Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 13. Juli 2015
Aktenzeichen: AnwZ (Brfg) 17/15
(BGH: Beschluss v. 13.07.2015, Az.: AnwZ (Brfg) 17/15)
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 1. Senats des Hessischen Anwaltsgerichtshofs vom 12. Januar 2015 wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Kläger ist seit dem 6. März 1990 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Bescheid vom 11. September 2014 widerrief die Beklagte die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Die Klage gegen den Widerrufsbescheid hat der Anwaltsgerichtshof abgewiesen. Der Kläger beantragt die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.
II.
Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg. Ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO ist nicht gegeben (vgl. § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen nicht (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2011 - AnwZ (Brfg) 30/11, NJW-RR 2012, 189 Rn. 5 m.w.N.). Daran fehlt es.
Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs einer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist nach der mit Wirkung ab 1. September 2009 erfolgten Änderung des Verfahrensrechts allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens, also auf den Erlass des Widerspruchsbescheids oder - wenn das nach neuem Recht grundsätzlich vorgeschriebene Vorverfahren entbehrlich ist - auf den Ausspruch der Widerrufsverfügung abzustellen; die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen ist einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 9 ff. und vom 10. März 2014 - AnwZ (Brfg) 77/13, juris Rn. 3 m.w.N.).
a) Der Kläger hat sich zum maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheids vom 11. September 2014 in Vermögensverfall befunden. Er war zu diesem Zeitpunkt in das vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 882b ZPO) eingetragen mit der Folge, dass der Eintritt des Vermögensverfalls vermutet wird (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls hat der Kläger nicht widerlegt, wie der Anwaltsgerichtshof, auf dessen Begründung der Senat Bezug nimmt, zutreffend festgestellt hat. Ein Rechtsanwalt, der im Schuldnerverzeichnis eingetragen ist, muss zur Widerlegung der Vermutung des Vermögensverfalls ein vollständiges und detailliertes Verzeichnis seiner Gläubiger und Verbindlichkeiten vorlegen und konkret darlegen, dass seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse nachhaltig geordnet sind (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 14. Oktober 2014 - AnwZ (Brfg) 22/14, juris Rn. 5 und vom 6. Februar 2014 - AnwZ (Brfg) 83/13, BRAK-Mitt. 2014, 164 Rn. 5; jeweils m.w.N.). Dies hat der Kläger nicht getan, obwohl ihn bereits die Beklagte zur umfassenden Darlegung seiner Vermögensverhältnisse und zur Vorlage einer Vermögensaufstellung aufgefordert hatte.
b) Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers ist mit einem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Auch wenn diese Regelung nicht im Sinne eines Automatismus zu verstehen ist, die Gefährdung daher nicht zwangsläufig und ausnahmslos schon aus dem Vorliegen eines Vermögensverfalls folgt, kann die Gefährdung im nach der gesetzlichen Wertung vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden. Hierfür trägt der Rechtsanwalt die Feststellungslast (vgl. Senatsbeschlüsse vom 9. Februar 2015 - AnwZ (Brfg) 46/14, juris Rn. 12 und vom 6. Februar 2014 a.a.O. Rn. 7; jeweils m.w.N.).
Die den vorstehenden Grundsätzen widersprechende Auffassung des Klägers gibt keine Veranlassung zu einer abweichenden Beurteilung. Wie der Senat bereits vielfach entschieden hat, reicht eine langjährige beanstandungsfreie Anwaltstätigkeit allein nicht aus, um eine Gefährdung der Rechtsuchenden auszuschließen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. Juli 2014 - AnwZ (Brfg) 78/13, juris Rn. 4 und vom 5. November 2013 - AnwZ (Brfg) 36/13, juris Rn. 6). Keineswegs genügt insofern auch der vom Kläger angeführte Umstand, dass in einem Verzeichnis nach § 882b ZPO eingetragene Rechtsanwälte einer besonderen Überwachung durch die Zwangsvollstreckungsorgane und ihrer Gläubiger unterliegen. Eine solche "Überwachung" ist nicht geeignet, die Gefahr auszuschließen, dass der in Vermögensverfall geratene Rechtsanwalt ihm anvertraute Gelder - wenigstens zeitweise - für eigene Zwecke verwendet. Schließlich begründen die vom Kläger angeführten schweren Erkrankungen, unter denen er und eines seiner Kinder leiden, ebenfalls keine andere Beurteilung der von seinem Vermögensverfall ausgehenden Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden.
c) Der Widerruf der Zulassung verstößt nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Regelung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO dient dem Schutz der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege, also eines überragend wichtigen Gemeinschaftsguts (BGH, Beschlüsse vom 2. Oktober 2014 - AnwZ (Brfg) 30/14, juris Rn. 9 und vom 15. März 2012 - AnwZ (Brfg) 55/11, juris Rn. 11; jeweils m.w.N.). Mildere, ebenso wirksame Maßnahmen, die dem Anliegen des Gesetzes in gleicher Weise Rechnung trügen, kommen vorliegend nicht in Betracht.
Die Annahme eines Ausnahmefalls, in dem trotz Vermögensverfalls des Rechtsanwalts eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden nicht gegeben ist, setzt zumindest voraus, dass der Rechtsanwalt - im Wege der Selbstbeschränkung - seine anwaltliche Tätigkeit nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet hat, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern (vgl. Senatsbeschlüsse vom 24. Oktober 2012 - AnwZ (Brfg) 43/12, juris Rn. 9; vom 26. August 2013 - AnwZ (Brfg) 31/13, juris Rn. 5; vom 8. Dezember 2014 - AnwZ (Brfg) 45/14, juris Rn. 23 und vom 9. Februar 2015 a.a.O. Rn. 12 m.w.N.). Der Vortrag des - insoweit die Feststellungslast tragenden (s.o. zu b) - Klägers lässt, wie der Anwaltsgerichtshof zutreffend festgestellt hat, nicht erkennen, dass die vorgenannten Voraussetzungen für einen Gefährdungsausschluss zum maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheids vom 11. September 2014 gegeben waren.
Eine in diesem Zusammenhang - vom Kläger als milderes Mittel angeführte - Zulassung zur Rechtsanwaltschaft mit Auflagen im vorstehenden Sinne durch die Beklagte kam nicht in Betracht. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Nach dieser Norm ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen zwingend zu widerrufen. Sie lässt keinen Raum für einen nur teilweisen Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft oder eine Zulassung unter Auflagen (vgl. Senat, Beschluss vom 8. Dezember 2014 a.a.O. Rn. 21 ff. zum teilweisen Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft). Zudem ist die - von einer Selbstbeschränkung des Rechtsanwalts zu unterscheidende - hoheitliche Beschränkung der Tätigkeit des Rechtsanwalts im Sinne einer Teilzulassung zur Rechtsanwaltschaft oder einer Zulassung unter Auflagen mit der gesetzlich bestimmten Stellung des Rechtsanwalts nicht vereinbar (vgl. im Einzelnen Senat, Beschluss vom 8. Dezember 2014 a.a.O. Rn. 22 ff.).
2. Der Kläger hat auch keinen Verfahrensmangel dargelegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 112e BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).
a) Ein Verfahrensmangel kann - entgegen der Auffassung des Klägers - nicht darin gesehen werden, dass der Anwaltsgerichtshof ihm keine Hinweise zu fehlenden Ausführungen zur Beschränkung seiner anwaltlichen Tätigkeit erteilt hat. Der Kläger legt in seinem Zulassungsantrag - wie indes erforderlich - nicht dar, welchen Vortrag er insofern gehalten hätte, wenn ihm entsprechende Hinweise erteilt worden wären (vgl. zur Darlegung des Verfahrensmangels bei der Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs BVerwG, NJW 1997, 3328 (zum Verfahrensmangel i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO); Eyermann/Happ, VwGO, 14. Aufl., § 124a Rn. 74 m.w.N.; Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl., § 124a Rn. 57).
Gleiches gilt in Bezug auf die Rüge des Klägers, der Anwaltsgerichtshof habe ihn darauf hinweisen müssen, dass hinreichende Bemühungen des Klägers, zielgerichtet, ernsthaft und planvoll die erforderlichen Schritte zur Stabilisierung seiner Vermögensverhältnisse zu unternehmen (vgl. hierzu Senat, Beschluss vom 24. Oktober 2012 - AnwZ (Brfg) 61/11, BRAK-Mitt. 2013, 85 Rn. 6), nicht erkennbar seien. Auch hier legt der Kläger nicht dar, welchen (weiteren) Vortrag er diesbezüglich gehalten hätte, wenn ihm entsprechende Hinweise erteilt worden wären. Die von ihm insoweit vorgetragenen Bemühungen zu "Finanzierungsmaßnahmen" und betreffend die Veräußerung von Immobilien sind - wie er einräumt - gescheitert. Weitere Schritte zur Stabilisierung seiner Vermögensverhältnisse trägt er auch in der Zulassungsbegründung nicht vor.
b) Soweit der Kläger rügt, der Anwaltsgerichtshof habe seine Entscheidung bereits vor der mündlichen Verhandlung getroffen, ergeben sich hierfür aus der Verfahrensakte und insbesondere dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12. Januar 2015 keine Anhaltspunkte. Die rund einstündige Verhandlung vor dem Anwaltsgerichtshof spricht vielmehr dafür, dass die Sache ausführlich erörtert worden ist. Soweit vor der Verhandlung ein Votum des Berichterstatters in Form eines Urteilsentwurfs vorgelegen haben sollte, entspricht dies der üblichen Praxis der Terminsvorbereitung und liegt hierin keine Verletzung des rechtlichen Gehörs des Klägers (vgl. BVerfGE 9, 213, 215; BFH/NV 2014, 1894 Rn. 6).
c) Ein Hinweis des Anwaltsgerichtshofs darauf, dass die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung getätigten allgemeinen Angaben zu seinen Vermögensverhältnissen zur Widerlegung der Vermutung seines Vermögensverfalls (vgl. oben zu 1 a) nicht genügten, war entgegen der Auffassung des Klägers nicht erforderlich. Der Anwaltsgerichtshof führt in dem angefochtenen Urteil zutreffend aus, dass bereits die Beklagte den Kläger aufgefordert hatte, einen vollständigen und präzisen Überblick über seine Vermögenslage zu erstellen. Eines nochmaligen Hinweises durch den Anwaltsgerichtshof bedurfte es angesichts dessen nicht.
d) Ein Verfahrensmangel, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO), liegt schließlich - entgegen der Auffassung des Klägers - auch nicht darin begründet, dass der Anwaltsgerichtshof nicht darauf hingewiesen hat, dass der Wert der Immobilien des Klägers entscheidungserheblich sein könne. Denn der Anwaltsgerichtshof hat seine Entscheidung nicht auf die - von ihm bemängelten - Angaben des Klägers zu dessen "Immobilienwerten" gestützt, sondern vielmehr ausgeführt, dass es darauf nicht ankomme. Seiner Entscheidung hat er die vom Kläger angegebenen Werte zugrunde gelegt.
3. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Dieser Zulassungsgrund ist gegeben, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BGH, Beschlüsse vom 6. Februar 2012 - AnwZ (Brfg) 42/11, juris Rn. 25; vom 24. März 2011 - AnwZ (Brfg) 4/11, juris Rn. 12 und vom 27. März 2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288, 291; BVerfG, NVwZ 2009, 515, 518; BVerwG, NVwZ 2005, 709).
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Auffassung des Klägers, § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO beziehungsweise dessen Auslegung verstießen gegen Art. 3, 12, 14 GG und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, teilt der Senat nicht. Die Regelung in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist verfassungsgemäß. Sie steht insbesondere im Einklang mit Art. 3, 12 GG und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Beschlüsse vom 22. Mai 2014 - AnwZ (Brfg) 15/14, juris Rn. 7 m.w.N.; vom 11. Februar 2014 - AnwZ (Brfg) 79/13, juris Rn. 3 und vom 22. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 12/11, juris Rn. 6; siehe auch BVerfG, NJW 2005, 3057 zur Parallelregelung in § 50 Abs. 1 Nr. 6 BNotO). Es ist in diesem Zusammenhang - entgegen der Auffassung des Klägers - auch nicht unverhältnismäßig beziehungsweise eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung, wenn im Fall eines in einem Verzeichnis nach § 882b ZPO eingetragenen Rechtsanwalts, der über keine Liquidität verfügt und sein wesentliches Vermögen in Immobilien angelegt hat, ein Vermögensverfall und eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden angenommen werden, nicht hingegen - abhängig von den Umständen des Einzelfalls - bei einem verschuldeten, aber über eine Liquiditätsreserve verfügenden Rechtsanwalt. Denn nur liquide Vermögenswerte stehen dem Rechtsanwalt zur Tilgung seiner Verbindlichkeiten zur Verfügung und können daher im Einzelfall der Annahme eines Vermögensverfalls entgegenstehen (vgl. im Einzelnen Senat, Beschluss vom 9. Februar 2015 - AnwZ (Brfg) 46/14, juris Rn. 10 m.w.N.).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.
Limperg König Remmert Martini Kau Vorinstanz:
AGH Frankfurt, Entscheidung vom 12.01.2015 - 1 AGH 13/14 -
BGH:
Beschluss v. 13.07.2015
Az: AnwZ (Brfg) 17/15
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