Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. Dezember 2008
Aktenzeichen: 28 W (pat) 9/08
(BPatG: Beschluss v. 10.12.2008, Az.: 28 W (pat) 9/08)
Tenor
Auf die Beschwerde der Anmelderin hin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 10, vom 8. November 2007, aufgehoben.
Gründe
I.
Mit der Anmeldung der Wortmarke Syntanwurden ursprünglich die nachfolgenden Waren und Dienstleistungen der Klassen 6, 10 und 35
"Gussteile aus Metall und dessen Legierungen in Form von offenporigen Schwämmen aus Halboder Fertigfabrikat, soweit nicht in anderen Klassen enthalten Orthopädische Implantate aus künstlichen Materialien, nämlich Metall; Geschäftsführung, Marketing; Marktforschung und Marktanalyse; Vermittlung und Abschluss von Handelsgeschäften für andere; Vermittlung von Aufträgen über Anschaffung und Veräußerung von Waren; Organisation und Durchführung von Veranstaltungen und Ausstellungen zu wirtschaftlichen und Werbezwecken"
beansprucht.
Die Anmeldung wurde von der Markenstelle für Klasse 10 des Deutschen Patentund Markenamts wegen fehlender Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, Syntan stelle einen chemischen Fachbegriff dar, mit dem synthetische Gerbstoffe bezeichnet würden. Die angemeldeten Waren könnten unter Verwendung von Syntan hergestellt werden und die beanspruchten Dienstleistungen sich mit Syntan befassen. Dem angemeldeten Zeichen fehle aufgrund seines beschreibenden Bedeutungsgehalts jegliche Unterscheidungskraft. Als Wortkombination aus den Begriffsteilen "Synthetik" und "Titan" impliziere sie zudem bestimmte Materialeigenschaften von Metallimplantaten und müsse insoweit als täuschend i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG gewertet werden Ob darüber hinaus ein Freihaltebedürfnis der Mitbewerber gegeben sei, könne bei dieser Sachlage dahingestellt bleiben.
Hiergegen hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen, die angemeldete Wortkombination beinhalte für die hier beanspruchten Waren und Dienstleistungen keinerlei beschreibende Aussage. Ihr könne daher die erforderliche Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden und auch ein Freihaltungsbedürfnis sei nicht gegeben. Syntan zähle zur Klasse der Gerbstoffe und werde insbesondere zur Verarbeitung von rohen Tierfellen zu Leder verwendet. Der Begriff sei im Zusammenhang mit Implantaten oder Metallschaum völlig unbekannt. Ebenso wenig stünden die beanspruchten Dienstleistungen in einem relevanten Zusammenhang mit Gerbstoffen. Eine Täuschungseignung des angemeldeten Zeichens bestehe ebenfalls nicht. Im Laufe des Beschwerdeverfahrens wurde die Anmeldung für die Dienstleistungen der Klasse 35 zurückgenommen.
Die Anmelderin beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluss der Markenstelle aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Im Hinblick auf die nun noch verfahrensgegenständlichen Waren stehen der Eintragung der angemeldeten Marke keine absoluten Schutzhindernisse entgegen.
Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind Marken dann von der Eintragung ausgeschlossen, wenn sie ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr u. a. zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit oder sonstiger Merkmale der fraglichen Waren oder Dienstleistungen dienen können. Insoweit bedarf es konkreter Anhaltspunkte, um eine Zurückweisung zu rechtfertigen.
Bei der Ermittlung solcher Anhaltspunkte ist ausschließlich auf die mit der Anmeldung konkret beanspruchten Waren oder Dienstleistungen abzustellen und zu prüfen, ob die angemeldete Marke im Hinblick auf diese Waren oder Dienstleistungen eine eindeutige, unmittelbar sachbezogene Aussage vermittelt (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, 676, Rdn. 55 f. - Postkantoor). Nur wenn dies zu bejahen ist, kann von einem schutzwürdigen Allgemeininteresse an ihrer ungehinderten Verwendbarkeit ausgegangen werden. Entgegen der Darlegungen der Markenstelle konnte der Senat im vorliegenden Fall aber keinerlei konkrete Anhaltspunkte dafür ermitteln, dass die Bezeichnung "Syntan" im Hinblick auf die fraglichen Waren geeignet wäre, zur produktbezogenen Merkmalsbeschreibung dienen zu können.
Bei "Syntan" handelt es sich um einen chemischen Fachbegriff für synthetische organische Gerbstoffe. Syntan findet insbesondere zum Gerben und Füllen von Leder Verwendung, darüber hinaus aber auch in Produkten wie Folien für Dachflächen, Leimen oder Tinten. Wegen gewisser entzündungshemmender Eigenschaften wird Syntan sogar zur äußeren Anwendung bei entzündlichen Hauterkrankungen und in Haarbehandlungsmitteln eingesetzt. Einer inneren Anwendung von Syntan steht allerdings der Umstand entgegen, dass Syntan aufgrund seiner Ausgangsstoffe Phenol, Kresol, Naphthalin und Naphthol toxisch, also für den Menschen gesundheitsschädlich ist. Bei den verfahrensgegenständlichen Metallschwämmen handelt es sich um einen Werkstoff, der u. a. zur Herstellung so genannter biokompatibler Implantate eingesetzt wird, also bei Implantaten, die dauerhaft im Körper verbleiben sollen. Offenporige Metallschwämme weisen mit ihren Poren und Hohlräumen positive Übereinstimmungen mit dem natürlichen Knochen auf, wodurch das Material vom menschlichen Körper besser angenommen werden kann. Metallschwämme besitzen durch diese poröse Struktur zudem eine geringe Dichte, sind aber gleichzeitig außerordentlich stabil. Dadurch ist es möglich das Gesamtgewicht der aus ihnen hergestellten Produkte niedrig zu halten und gleichzeitig eine hohe mechanische Festigkeit und Stabilität zu gewährleisten. Würde Syntan mit seinen füllenden Eigenschaften in Metallschwämme eingebracht bzw. auf diese appliziert, hätte dies ein Auffüllen der porösen Struktur sowie ein höheres Gesamtgewicht zur Folge. Bei einer solchen Vorgehensweise würden also die vorteilhaften Materialeigenschaften von Metallschwämmen beseitigt, ohne dass mit einer solchen Vorgehensweise ein erkennbarer Vorteil verbunden wäre. Einem Einsatz von Syntan im Zusammenhang mit orthopädischen Implantaten mit Syntan stehen darüber hinaus die toxischen Eigenschaften dieses Gerbstoffes entgegen. Vor diesem Hintergrund ist eine Verwendung von Syntan im Hinblick auf die verfahrensgegenständlichen Produkte als kontraproduktiv bzw. sinnwidrig anzusehen.
Dementsprechend haben die durchgeführten Recherchen des Senats keinerlei Feststellungen dafür ergeben, dass der Begriff "Syntan" für die noch beanspruchten Waren bereits als beschreibende Angabe verwendet wird. Zwar ist ein solcher Nachweis für eine Zurückweisung nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG grundsätzlich nicht erforderlich (vgl. BGH GRUR 2001, 1151, 1152 -marktfrisch). Es fehlt aber auch an den erforderlichen Anhaltspunkten, dass die angemeldete Bezeichnung gegenwärtig oder zukünftig für eine solche beschreibende Verwendung geeignet sein könnte (vgl. hierzu Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl., § 8, Rdn. 199, 201). Nach den oben dargestellten Feststellungen erscheint diese Annahme sogar als ausgesprochen fernliegend. Allein die hypothetische, nicht auf konkrete Anhaltspunkte gestützte Annahme einer Eignung zur Merkmalsbeschreibung i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, wie sie die Markenstelle vorgenommen hat, kann diesen Ausschlusstatbestand aber nicht erfüllen.
Der angemeldeten Marke fehlt auch nicht jegliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Unterscheidungskraft in diesem Sinne ist die konkrete Eignung einer Marke, von den angesprochenen Verkehrskreisen als betrieblicher Herkunftshinweis für die von ihr erfassten Waren und/oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (stRspr., BGH, GRUR 2003, 1050 - Cityservice). Die verfahrensgegenständlichen Produkte richten sich ausschließlich an spezialisierte Fachkreise, die mit den Fachbereichen, in denen Syntan tatsächlich verwendet wird, in aller Regel keinerlei Berührungspunkte haben werden. Da Marken grundsätzlich keiner analysierenden Betrachtungsweise unterzogen, sondern so angenommen werden, wie sie dem Verbraucher entgegentreten, kann vor diesem Hintergrund nicht davon ausgegangen werden, dass der beteiligte Fachverkehr mit der angemeldeten Bezeichnung "Syntan" im Hinblick auf die verfahrensgegenständlichen Waren einen Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt verbinden wird. Hierfür müsste ein solcher Aussagegehalt derart deutlich und unmissverständlich hervortreten, dass die fragliche Bezeichnung ihre Funktion als Sachbegriff ohne weitergehendere analysierende Überlegungen erfüllen könnte (vgl. Ströbele, a. a. O, § 8 Rdn. 54 m. w. N.). Wie oben ausgeführt, ist dies hier jedoch nicht der Fall. Bei dieser Sachlage kann selbst ein Fachbegriff, der in anderen Warengebieten angesiedelt ist, für die hier beanspruchten Produkte durchaus die erforderliche Unterscheidungskraft besitzen und vom Verkehr als Marke wahrgenommen werden.
Entgegen der Wertung der Markenstelle ist die angemeldete Marke nach den dargelegten Feststellungen des Senats auch nicht geeignet, eine ersichtliche Täuschungsgefahr i. S. v. § 37 Abs. 3 MarkenG zu begründen. Ersichtlich ist eine solche Täuschungseignung nur dann, wenn sie im Rahmen des registerrechtlichen Verfahrens für die prüfenden Stellen aus den Anmeldeakten ohne weiteres erkennbar ist, wobei bei der Prüfung auf alle zugänglichen Recherchematerialien, wie etwa Patentschriften, Lexika, sonstige Fachliteratur sowie ggf. auch auf Auskünfte von Fachverbänden zurückzugreifen ist (vgl. Ströbele, a. a. O., § 8 Rdn. 378 m. w. N.). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht gegeben.
Eine Zurückweisung der angemeldeten Marke nach § 8 Abs. 2 MarkenG scheidet demnach aus, so dass der angefochtene Beschluss der Markenstelle unter Berücksichtigung des Eintragungsanspruchs der Anmelderin nach § 33 Abs. 2 MarkenG antragsgemäß aufzuheben war.
Stoppel Werner Schell Me
BPatG:
Beschluss v. 10.12.2008
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