Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. März 2007
Aktenzeichen: 30 W (pat) 84/04

(BPatG: Beschluss v. 19.03.2007, Az.: 30 W (pat) 84/04)

Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Antragsgegnerin ist Inhaberin der seit dem 28. Juni 2002 jetzt noch für die Waren

"Stecker, Kabelstecker für elektrische Zwecke (alle Waren nur für Audioanwendungen)"

eingetragenen, nachfolgend wiedergegebenen dreidimensionalen Marke 302 09 499 Der Antragsteller hat mit Schriftsatz vom 12. September 2002 die Löschung der Marke beantragt und sich dabei auf die Löschungsgründe nach § 50 Abs. 1 Nr. 3 und 4 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 5 MarkenG gestützt; hierzu hat er geltend gemacht, bei der angegriffenen Marke handle es sich um einen Steckverbinder mit rein technisch bedingten Merkmalen, der einen Industriestandard darstelle und nicht zugunsten eines einzelnen Anbieters markenrechtlich monopolisiert werden dürfe. Darin läge ein Verstoß gegen die öffentliche Ordnung und die guten Sitten. Darüber hinaus fehle der angegriffenen Marke aber auch die notwendige Unterscheidungskraft, da der Verkehr hierin nur die Ware erblicke, die sich in keiner Weise von der bekannten Formenvielfalt auf dem hier maßgeblichen Warensektor abhebe, sondern aus einer Kombination üblicher Gestaltungselemente zusammengesetzt sei, die auch zugunsten der Mitbewerber freizuhalten seien. Eine Eintragung als Marke hätte deshalb nicht erfolgen dürfen. Auch seien die Eintragungshindernisse nicht durch Verkehrsdurchsetzung überwunden worden.

Die Markeninhaberin hat dem Löschungsantrag rechtzeitig widersprochen und dazu ausgeführt, es könne keineswegs davon ausgegangen werden, dass die wesentlichen Gestaltungsmerkmale der Marke ausschließlich funktionell bedingt oder durch die Art der Ware vorgegeben seien. Ihre Schutzfähigkeit ergebe sich durch die vorhandenen Designelemente, die der Warenform ein eigenständiges Gesamterscheinungsbild verleihten, für die es zahlreiche Formalternativen gegeben habe und gebe, so dass ein Freihaltungsbedürfnis an der gewählten Form entfalle. Die Marke hebe sich prägnant vom verkehrsüblichen Formenschatz des einschlägigen Warensektors ab und sei deshalb auch ohne weiteres geeignet, eine betriebskennzeichnende Wirkung zu entfalten.

Die Markenabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts hat dem Löschungsantrag stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, der angegriffenen dreidimensionalen Marke habe sowohl im Zeitpunkt der Eintragung wie im Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag jedenfalls das Schutzhindernis der mangelnden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegengestanden. Die registrierte Darstellung gebe die typischen Merkmale eines XLR-Steckverbinders wieder, der sich auch nicht in seinen Einkerbungen und Riffelungen an Gewindetülle und Überwurfmutter von Gestaltungen anderer marktgängiger Stecker erheblich abhebe, zumal der Verkehr auch nicht daran gewöhnt sei, an derartigen Gestaltungen die betriebliche Herkunft der Stecker festzumachen. Das Schutzhindernis könne auch nicht durch die geltend gemachte Verkehrsdurchsetzung überwunden werden, da die Markeninhaberin den Stecker gar nicht in der registrierten Form verwende, sondern durchweg mit zusätzlichen darauf angebrachten Wortbestandteilen. Unter diesen Umständen könne es dahinstehen, ob es sich um eine lediglich technisch bedingten Form nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG handele, wofür erhebliche Anhaltspunkte sprächen, da die Warenform in ihren wesentlichen Merkmalen ausschließlich zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich sei.

Ob die Marke noch wegen weiterer Schutzhindernisse - nämlich aufgrund eines Freihaltungsbedürfnisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG oder einer Bösgläubigkeit der Markeninhaberin nach § 50 Abs. 1 Nr. 4 MarkenG - zu löschen sei, könne ebenfalls dahingestellt bleiben.

Die Markeninhaberin hat gegen diesen Beschluss Beschwerde eingelegt und ausgeführt, dass die angegriffene Marke in der Gesamtheit ihrer Merkmale nicht ausschließlich technisch bedingt sei, da einigen Ausgestaltungsmerkmalen - nämlich die strikt symmetrischen und regelmäßigen Rippen des konischen Kabeleinlasses, die fünf axial verlaufenden Erhebungen mit jeweils zwei dazwischen angeordneten Vertiefungen auf dem Steckerkörper und die vier halbkreisförmigen Vertiefungen im Steckerteil - keine nur technischen Funktion zugeordnet werden könnten. Nachdem diese Merkmale jedenfalls in ihrer Kombination bei Konkurrenzsteckern nicht zu finden seien, weiche die streitige Marke erheblich vom marktüblichen Rahmen ab, so dass ihr nicht die erforderliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden könne, zumal die gestalterischen Freiheit auf diesem Warensektor stark eingeengt sei. Gleichermaßen bestehe auch kein Freihaltungsbedürfnis an diesen nicht lediglich beschreibenden Gestaltungsmerkmalen.

Die Markeninhaberin beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und den Löschungsantrag zurückzuweisen, hilfsweise ein Verkehrsdurchsetzungsverfahren durchzuführen.

Zum Hilfsantrag reicht sie umfangreiche Unterlagen ein, die nach ihrer Ansicht zumindest für eine überwiegende Wahrscheinlichkeit einer Verkehrsdurchsetzung sprechen. Die Wortmarke "Neutrik", mit der die Warenform erst ab 1998 ausgestattet worden sei, müsse unberücksichtigt bleiben, da sich die Beurteilung der Verkehrsdurchsetzung von Bestandteilen einer Markenkombination nach den Grundsätzen bei der rechtserhaltenden Benutzung solcher Kombinationen richte und die Wortmarke hier als bekanntes Unternehmenskennzeichen zurücktrete.

Der Beschwerdegegner und Löschungsantragsteller beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.

Er hält die Ausführungen der Markenabteilung für zutreffend und hebt nochmals hervor, dass alle Gestaltungsmerkmale des angegriffenen Zeichens rein technisch bedingt seien: die Rippen auf der Überwurftülle dienten der Griffigkeit beim Auf- und Zuschrauben, die rillenförmige Kabeleinlasstülle sei industrieller Standard und sorge für einen Knickschutz und die quer zum Metallgehäuse verlaufenden Rillen böten ebenfalls besseren Zugriff beim Aus- und Einstecken. Damit liege das Eintragungshindernis des § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG vor, welches durch eine Verkehrsdurchsetzung nicht überwunden werden könne. Wegen der Üblichkeit der Ausstattungsmerkmale werde der Verkehr darin auch keinen betrieblichen Herkunftshinweis sehen, weshalb die Markeninhaberin ihren Stecker ausschließlich mit einem zusätzlichen Firmenhinweis auf dem Markt anbiete. Schließlich spreche die von der Markeninhaberin geltend gemachte beschränkte Gestaltungsmöglichkeit auch stark für ein Freihaltungsbedürfnis zugunsten der Mitbewerber.

Wegen der Einzelheiten wird auf den sonstigen Akteninhalt verwiesen.

II.

Die Beschwerde der Markeninhaberin ist zulässig, aber nicht begründet. Auch der Senat hält die beanspruchte Warenformmarke von Hause aus für nicht schutzfähig, denn der begehrten Eintragung in das Markenregister steht zumindest das Hindernis mangelnder Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen, das auch nicht durch Verkehrsdurchsetzung überwunden ist, so dass die Beschwerde auch im Hilfsantrag keinen Erfolg hat.

1. Gegenstand der Anmeldung ist die naturgetreue zeichnerische Wiedergabe der äußeren Form eines elektrischen Steckers unter mehreren Perspektiven, die sich als Verkörperung der beanspruchten Ware "Stecker" in Gestalt eines von der Markeninhaberin hergestellten Steckertyps darstellt. Da nach § 3 Abs. 1 MarkenG als Zeichen ausdrücklich auch die Form der Ware geschützt werden kann, besteht kein Anlass, der beanspruchten Darstellung die abstrakte Markenfähigkeit abzusprechen, auch wenn ein Zeichen kein funktionell notwendiger Bestandteil der Ware sein darf, sondern über die technisch bedingte Grundform hinausreichende Elemente aufweisen muss, die zwar nicht physisch, aber doch gedanklich von der Ware abstrahierbar sind und die Identifizierungsfunktion der Marke erfüllen können (vgl. BGH GRUR 2004, 502 Gabelstapler II).

Auch wenn der Antragsteller nicht explizit den Löschungsgrund der technisch bedingten Form nach § 50 Abs. 1 Nr. 1 a. F. i. V. m. § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG benannt hat, so nimmt sein Vortrag doch auf die wesentlichen Merkmale dieses Eintragungshindernisses Bezug, so dass es auch Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist, zumal die Markeninhaberin selbst und die Markenabteilung darauf eingegangen sind.

Dass die beanspruchte Darstellung aufgrund waren- und/oder technisch bedingter Form nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG nicht von vornherein vom Markenschutz ausgeschlossen ist, steht für den Senat indes - anders als für die Markenabteilung - außer Zweifel.

Dieses gesetzlich normierte spezielle Freihaltungsbedürfnis soll verhindern, dass der Schutz des Markenrechts seinem Inhaber ein Monopol für technische Lösungen oder Gebrauchseigenschaften einer Ware einräumt, die der Abnehmer auch bei Waren der Mitbewerber suchen kann (EuGH GRUR 2002, 804 Philips; GRUR 2003, 514 Linde, Winward und Rado). Der Anwendungsbereich der Bestimmung ist restriktiv zu handhaben und auf diese Umstände beschränkt, während das Interesse der Allgemeinheit an einer Freihaltung der Formenvielfalt ausschließlich im Rahmen des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zu prüfen ist (vgl. BGH GRUR 2004, 502 (504) - Gabelstapler II), der im Gegensatz zu § 3 Abs. 2 MarkenG aber im Wege der Verkehrsdurchsetzung überwunden werden kann.

Der Gestaltungsfreiheit eines Designers sind von vornherein Grenzen gesetzt, soweit die funktionellen Anforderungen der Gebrauchstauglichkeit selbst bei großzügiger Abwandlung des Prototyps Stecker für den Gesamteindruck dominant bleibt.

Für die Frage, ob wie hier die beanspruchte Darstellung "ausschließlich" aus einer Form besteht, die zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich ist, hat der Europäische Gerichtshof in der bereits genannten Philips-Entscheidung bestimmte Auslegungsregeln aufgestellt: Ein Zeichen, das ausschließlich aus der Form einer Ware besteht, ist aufgrund dieser Vorschrift nicht eintragungsfähig, wenn nachgewiesen wird, dass die wesentlichen funktionellen Merkmale dieser Form allein der technischen Wirkung zuzuschreiben sind; das gilt auch für Alternativformen, mit denen die gleiche technische Wirkung erzielt werden kann. Weist der beanspruchte Gegenstand hingegen weitere, über die bloße technische Gestaltung hinausgehende Merkmale auf, die weder durch die Art der Ware noch technisch noch wertbedingt sind, kommt der Ausschlussgrund nach § 3 Abs. 2 MarkenG nicht in Betracht.

Im Lichte dieser Rechtsprechung lässt sich bei aller Dominanz zwingender technischer Vorgaben vorliegend nicht mit letzter Sicherheit feststellen, dass sich die als Marke beanspruchte Form in der bloßen Reproduktion der zur Erreichung eines technischfunktionellen Effekts erforderlichen Anordnung der Elemente der Ware erschöpft bzw. die ggf. vorhandenen weiteren Elemente bei der Detailgestaltung insbesondere der Steckerhülse lediglich als unwesentliches Beiwerk abgetan werden können, zumal diese Details in der für die Beurteilung heranzuziehenden bildliche Wiedergabe im Register bzw. in der eingereichten Anmeldung nicht ohne weiteres als dreidimensionale Ausformungen zu erkennen sind. Auch wenn Linienführung und Aufbau des Steckers ersichtlich technische Zwecke haben (z. B. dient die Gestaltung des Kabeleinlasses dem Knickschutz, wie er von vielerlei Elektroteilen bekannt ist, und die Längsrippen und Einkerbungen auf der Schraubtülle der Griffigkeit), muss das nicht unbedingt in dieser konkreten Ausgestaltung erfolgen. Insbesondere den auf dem Metallgehäuse befindlichen Querstreifen kann nicht ohne weiteres eine rein technische Funktion zugeordnet werden, selbst wenn es sich um Einkerbungen handelt, die allerdings auf den eingereichten Darstellungen nicht als dreidimensionale Form hervortreten. Vielmehr präsentiert sich dieses Gestaltungselement dem Betrachter weniger als technisches Detail, sondern eher als funktionslose Ausstattung, die auch nicht völlig unauffällig ist. Zählt man zum Archetyp Stecker lediglich die auf ein Minimum reduzierte Grundform, wird man das Vorliegen einer waren- oder technisch bedingten Formgestaltung solange verneinen müssen, wie sich der in vielen Details ausgestaltete Stecker als Gestaltungseinheit präsentiert. Eine solche Warenform wird dann nicht mehr vom Ausschlussgrund des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG erfasst.

2. Die vorliegend beanspruchte Darstellung ist mithin wie jede andere Markenform auf das Vorliegen von Eintragungshindernissen insbesondere nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG zu prüfen.

Hierbei hält es der Senat indessen für ausgeschlossen, dass der Wiedergabe dieser Steckerform Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zugesprochen werden kann.

Unterscheidungskraft i. S. der genannten Bestimmung ist die einer Marke von Hause aus innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. Das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ist demgegenüber nach dem Gesetzeswortlaut und vor allem aufgrund des Eintragungsanspruchs nach § 33 Abs. 2 MarkenG ein Ausnahmetatbestand, der regelmäßig nur erfüllt ist, wenn die beanspruchte Marke sich verbal oder bildlich vordergründig als eine für die Waren oder Dienstleistungen bloße Sachaussage darstellt. Das gilt gleichermaßen für Bild- wie dreidimensionale Marken, die aus der Form der Ware bestehen und damit typischerweise zunächst einmal die Ware selbst beschreiben. Dementsprechend geht der Bundesgerichtshof z. B. bei Bildmarken, die sich in der bloßen Abbildung der Ware erschöpfen, für die der Schutz in Anspruch genommen wird, auch bei Anlegung eines großzügigen Prüfungsmaßstabes davon aus, dass ihnen im allgemeinen die nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erforderliche konkrete Unterscheidungskraft fehlen wird, sofern die zeichnerischen Elemente der angemeldeten Marke lediglich die typischen Merkmale der beanspruchten Ware darstellen und keine über die technische Gestaltung der Ware hinausgehenden Elemente aufweisen (vgl. BGH a. a. O. Gabelstapler II). Diese für Bildmarken entwickelten Grundsätze sind regelmäßig auf dreidimensionale Marken zu übertragen, die aus der Form der Ware bestehen, wobei nach der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs das bloße Abweichen von der Norm oder Branchenüblichkeit noch nicht zur Bejahung der Unterscheidungskraft genügt, sondern die Herkunftsfunktion der Marke nur durch eine erhebliche Abweichung von der bestehenden Gestaltungsvielfalt erfüllt werden kann (EuGH GRUR Int. 2004, 413 (416), Rdnr. 49 - Waschmittelflasche; EuGH GRUR Int. 2005, 135 - Taschenlampe). Bei der Feststellung der Unterscheidungseignung muss auch auf die besonderen Verhältnisse auf dem maßgeblichen Warengebiet sowie auf den Umstand abgestellt werden, ob und inwieweit sich der Verkehr dort bereits an die Herkunftskennzeichnung von Produktgestaltungen gewöhnt hat (BGH a. a. O.).

Der Senat ist zu der Feststellung gelangt, dass der vorliegend beanspruchte Gegenstand diesen Anforderungen nicht gerecht wird. Angesichts der kleinen Bauform, die zudem bestimmte technische Vorgaben berücksichtigen muss, sind Annäherungen in der Formgestaltung bei nahezu allen Herstellern fast zwangsläufig, so dass der Verkehr schon deshalb gezwungen ist, sich bei der betrieblichen Zuordnung weniger an Gestaltungsdetails, als an "klassischen" Erkennungszeichen (Emblem, Schriftzug usw.) zu orientieren, die ihm am Stecker zur Verfügung stehen und wie sie auch bei Steckern der Markeninhaberin zu finden sind. Vor dem Hintergrund der durch technische Vorgaben bedingten Modellpolitik der Wettbewerber, die auch nach Aussage der Markeninhaberin die einzelnen Gestaltungsmerkmale in je unterschiedlicher Ausprägung und Anordnung, wenn auch nicht in der konkreten Form, verwenden, spricht letztlich vieles dafür, dass der Verkehr unterschiedliche Design-Elemente damit eher als Teil der Ware betrachten wird, und Ware und Marke unter diesem Blickwinkel dann nicht mehr funktionell getrennt wären.

Wie die Markenabteilung ausführlich und überzeugend dargelegt hat, sind die von der Markeninhaberin geltend gemachten gestalterischen Merkmale entweder identisch oder doch wenigstens sehr ähnlich bei Steckern anderer Hersteller wiederzufinden, so dass sich aus diesen jeweiligen Einzelmerkmalen keine erhebliche Abweichung ableiten lässt. Vielmehr erschöpft sie sich letztlich in einer geläufigen Abwandlung bereits bekannter Prototypen. Das gilt vor allem für die typische Rundform mit Einkerbungen und Rillen, die, wie ausgeführt, bei vielen Mitbewerbern der Markeninhaberin in vergleichbarer Weise Verwendung findet. Dass diese Merkmale derzeit für den Senat nicht in der für die Streitmarke typischen Kombination nachweisbar sind, ist markenregisterrechtlich unerheblich. Jede andere Betrachtungsweise liefe quasi auf den Nachweis einer neuheitsschädlichen identischen Vorwegnahme hinaus, der dem Markenrecht fremd ist. So hat auch der Bundesgerichtshof etwa für den Bereich der Armbanduhren festgestellt (BGH GRUR 2001, 418, 420 - Montre), dass der beliebigen Kombination von bekannten Gestaltungselementen in einem Bereich, in dem der Verkehr mit einer nahezu unübersehbaren Vielfalt von Gestaltungen konfrontiert ist, regelmäßig keine kennzeichnende Wirkung zukommt. In der vorliegenden Warenform ist jedenfalls keine erhebliche Abweichung vom geläufigen Formenschatz zu erkennen, wie die bereits vor der Markenabteilung erörterten, von der Markeninhaberin oder von Dritten stammenden Steckerformen zeigen.

Im Ergebnis ist damit der angefochtene Beschluss der Markenabteilung nicht zu beanstanden. Will ein Anbieter hingegen den Nachbau seiner Form verhindern, braucht er keinen Markenschutz; seinen berechtigten Interessen kann mit einem adäquaten Produktschutzrecht wie dem Geschmacksmuster entsprochen werden.

3. Nach dem Vorbringen der Markeninhaberin kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass das festgestellte Eintragungshindernis durch den Nachweis der Verkehrsdurchsetzung nach § 8 Abs. 3 MarkenG überwunden ist.

Bei der Prüfung, ob sich eine als Marke beanspruchte Darstellung im Verkehr durchgesetzt hat, ist von einer Gesamtschau aller Gesichtspunkte auszugehen. Dazu gehören einmal alle Maßnahmen des Anmelders, seine Marke auf dem Markt zur Geltung zu bringen, also der von der Marke gehaltene Marktanteil und die mit ihr erzielten Umsätze, die Intensität, die geografische Verbreitung und die Dauer der Benutzung, der Werbeaufwand des Unternehmens für die Marke usw. Sodann bedarf es auf der anderen Seite eines Nachweises, dass die Bemühungen des Anmelders ein Feedback ausgelöst und Erfolg gehabt haben. Die Maßnahmen müssen zumindest bei einem maßgeblichen Teil der beteiligten Verkehrskreise und Mitbewerber die Annahme einer Betriebskennzeichnung hervorgerufen haben, was sich beispielsweise durch Erklärungen von Industrie- und Handelskammern wie auch im Wege demoskopischer Befragungen belegen lässt (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, TZ 51 - CHIEMSEE; GRUR 2006, 1022 (1025) - Bonbonverpackung). Für die Bejahung der Durchsetzung in den beteiligten Verkehrskreisen bedarf es indes keiner zahlenmäßigen Festlegung auf bestimmte Prozentsätze (z. B. weit über die 50%-Grenze hinaus, vgl. schon BGH GRUR 1991, 609, 610 - SL; BGH BlPMZ 2001, 322 - REICH UND SCHOEN; Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl. 2006, § 8 Rdn. 328 f., 336) und insbesondere auch keiner Abhängigkeit zur Bedeutung eines bestehenden Freihaltungsbedürfnisses (EuGH a. a. O. - Chiemsee).

Macht ein Anmelder die Verkehrsdurchsetzung erstmals geltend, hat er deren Voraussetzungen nach Maßgabe der vorstehenden Kriterien in einer Weise schlüssig darzustellen und zu belegen, die dem Senat eine Beurteilung erlaubt, diesem Vorbringen entweder im Wege weiterer Ermittlungen nachzugehen (i. d. R. durch Zurückverweisung der Sache an die Markenstelle) oder ob der Vortrag ggfls. bereits für eine Entscheidung zugunsten des Anmelders ausreicht. Beides ist indes vorliegend nicht der Fall, da es - vor allem bezogen auf den Anmeldezeitpunkt - bereits am Nachweis einer langandauernden markenmäßigen Benutzung der beanspruchten Darstellung fehlt. So ist das hier beanspruchte Steckermodell nur bis 1998 und danach nur mit dem zusätzlichen Wortbestandteil produziert worden, was bereits gegen eine Benutzung lange Zeit vor dem Anmeldetag spricht. Denn selbst wenn man die noch auf dem Markt befindlichen unbeschriebenen Stecker mitberücksichtigen wollte, wird man für den Anmeldezeitpunkt kaum feststellen können, dass sich allein die Steckerform ohne den Schriftzug für den Verkehr als Herkunftshinweis durchgesetzt hat. Ferner zeigen die zu den Akten überreichte Prospekte und Werbematerialien, dass der Stecker gerade nicht die beanspruchte spezielle Formgestaltung aufwies, sondern mit dem Schriftzug "Neutrik" angeboten und vertrieben worden ist und sich damit nur als ein Stecker unter vielen anderen der Mitbewerber darstellt. Schon aus diesem Grund kommt auch eine ansonsten ins Auge zu fassende Verschiebung des Anmeldetages nach § 37 Abs. 2 MarkenG nicht in Betracht.

Die von der Markeninhaberin geltend gemachte Mehrmarkenverwendung kann insoweit nicht zu ihren Gunsten durchgreifen. Anders als beim Problemkomplex der rechtserhaltenden Benutzung durch Verwendung mehrerer Marken setzt eine Verkehrsdurchsetzung voraus, dass die betroffenen Abnehmer genau die beanspruchte Marke einem bestimmten Unternehmen zuordnen, ohne durch zusätzlich Hinweise beeinflusst zu sein; dies gilt erst recht für Warenformen, in denen der Verkehr nicht ohne weiteres einen Herkunftshinweis erblickt. Zwar kann bei Markenkombinationen auch ein Teil, selbst wenn er nicht eigenständig benutzt worden ist, durch Benutzung als Marke Verkehrsdurchsetzung erlangen (vgl. EuGH GRUR 2005, 763 f. - Have a Kit Kat). Bei einer mit Wortbestandteilen kombinierten Warenform wird sich indessen der Verkehr erfahrungsgemäß in erster Linie an den herausgestellten Wort- oder Bildelementen orientieren und nur eher in seltenen Ausnahmefällen ist anzunehmen, dass die Gestaltung der Ware als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst wird (EuGH GRUR 2006, 1022 - Bonbonverpackung; BGH GRUR 2003, 712, 714 - Goldbarren; Ströbele/Hacker, a. a. O. Rdn. 312 i. V. m. § 26 Rdn.108 f.). Dies hat der BGH jedenfalls für den Fall bestätigt, dass es sich bei den neben dem Wortbestandteil vorhandenen sonstigen Ausstattungsmerkmalen um "nicht ins Gewicht fallende bloße Verzierungen handelt" (BGH (GRUR 2007, 235, 237 - Goldhase). Schon deshalb bestehen im vorliegenden Fall erhebliche Zweifel an einer erfolgreichen Verkehrsdurchsetzung der vorliegenden Marke.

Diese Zweifel werden vertieft durch die eingereichten Unterlagen. So ergibt sich aus den Katalogen, dass die Markeninhaberin verschiedene Stecker anbietet, die zwar Ähnlichkeiten, aber auch deutliche Unterschiede in der Gestaltung aufweisen. Die drei eingereichten eidesstattlichen Versicherungen des Geschäftsführers der Markeninhaberin weichen in ihrem Aussagegehalt, insbesondere hinsichtlich der verwendeten Markenform, markant voneinander ab:

- Nach der ersten vom 11. November 2002 liegt der Marktanteil der Markeninhaberin "an XLR-Steckern in Deutschland, deren Gesamteindruck der deutschen Marke 302 09 499 entspricht, über 50% ...". Daraus ist die Schlussfolgerung zu ziehen, dass sich der Marktanteil auf sämtliche XLR-Stecker der Markeninhaberin bezieht, die so ähnlich aussehen, nicht aber allein auf die konkret eingetragene Form.

- Nach der zweiten eidesstattlichen Versicherung vom 5. Mai 2004 wird "die obige Marke in eingetragener Form von der Markeninhaberin in der Bundesrepublik Deutschland seit 1984 verwendet .... Hierbei wurden im Zeitraum 2001-2003 Umsätze in Höhe von 4'278'000 EUR erzielt, sowie Werbeaufwendungen von 93'750 erbracht. Nach meiner Kenntnis liegt der Marktanteil diese Steckers bei 70%." Trotz Aufforderung der Markenabteilung hat die Markeninhaberin aber keinen Stecker in der eingetragenen Form, sondern nur mit dem Namenszusatz ihrer Firma vorlegen können. In der mündlichen Verhandlung des Senats hat sie erklären lassen, dass seit 1998 die Stecker nur oder weit überwiegend mit Firmenzusatz vertrieben würden. Mit Rücksicht darauf ist nicht recht verständlich, weshalb die eidesstattliche Versicherung auf die eingetragene Form Bezug nimmt. Zumindest wäre eine Erläuterung dahingehend erforderlich gewesen, dass die Form als Zweitmarke benutzt worden sei, wie das im Schriftsatz der Markeninhaberin vom 16. März 2005 geschehen ist.

- In der dritten eidesstattlichen Versicherung vom 23. Februar 2007 heißt es: "...Unter dieser Marke (302 09 499) wurden in der Bundesrepublik Deutschland von 2004 bis 2006 insbesondere die folgenden Umsätze mit Steckern der Marke erzielt: ... Nach meiner Kenntnis liegt der Marktanteil dieses Steckers bei 70%. Die Benutzungsform der aufgeführten Waren ergibt sich aus den beigefügten Unterlagen." Beigefügt waren Kopien mit Abbildungen von über zwölf verschiedenen Steckern.

Mit diesen Erklärungen hat die Markeninhaberin keine auf die eingetragene Markenform konkret bezogene Unterlagen vorgelegt und diesbezügliche Aussagen getroffen, sondern nur über das Sortiment von XLR-Steckern, das zwar gewisse Ähnlichkeiten aufweist, aber auch deutliche Abweichungen, die mit der eingereichten Warenform auch nicht als Zweitmarke in Deckung zu bringen sind. Dementsprechend lassen sich auch die Angaben zu Marktanteil und Werbeausgaben nicht konkret zur eingetragenen Marke zuordnen, obwohl solche Angaben gerade bei Warenformmarken von besonderer Bedeutung sind (vgl. EuGH GRUR 2006, 1022 - Bonbonverpackung).

Fehlt es damit aber bereits an grundlegenden Voraussetzungen für die Annahme einer Verkehrsdurchsetzung, kann dieses Defizit auch nicht mehr durch die Einholung eines demoskopischen Gutachtens ausgeglichen werden, so dass im Ergebnis nur festgestellt werden kann, dass es der Anmelderin nicht gelungen ist, das Eintragungshindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG durch Verkehrsdurchsetzung zu überwinden.

Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst (§ 71 Abs. 1 MarkenG).






BPatG:
Beschluss v. 19.03.2007
Az: 30 W (pat) 84/04


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