Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. Juli 2001
Aktenzeichen: 27 W (pat) 75/00
(BPatG: Beschluss v. 10.07.2001, Az.: 27 W (pat) 75/00)
Tenor
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 1. Juni 1999 aufgehoben.
Gründe
I Die Anmelderin begehrt die Eintragung der Wortmarke A. U. G. E.
für Datenverarbeitungsprogramme für die Erstellung von Datenblättern und von Betriebsanweisungen sowie deren Verwaltung; Datenverarbeitungsprogramme zur Erstellung von Statistiken, Ereignismeldungen und Protokollen
(alle Produkte soweit in Klasse 09 enthalten)
Druckschriften, Handbücher zur Erstellung und Handhabung von Datenverarbeitungsprogrammen und Druckschriften für die Arbeits- und umweltbezogene Gefahrstofferfassung und für das Erstellen von Datenverarbeitungsprogrammen für die Erstellung von Datenblättern und von Betriebsanweisungen sowie deren Verwaltung und ferner für das Erstellen von Datenverarbeitungsprogrammen zur Anfertigung von Statistiken, Ereignismeldungen und Protokollen Erstellen von Datenverarbeitungsprogrammen und Druckschriften für die Arbeits- und umweltbezogene Gefahrstofferfassung, Erstellen von Datenverarbeitungsprogrammen für die selbsttätige Erstellung von Datenblättern und von Betriebsanweisungen sowie deren Verwaltung;
Erstellen von Datenverarbeitungsprogrammen zur selbsttätigen Erstellung von Statistiken, Ereignismeldungen und Protokollen Die Markenstelle für Klasse 9 des Patentamtes hat durch Beschluß eines Beamten des höheren Dienstes die Eintragung wegen mangelnder Unterscheidungskraft und Bestehens eines Freihaltungsbedürfnisses zurückgewiesen. Der Begriff "A.U.G.E." stelle hinsichtlich der beanspruchten Waren und Dienstleistungen einen unmittelbar beschreibenden Hinweis dar, weil allgemein bekannt sei, daß die Daten von Unfällen zur Ermittlung der Unfallursache zwecks Vermeidung weiterer Unfälle erfaßt, protokolliert und ausgewertet würden, bei der Erstellung von Unfallvorschriften dem Schutz des Auges als besonders wichtigem Sinnesorgan in besonderem Maße Rechnung getragen werde und sich der Einsatz von Datenverarbeitungsprogrammen gerade für diesen Bereich besonders gut eigne. Das angemeldete Zeichen enthalte daher einen unmittelbar beschreibenden Hinweis auf die bestimmungsgemäße Verwendung der Datenverarbeitungsprogramme, zumal es auf dem Software-Warensektor gängige Praxis sei, Programmnamen auszuwählen, welche schlagwortartig deren Einsatzbereich umrissen; dies gelte auch für die beanspruchten Druckschriften und Handbücher, da es üblich sei, mit schriftlichem Begleitmaterial für Programme zu arbeiten. Die Verwendung der Punkte stehe diesem Ergebnis nicht entgegen, da in der angemeldeten Darstellung sofort und mühelos das bekannte und in Verbindung mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen in einem deskriptiven Sinn verstandene Wort "AUGE" erkannt werde und die angemeldete Marke daher in dieser Weise und nicht mit den Einzelbuchstaben verbal benannt werde.
Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Ihrer Auffassung nach ist ein unmittelbar beschreibender Hinweis der angemeldeten Marke nicht zu entnehmen. Die Datenverarbeitung und ihre Programme seien bei weitem nicht auf Sehende beschränkt. Auch berücksichtige der angefochtene Beschluß nicht ausreichend, daß es sich bei dem angemeldeten Zeichen um ein Kunstwort handele, welches aus mittels Punkten voneinander getrennten Einzelbuchstaben gebildet sei. Kein Wettbewerber werde zu Werbezwecken eine Bezeichnung wählen, die von den angesprochenen Verbrauchern überhaupt nicht verstanden werde, ganz abgesehen davon, daß in dem hier interessierenden Marktsegment der Software-Anbieter im allgemeinen keine Akronyme als Programmnamen benutzt würden. Die Argumentation der Markenstelle sei allenfalls bei Waren oder Diensten eines Optikers oder Augenarztes verständlich, nicht aber bei den hier beanspruchten Waren und Dienstleistungen.
Die Beschwerdeführerin beantragt, den Beschluß aufzuheben und die Marke wie beantragt zu registrieren.
Wegen sonstiger Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II Die zulässige (§ 66 Abs 1 MarkenG) Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Der Eintragung des angemeldeten Zeichens stehen für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen keine Schutzhindernisse entgegen.
Das angemeldete Zeichen ist nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG nicht freihaltungsbedürftig. Nach dieser Vorschrift sind von der Eintragung nur solche Marken ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr (ua) zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können. Dabei ist bei der Prüfung dieses Schutzhindernisses auch ein aktuell noch nicht bestehendes, jedoch auf Grund konkreter Tatsachen mit hinreichender Sicherheit prognostizierbares zukünftiges Freihaltungsbedürfnis zu beachten (vgl BGH, GRUR 1999, 988 [989] - HOUSE OF BLUES; BGH, GRUR 1999, 1093 [1094] - FOR YOU; BGH, GRUR 2001, 162 [163] - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Zwar kommt den Punkten, welche die einzelnen Buchstaben voneinander trennen, nicht die ausschlaggebende Bedeutung zu, welche die Anmelderin ihnen meint beimessen zu können (vgl. die Entscheidung des Senats BPatGE 39, 256 [258] - K. U. L. T.); aber auch wenn man sie außer acht läßt, ist nicht erkennbar, welche Eigenschaften der beanspruchten Waren und Dienstleistungen von dem sich dann ergebenden Wort "Auge" beschrieben werden sollte. Daß das allgemein gehaltene Warenverzeichnis auch die Erstellung von Datenverarbeitungsprogrammen zur statistischen Erfassung von Unfällen, bei denen das menschliche Auge in Mitleidenschaft gezogen wird, beinhaltet, reicht hierfür nicht aus. Denn das Wort "Auge" beschreibt nicht unmittelbar die Zweckbestimmung solcher Programme, da das menschliche Auge selbst nicht ihr unmittelbarer Gegenstand ist; Gegenstand dieser Programme ist vielmehr allein die Erfassung und Verarbeitung von Statistiken; diese wiederum können einen beliebigen Inhalt haben und sich deshalb selbstverständlich auch auf Unfälle beziehen, bei denen es zu Verletzungen am menschlichen Auge gekommen ist. Es ist aber im Verkehr nicht üblich und auch in Zukunft nicht zu erwarten, Statistiken oder Datenverarbeitungsprogramme, deren Algorithmus eine statistische Berechnung beinhaltet, ausschließlich mit dem Namen ihres Gegenstandes - selbst wenn sie sich nur auf einen einzigen beziehen - ohne jeden Zusatz oder Hinweis auf ihre Eigenschaft als Statistik zu bezeichnen. Beispielsweise werden Statistiken über Waldschäden nicht bloß mit "Wald", über Auto- oder Flugzeugunfälle nicht bloß mit "Auto" oder "Flugzeug" oder über Verbrechen nicht nur mit "Verbrechen", sondern mit den Worten "Waldschadensstatistik", "Auto-" bzw "Flugzeugunfallstatistik" und "Verbrechens-" oder "Kriminalstatistik" bezeichnet. Es ist daher kaum zu erwarten, daß ein (möglicherweise erst künftiges) Bedürfnis für Mitbewerber vorhanden ist, das Wort "Auge" zur Bezeichnung von Statistiken oder statistischen Datenverarbeitungsprogrammen zur Erfassung von Unfällen mit Augenschäden verwenden zu können.
Der Eintragung des angemeldeten Zeichens steht aus demselben Grund auch nicht das Schutzhindernis mangelnder Unterscheidungskraft nach § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG entgegen, dh die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die angemeldeten Waren eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefaßt zu werden, wobei von einem großzügigen Maßstab auszugehen ist, so daß jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft ausreicht, um das Schutzhindernis zu überwinden (st Rspr, vgl BGH, GRUR 1995, 408 [409] - PROTECH; zuletzt BGH, aaO mwN - RATIO-NAL SOFTWARE CORPORATION). Selbst wenn man die trennenden Punkte außer acht läßt, deutet das sich dann ergebende Wort "Auge" nach den vorstehenden Ausführungen nicht unmittelbar darauf hin, daß die hiermit gekennzeichnete Software der Erfassung und Verarbeitung von Statistiken über Unfälle mit Augenverletzungen dient, so daß dem Zeichen kein für die beanspruchten Waren (und Dienstleistungen) im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden kann. Es handelt sich auch nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen Sprache, das vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird. Ein solches Verständnis des Wortes "Auge" in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen drängt sich nämlich nach den vorstehenden Ausführungen nicht auf; vielmehr wird es im Hinblick auf diese vom Verkehr eher als phantasievoll, da letztlich nichtssagend aufgefaßt werden. Dies wird nicht zuletzt durch die ungewöhnliche Schreibweise (Großbuchstaben, die voneinander durch Punkte getrennt sind) noch verstärkt. Insoweit unterscheidet sich die Anmeldemarke nämlich von ähnlichen Zeichenbildungen wie "K. U. L. T." (vgl BPatGE aaO), bei denen der Verkehr der abweichenden Gestaltung des Wortes wegen seiner weit verbreiteten Verwendung in der herkömmlichen Schreibweise in der Werbung für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen keine entscheidende Bedeutung beimessen wird; hiervon kann aber wegen des nichtssagenden Inhalts des Wortes "Auge" für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen vorliegend keine Rede sein. Fehlt aber ein unmittelbar beschreibender Begriffsinhalt und wird das Zeichen auch nicht stets nur als allgemeines, in der Werbung übliches Wort verstanden, gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, ihm die Unterscheidungskraft abzusprechen (vgl BGH, GRUR 1999, 1089 [1091] - YES; BGH, WRP 2000, 298 [299] - Radio von hier; BGH, aaO - Partner with the best; BGH, aaO - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION).
Da auch sonstige Eintragungshindernisse nicht erkennbar sind, war der die Eintragung versagende Beschluß der Markenstelle aufzuheben.
Dr. Schade Albert Schwarz Pü
BPatG:
Beschluss v. 10.07.2001
Az: 27 W (pat) 75/00
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