Oberlandesgericht Köln:
Beschluss vom 9. Juni 1999
Aktenzeichen: 17 W 241/98

(OLG Köln: Beschluss v. 09.06.1999, Az.: 17 W 241/98)

1. Ein Hauptsacheprozeß im Sinne von § 494a ZPO liegt entgegen OLG Köln (11. Zivilsenat), OLGR 1997, 67 = BauR 1997, 517, nicht nur vor, wenn der Antragsteller des selbständigen Beweisverfahren Klage erhebt, sondern auch dann, wenn der Antragsteller sich als Beklagter des Hauptsacheprozesses mit der Einrede des nicht erfüllten Vertrages (§ 320 Abs. 1 BGB) oder im Wege der (Hilfs-)Aufrechnung verteidigt und sich dabei auf den Gegenstand des Beweisverfahrens stützt.

2. Die Kostengrundentscheidung des Hauptsacheprozesses umfaßt die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens, so daß diese dort mit festgesetzt werden können, sofern das Kriterium der Nämlichkeit gegeben ist, das heißt ganz oder teilweise Identität der Verfahrensbeteiligten vorliegt und der Gegenstand des Beweisverfahrens ganz oder teilweise in den Hauptsacheprozeß eingeführt und dort darüber entschieden worden ist.

3. Besteht zwischen den Parteien des Beweisverfahrens und des Hauptsacheprozesses nur teilweise Identität, erstreckt sich die Kostengrundentscheidung im Hauptsacheprozeß nur insoweit auf die Kosten des Beweisverfahrens, als die Parteien des Hauptsacheprozesses am Beweisverfahren beteiligt waren. In bezug auf die übrigen am Beweisverfahren beteiligten Personen, die nicht Partei des Hauptsacheprozesses geworden sind, bleibt dem Gericht des selbständigen Beweisverfahrens der Erlaß einer isolierten Teilkostenentscheidung vorbehalten.

4. Unter der Prämisse, daß der Gegenstand des Beweisverfahrens in den Hauptsacheprozeß eingeführt und dort darüber entschieden worden ist, erfaßt die Kostengrundentscheidung des Hauptsacheprozesses die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens analog § 100 Abs. 1 ZPO quotenmäßig, wenn nur teilweise Personenidentität besteht. Ist das selbständige Beweisverfahren gegen zwei Antragsgegner durchgeführt worden, von denen lediglich einer Kläger des Hauptsacheprozesses wird, kann im Kostenfestsetzungsverfahren des Hauptsacheprozesses zugunsten des obsiegenden Beklagten (=Antragsteller des Beweisverfahrens) lediglich die Hälfte der ihm im Beweisverfahren entstandenen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten berücksichtigt werden.

Tenor

Auf die Beschwerde wird der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluß aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Landgericht Aachen - Rechtspfleger - nach Maßgabe der nachfolgenden Gründe zurückverwiesen.

Gründe

Die aufgrund ihrer Vorlage an den Senat als sofortige Beschwerde geltende Erinnerung (§ 11 Abs. 2 RPflG a.F.) ist zulässig und führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an den Rechtspfleger des Landgerichts Aachen.

Die angefochtene Entscheidung kann keinen Bestand haben, da die Beklagte zu Recht mit der Beschwerde rügt, der Rechtspfleger habe die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens vor dem Landegericht Hagen - 2 OH 3/96 - im Rahmen der im vorliegenden Verfahren getroffenen Kostengrundentscheidung mit festsetzen müssen, dies ist von der Beklagten unter dem 7. Januar 1998 beantragt worden.

Entgegen der in der angefochtenen Entscheidung vertretenen Rechtsansicht erstreckt sich die Kostengrundentscheidung im Hauptsacheverfahren nicht nur dann auf die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens, wenn die Hauptsacheklage von dem Antragsteller des selbständigen Beweisverfahrens erhoben wird. Der Rechtspfleger hat sich bei seiner Entscheidung auf einen zur Problematik des Rechtsschutzbedürfnisses für eine Kostenentscheidung nach § 494a ZPO ergangenen Beschluß des 11. Zivilsenates des Oberlandesgerichts Köln (OLGR 1997, 67; BauR 1997 517) gestützt, demzufolge Hauptsacheklage im Sinne des § 494a ZPO nur die der Zielrichtung des Beweisverfahrens entsprechende Klage sein könne. Der 11. Zivilsenat ist davon ausgegangen, daß die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens nur dann von der Kostengrundentscheidung des nachfolgenden Rechtsstreits erfaßt werden, wenn hinsichtlich des von dem Beweisverfahren erfaßten Anspruchs eine der Rechtskraft fähige Entscheidung (§ 322 Abs. 2 ZPO) ergeht. Dies sei aber im Rechtsstreit umgekehrten Rubrums nicht sichergestellt, wenn der Gegenstand des Beweisverfahrens seitens des Beklagten im Rahmen einer Aufrechnung oder eines Zurückbehaltungsrechts in den Rechtsstreit eingeführt werde (so auch OLG Düsseldorf MDR 1994, 201). In diesen Fällen habe sich das Gericht mit dem Ergebnis des Beweisverfahrens nur zu befassen, wenn die Klage nicht bereits unschlüssig ist.

Dieser Rechtsauffassung vermag sich der erkennende Senat nicht anzuschließen, da sie mit dem Sinn und Zweck des selbständigen Beweisverfahrens nach §§ 485 ff ZPO in der durch das RpflVereinfG seit dem 1. April 1991 geltenden Fassung nicht in Einklang steht. Das selbständige Beweisverfahren dient einerseits dem Zweck, Prozesse zu vermeiden (Begründung RegE, BT-Drucks. 11/3621, s. 23) und andererseits der Prozeßbeschleunigung durch Vorwegnahme der Beweisaufnahme und damit verbundener Konzentration des späteren Hauptverfahrens auf die Beweiswürdigung und die rechtlichen Fragen (Münchner Kommentar/Schneider, ZPO, § 485 Rdn 1). Vor diesem Hintergrund ist Streitgegenstand des selbständigen Beweisverfahrens nicht nur der unmittelbar mit der Beweisfrage verknüpfte Anspruch des Antragstellers, sondern der gesamte von der Beweisfrage betroffene Rechtsstreit der Parteien, dessen Klärung im Tatsächlichen das Beweisverfahren dient. Hierzu zählen sowohl die nach dem Vortrag des Antragstellers denkbaren eigenen Ansprüche (OLG Hamm OLGR 1997, 299ff, 300; Werner/Pastor, Der Bauprozeß, 8. Auflage. Rdn. 123) als auch die Ansprüche der Gegenseite, mit denen sich der Antragsteller konfrontiert sieht und betreffend deren Rechtsverteidigung er in gleicher Weise der Klärung tatsächlicher Fragen im Rahmen des Beweisverfahrens bedarf (OLG Hamm aaO.). In allen diesen Fällen ist in Übereinstimmung mit § 37 Nr. 3 BRAGO von einer Identität des Streitgegenstandes zwischen selbständigem Beweisverfahren und in Hauptprozeß auszugehen, sofern das Kriterium der Nämlichkeit vorliegt, d.h. Identität der Verfahrensbeteiligten ganz oder teilweise gegeben ist und der Gegenstand des Beweisverfahrens ganz oder teilweise in den Hauptsacheprozeß eingeführt und dort darüber entschieden worden ist. Die Frage, ob die Kostengrundentscheidung des Hauptprozesses auch dann die Kosten des Beweisverfahrens umfaßt, wenn der Gegenstand des Beweisverfahrens zwar in den Hauptprozeß eingeführt, dort aber nicht darüber entscheiden worden ist, kann dahingestellt bleiben, weil ein solcher Fall in concreto nicht vorliegt. Hier besteht jedenfalls teilweise Identität der Parteien. Das Berufungsgericht hat auch in seiner abschließenden Entscheidung das Ergebnis des Beweisverfahrens verwertet.

Die unter Berücksichtigung der Kosten des selbständigen Beweisverfahrens neu zu treffende Kostenfestsetzung wird gem. § 575 ZPO dem zuständigen Rechtspfleger des Landgerichts Aachen übertragen.

Dabei wird der Rechtspfleger zu beachten haben, daß zwischen dem vorliegenden Rechtsstreit und dem selbständigen Beweisverfahren 2 OH 3/96 LG Hagen nur teilweise eine Personenidentität besteht, da Antragsgegnerin des Beweisverfahrens neben der Klägerin des vorliegenden Rechtsstreits auch die Firma Bauunternehmung und Betonwerke L. K. GmbH & Co. KG war, die die streitbefangenen Beschichtungsarbeiten ausführte. Nach Ansicht des Senats dürfte insoweit eine Kostenquotelung nach Kopfteilen vorzunehmen sein, da bezüglich beider Antragsgegnerinnen des Beweisverfahrens der Beweisgegenstand nach Art und Umfang derselbe war (vgl. Kleine-Möller/Merl/Oelmaier, Handbuch des privaten Baurechts, 2. Aufl., § 17 Rdn. 334).

Auch wird die geänderte Rechtsprechung des erkennenden Senates zur Erstattungsfähigkeit der Terminskosten des Vertreters einer als Prozeßpartei eingebundenen GmbH zu berücksichtigen sein; insoweit wird auf den Beschluß des erkennenden Senats vom 19. August 1998 - 17 W 84/97 - Bezug genommen.

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens ist dem Landgericht vorzubehalten.

Streitwert für das Erinnerungs- und Beschwerdeverfahren:

DM 10.248,19






OLG Köln:
Beschluss v. 09.06.1999
Az: 17 W 241/98


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