Verwaltungsgericht Braunschweig:
Beschluss vom 23. Juli 2003
Aktenzeichen: 2 B 148/03
(VG Braunschweig: Beschluss v. 23.07.2003, Az.: 2 B 148/03)
Tenor
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 28. Februar 2003 wird wiederhergestellt.
Der Antragsgegner trägt die Verfahrenskosten.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 12.500,--€ festgesetzt.
Gründe
Der zulässige Antrag ist begründet.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung u.a. im Fall des § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Vorliegend hat der Antragsgegner die sofortige Vollziehung der Verfügung vom 28.02.2003 gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO angeordnet. Im Rahmen einer Ermessensentscheidung orientiert sich das Gericht im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache. Dabei überwiegt das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung der Verfügung, wenn sich der Verwaltungsakt im Hauptsacheverfahren nach summarischer Prüfung als rechtmäßig erweisen wird. Das Interesse eines Antragstellers, von dem Vollzug einstweilen verschont zu bleiben, überwiegt hingegen, wenn sich die Verfügung nach vorläufiger Prüfung als rechtswidrig erweist. Das ist hier der Fall.
Der Antragsgegner ist für die mit dem Bescheid vom 28.02.2003 angeordnete Errichtung eines Brunnes auf dem Grundstück der E. zur Verhinderung eines weiteren Übertritts von kontaminiertem Grundwasser nicht zuständig. Vorliegend geht es um eine Sanierungs- und (vor allem) Sicherungsmaßnahme wegen einer durch schädliche Bodenveränderungen verursachten Verunreinigung eines Gewässers i.S.d. § 4 Abs. 3 Satz 1 u. 2 BBodSchG. Dafür ist nach § 10 Abs. 2 Satz 1 NBodSchG das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt Braunschweig zuständig. Nach dieser Vorschrift nimmt ein für die Überwachung einer nach dem BImSchG genehmigungsbedürftigen Anlage zuständiges Staatliches Gewerbeaufsichtsamt auch die Aufgaben der zuständigen Behörde nach dem BBodSchG wahr, wenn durch die Anlage auf dem Betriebsgrundstück eine schädliche Bodenveränderung oder Altlast hervorgerufen wird. Die Zuständigkeit endet, von Ausnahmen nach Satz 3 abgesehen, zehn Jahre nach Einstellung des Betriebs der Anlage (§ 10 Abs. 2 Satz 2 NBodSchG). Bislang waren die Gewerbeaufsichtsämter auf Maßnahmen auf dem Betriebsgrundstück beschränkt (vgl. § 10 Abs 1 Satz 3 NBodSchG a.F.). Aus der Entstehungsgeschichte des zuletzt durch Art. 2 des Gesetzes vom 12.12.2002 (NdsGVBl S. 802) geänderten § 10 NBodSchG ergibt sich, dass die Staatlichen Gewerbeaufsichtsämter nunmehr auch für grundstücksübergreifende Gefahrenabwehrmaßnahmen zuständig sind, wenn die schädliche Bodenveränderung auf dem Betriebsgrundstück hervorgerufen worden ist. Damit soll verhindert werden, dass eine einheitliche Sanierungsmaßnahme, die auch das Grundwasser betrifft, aufgrund einer Grundstücksgrenze von zwei Behörden zu veranlassen ist. Ein Betrieb soll nur mit einer Behörde zu tun haben (vgl. Begründung zum Entwurf der Landesreg. LTDrs. 14/3631, S. 32 f.; Empfehlung des Ausschusses für Umweltfragen, LTDr. 14/3980, S. 6, Protokoll der Plenarsitzung v. 11.12.2002, Dr. 14/124, S. 12548 - 12550). Das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt Braunschweig, das Niedersächsische Landesamt für Bodenforschung, die F. und die Antragstellerin haben sich hier offenbar auch schon auf die Durchführung einer technisch noch zu definierenden Sicherungsmaßnahme verständigt (vgl. Vermerk über die Besprechung vom 19.03.2003). Wenn die in Aussicht genommene Maßnahme nicht umgesetzt wird, könnte das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt eine bodenschutzrechtliche Verfügung erlassen. Für eine Anordnung mit demselben Ziel auf wasserrechtlicher Grundlage durch den Antragsgegner bleibt kein Raum.
Die Antragstellerin ist ferner der falsche Adressat für die Verfügung, einen Grundwassersicherungs- und Sanierungsbrunnen zu errichten. Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 u. 2 BBodSchG sind der Verursacher einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast sowie dessen Gesamtrechtsnachfolger, der Grundstückseigentümer und der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück zu Sanierungs-, Sicherungs- und Dekontaminierungsmaßnahmen verpflichtet. Die Antragstellerin ist als G. weder Eigentümerin des Betriebsgrundstücks an der H. noch übt sie die tatsächliche Gewalt darüber aus. Sie hat die Boden- und Grundwasserverunreinigung nicht verursacht.
Sie ist auch nicht Gesamtrechtsnachfolgerin der Firmen, die die Bodenveränderung verursacht haben. Nach dem zweiten Weltkrieg betrieb zunächst die I.. Deren Rechtsnachfolger war die J. die nach dem Vortrag der Antragstellerin das Unternehmen zunächst mit der K. zusammen betrieb. Ein Joint Venture zwischen L. und M. führte zu einer Aufgabenübertragung von den BP-Gesellschaften auf die N. welche die Fettfabrik zuletzt betrieb. Der Betrieb wurde zum 31.12.2000 eingestellt. Rechtsnachfolger der O. ist die P..
Es kann vorliegend dahin stehen, ob die Q. als Gesamtrechtsnachfolgerin in Anspruch genommen werden kann, wofür Einiges spricht. Die P. ist jedenfalls eine andere juristische Person als die Antragstellerin. Diese ist die R., zu der u.a. die P. als hundertprozentige Muttergesellschaft gehört. Nach dem Schriftsatz der Antragstellerin vom 26.05.2003 betreibt die G. selbst kein operatives Geschäft. Sie besitzt kein Grundeigentum. Die R. besteht danach aus diversen Stabsfunktionen, wozu neben anderen auch die Rechtsabteilung und die Umweltschutzabteilung (Global Remediation) gehören. Nach den Angaben der Antragstellerin leisten diese nur Service-Dienstleistungen für die €operativen Gesellschaften€, zu denen u.a. die Q. gehört. Eine dieser Dienstleistungen ist die Erarbeitung eines Konzeptes zu Sicherungsmaßnahmen, wie es in der Besprechung vom 19.03.2003 von der Antragstellerin vorgestellt wurde. Den Verwaltungsvorgängen ist außerdem zu entnehmen, dass - wenn auch nicht konsequent - von allen Beteiligten noch zwischen der Antragstellerin und der Q. unterschieden wird (vgl. etwa Schreiben der P. vom 24.09.2002 bzw. die Messergebnisse der S. €im Auftrag der T.). Durch die technische Unterstützung der P. als Grundstückseigentümerin und Rechtsnachfolgerin der Betreibergesellschaften wird die Antragstellerin nicht selbst zur bodenschutzrechtlich verantwortlichen juristischen Person.
Daran ändert sich auch durch einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zwischen der Q. und der Antragstellerin nichts. Nach den vorgelegten Handelsregisterauszügen hat die U. am 17.12.1999 eine solchen Vertrag mit der Q. geschlossen. Die V. scheint zur W. geworden zu sein, da die HRB-Nummer identisch ist (Handelsregisterauszug vom 03.04.2003, HRB-Nr. X.). Auf GmbH-Konzerne werden die Vorschriften über Unternehmensverträge nach §§ 291 ff. AktG analog angewandt. Nach § 308 Abs. 2 Satz 1 AktG ist der Vorstand des beherrschten Unternehmens zwar verpflichtet, die Weisungen des herrschenden Unternehmens zu befolgen. Ein Beherrschungsvertrag führt aber nicht zu einer Verschmelzung beider Gesellschaften. Ordnungsrechtlich muss zwischen den verantwortlichen juristischen Personen weiterhin unterschieden werden.
Die Antragstellerin hat auch nicht freiwillig die Verantwortung als Verhaltensstörerin bzw. Verantwortliche nach dem BBodSchG übernommen. Sie hat - soweit ersichtlich - keinen öffentlich-rechtlichen Vertrag über die Sicherung des Grundwassers oder - allgemein - über eine Unterwerfung unter die Polizeipflicht geschlossen. Die Antragstellerin hat auch rechtzeitig deutlich gemacht, hinsichtlich etwaiger Verfügungen über Sofortmaßnahmen aufgrund wasser- oder bodenrechtlicher Bestimmungen nicht der richtige Adressat zu sein. So reagierte sie auf das Anhörungsschreiben vom 11.09.2002 mit dem Hinweis, selbst nicht Beteiligte eines Verwaltungsverfahrens sein zu können (Schreiben vom 31.10.2002). Entsprechend äußerte sie sich in dem Schreiben vom 14.03.2003 zur Begründung ihres Widerspruchs. Der Vermerk über die Besprechung am 19.03.2003 in den Räumen der E., auf denen der Antragsgegner insoweit verweist, genügt nicht, um ordnungsrechtlich eine Übernahme der Verantwortung durch die Antragstellerin zu begründen. In dem Vermerk ist zwar die Rede davon, dass sich die Antragstellerin zu den Verunreinigungen, die von dem ehemaligen Betriebsgelände ausgingen, bekenne und unverzüglich Maßnahmen gegen die weitere Ausbreitung der Grundwasser- und Bodenverunreinigungen einleiten wolle. Sanierungs- und Sicherungsmaßnahmen finden jedoch schon seit Jahren statt. Dabei handelte die Antragstellerin - wie ausgeführt - für ihre Tochtergesellschaft, die P..
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Streitwert ist gemäß §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 1 GKG in Höhe der Hälfte der von dem Antragsgegner für die angeordnete Sicherungsmaßnahme veranschlagten Kosten von 25.000,-- € festgesetzt worden (vgl. Vermerk vom 11.11.2002 u. Kostenvorschuss nach dem Bescheid vom 28.02.2003).
VG Braunschweig:
Beschluss v. 23.07.2003
Az: 2 B 148/03
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