Verwaltungsgericht Köln:
Urteil vom 18. Mai 2006
Aktenzeichen: 1 K 6148/05

(VG Köln: Urteil v. 18.05.2006, Az.: 1 K 6148/05)

Tenor

Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat. Die Klage im Óbrigen wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Tatbestand

Die Klägerin betreibt das Geschäft eines Pfandleihers mit der Hauptniederlas- sung in I. und u.a. einer Betriebsstätte in L. . Bei der Verwertung der Pfandsa- chen erzielte sie in den Jahren 2000 bis 2002 Überschüsse in Höhe von insgesamt 60.043,07 EUR, wovon sie - zunächst - 35.607,88 EUR nicht an den Beklagten ab- führte, sondern mit Mindererlösen verrechnete. Diese Mindererlöse waren bei der Verwertung anderer Pfandsachen angefallen, welche dieselben Verpfänder für ande- re Darlehen an die Klägerin übergeben hatten.

Mit Ordnungsverfügung vom 13.07.2005 forderte der Beklagte die Klägerin auf, den vorerwähnten verrechneten Mehrerlös innerhalb von 14 Tagen nach Zustellung der Verfügung zu überweisen; andernfalls werde er die Summe kostenpflichtig bei- treiben. Zur Begründung berief er sich auf § 11 Pfandleiherverordnung (PfandlV) und machte geltend, die von der Klägerin vorgenommene Verrechnung verstoße gegen das sich aus § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PfandlV ergebende Aufrechnungsverbot.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch der Klägerin wies die Bezirksregierung Köln mit Bescheid vom 21.09.2005 zurück: Da sich der Pfandleiher gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PfandlV „nur aus dem Pfand" befriedigen dürfe, sei eine Verrechnung von Mehrerlösen mit Mindererlösen allein dann möglich, wenn - abweichend von den vorliegenden Verhältnissen - mehrere Pfandgegenstände zur Auszahlung eines Dar- lehens geführt hätten und somit nur ein Pfandkreditvertrag abgeschlossen worden sei.

Die Klägerin hat am 20.10.2005 zunächst gegen die gesamte Zahlungsaufforde- rung Klage erhoben. Am 05.05.2006 hat sie diese in Höhe von 2.609,23 EUR zu- rückgenommen, nachdem sie festgestellt hatte, dass insoweit -mangels Zugangs- keine rechtswirksamen Aufrechnungserklärungen gegenüber ihren Kunden vorlagen. Nunmehr macht sie geltend:

Sie habe den Abführungsanspruch des Beklagten aus § 11 PfandlV zu Recht mit Mindererlösen verrechnet. Weder aus dem Wortlaut noch aus der Entstehungsge- schichte noch aus dem Schutzzweck des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 PfandlV er- gebe sich ein Aufrechnungsverbot. Der Versteigerungserlös trete an die Stelle des Pfandes, so dass auch ein erzielter Überschuss einen Teil des Pfandes verkörpere. Mit der Haftungsbeschränkung nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PfandlV solle nur der Zugriff staatlicher Vollstreckungsorgane auf andere Sachen als die Pfandsache aus- geschlossen werden, nicht jedoch die Aufrechnung als eine Form der Schuldtilgung. Daraus, dass in der PfandlV - anders als etwa in § 66 AktG, § 19 Abs. 2 GmbHG, § 22 GenG - ein Aufrechnungsverbot nicht ausdrücklich normiert sei, folge, dass der Verordnungsgeber auf ein solches Verbot bewusst verzichtet habe. Selbst wenn dem Beklagten ein Abführungsanspruch doch zustehen sollte, könne dieser nicht durch Leistungsbescheid durchgesetzt werden. Dafür fehle es an einer Ermächtigungs- grundlage, da der geltend gemachte Anspruch zivilrechtlicher Natur sei.

Die Klägerin beantragt,

die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 13.07.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Köln vom 21.09.2005 insoweit aufzuheben, als damit zur Abführung von mehr als 2.609,23 EUR aufgefordert wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist auf die Begründung der angegriffenen Bescheide und auf die ein- schlägige Rechtsprechung.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Ge- richtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und der Be- zirksregierung Köln Bezug genommen.

Gründe

Das Verfahren ist gemäß § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen, soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat.

Die noch anhängige Klage ist unbegründet, da der angefochtene Teil der Ordnungsverfügung des Beklagten vom 13.07.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Köln vom 21.09.2005 rechtmäßig ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Nach § 11 Satz 1, erster Halbsatz PfandlV hat der Pfandleiher Überschüsse, über die Vereinbarungen nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PfandlV abgeschlossen sind, spätestens einen Monat nach Ablauf der in § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PfandlV bezeichneten Frist an die zuständige Behörde abzuführen. Diese Voraussetzungen sind in Bezug auf den nunmehr nur noch umstrittenen Betrag in Höhe von 32.998,65 EUR erfüllt.

Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PfandlV darf der Pfandleiher das Pfand nur an- nehmen, wenn er mit dem Verpfänder u.a. vereinbart, dass er berechtigt ist, zwei Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem das Pfand verwertet worden ist, den Teil des Erlöses, der ihm nicht zu seiner Befriedigung gebührt und nicht an den Verpfänder ausgezahlt worden ist, an die zuständige Behörde abzuführen, und dass damit dieser Teil des Erlöses verfällt. Die Klägerin hat dementsprechende Vereinbarungen über die Überschüsse aus den Jahren 2000 bis 2002 geschlossen, wie sich aus Ziffer 9 der von ihr unstreitig verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Pfand- kreditgewerbe (AGB) ergibt.

Die Klägerin hat die in den Jahren 2000 bis 2002 erlösten und nicht vor Ablauf der Zweijahres-Frist an die Verpfänder ausgezahlten Überschüsse (60.043,07 EUR) in Höhe des noch umstrittenen Teils (32.998,65 EUR) allerdings mit Mindererlösen verrechnet. Zwar hat sie den letztgenannten Betrag inzwischen ohne Anerkennung einer Rechtspflicht an den Beklagten ausgezahlt. Doch ist sie nach wie vor der Auffassung, dass dieser ihr zustehe, da sie zur Verrechnung berechtigt gewesen sei. Das ist aber nicht der Fall.

Die Verrechnung verringert den Abführungsanspruch des Beklagten nur dann, wenn ihr eine rechtswirksame Aufrechnung nach §§ 387 ff BGB zugrunde liegt. Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Die Aufrechnung ist im vorliegenden Zusammenhang generell unzulässig

so auch: Hess.VGH, Beschluss vom 04.11.2003 -10 ZU 2139/02-; Marcks, in Landmann-Rohmer, Gewerbeordnung, Band II, § 5 PfandlV, Rn. 1; Schulze-Werner/Hendricks, Ge- wArch 2000, 269; a.A.:Damrau, GewArch 2004, 177 .

Das folgt aus der Regelung des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PfandlV. Danach darf der Pfandleiher das Pfand nur annehmen, wenn er - wie hier aufgrund von Ziff. 3 AGB geschehen - mit dem Verpfänder vereinbart, dass er sich wegen seiner Forderung auf Rückzahlung des Darlehens sowie auf Zahlung von Zinsen, Vergütungen und Kosten nur aus dem Pfand befriedigen darf. Die Formulierung „nur aus dem Pfand" bedeutet, dass die Befriedigung allein aus der/den für das jeweilige Darlehen gegebenen Pfandsache/n erfolgen darf. Wird bei der Pfandverwertung nur ein die Forderungen des Pfandleihers unterschreitender Mindererlös erzielt, so darf dieses Defizit also nicht durch Zugriff auf andere Vermögensgegenstände des Verpfänders ausgeglichen werden. Dies geschieht jedoch, wenn Mindererlöse mit Überschüssen in der hier umstrittenen Weise verrechnet werden. Denn es wird dabei auf andere Pfänder und damit auf Vermögensgegenstände zurückgegriffen, die nicht für die jeweils in Rede stehende Forderung im Sinne des § 1210 BGB haften.

Entgegen der Auffassung der Klägerin folgt nicht aus § 1247 Satz 2 BGB („Im Übrigen tritt der Erlös an die Stelle des Pfandes."), dass der Überschuss einen Teil des Pfandes verkörpere und und dass er somit vom Sicherungszweck umfasst sei. Vielmehr ergibt sich aus dem Zusammenhang mit Satz 1 dieser Vorschrift („Soweit der Erlös aus dem Pfande dem Pfandgläubiger gebührt, gilt die Forderung als von dem Eigentümer berichtigt."), dass nur derjenige Erlös an die Stelle des Pfandes tritt, der dem Pfandgläubiger gerade nicht zur Befriedigung gebührt,

vgl. auch: Jauernig, Bürgerliches Gesetzbuch, 11. Aufl., Rn. 4 zu § 1247 .

Der Umstand, dass in der PfandlV das Aufrechnungsverbot nicht ausdrücklich normiert ist, ist demgegenüber unerheblich. Es genügt, wenn sich die Unzulässigkeit der Aufrechnung den einschlägigen Bestimmungen durch Auslegung entnehmen lässt.

Ferner ist der Beklagte berechtigt, die Abführungsverpflichtung der Klägerin durch Verwaltungsakt geltend zu machen. Das ist in der PfandlV zwar nicht ausdrücklich geregelt, ergibt sich aber - ebenfalls - durch Auslegung des § 11 Satz 1, erster Halbsatz PfandlV. Diese Vorschrift begründet nämlich entgegen der Auffassung der Klägerin keinen zivilrechtlichen Anspruch des Beklagten, der nach der Definition des § 35 Satz 1 VwVfG („auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts") nicht durch Verwaltungsakt geltend gemacht werden könnte. Vielmehr beinhaltet § 11 Satz 1, erster Halbsatz PfandlV eine Ermächtigung zur Durchsetzung einer öffentlich- rechtlichen Verpflichtung des Pfandleihers. Das folgt bereits daraus, dass diese Vorschrift - anders in Bezug auf den Verpfänder vor Ablauf der Zweijahres-Frist- nicht von einem Anspruch auf Auszahlung, sondern davon spricht, dass der Pfandleiher den Überschuss an die zuständige Behörde „abzuführen" hat. Darauf, dass damit nicht die Erfüllung eines zivilrechtlichen Anspruchs, sondern ein öffentlichrechtlicher Vorgang gemeint ist, deutet auch die Ermächtigungsvorschrift des § 34 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GewO hin. Denn dort ist im Zusammenhang mit der Ausübung des erlaubnispflichtigen Pfandleihgewerbes von der Verpflichtung zur „Ablieferung" des Pfandüberschusses die Rede. Außerdem regelt § 11 Satz 1, erster Halbsatz PfandlV das Abführen des Überschusses - anders als § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 PfandlV - nicht als Berechtigung, sondern als Verpflichtung des Pfandleihers. Fer- ner ist zu berücksichtigen, dass die zuständige Behörde mit der Aufforderung zur Abführung keinen eigenen Anspruch geltend macht, sondern nur eine Voraussetzung dafür begründet, dass der Überschuss gemäß § 11 Satz 2 PfandlV nach der Abführung dem Landesfiskus verfällt. Außerdem ist der enge Sachzusammenhang mit § 11 Satz 2, zweiter Halbsatz PfandlV zu bedenken, wonach die zuständige Behörde auf Antrag des Pfandleihers die in Satz 1 genannte Frist von einem Monat aus wichtigem Grund verlängern kann. Dabei handelt es sich eindeutig um eine Verwaltungsakts-Ermächtigung. Bestätigt wird diese Sichtweise dadurch, dass in der Anlage 1, III, Lfd. Nrn. 2.1.3 und 2.1.4 der Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten auf dem Gebiete der Gewerbeüberwachung vom 10.12.1974, GV NRW 1558, die Ordnungsbehörde zur zuständigen Behörde bestimmt wird, und zwar sowohl für die Entgegennahme der Überschüsse als auch für die Verlängerung der Ablieferungsfrist. Ist die Abführungsverpflichtung des Pfandleihers somit öffentlichrechtlicher Natur, so ist der Verwaltungsakt - im Unterschied zur Leistungsklage - das im Über- und Unterordnungsverhältnis zulässige Mittel zur Durchsetzung dieser Verpflichtung,

vgl. Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 14. Aufl., Vorb § 40 Rn. 50.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO.






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Urteil v. 18.05.2006
Az: 1 K 6148/05


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