Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. März 2009
Aktenzeichen: 9 W (pat) 376/04

(BPatG: Beschluss v. 30.03.2009, Az.: 9 W (pat) 376/04)

Tenor

Das Patent wird widerrufen.

Gründe

I.

Die Einsprechende hat gegen das am 3. März 2000 unter Inanspruchnahme der US-Prioritäten 122829 vom 4. März 1999 und 357090 vom 19. Juli 1999 angemeldete Patent mit der Bezeichnung

"Beschichtete Kompressorleiteinrichtung"

Einspruch eingelegt. Zur Begründung verweist die Einsprechende unter anderem auf eine Vorbenutzung von beschichteten Kompressorleiteinrichtungen in ihren Abgasturboladern, die in einer Stückzahl von mehreren zehntausend Stück vor dem Anmeldetag des Streitpatents der Öffentlichkeit zugänglich gewesen seien. Sie legt hierzu firmeninterne Dokumente mit den Unterlagennummern HZTL650583 und HZTL001654 vor, die die Anforderungen an die Beschichtung zeigen. Nach Auffassung der Einsprechenden weisen die beschichteten Leiteinrichtungen der von ihr ausgelieferten Abgasturbolader alle Merkmale des Kompressors nach Patentanspruch 1 des Streitpatents auf oder legen dem zuständigen Fachmann den beanspruchten Kompressor zumindest nahe.

Die Einsprechende beantragt, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, das Patent 100 10 117 aufrecht zu erhalten.

Die Patentinhaberin hat sich in der Sache nicht geäußert. Mit Eingabe vom 10. Februar 2009 hat sie zudem erklärt, dass weder die Patentinhaberin noch deren Vertreter an der vom Senat anberaumten mündlichen Verhandlung teilnehmen werden. Nach dieser Erklärung der Patentinhaberin hat der Senat den für den 25. Februar 2009 angesetzten Verhandlungstermin aufgehoben.

Der Patentanspruch 1 gemäß Streitpatent lautet:

Kompressor (24, 124), insbesondere Zentrifugalkompressor, mit einer Wandung oder Leiteinrichtung (46, 146), die einen inneren Strömungsweg (44, 144) zur Aufnahme bzw. Weiterleitung und insbesondere zur Verlangsamung von den Kompressor (24, 124) bzw. Kompressorschaufeln (40, 140) verlassendem Gas aufweist, wobei die Wandung bzw. Leiteinrichtung (46, 146) eine im Wesentlichen nicht bearbeitete innere Oberfläche entlang eines Abschnitts (44a, 44b) des Strömungswegs (44, 144) aufweist, dadurch gekennzeichnet, dassdie Wandung bzw. Leiteinrichtung (46, 146) entlang des Abschnitts (44a, 44b) des inneren Strömungswegs (44, 144) eine hitzebeständige, die Oberflächenrauhigkeit verringernde Beschichtung (48) aufweist.

Dem Patentanspruch 1 schließen sich die erteilten Patentansprüche 2 bis 16 an.

II.

Die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts ist durch PatG § 147 Abs. 3 Satz 1 a. F. begründet.

Der Einspruch ist - von der Patentinhaberin unbestritten -zulässig. In der Sache hat der Einspruch Erfolg, da er zu einem Widerruf des Patents führt. Darauf, dass sich die Patentinhaberin im Verfahren zur Sache nicht geäußert hat, kommt es nicht an, da die Entscheidung von Amts wegen zu treffen ist (§ 61 Abs. 1 PatG).

1. Das Streitpatent betrifft einen Kompressor mit einer beschichteten Wandung oder Leiteinrichtung.

Nach der Beschreibungseinleitung des Streitpatents (Absätze [0002] bis [0005] der Streitpatentschrift) besteht ein Interesse, zur Verbesserung des Wirkungsgrads eines Verbrennungsmotors die Effizienz des Turboladerkompressors zu verbessern.

Um die Strömungsverluste im Turboladerkompressor gering zu halten, müsse die Wandung der Leiteinrichtung, entlang der die Luft mit hoher Geschwindigkeit strömt, möglichst glatt sein. Eine Technik zur Glättung der Wände der Leiteinrichtung bestehe darin, die Spirale aus glatten, geschmiedeten Materialien herzustellen; aber dies erhöhe stark die Kosten zur Herstellung der Leiteinrichtung.

Es sei üblich, die Leiteinrichtung zu gießen, um sie preisgünstiger herzustellen. Bei einigen Anwendungen sei Sandgießen eine bevorzugte Technik. Jedoch wiesen selbst bei Wahl eines feinkörnigen Sandes die so gegossenen Oberflächen eine große Oberflächenrauhigkeit auf. Diese gegossenen, unbehandelten Oberflächen könnten weiter bearbeitet werden, um ihre Rauhigkeit zu verringern. Dies erhöhe jedoch ebenfalls die Kosten zur Herstellung der Leiteinrichtung.

Dem Streitpatent liegt die Aufgabe zugrunde, einen Kompressor, insbesondere einen Zentrifugalkompressor zur Komprimierung von Gas, einen Turbolader, einen Innenverbrennungsmotor, eine Gasturbinenmaschine und eine Verwendung anzugeben, wobei auf kostengünstige Weise eine Erhöhung der Effizienz des Zentrifugalkompressors ermöglicht wird (Absatz [0008] der Streitpatentschrift).

Das Streitpatent betrifft ausweislich seines Patentanspruchs 1 einen Kompressor mit folgenden Merkmalen 1.

Der Kompressor ist insbesondere als Zentrifugalkompressor ausgebildet.

2.

Der Kompressor weist eine Wandung oder Leiteinrichtung auf, die einen inneren Strömungsweg zur Aufnahme bzw. Weiterleitung und insbesondere zur Verlangsamung von den Kompressor bzw. die Kompressorschaufeln verlassendem Gas aufweist.

3.

Die Wandung bzw. Leiteinrichtung weist eine im Wesentlichen nicht bearbeitete innere Oberfläche entlang eines Abschnitts des Strömungswegs auf.

(Oberbegriff)

4.

Die Wandung bzw. Leiteinrichtung weist entlang des Abschnitts des inneren Strömungswegs eine hitzebeständige, die Oberflächenrauhigkeit verringernde Beschichtung auf.

(Kennzeichen)

2. Ein Kompressor mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1 des Streitpatents wird dem zuständigen Fachmann durch den Stand der Technik nach der von der Einsprechenden angeführten offenkundigen Vorbenutzung gezeigt und ist daher nicht patentfähig.

Hier tätiger Fachmann ist ein Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit Erfahrung auf dem Gebiet der Entwicklung und Konstruktion von Kompressoren insbesondere für Turbolader.

Die Einsprechende verwendet nach ihren Angaben im Einspruchsschriftsatz in ihren Abgasturboladern der Serie VTC/VTR seit über 20 Jahren gegossene Kompressorgehäuse, die im Bereich der Strömungswege mit einer hitzeresistenten Beschichtung versehen seien. Die Beschichtung sei mit einer Dicke von 0,06 bis 0,1 mm auf die Gussoberfläche des Verdichtergehäuses aufgetragen worden, so dass die Oberflächenrauhigkeit der Oberfläche verringert worden sei.

Diese Abgasturbolader seien in einer Stückzahl von mehreren zehntausend Stück vor dem Anmeldetag des Streitpatents ausgeliefert worden.

Diesem Sachverhalt hat die Patentinhaberin nicht widersprochen. Damit steht zur Überzeugung des Senats fest, dass Kompressoren mit den von der Einsprechenden behaupteten Eigenschaften vor dem Anmeldetag des Streitpatents der Öffentlichkeit bekannt waren, so dass diese als relevanter Stand der Technik zu berücksichtigen sind.

Somit ist unter Berücksichtigung der Ausführungen der Einsprechenden und der von ihr vorgelegten Dokumente durch offenkundige Vorbenutzung ein als Zentrifugalkompressor ausgebildeter Kompressor als bekannt anzusehen - Merkmal 1 des Patentanspruchs 1 des Streitpatents.

Das Gehäuse des Kompressors weist - wie bei jedem üblichen Kompressor -eine Wandung oder Leiteinrichtung auf (siehe auch Figur 5 des Dokuments HZTL650583), die in bei Kompressoren allgemein üblicher Weise einen Strömungsweg zur Aufnahme bzw. Weiterleitung und insbesondere zur Verlangsamung von den Kompressor bzw. die Kompressorschaufeln verlassendem Gas bildet (siehe Verdichtergehäuse in Figur 5 der Anlage D1) - Merkmal 2.

Die Teile des Turboladers und damit auch des Turboladerkompressors können aus Gusseisen bestehen, das nicht weiter bearbeitet ist. Somit ist auch die innere Oberfläche der Wandung bzw. Leiteinrichtung entlang des Strömungswegs auf der Druckseite des Kompressors nicht bearbeitet - Merkmal 3.

Die Wandung der Leiteinrichtung wird mit einem Korrosionsschutz in einer Dicke von 0,06 bis 0,1 mm versehen, der hitzebeständig ist (Abschnitte 3.3 und 3.4 der HZTL650583). Eine derartige Beschichtung führt automatisch zu einer Verringerung der Rauhigkeit der Oberfläche der Wandung. Somit weist die bekannte Leiteinrichtung entlang des Abschnitts des inneren Strömungswegs eine hitzebeständige, die Oberflächenrauhigkeit verringernde Beschichtung auf - Merkmal 4.

3. Mit dem Patentanspruch 1 fallen auch die weiteren Patentansprüche, da sie Gegenstand desselben Antrags auf Aufrechterhaltung des Patents sind und über einen Antrag nur insgesamt entschieden werden kann.

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BPatG:
Beschluss v. 30.03.2009
Az: 9 W (pat) 376/04


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