der Auffassung der Klägerin kein Mitbestimmungsrecht des Personalrats nach § 85 Abs. 1 Nr. 13 b) Personalvertretungsgesetz Berlin, da dessen Voraussetzungen nicht vorliegen. Die (Erstellung der) Liste stellt keine technische Einrichtung dar, die dazu bestimmt oder geeignet ist, das Verhalten oder die Leistung der Dienstkräfte zu überwachen. Ein Textverarbeitungsprogramm erhält nicht deshalb die Qualität einer technischen Einrichtung zur Kontrolle von Dienstkräften, weil damit eine Tabelle erstellt wurde, in der möglicherweise leistungsrelevante Daten erfasst sind. Hierbei handelt es sich lediglich um die schriftliche Fixierung von bereits in der Personalakte vorhandenen Daten durch einen Sachbearbeiter, auch wenn dies mittels eines Textverarbeitungsprogrammes geschieht. Nach dem unwidersprochenen Vortrag des Beklagten erfolgte auch keine Eingabe der Daten über die Fachrichtung der Ärzte im Personalmanagementsystem des Beklagten.
3. Die Erstellung und die Aufbewahrung der Liste sind auch materiell rechtmäßig.
19Die Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage des § 84 Abs. 1 LBG i.V.m. § 50 Satz 4 BeamtStG liegen vor. Nach § 84 Abs. 1 Satz 1 LBG darf der Dienstherr personenbezogene Daten über Bewerber, Beamte und ehemalige Beamte nur erheben, soweit dies zur Begründung, Durchführung, Beendigung oder Abwicklung des Dienstverhältnisses oder zur Durchführung organisatorischer, personeller oder sozialer Maßnahmen erforderlich ist oder eine Rechtsvorschrift dies erlaubt. Nach § 84 Abs. 1 Satz 2 und 3 LBG liegt eine Verwendung für andere als die in Satz 1 genannten Zwecke nicht vor, wenn Personalaktendaten Zwecke der Datenschutzkontrolle, der Datensicherung sowie der Betriebssicherheit verwendet werden. Nach § 50 Satz 4 BeamtStG dürfen Personalaktendaten nur für Zwecke der Personalverwaltung oder Personalwirtschaft verwendet werden, es sei denn, die Beamtin oder der Beamte willigt in die anderweitige Verwendung ein.
Allerdings wurden entgegen der Ansicht der Klägerin durch die Erstellung der Ärzteliste keine Daten erhoben. Vielmehr liegt eine (ebenfalls rechtfertigungsbedürftige) Verwendung von Daten vor. § 84 Abs. 1 LBG trennt zwischen den Begriffen der Erhebung (Satz 1) und der Verwendung von Daten (Satz 2). Diese Unterscheidung wird auch in den allgemeinen Datenschutzgesetzen getroffen, so dass insofern auf die Kommentierung zu der dortigen Terminologie zurückgegriffen werden kann. Danach liegt dann keine Erhebung von Daten vor, wenn Daten aus bereits vorhandenen Unterlagen € wie hier aus den bereits bei der Akte befindlichen Dienstunfähigkeitsbescheinigungen € zusammengestellt werden (vgl. Gola/Schomerus, a.a.O., § 3, Rn. 24 ff.), sondern ein Verwenden bereits erhobener Daten. Das Verwenden umfasst die Verarbeitung einschließlich der Nutzung (Gola/Schomerus, a.a.O., § 3, Rn. 41). Unter Verarbeitung ist u.a. das Speichern, Verändern und Übermitteln von Daten zu verstehen (vgl. § 4 Abs. 2 Berliner Datenschutzgesetz € BlnDSG -, § 3 Abs. 4 Bundesdatenschutzgesetz € BDSG -). Insofern kann offen bleiben, ob die Daten durch die Aufnahme in die Tabelle inhaltlich umgestaltet wurden, dadurch einen geänderten Informationswert erhalten haben und es sich damit um das Verändern von Daten handelt, was der Beklagte bestreitet, oder ob lediglich die Speicherung bereits erhobener Daten in Form einer schriftlichen Fixierung vorliegt (vergleiche zu den datenschutzrechtlichen Begriffsbestimmungen § 3 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 und 2 BDSG, § 4 Abs. 2 Nr. 2 und 3 BlnDSG; Gola/Schomerus, a.a.O., § 3 Rn. 26, 30). Denn jedenfalls ist der Tatbestand der Verwendung schon durch die unstreitig erfolgte, schriftliche Fixierung beim Erfassen der Daten aus den Attesten in der Tabelle und die Aufbewahrung dieser Tabelle bei einer weiteren Teilakte erfüllt.
§ 84 Abs. 1 LBG i.V.m. § 50 Satz 4 BeamtStG stellt jedoch auch eine Ermächtigungsgrundlage für die Verwendung von Personalaktendaten dar. Danach dürfen Personalaktendaten zu Zwecken der Personalwirtschaft und der Personalverwaltung verwendet werden, soweit sie im Einklang mit den §§ 84 ff. LBG erhoben wurden und sich rechtmäßig in der Personalakte befinden. § 50 Satz 4 BeamtStG beschränkt die Verwendung von Daten auf die Zwecke der Personalverwaltung oder der Personalwirtschaft. Durch die landesrechtliche Regelung des § 84 Abs. 1 LBG werden die Voraussetzungen für eine Verwendung nicht weiter eingeschränkt; vielmehr ergibt sich hieraus implizit eine entsprechende Ermächtigung. Denn § 84 Abs. 1 Satz 2 LBG setzt die Verwendung für die in Satz 1 genannten Zwecke voraus, indem dort klargestellt wird, dass eine Verwendung zu den Zwecken der Datenschutzkontrolle, der Datensicherung sowie der Betriebssicherheit von den in Satz 1 genannten Zwecken umfasst ist. Dies entspricht auch dem Sinn und Zweck der Personalakte, ein möglichst vollständiges Bild über den beruflichen Werdegang und insoweit über die Persönlichkeit des Beamten zu geben, um daraus Erkenntnisse für den sachgemäßen Personaleinsatz und eine effektive Personalplanung zu gewinnen (vgl. BT-Drs. 12/544 vom 13. Mai 1991, S. 1). Der Dienstherr soll anhand der in den Personalakten rechtmäßig gesammelten (erhobenen) Daten in die Lage versetzt werden, Entscheidungen hinsichtlich Personalwirtschaft und Personalverwaltung zu treffen.
Vorliegend sind die Daten ursprünglich rechtmäßig erhoben worden (dazu unter a.). Ihre Verwendung erfolgte auch zu den Zwecken des § 50 Satz 4 BeamtStG (dazu unter b.) und war bzw. ist verhältnismäßig (dazu unter c.).
a. Die bei Erstellung der Tabelle verwendeten Daten sind ursprünglich rechtmäßig erhoben worden. Rechtsgrundlage für die Erhebung ist § 84 Abs. 1 Satz 1 LBG. Danach ist die Erhebung personenbezogener Daten des Beamten u.a. dann zulässig, wenn sie für die Durchführung des Dienstverhältnisses erforderlich ist. Es kann vorliegend offenbleiben, ob der Erhebungszweck durch § 50 Satz 4 BeamtStG auf die dort genannten Zwecke eingeschränkt ist (so Schütz/Maiwald, a.a.O., Teil B, § 50 Rn. 121 ff.), da hier ohnehin der in § 50 Satz 4 BeamtStG genannte Zweck der Personalverwaltung einschlägig ist.
Auch die übrigen Voraussetzungen liegen vor. Die Dienstunfähigkeitsbescheinigungen sind sowohl zum Nachweis der aktuellen Dienstunfähigkeit durch den Beamten, als auch für mögliche Nachweiszwecke im Rahmen der Feststellung einer Dienstunfähigkeit durch den Dienstherrn erforderlich. Mit dem Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit will das Gesetz Verhältnismäßigkeit im Sinne der grundgesetzlichen Eingriffsschranken im Einzelfall sicherstellen. Erforderlich im Sinne des § 84 Abs. 1 Satz 1 LBG ist mithin jede Datenerhebung, die sich gemessen an ihrem konkreten Zweck als geeignet, erforderlich (im engeren Sinne) und angemessen darstellt. Vorliegend dient die Datenerhebung der Vorbereitung dienstrechtlicher Maßnahmen. § 59 Abs. 1 Satz 2 LBG schreibt vor, dass der Beamte bei Fernbleiben vom Dienst Dienstunfähigkeit infolge Krankheit unverzüglich anzuzeigen und auf Verlangen nachzuweisen hat. Nach § 26 BeamtStG sind Beamte in den Ruhestand zu versetzen, wenn sie aus gesundheitlichen Gründen oder aufgrund ihres körperlichen Zustands dauernd dienstunfähig sind, wobei im Rahmen der durch den Dienstherrn zu beurteilenden Frage der Dienstunfähigkeit auch vorangegangene Fehlzeiten aufgrund Erkrankungen herangezogen werden können (vgl. § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG). Nach § 39 Abs. 1 Satz 2 LBG kann der Dienstherr bei Zweifeln an der Dienstfähigkeit, die sich auch aus vergangenen krankheitsbedingten Fehlzeiten ergeben können, eine amtsärztliche Untersuchung anordnen. Gemessen an diesem Zweck ist die Erhebung geeignet im Sinne von zweckförderlich und erforderlich, weil ein gleichgeeignetes, milderes Mittel nicht erkennbar ist. Auch kann die Kammer eine übermäßige Belastung der Klägerin durch die Erhebung nicht feststellen.
25Die Dienstunfähigkeitsbescheinigungen durften € nach ihrer rechtmäßigen Erhebung € auch in der gewählten Form bei der Personalakte aufbewahrt werden. Dort sind alle Unterlagen aufzubewahren, die die Beamtin oder den Beamten betreffen, soweit sie € wie hier € mit dem Dienstverhältnis in einem unmittelbaren inneren Zusammenhang stehen (§ 50 Satz 2 BeamtStG). Der Klägerin steht auch nicht ausnahmsweise ein Anspruch auf Entfernung der Atteste aus ihrer Personalakte zu. Ansprüche des Beamten auf Entfernung von Unterlagen sowie Aufbewahrungsfristen ergeben sich nur, soweit dies in §§ 89, 90 LBG geregelt ist, da die Regelungen der §§ 84 ff. LBG € wie bereits erörtert € abschließend sind. Die Voraussetzungen der §§ 89, 90 LBG sind vorliegend jedoch nicht gegeben, insbesondere liegt € entgegen der Ansicht der Klägerin € auch kein Fall des § 90 Abs. 2 Satz 2 LBG vor.
Nach dieser Vorschrift sind Unterlagen, aus denen die Art einer Erkrankung ersichtlich ist, unverzüglich zurückzugeben, wenn sie für den Zweck, zu dem sie vorgelegt worden sind, nicht mehr benötigt werden. Aus den streitgegenständlichen Dienstunfähigkeitsbescheinigungen ist jedoch die Art der Erkrankung nicht ersichtlich. Die Vorschrift bezieht sich insbesondere, aber nicht ausschließlich, auf Arztrechnungen und Arzneimittelbelege, aus denen sich konkrete Hinweise auf die in Rede stehende Erkrankung tatsächlich ergeben (vgl. Schütz/Maiwald, a.a.O., Teil C, § 91 Rn. 63). Auch Krankheitsatteste sind daher unverzüglich zurückzugeben, wenn darin Ausführungen zu der Krankheit gemacht werden. Eine Krankschreibung im Sinne einer Arbeits- bzw. Dienstunfähigkeitsbescheinigung enthält jedoch normalerweise gerade keine solche Ausführungen, so dass sie grundsätzlich auch nicht hierunter fällt (vgl. Schütz/Maiwald, a.a.O., Teil C, § 91 Rn. 63). Vielmehr ist daraus in der Regel und auch im vorliegenden Fall lediglich der Zeitraum der Erkrankung und € aufgrund des Stempels € Name, Anschrift sowie Fachrichtung des ausstellenden Arztes zu ersehen, was nicht ausreichend ist.
Zwar lässt sich der Begriff €Art der Erkrankung" seinem Wortlaut nach zunächst durchaus so deuten, dass sich aus der Unterlage nicht zwingend die genaue Diagnose ergeben muss, um einen Löschungsanspruch zu begründen. Dass die Fachrichtung des Arztes möglicherweise Rückschlüsse auf den Formenkreis der Erkrankung zulässt, ist jedoch selbst bei Zugrundelegung dieses weiteren Verständnisses der Norm nicht ausreichend. Denn einer bestimmten Fachrichtung unterfallen derart viele und unterschiedliche Arten von Erkrankungen, die auch hinsichtlich Schwere und Dauerhaftigkeit kaum vergleichbare Krankheitsbilder darstellen, so dass ein Rückschluss auf eine bestimmte Erkrankungsart gerade nicht möglich ist. Dafür spricht auch der übrige Wortlaut der Norm, der mit der Formulierung €ersichtlich ist€ einen gewissen Grad der Sicherheit für Rückschlüsse auf eine bestimmte Art einer Erkrankung voraussetzt. Ein solcher kann sich aus der bloßen Kenntnis der Fachrichtung des krankschreibenden Arztes wegen der erläuterten Vielgestaltigkeit ärztlicher Berufsbilder nicht ergeben. Aufgrund dieser erheblichen Bandbreite sind aufgrund der Fachrichtung eines krankschreibenden Arztes nämlich nur allgemeine Vermutungen hinsichtlich der Erkrankung möglich. Unabhängig davon muss die Krankschreibung auch nicht notwendig durch den Facharzt erfolgen, dessen Fachrichtung die konkrete Erkrankung zuzuordnen ist, so dass auch deshalb nur von einem Indiz auszugehen und eine Ersichtlichkeit zu verneinen ist. Dem entspricht auch der Schutzzweck der Norm, der eine Sonderregelung für bestimmte, besonders schutzwürdige Unterlagen schafft. Die besondere Schutzwürdigkeit setzt jedoch ebenfalls eine gewisse Konkretisierbarkeit der Erkrankung voraus.
Die Aufbewahrung der Atteste wäre aber auch dann nicht rechtswidrig, wenn es sich hierbei um Unterlagen im Sinne des § 90 Abs. 2 Satz 2 LBG handeln würde. Denn die weitere Voraussetzung der Norm, nämlich dass sie für den Zweck, zu dem sie vorgelegt worden sind, nicht mehr benötigt werden, liegt nicht vor. Nach dem oben gesagten dient die Erhebung der Daten über krankheitsbedingte Dienstunfähigkeit nicht nur der Feststellung einer solchen bezüglich aktuellen Fehlzeiten, sondern auch der Feststellung und dem Nachweis von Zeiten krankheitsbedingter Dienstunfähigkeit für die Frage, ob gegebenenfalls ein Verfahren nach § 39 LBG durchgeführt werden muss, bzw. für die Prognose im Rahmen eines Zurruhesetzungsverfahrens nach § 26 BeamtStG. Um eine solche Entscheidung bzw. eine solche Prognose auf einer ausreichenden Tatsachengrundlage treffen zu können, erscheint die Aufbewahrung zumindest für den hier streitgegenständlichen Zeitraum von fünf Jahren unproblematisch. Denn anderenfalls hätte der Beklagte im Streitfall bei Bestreiten der vergangenen Dienstunfähigkeit durch den Beamten keine Möglichkeit, diese zu belegen. Soweit die Klägerin meint, der Dienstherr könne dem Beamten in diesem Fall die Auflage erteilen, ein entsprechendes Attest beizubringen, kann dies nicht überzeugen. Da der Dienstherr in diesem Fall über keinerlei Angaben zu dem damals krankschreibenden Arzt mehr verfügen würde, könnte er nicht nachvollziehen, ob eine (Nach-) Attestierung mangelnder Dienstunfähigkeit für den fraglichen Zeitraum auch durch denselben Arzt wie ursprünglich erfolgen würde.
Auch die Aufbewahrung der Krankheitsatteste in der Personalakte ist angesichts ihrer Bedeutung für die Beurteilung der Dienstfähigkeit des Beamten verhältnismäßig. Durch den Umstand, dass die Bescheinigungen keinerlei Angaben zu der Erkrankung selbst enthalten, stellt sich der Eingriff schon als nicht besonders schwer dar. Zudem hat der Beklagte durch die Aufbewahrung in der Teilakte "Erkrankungen", die nach seinem unwidersprochenen Vortrag auch bei Anforderung der Personalakte durch andere Stellen beim Personalservice verbleibt, den Zugang gemäß § 84 Abs. 5 LBG auf das für den genannten Zweck erforderliche Maß beschränkt und damit der Schutzwürdigkeit dieser Daten und dem Interesse des Beamten an der möglichst geringen Offenbarung Rechnung getragen.
30b. Die Erstellung der Liste und deren Aufbewahrung bei der Personalakte erfolgte zu Zwecken der Personalverwaltung im Sinne des § 50 Satz 4 BeamtStG. Ein solcher Zweck ist zu bejahen für die Auflistung der Fehlzeiten durch den Personalsachbearbeiter zur Entscheidung über die Frage einer Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung nach § 39 Abs. 1 Satz 2 LBG. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig. Entgegen der Auffassung der Klägerin wird auch die Auflistung der Namen, der Adressen und der Fachrichtung der jeweils krankschreibenden Ärzte von diesem Zweck getragen. Nach dem nachvollziehbaren und vorliegend nicht in Frage gestellten Vortrag des Beklagten werden diese Daten nur deshalb in die Auflistung übernommen, um dem polizeiärztlichen Dienst ohne weiteren eigenen Verwaltungsaufwand zu ermöglichen, den Beamten zur Untersuchung sogleich dem mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit für die Begutachtung am ehesten geeigneten Facharzt vorzustellen und damit die Notwendigkeit eines weiteren Untersuchungstermins zu vermeiden. Auch diese Angaben dienen der Vorbereitung einer amtsärztlichen Untersuchung nach § 39 Abs. 1 Satz 2 LBG und damit den Zwecken des § 50 Satz 4 BeamtStG.
c. Die Erstellung der Ärzteliste und deren Aufbewahrung bei der Personalakte sind verhältnismäßig.
Mit dem Ziel einer möglichst effizienten und zügigen Vorbereitung und der Durchführung von amtsärztlichen Untersuchungen dient die Liste einem legitimen Zweck, zu dessen Erreichung sie aufgrund des Überblicks über die Fachrichtungen der jeweils krankschreibenden Ärzte auch geeignet ist. Denn dies erlaubt dem polizeiärztlichen Dienst ohne weiteren Verwaltungsaufwand eine Zuordnung zu einem bestimmten Polizeiarzt mit der Fachrichtung, die der Fachrichtung der am häufigsten oder zuletzt krankschreibenden Ärzte entspricht. Bei dieser Verfahrensweise spricht zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass der gewählte Polizeiarzt zur Wahrnehmung des vereinbarten Untersuchungstermins tatsächlich geeignet ist und eine weitere Vorstellung bei einem anderen Polizeiarzt nicht mehr stattfinden muss. Die Erstellung der Liste ist auch erforderlich, da ein gleichgeeignetes, milderes Mittel nicht ersichtlich ist. Entgegen der Auffassung der Klägerin kann dieser Zweck insbesondere nicht ebenso durch eine Auflage gegenüber dem Beamten, dem polizeiärztlichen Dienst die entsprechende Fachrichtung mitzuteilen, erreicht werden, da dies € die Zulässigkeit dieses Vorgehens unterstellt € die Bearbeitung zumindest verzögern und bei verspäteter oder mangelnder Mitwirkung des Beamten zudem weiteren Verwaltungsaufwand beim polizeiärztlichen Dienst verursachen würde, was gerade vermieden werden soll. Ebenso wenig wäre die bloße Mitteilung des zuletzt krankschreiben Arztes als solch ein gleichgeeignetes, milderes Mittel anzusehen, da sich aus einer einmaligen Krankschreibung, die lediglich Auskunft über eine akut bestehende Erkrankung erteilt, nur eingeschränkt Rückschlüsse auf die geeignete Fachrichtung für die Untersuchung hinsichtlich einer dauerhaften Dienstunfähigkeit ergeben können, während der von dem Beklagten gewählte Überblick über die Krankschreibungen in einem zurückliegenden Zeitraum von fünf Jahren angesichts der damit verbundenen Wertungsmöglichkeiten wesentlich erfolgversprechender ist.
Die Erstellung der Liste und deren Aufbewahrung bei der Teilakte "Polizeiarztakte" sind auch angemessen. Die Belastung der Klägerin durch Erstellung und Aufbewahrung stellt sich € dem Gewicht des verfolgten Zwecks gegenübergestellt € nicht als völlig unverhältnismäßig dar. Sowohl unter fiskalischen Aspekten, als auch unter Aspekten der Personalplanung und unter Fürsorgegesichtspunkten besteht ein hohes Interesse daran, Untersuchungen bezüglich der Frage der Dienstunfähigkeit zügig durchzuführen. Demgegenüber steht das Interesse der Klägerin an einem größtmöglichen Schutz ihrer Personalaktendaten. Selbst wenn man mit der Klägerin annimmt, dass die gesammelten Daten über die Fachrichtungen der krankschreibenden Ärzte durch die Auflistung in einer Tabelle einen geänderten Informationswert gegenüber den ebenfalls in der Akte befindlichen Krankmeldungen enthalten, ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Beklagte durch die Aufbewahrung der Liste bei der Teilakte "Polizeiarztakte€, die ebenso wie die Teilakte "Erkrankungen" nur dem Sachbearbeiter des Personalservices, dem Beamten sowie dem Polizeiarzt zugänglich ist und die bei allen anderen Anforderungen der Personalakte beim Personalservice verbleibt, den Zugang gemäß § 84 Abs. 5, § 88 Abs. 1 Satz 3 LBG beschränkt und damit die Intensität eines solchen Eingriffs erheblich gemindert ist. Dies gilt umso mehr, als durch die Aufbewahrung bei der €Polizeiarztakte€ der Kreis der Zugangsberechtigten zu den bereits in den Krankmeldungen enthaltenen Daten nicht erweitert wird. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, welche konkreten Nachteile der Klägerin bei einem solch eingeschränkten Zugang entstehen sollen, wohingegen die Verwendung der Daten in Form der Liste eine erhebliche Straffung und Minderung des Verwaltungsaufwandes bei der Entscheidung über die Frage der Dienst(un)fähigkeit bedeutet.
Schließlich ist auch die unbefristete Aufbewahrung der Liste in der Teilakte €Polizeiarzt€ rechtmäßig. Die speziellen und abschließenden Vorschriften über die Entfernung von Unterlagen und Aufbewahrungsfristen im Personalaktenrecht (§§ 89, 90 LBG) sind nicht einschlägig. Insbesondere handelt es sich auch bei der Liste nicht um eine Unterlage im Sinne des § 90 Abs. 2 Satz 2 LBG, da auch hieraus lediglich die Fachrichtungen der krankschreiben Ärzte erkennbar sind, was jedoch € wie bereits erörtert € die Art der Erkrankung nicht ersichtlich im Sinne der Vorschrift macht. Insofern wird auf die obigen Ausführungen zu den Dienstunfähigkeitsbescheinigungen verwiesen.
Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich des entschiedenen Teils auf § 154 Abs. 1 VwGO und wegen des übereinstimmend für erledigt erklärten Teils auf § 161 Abs. 2 VwGO, wonach das Gericht nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden hat. Angesichts dessen, dass die Erstellung und Aufbewahrung der Liste bei der Personalakte der Klägerin € wie oben erörtert € rechtmäßig war und auch sonst nichts für einen Entfernungsanspruch ersichtlich ist, hatte der ursprünglich geltend gemachte Anspruch auf Entfernung und Vernichtung der bereits erstellten Liste keine Aussicht auf Erfolg.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.
Das Gericht hat die Berufung nach §§ 124 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 3, 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO zugelassen, weil die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine derartige Verwendung von Personalaktendaten zulässig ist, nicht höchstrichterlich geklärt ist und aufgrund der diesbezüglichen ständigen Praxis des Beklagten eine Vielzahl gleich gelagerter Fälle existiert.
BESCHLUSS
Der Wert des Streitgegenstandes wird gemäß §§ 39 ff., 52 f. des Gerichtskostengesetzes auf
10.000,00 Euro
festgesetzt.
VG Berlin:
Urteil v. 17.04.2013
Az: 7 K 7.13
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