Hessisches Landesarbeitsgericht:
Urteil vom 27. Juni 2012
Aktenzeichen: 2 Sa 578/11

(Hessisches LAG: Urteil v. 27.06.2012, Az.: 2 Sa 578/11)

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 10. März 2011 - 19 Ca 5918/10 - wird zurückgewiesen.

Die Anschlussberufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 10. März 2011 - 19 Ca 5918/10- wird als unzulässig verworfen, soweit sie auf Feststellung gerichtet ist, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.

Im Übrigen wird auf die Anschlussberufung des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 10. März 2011 - 19 Ca 5918/10 - teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst.

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche noch durch die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 18. August 2010 aufgelöst worden ist.

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu unveränderten Bedingungen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens als General Manager ihrer Hauptverwaltung weiterzubeschäftigen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Auflösungsantrag der Beklagten wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger 1/5 und die Beklagte 4/5 zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug weiterhin um die Wirksamkeit einer außerordentlichen hilfsweise ordentlichen Kündigung, um einen allgemeinen Feststellungs- sowie einen Weiterbeschäftigungsantrag und um die Auflösung des Arbeitsverhältnisses.

Der 1968 geborene Kläger ist verheiratet und einem Kind gegenüber zum Unterhalt verpflichtet. Bei der Beklagten handelt es sich um ein Kreditinstitut, das in A seine Hauptverwaltung hat. Die Muttergesellschaft der Beklagten (im Folgenden: Muttergesellschaft)hat ihren Sitz in B/Türkei. Vier der Aufsichtsräte der Beklagten sind zugleich Vorstände der Muttergesellschaft. Der Kläger war seit 1992 bei der Muttergesellschaft in der Türkei beschäftigt. Ab November 2002 wurde er auf der Basis mehrerer mit ihm getroffenen Zusatzvereinbarungen von der Muttergesellschaft zur Beklagten nach A entsandt; wegen des Inhalts der Zusatzvereinbarungen wird auf die Kopien nebst Übersetzungen Bl. 831-865 d.A. Bezug genommen.Weiterhin liegen für den Zeitraum der Entsendung für den Kläger Bescheinigungen nach dem Deutsch-Türkischem Abkommen über soziale Sicherheit vor, wegen deren Inhalts auf die Kopien nebst Übersetzungen Bl. 866-882 d.A. Bezug genommen wird. Bei der Beklagten besteht seit dem Jahr 2005 eine Kompetenzordnung, wegen deren Regelungsinhalt auf die Kopie Bl. 55-57 d.A. verwiesen wird.Am 25. September 2009 schlossen die Parteien unter dem Vorbehalt der Entlassung des Klägers aus dem Arbeitsverhältnis mit der Muttergesellschaft einen Anstellungsvertrag, nach dem der Kläger im Anschluss an seine Beschäftigung für die Muttergesellschaft,spätestens am 1. Dezember 2009, für die Beklagte als Assistant General Manager der Hauptverwaltung tätig werden sollte. Wegen der Einzelheiten dieses Anstellungsvertrages wird auf Bl. 39-44 d.A.Bezug genommen. Über das dem Kläger zustehende Bruttojahresgehalt trafen die Parteien ebenfalls am 25. September 2009 eine schriftliche Vereinbarung, nach der es auf EUR 109.700,00, zahlbar in 12 monatlichen Raten festgelegt wurde (Bl. 45 d.A.). Nach Abschluss des Arbeitsvertrags mit der Beklagten kündigte der Kläger mit Schreiben vom 30. September 2009 sein Arbeitsverhältnis zur Muttergesellschaft zum 30. November 2009. Seit 1. Dezember 2009wurden für ihn Sozialversicherungsbeiträge in Deutschland gezahlt.In seiner arbeitsvertraglichen Funktion berichtete er unmittelbar an den Vorstand der Beklagten und war unter anderem verantwortlich für die Abteilung Personal. Die Beklagte erteilte ihm Prokura. Am 3. August 2010 leitete die Sekretärin eines der Vorstände der Beklagten eine von ihrer Muttergesellschaft an sie gerichtete Anfrage über Personaldaten an die Personalabteilung weiter. Am 4.August 2010 ließ der Kläger daraufhin durch eine seiner Mitarbeiterinnen bei einzelnen Angestellten Informationen über deren letzten Ausbildungsstand anfragen. Er sandte um 15:24 Uhr und 15:25 Uhr zwei E-Mails an die beiden Vorstandsmitglieder der Beklagten, in denen er mitteilte, dass die Personalabteilung der Muttergesellschaft weitere Informationen verlange. Den E-Mails lagen die Originalanfragen in türkischer Sprache nebst Anlagen bei.Später fand an diesem Tag ein Gespräch zwischen dem Kläger und dem Vorstandsmitglied C der Beklagten statt, in dessen Verlauf der Kläger mitteilte, dass er eine Antwort auf die Anfrage der Personalabteilung der Muttergesellschaft vorbereite. Gegen 23:00Uhr versandte er eine E-Mail an die Personalabteilung der Muttergesellschaft, der als kennwortgeschützte Anhang eine Tabelle mit Personaldaten von bei der Beklagten beschäftigten Mitarbeitern (wie Name, Position, Titel, Datum der Arbeitsaufnahme, Herkunft,Nationalität, Geschlecht, Geburtsdatum, Ausbildungs- und Schulungsstatus) beigefügt war. Der Kläger setzte die beiden Vorstandsmitglieder der Beklagten beim Versand dieser E-Mail in Bcc. Nachdem einige Beschäftigte den Umstand der Datenermittlung hinterfragten und sich mit diesem Thema insbesondere an den Betriebsratsvorsitzenden wandten, wurde der Kläger von der Beklagten aufgefordert, Kopie der übermittelten Daten an den internen Revisor, der zugleich der Betriebsratsvorsitzende war, zu übermitteln. Mit Schreiben vom 11. August 2010 stellte die Beklagte den Kläger von der Erbringung seiner Arbeitspflicht frei. Unter dem 17. August 2010 informierte sie ihren Betriebsrat schriftlich vorsorglich über ihre Absicht, das Arbeitsverhältnis zum Kläger außerordentlich und hilfsweise ordentlich zu kündigen. Wegen der Einzelheiten dieses Schreibens wird auf Bl. 404 d.A. Bezug genommen. Der Betriebsrat stimmte mit Schreiben vom 18. August 2010der geplanten Maßnahme zu. Mit Schreiben vom 18. August 2010kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich, hilfsweise ordentlich zum 30. September 2010 und höchsthilfsweise zum nächst zulässigen Termin (Bl. 64 d.A.). Unter dem 19. August 2010 fertigten die Mitarbeiterin D und der Mitarbeiter E der Beklagten eine Aktennotiz, in der festgehalten ist, dass sie das Kündigungsschreiben, datiert unter dem 18. August 2010, am 19. August 2010 um 11.00 Uhr in den Briefkasten des Klägers eingeworfen haben.

Der Kläger hat am 31. August 2011 beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main Kündigungsschutzklage eingereicht. In der Anlage 4 zum Schriftsatz vom 22. November 2010 hat er seine Wahrnehmung des Geschehensverlaufs seit dem 6. August 2010 zusammengefasst. Wegen der Ausführungen im Einzelnen wird auf Bl. 263-276 Bezug genommen.

Der Kläger hat behauptet, die Beklagte habe jahrelang Personaldaten in die Türkei übermittelt. Dies sei gängige Praxis gewesen, die zu keiner Zeit gerügt worden sei. Auch sei die Anfrage der Daten im Jahr 2010 auf ein Aufsichtsratsmitglied der Beklagten zurückzuführen und deren Vorstand habe ihm im Übrigen mitgeteilt,dass er die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens vom 4. August 2010nicht nachvollziehen könne. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, kein leitender Angestellter zu sein, da er nach der unstreitigen Kompetenzordnung der Beklagten aus dem Jahr 2005 in seiner Funktion als Bereichsleiter Operation mit Abteilung Personal nur begrenzte Personalbefugnisse gehabt habe. Im Übrigen sei er bereits seit dem Jahr 2003 als Angestellter der Beklagten anzusehen, da eine Entsendung nach türkischem Recht nur für einen Zeitraum von 18 Monaten zulässig sei.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche Kündigung noch die ordentliche Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 18. August 2010 aufgelöst ist;

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien zu unveränderten Bedingungen fortbesteht;

3. die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Kündigungsschutzklage als Assistant General Manager der Hauptverwaltung der Beklagten weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise, für den Fall des Obsiegens des Klägers mit dem Klageantrag zu 1. das Arbeitsverhältnis der Parteien gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, die aber EUR 1.000,00 nicht überschreiten sollte,aufzulösen.

Die Beklagte hat behauptet, bereits im Jahre 2005 sei in einem Memorandum ihrer Rechtsabteilung - welches mittlerweile aus ihren Akten verschwunden sei - sowie der Stellungnahme ihres externen Datenschutzbeauftragten darauf hingewiesen worden, dass persönliche Mitarbeiterdaten nicht in die Türkei übermittelt werden dürften.Zudem seien dem Kläger ihre Ethik- und Verhaltensrichtlinien aus dem Jahr 2009, die sich insbesondere mit dem Thema Vertraulichkeit/Datenschutz befassen, bekannt gewesen. Die Anfrage der Personalabteilung ihrer Muttergesellschaft sei nicht auf Initiative von einem ihrer Aufsichtsratsmitglieder erfolgt. Ihr Vorstand habe diese Anfrage, ohne von deren Inhalt Kenntnis genommen zu haben, über eine Sekretärin an ihre Personalabteilung weitergeleitet. Zu der Anfrage habe es keine Absprachen zwischen ihrem Vorstand und ihrem Aufsichtsrat gegeben. Der Kläger habe sich nach Bekanntwerden der Datenübermittlung mehrfach geweigert,Weisungen des Vorstands zur Übergabe der Daten an den internen Revisor Folge zu leisten. Außerdem habe er Personaldaten gefälscht,indem er im internen System sein Eintrittsdatum in ihr Unternehmen auf das Jahr 2002 vorverlegt habe. Auch habe er Unterlagen aus ihren Archiven verschwinden lassen und bei der Aufbewahrung von geheimen Passwörtern nicht entsprechend der Anweisungen gehandelt.Die Beklagte hat im Übrigen die Auffassung vertreten, der Kläger sei leitender Angestellter gewesen. Sie hat insoweit behauptet, er sei dazu berechtigt gewesen, Personalentscheidungen selbständig zu treffen und habe solche auch selbständig und eigenverantwortlich durchgeführt. Er habe eine Reihe von Arbeitsverträgen für sie unterschrieben und auch ein Kündigungsschreiben und zwei Abmahnungsschreiben unterzeichnet. Außerdem müsse das Arbeitsverhältnis auch aufgrund der Verstöße des Klägers gegen das Bundesdatenschutzgesetz und der von ihm vorgenommenen Manipulationen der Personalakten aufgelöst werden, da aufgrund der gezeigten Verhaltensweisen jegliches Vertrauen in die Person des Klägers zerstört worden sei.

Der Kläger hat beantragt,

den Auflösungsantrag zurückzuweisen.

Er hat die Ansicht vertreten, sein Verhalten rechtfertige nicht das Auflösungsbegehren der Beklagten, da er zu einer angemessen Rechtsverteidigung berechtigt gewesen sei.

Wegen des weiteren unstreitigen Sachverhaltes und des weiteren Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Arbeitsgerichts A vom 10. März 2011gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen (Bl. 427-429 d. A.).

Das Arbeitsgericht Frankfurt hat durch vorgenanntes Urteil festgestellt, das Arbeitsverhältnis der Parteien sei durch die außerordentliche und ordentliche Kündigung vom 18. August 2010nicht aufgelöst worden, das Arbeitsverhältnis jedoch zum 31.Dezember 2010 aufgelöst, die Beklagte zur Zahlung einer Abfindung verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen. Es hat zunächst angenommen, der Klageantrag zu 2. sei mangels besonderen Feststellungsinteresses unzulässig. Zur Begründung der erfolgreichen Kündigungsschutzklage hat es ausgeführt, der Kläger habe zwar in erheblicher Weise gegen Nebenpflichten aus dem Arbeitsverhältnis verstoßen, indem er am 4. August 2010umfangreiche Mitarbeiterdaten an die Personalabteilung der Muttergesellschaft in die Türkei per E-Mail weitergeleitet habe.Unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls ergebe sich jedoch, dass der Beklagten eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses trotz dieses schwerwiegenden Pflichtenverstoßes zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist noch zumutbar gewesen sei. Im Rahmen der anzustellenden Interessenabwägung sei regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, etwa im Hinblick auf das Maß eines durch sie bewirkten Vertrauensverlusts und ihre wirtschaftlichen Folgen sowie der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr, die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf zu berücksichtigen. Maßgeblich für den Grad des Verschuldens und die Möglichkeit der Wiederherstellung des Vertrauens sei dabei insbesondere, ob es sich bei der Pflichtverletzung um ein Verhalten gehandelt habe, das insgesamt auf Heimlichkeit angelegt sei. Auch komme eine außerordentliche Kündigung letztlich nur dann in Betracht, wenn es keinen anderen angemessenen Weg gebe, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar seien. Zwar sei das Vertrauensverhältnis der Parteien aufgrund der herausgehobenen hierarchischen Position des Klägers von besonderer Bedeutung und sein Verhalten sei dazu geeignet gewesen, das Vertrauen der Belegschaft in ihn erheblich zu beeinträchtigen. Dennoch sei der Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses noch zumutbar.Aus dem Verhalten des Klägers sei kein wirtschaftlicher Schaden entstanden und das Arbeitsverhältnis sei bisher störungsfrei verlaufen. Hinzu komme, dass keine negative Zukunftsprognose bestehe. Aus der Perspektive eines objektiven Dritten müsse nicht damit gerechnet werden, der Kläger werde sich in Zukunft vertragswidrig verhalten. Auch sei der Grad seines Verschuldens bei der Begehung der Pflichtwidrigkeit im vorliegenden Fall allenfalls gering, da er nicht heimlich gehandelt habe. Er habe vielmehr die Mitarbeiter offen nach personenbezogenen Daten befragen lassen und auch die Vorstandmitglieder am 4. August 2010 über die Anfragen der Personalabteilung der Muttergesellschaft per E-Mail am frühen Nachmittag informiert. Zudem habe er einem der Vorstandsmitglieder mitgeteilt, dass er diese Anfrage beantworten werde. Daher seien keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass er bei einer negativen Reaktion der Vorstandsmitglieder auf seine Mitteilungen die Daten in die Türkei versandt hätte. Dies gelte umso mehr, als die Anfrage über das Vorstandssekretariat der Beklagten an ihn herangetragen worden sei. Deshalb sei es aus Sicht eines objektiven Dritten durchaus nachvollziehbar, dass er in dieser Situation geglaubt habe, die Anfrage werde durch den Vorstand unterstützt. Insofern müsse die Beklagte aus Sicht eines objektiven Betrachters auch noch hinreichendes Vertrauen darin haben, dass er in Zukunft seine Vertragspflichten korrekt erfüllen werde. Das Arbeitsgericht hat weiter angenommen, auch die hilfsweise ordentliche verhaltensbedingte Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 18.August 2010 sei sozial nicht gerechtfertigt. Für eine verhaltensbedingte Kündigung gelte das Prognoseprinzip. In Bezug auf das Verhalten des Klägers mangele es an dieser negativen Zukunftsprognose, weil eben nicht damit zu rechnen sei, dass er sich in Zukunft erneut vertragswidrig verhalten werde und vor diesem Hintergrund allein der Ausspruch einer Abmahnung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vereinbar gewesen sei. Allerdings sei der von der Beklagten gestellte Auflösungsantrag unter den in § 9Abs. 1 S. 2 KSchG genannten Voraussetzungen begründet. Eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sei anhand vorliegender Gründe nicht zu erwarten. Der Kläger habe im Laufe des Rechtsstreits ehrverletzende Äußerungen getätigt und Kollegen persönlich angegriffen, was aus dem Inhalt seiner €Chronologischen Darstellung ab 06.08.2010€ folge. Die dortigen Unterstellungen seien in erheblichem Maße ehrverletzend und zerstörten das Vertrauensverhältnis. Wegen der herausragenden Position des Klägers als Assistant General Manager der Hauptverwaltung der Beklagten sei ein ungestörtes Vertrauensverhältnis insbesondere zu Kollegen jedoch von besonderer Bedeutung. Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses erfolge zum 31.Dezember 2010, da dies ist der Zeitpunkt sei, an dem das Arbeitsverhältnis bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte. Die Beklagte habe eine Abfindung in Höhe von EUR 55.000,00brutto zu zahlen. Dieser Betrag sei angemessen. Es könne für die Bemessung der Abfindungshöhe nicht ausschlaggebend darauf ankommen,dass der Arbeitsvertrag zwischen den Parteien erst zum 1. Dezember 2009 vereinbart worden sei, da der Kläger bereits im Rahmen seiner Entsendung seit dem Jahr 2002 durchgehend für die Beklagte tätig gewesen sei. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf Bl. 430-439 d.A. Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung und der Kläger Anschlussberufung innerhalb der zur Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 1. September 2010 festgestellten und dort ersichtlichen Fristen eingelegt.

Die Beklagte verfolgt ihr Begehren auf Klageabweisung weiter und meint, das Arbeitsverhältnis habe bereits aufgrund der von ihr ausgesprochenen fristlosen hilfsweise fristgemäßen Kündigung geendet. Sie ist der Ansicht, in der listenmäßigen Übersendung der Personaldaten sämtlicher Mitarbeiter in die Türkei durch den Kläger liege ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung, da der Kläger in seiner Eigenschaft als alleinverantwortlicher Bereichsleiter schwerwiegende Vertragspflichtverletzungen begangen habe. Ihr sei eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten gewesen, da Vertrauensverhältnis zu dem Kläger nicht nur in Bezug auf sie als Arbeitgeber, sondern auch im Verhältnis zu ihren Beschäftigten endgültig zerstört sei. Es müsse berücksichtigt werden, dass dessen Verhalten, die Personaldaten sämtlicher Beschäftigter ohne Einwilligung der Betroffenen und entgegen den im Unternehmen bestehenden Regelungen in ein Land ohne angemessenen Datenschutz weitergeleitet zu haben, auch im Rahmen der Interessenabwägung zu einer Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses führen müsse. Die unrechtmäßige Datenübermittlung stelle eine gravierende Verletzung datenschutzrechtlicher Bestimmungen dar, die besondere datenschutzgesetzliche Sanktionen bis hin zu Schadenersatzansprüchen der betroffenen Mitarbeiter nach sich ziehe könne. Die Beklagte behauptet, nur deshalb von Schadenersatzansprüchen verschont worden zu sein, weil sie das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger sofort beendet und damit zur Widerherstellung des Vertrauens der Belegschaft beigetragen habe.Der Kläger habe durch sein Verhalten gegen vielfältige Vorgaben verstoßen, obwohl in verschiedenen betrieblichen Regelungswerken klare Vorgaben in Bezug auf die Beachtung des Datenschutzes gemacht worden seien, weshalb es auch nicht darauf ankomme, dass er nicht heimlich gehandelt habe. Er habe jedenfalls nicht davon ausgehen dürfen, der Vorstand unterstütze die Anfrage der Muttergesellschaft. Auch liege eine Wiederholungsgefahr anhand der Umstände auf der Hand. Die Beklagte vertritt die Ansicht, die Kürze des Arbeitsverhältnisses in Verbindung mit der Schwere der Vertragsverletzung rechtfertige die ausgesprochene außerordentliche Kündigung. In jedem Fall sei aber die ordentliche verhaltensbedingte Kündigung sozial gerechtfertigt, ohne dass es einer Abmahnung des Klägers bedurft habe. Sie ist weiterhin der Auffassung, die Beendigung müsse zum 30. September 2010 erfolgen.Sie behauptet, die Mitarbeiterin D und der Mitarbeiter E hätten das Kündigungsschreiben am 19. August 2010 vormittags um 11.00 Uhr in den Briefkasten des Klägers eingeworfen. Im Übrigen wendet sich die Beklagte gegen die Höhe des vom Arbeitsgericht festgesetzten Abfindungsbetrags. Sie behauptet weiterhin, dass Arbeitsverhältnis mit dem Kläger sei erst mit dem 1. Dezember 2009 begründet worden.Soweit er € unstreitig bereits seit November 2002 € bei ihr gearbeitet habe, sei dies aufgrund von Entsendungen auf der Grundlage eines mit ihrer türkischen Muttergesellschaft und dem Kläger bestehenden Arbeitsvertrags und den Entsendevereinbarungen erfolgt. Sie ist deshalb der Meinung, die vom Arbeitsgericht festgesetzte Abfindungssumme berücksichtige nicht die tatsächlich kurze Beschäftigungsdauer von noch nicht einmal einem Jahr und sei deshalb ermessensfehlerhaft. Beschäftigungszeiten, die der Kläger im Rahmen eines Vertragsverhältnisses zu ihrer türkischen Muttergesellschaft bei ihr erbracht habe, dürften nicht mit in die Bemessung einfließen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 10. März 2011 € 19 Ca 5918/10 - teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen und hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit diesem Antrag das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, zum Ablauf des 30. September 2010 aufzulösen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und im Wege der Anschlussberufung das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 10. März 2011€ 19 Ca 5918/10 € teilweise abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien zu unveränderten Bedingungen fortbesteht und die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Kündigungsschutzklage als Assistant General Manager der Hauptverwaltung der Beklagten weiterzubeschäftigen sowie den Auflösungsantrag insgesamt zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil, soweit in ihm der Klage stattgegeben worden ist und begehrt weiterhin die Zurückweisung des Auflösungsantrags unter Wiederholung und Ergänzung seines erstinstanzlichen Vorbringens. Er vertritt die Ansicht, die Beschäftigungszeiten vor dem Dezember 2009 seien mit zu berücksichtigen, da seine Entsendung zu der Beklagten türkischem Recht widersprochen habe, das eine Entsendung längstens für 18Monate zulasse. Im Übrigen ist er der Ansicht, das Vorbringen der Beklagten in Bezug auf den Zugang des Kündigungsschreibens sei verspätet und dürfe nicht berücksichtigt werden. Jedenfalls bewirke auch der Einwurf eines Kündigungsschreibens um 11.00 Uhr nicht mehr den Zugang der Kündigung an diesem Tag, da die Post, seiner Behauptung nach, bereits am frühen Vormittag in die Briefkästen eingeworfen werde. Auch rechtfertige die Übersendung der Daten an die türkische Muttergesellschaft seine Kündigung nicht, da die Aufsichtsratsmitglieder ein Recht auf Einsichtnahme in die Personaldaten gehabt hätten. Der Kläger ist weiterhin der Ansicht,ein Auflösungsgrund sei nicht gegeben. Selbst wenn es zu Spannungen mit den Vorständen der Beklagten und Beschäftigten gekommen sei,hätten sich diese durch entsprechende Informationen über die tatsächlichen Umstände beseitigen lassen.

Die Beklagte beantragt,

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Hinsichtlich der Begründetheit des Auflösungsantrags verteidigt sie die erstinstanzliche Entscheidung und vertritt im Übrigen die Ansicht, auch die unzutreffende Behauptung des Klägers, das Vorstandsmitglied F werde demnächst aus dem Vorstand der Beklagten ausscheiden, belege die Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses.

Wegen des weiteren Parteivorbringens im Berufungsrechtszug wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen vom 25. Mai 2011(Bl. 486-506 d.A.), vom 12. Juli 2011 (Bl. 590-603 d.A.), vom 18.Juli 2011 (Bl. 615-624 d.A.), vom 3. August 2011 (Bl. 640-651 d.A.)vom 8. August 2011 (Bl. 660-667 d.A.), vom 9. September 2011 (Bl.680-683 d.A.), vom10. Oktober 2011 (Bl. 690-994 d.A.), vom 5.Januar 2012 (Bl. 707-714 d.A.), vom 20. Januar 2012 (Bl. 720-724d.A.), vom 20. Februar 2012 (Bl. 731-757 d.A.), vom 20. März 2012(Bl. 767-771 d.A.), vom 4. Mai 2012 (Bl. 830-883 d.A.), vom 10. Mai 2012 (Bl. 884-886 d.A.) und vom 21. Mai 2012 (Bl. 905 d.A.) sowie die Sitzungsniederschrift vom 10. August 2011 (Bl. 669 f. d.A.) und vom 30. Mai 2012 (Bl. 910 d.A.) Bezug genommen.

Gründe

I.

Die Berufung der Beklagten gegen das am 10. März 2011 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main ist zulässig. Das Rechtsmittel ist als in einem Rechtsstreit über die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses eingelegt ohne Rücksicht auf den Wert des Beschwerdegegenstandes statthaft (§§ 64 Abs. 2, 8 Abs. 2 ArbGG).Die Beklagte hat es auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 519, 520 ZPO, 66 Abs. 1 ArbGG).

Die Anschlussberufung des Klägers gegen das Urteil vom 10. März 2011 ist nur zum Teil zulässig. Das Rechtsmittel ist als in einem Rechtsstreit über den Bestand des Arbeitsverhältnisses eingelegt ohne Rücksicht auf den Wert des Beschwerdegegenstandes und im Übrigen im Hinblick auf den Wert des Beschwerdegegenstandes statthaft (§§ 64 Abs. 2, 8 Abs. 2 ArbGG). Der Kläger hat es auch form- und fristgerecht eingelegt (§ 524 ZPO i.V.m. §§ 519, 520, 66Abs. 1 ArbGG). Die Berufung ist jedoch gemäß § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen, als diese die Feststellung begehrt, das Arbeitsverhältnis der Parteien bestehe zu unveränderten Bedingungen fort. Insofern liegt keine diesen Antrag deckende Anschlussberufungsbegründung vor.

Nach §§ 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 520 Abs. 3 ZPO muss die Berufungsbegründung € und gleiches gilt gemäß § 524 Abs. 3ZPO für die Anschlussberufungsbegründung € die Bezeichnung der Umstände enthalten, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt (§ 520Abs. 3 Nr. 2 ZPO), und/oder die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellung im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten (§ 522 Abs. 3 Nr. 3 ZPO)und/oder die Bezeichnung der neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel, soweit sie zulässig sind (§ 520 Abs. 3 Nr. 4ZPO i.V.m. § 67 Abs. 2 u. 3 ArbGG).

Zweck des gesetzlichen Begründungszwangs ist es, formale, bloßformelhafte, nicht auf den konkreten Streitfall bezogene Begründungen auszuschließen, um dadurch auf die Zusammenfassung und Beschränkung des Streitstoffs sowie die Beschleunigung des Verfahrens im zweiten Rechtszug hinzuwirken. § 520 Abs. 3 ZPO soll gewährleisten, dass der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz ausreichend vorbereitet werden kann. Die Anschlussberufungsbegründung muss deshalb auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten sein. Sie muss klar und konkret erkennen lassen, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art sowie aus welchen Gründen der Berufungskläger das angefochtene Urteil für unrichtig hält. Es reicht deshalb nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch den Erstrichter mit formelhaften Wendungen zu rügen (vgl. BAG vom 6. März 2003 - 2 AZR596/02, BB 2003, 1561; BAG vom 11. März 1998 - 2 AZR 497/97, AP Nr.49 zu § 519 ZPO; Hess. LAG vom 12. Mai 2003, 16 Sa 160/03n.v.).

Betrifft das angefochtene Urteil mehrere verschiedene Ansprüche,muss eine hiergegen im Ganzen gerichtete Berufung grundsätzlich auf jeden Streitgegenstand eingehen. Andernfalls ist sie nur hinsichtlich der Streitgegenstände zulässig, auf die sie sich bezogen hat, sofern nicht das Bestehen der übrigen Streitgegenstände auf diesen beruht (vgl. BGH vom 27. Januar 1994 -I ZR 326/91, NJW 1994, 2289; BAG vom 20. Juli 1989 - 2 AZR 114/87,BAGE 62, 256; BAG vom 2. April 1987 - 2 AZR 418/86, AP Nr. 96 zu §626 BGB).

Diesen Anforderungen genügt die Anschlussberufungsbegründung des Klägers nicht in Bezug auf alle Streitgegenstände. Die Anschlussberufungsbegründung greift im oben stehenden Sinne das Urteil nur insoweit als unrichtig an, als dieses das Arbeitsverhältnis auf Antrag der Beklagten aufgelöst hat. Sie enthält darüber hinaus keine Begründung, soweit in der angegriffenen Entscheidung die Klage in Bezug auf den allgemeinen Feststellungsantrag des Klägers als unzulässig zurückgewiesen worden ist. Sie ist daher im Hinblick auf diesen letztgenannten Anspruch unzulässig, weil der allgemeine Feststellungsantrag € anders als der Weiterbeschäftigungsanspruch € nicht von der Unwirksamkeit der Kündigung und der Zurückweisung des Auflösungsantrags abhängig ist.

II.

Die Berufung der Beklagten hat keinen und die Anschlussberufung des Klägers € soweit sie zulässig ist € hat Erfolg. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat weder infolge der außerordentlichen noch infolge der ordentlichen Kündigung der Beklagten vom 18. August 2010 geendet, noch ist es auf Antrag der Beklagten gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen. Dem Kläger steht ein Weiterbeschäftigungsanspruch zu.

1.

Die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 18. August 2011hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht beendet.

Gemäß § 626 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Diese Prüfung hat in zwei Stufen zu erfolgen. Zunächst ist festzustellen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände €an sich€, d.h. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Sodann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses jeweils unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile € jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist € zumutbar ist oder nicht (vgl. BAG vom 10. Juni 2010 €2 AZR 541/09 € Rn. 16, AP Nr. 229 zu § 626 BGB; BAG vom 26. März 2009 - 2 AZR 953/07, AP Nr. 220 zu § 626 BGB).

Prinzipiell sind nur solche Tatsachen geeignet einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB darzustellen, die das Arbeitsverhältnis erheblich belasten, wobei allerdings ohne Bedeutung ist, ob sich die Störung im Leistungs-, Vertrauens- oder betrieblichen Bereich auswirkt. Im Arbeitsverhältnis bestehen neben den wechselseitigen Hauptpflichten auch sogenannte Nebenpflichten der Vertragsparteien, deren Verletzung unter bestimmten Umständen eine fristlose Kündigung rechtfertigen kann. Dem Arbeitsvertrag sind zahlreiche Nebenpflichten immanent. Dazu gehört insbesondere die vertragliche Rücksichtnahmepflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) (vgl. BAGvom 3. Juli 2003 - 2 AZR 235/02, AP Nr. 45 zu § 1 KSchG 1969Verhaltensbedingte Kündigung; BAG vom 10. Oktober 2002 - 2 AZR472/01, AP Nr. 44 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 44; Hess. LAG vom 10. Mai 2004 - 16 Sa 1801/03, dokumentiert in juris). Der Arbeitnehmer ist daher verpflichtet, auf die geschäftlichen Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen und sie im zumutbaren Umfang zu wahren; er hat alles zu unterlassen,was die Erreichung der arbeitsvertraglichen Ziele gefährden oder vereiteln kann (vgl. BAG vom 3. Juli 2003 a.a.O.; BGH 23. Februar 1989 - IX ZR 236/86, BB 1989, 649).

Allgemein ist bei der Feststellung der Rechtswirksamkeit einer Kündigung zu prüfen, ob zu besorgen ist (Prognoseprinzip), der Arbeitnehmer werde auch in Zukunft seiner Arbeitspflicht nicht nachkommen (vgl. BAG vom 21. November 1996 - 2 AZR 357/95, AP Nr.130 zu § 626 BGB). Diese Prognose ist notwendig, da der Kündigungszweck zukunftsbezogen ausgerichtet ist. Entscheidend ist,ob eine Wiederholungsgefahr besteht und ob sich das vergangene Ereignis auch zukünftig belastend auf das Arbeitsverhältnis auswirkt (vgl. BAG vom 10. Juni 2010 a.a.O.). Deshalb ist eine vorherige Abmahnung für jede Kündigung erforderlich, die wegen eines Verhaltens des Arbeitnehmers oder aus einem in seiner Person liegenden Grund ausgesprochen werden soll, den er durch sein steuerbares Verhalten beseitigen kann und damit eine Wiederherstellung des Vertrauens zu erwarten ist (vgl. BAG vom 11.März 1999 - 2 AZR 507/98, AP Nr. 149 zu § 626 BGB; BAG vom 17.Februar 1994 - 2 AZR 616/93, AP Nr. 116 zu § 626 BGB).

Von diesem Grundsatz gelten Ausnahmen deshalb nur, wenn durch das zukünftige Verhalten des Arbeitnehmers die Störung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr behoben werden kann. Die Abmahnung ist entbehrlich, wenn es um so gravierende Pflichtverletzungen geht, deren Rechtswidrigkeit für den Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar und bei denen eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist (vgl. BAG vom 1. Juli 1999 - 2AZR 676/98, AP Nr. 11 zu § 15 BBiG; BAG vom 10. Februar 1999 - 2ABR 31/98, AP Nr. 42 zu § 15 KSchG).

In Ansehung dieser Grundsätze liegt ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung aufgrund des vom Kläger gezeigten Verhaltens nicht vor. Zwar hat er mit der Übermittlung der personenbezogenen Daten an die türkische Muttergesellschaft der Beklagten € wie das Arbeitsgericht umfassend und zutreffend dargelegt hat € eine gravierende Pflichtverletzung begangen.Das Berufungsgericht kann daher zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die insoweit zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verweisen, denen es in diesem Punkt in vollem Umfang folgt und deshalb auf sie gemäß § 69 Abs. 2 ArbGGBezug nimmt. Im Hinblick auf die Ausführungen der Beklagten im zweiten Rechtszug ist noch Folgendes auszuführen.

Zwar hat der Kläger durch die Übersendung der personenbezogenen Daten der Beschäftigten der Beklagten an deren türkische Muttergesellschaft in erheblicher Weise gegen seine Arbeitspflichten verstoßen. Er hätte in seiner Eigenschaft als alleinverantwortlicher Bereichsleiter auch durchaus erkennen können, dass die Datenübermittlung mit den deutschen Gesetzesvorschriften kollidiert und entsprechende Konsequenzen ziehen müssen. Gleichwohl kann bei der Bewertung seines Verhaltens nicht außer Betracht bleiben, dass die Anfrage aus der Türkei an ihn durch das Vorstandssekretariat weitergeleitet worden ist und er auch vor der Übermittlung der Daten in die Türkei mit dem Vorstandsmitglied C der Beklagten über die besagte Anfrage gesprochen hat. Damit konnte bei ihm nur der Eindruck entstehen,die Beantwortung der Anfrage stelle für die Beklagte und für die für sie handelnden gesetzlichen Vertreter kein Problem dar, werde von ihr befürwortet und sei daher von ihm zu erledigen. Dies kann letztlich auch mit der engen Anbindung der Beklagten an die türkische Muttergesellschaft und der Doppelfunktion von vier ihrer Aufsichtsratmitglieder, die Vorstandsposten bei der Muttergesellschaft bekleiden, in Zusammenhang stehen, auch wenn die Anfrage selbst nicht über ihren Aufsichtsrat an die Beklagte herangetragen worden ist. In diesem Zusammenhang ist es unerheblich, dass das Vorstandsmitglied C der Beklagten kein Türkisch spricht und deshalb die in türkischer Sprache verfasste Anfrage selbst nicht verstehen konnte. Es bekleidet bei der Beklagten die Position eines Vorstands, so dass der Kläger annehmen durfte, dem Vorstand sei die Anfrage und ihre Bedeutung bekannt.Ansonsten hätte vielmehr der Kläger davon ausgehen können, dass Herr C nähere Angaben zu der angesprochenen Anfrage von ihm abverlangt hätte.

Deshalb geht die Kammer, trotz der erheblichen Pflichtverletzung des Klägers und trotz des Umstands, dass der Verstoß gegen das Datenschutzgesetz neben den innerbetrieblichen Auseinandersetzungen auch Außenwirkung entfaltet sowie zu einer Gefährdung finanzieller Interessen der Beklagten in - wie § 43 Abs. 2 BDSG zeigt - nicht unbeträchtlichem Umfang geführt hat, davon aus, dass mit einer Abmahnung des Klägers die Beeinträchtigungen hätten beseitigt werden können. Dies gilt um so mehr, als keine Anhaltspunkte zu erkennen sind, die belegen, dass der Kläger im Wissen um die bestandsmäßige Gefährdung seines Arbeitsplatzes sich unbeeindruckt gezeigt hätte und nicht in der Lage gewesen wäre, sein Verhalten zukünftig anders auszurichten bzw. bei kritische erscheinenden Punkten Rechtsrat über die Rechtsabteilung der Beklagten eingeholt hätte. Hierfür spricht auch der Unstand, dass er € unabhängig von der Frage der rechtlichen Zuordnung seiner Tätigkeit €viele Jahre in verantwortlicher Stellung beanstandungsfrei bei der Beklagten tätig war und bis zu der Datenübermittlung auch keine Spannungen mit der Belegschaft zu erkennen sind. Und es ist auch nicht davon auszugehen, dass die notwendige Zusammenarbeit der Beschäftigten der Beklagten mit dem Kläger bei Darlegung des gesamten Verlaufs des Vorfalls, d.h. auch der Umstände, die zu der Beantwortung der Anfrage geführt haben, nicht zu einer Bereinigung der Spannungen führen würde.

Soweit die Beklagte die außerordentliche Kündigung auf den Umstand stützt, das Vertrauen der Belegschaft in den Kläger sei aufgrund dessen Verhaltens erheblich beeinträchtigt und diese sowie der Betriebsrat habe gerade dessen fristlose Entlassung gefordert,rechtfertigt dies keine andere rechtliche Bewertung.

Eine Druckkündigung setzt voraus, dass Dritte unter Androhung von Nachteilen für den Arbeitgeber von diesem die Entlassung eines bestimmten Arbeitnehmers verlangen. Soweit das Verlangen des Dritten gegenüber dem Arbeitgeber durch ein Verhalten des Arbeitnehmers oder durch einen in dessen Person liegenden Grund objektiv gerechtfertigt ist, liegt es in dessen Ermessen, ob er eine personen- oder verhaltensbedingte Kündigung ausspricht. Fehlt es jedoch an einer objektiven Rechtfertigung, kommt eine betriebsbedingte Kündigung in Betracht (vgl. insoweit BAG vom 31.01.1996 - 2 AZR 158/95, EzA BGB § 626 Druckkündigung Nr. 3; BAGvom 4. Oktober 1990 - 2 AZR 201/90, NZA 1991, 468; KR-Fischermeier,9. Aufl., § 626 BGB Rn 204 ff.).

Die Voraussetzungen einer Druckkündigung liegen nicht vor. Die Einlassung der Beklagten belegen nicht, dass Mitarbeiter ernsthaft mit dem Ausspruch von Eigenkündigung oder Regressansprüchen gedroht haben. Die bloße Forderung der Belegschaft bzw. des Betriebsrats nach einer sofortigen Entlassung des Klägers erfüllen nicht den Tatbestand einer Druckkündigung.

Die Beklagte kann die außerordentliche Kündigung auch nicht auf den Umstand stützen, der Kläger habe im Rahmen der Personaldatenerhebung falsche Angaben zu seinem Eintrittsalter in das Unternehmen der Beklagten gemacht.

Ausweislich der von der Beklagten für ihn erstellten Abrechnungen ist sein Eintrittsdatum mit dem Kalenderjahr 2002angegeben worden. Zwar besteht zwischen den Parteien Streit darüber, auf welchen Zeitpunkt der rechtliche Beginn ihres nach deutschem Arbeits- und Sozialversicherungsrecht bestehenden Arbeitsverhältnisses zu datieren ist. Gleichwohl kann dem Kläger nicht vorgehalten werden, wenn er Daten, die die Beklagte selbst verwendet, entsprechend weitergeleitet hat.

2.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist auch nicht durch die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 18. August 2010aufgelöst worden. Diese ordentliche Kündigung ist nicht durch das Verhalten des Klägers gerechtfertigt.

Eine verhaltensbedingte Kündigung ist gemäß § 1 Abs. 2 KSchGsozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer seine Vertragspflichten erheblich verletzt hat, das Arbeitsverhältnis dadurch auch künftig konkret beeinträchtigt wird, eine zumutbare Möglichkeit einer anderen, eine weitere Störung zuverlässig ausschließenden Beschäftigung nicht besteht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile billigenswert und angemessen erscheint. Grundsätzlich muss der Arbeitnehmer dazu nicht eine Hauptpflicht aus dem Arbeitsverhältnis verletzt haben, da auch die erhebliche Verletzung vertraglichen Nebenpflicht eine Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen sozial rechtfertigen kann (vgl. BAG vom 10. September 2009- 2 AZR 257/08, AP Nr. 60 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung m.w.H.).

Weil auch im Rahmen der Feststellung der Rechtswirksamkeit einer ordentlichen Kündigung zu prüfen ist, ob die Befürchtung besteht (Prognoseprinzip), der Arbeitnehmer werde auch in Zukunft seine Vertragspflichten nicht ordnungsgemäß erfüllen, (vgl. BAG vom 21.November 1996 - 2 AZR 357/95, a.a.O.), gelten insoweit die obigen Ausführungen zur Frage der Notwendigkeit einer vorherigen Abmahnung.

Unter Berücksichtigung dieses Grundsatzes ist auch in Bezug auf die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung davon auszugehen, dass die Beklagte durch den Ausspruch einer Abmahnung ausreichend auf das Verhalten des Klägers hätte reagieren können.Insoweit kann auf die oben stehenden Ausführungen verwiesen werden.

3.

Der Auflösungsantrag der Beklagten nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchGist mangels Vorliegen der notwendigen Voraussetzungen zurückzuweisen. Deshalb hat die Anschlussberufung des Klägers teilweise Erfolg.

Die Privilegierung im Bereich der Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 14 KSchG greift im Verhältnis der Parteien nicht ein, ohne dass es darauf ankommt, ob der Kläger im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne als leitender Angestellter anzusehen ist. Es ist nicht zu erkennen, dass er, der nicht gesetzlicher Vertreter der Beklagten ist, in einer ähnlich leitenden Position im Sinne von § 14 Abs. 2 KSchG für die Beklagte tätig war.

Nach dieser Vorschrift findet auf Geschäftsführer,Betriebsleiter und ähnliche leitende Angestellte, soweit diese zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind, § 9 Abs. 1 Satz 2 findet mit der Maßgabe Anwendung, dass der Antrag des Arbeitgebers auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses keiner Begründung bedarf.

Voraussetzung für die Berechtigung zur selbständigen Einstellung und Entlassung ist, dass der Angestellte eigenverantwortlich über die Einstellung und Entlassung einer bedeutenden Zahl von Arbeitnehmern entscheiden kann (vgl. BAG vom 10. Oktober 2002 - 2AZR 598/01, AP Nr. 123 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung). Deshalb muss sich seine Entscheidungskompetenz zumindest auf eine abgeschlossene Gruppe von Beschäftigten beziehen, die für das Unternehmen, insbesondere für dessen unternehmerischen Erfolg wesentlich ist (vgl. BAG vom 27. September 2001 € 2 AZR 176/00, AP Nr. 6 zu § 14 KSchG 1969).

Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist nach dem Vorbringen der Beklagten nicht zu erkennen und von ihr zweitinstanzlich auch nicht mehr weiterverfolgt worden.

Die Voraussetzungen für eine Auflösung nach § 9 KSchG sind auch nicht gegeben.

Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG hat das Gericht nach erfolgreicher Kündigungsschutzklage auf Antrag des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis aufzulösen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen.Auflösungsgründe im Sinne dieser Vorschrift für den Arbeitgeber können nur solche Umstände sein, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, die Wertung seiner Persönlichkeit oder seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. Die Gründe, die eine dem Betriebszweck dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Vertragsparteien nicht erwarten lassen, müssen nicht im Verhalten, insbesondere nicht im schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen.Maßgeblich ist vielmehr, ob die objektive Lage beim Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz beim Arbeitgeber die Besorgnis aufkommen lassen kann, die weitere Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer sei gefährdet (vgl. BAG vom 23. Juni 2005 - 2 AZR256/04, AP Nr. 52 zu § 9 KSchG 1969; BAG vom 7. März 2002 - 2 AZR158/01, AP Nr.42 zu § 9 KSchG 1969). Im Hinblick auf die primäre Zielsetzung des Kündigungsschutzgesetzes, dem Arbeitnehmer im Interesse eines wirksamen Bestandsschutzes seinen Arbeitsplatz zu erhalten, ist es gerechtfertigt, an den Auflösungsantrag des Arbeitgebers strenge Anforderungen zu stellen (vgl. BAG vom 23.Juni 2005 a.a.O.). Der Antrag ist letztendlich in die Zukunft gerichtet, so dass im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung eine Vorausschau anzustellen ist, ob im Zeitpunkt der Entscheidung aufgrund des Verhaltens des Arbeitnehmers in der Vergangenheit in Zukunft noch mit einer den Betriebszwecken dienenden weiteren Zusammenarbeit der Parteien zu rechnen ist.

Grundsätzlich sind als Auflösungsgrund geeignet, Beleidigungen,sonstige ehrverletzende Äußerungen oder persönliche Angriffe des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen (vgl. BAG vom 24. März 2011 € 2 AZR 674/09, NZA-RR 2012, 243;BAG vom 23. Juni 2005 a.a.O.). Hierbei ist aber zu berücksichtigen,dass gerade Erklärungen in laufenden Gerichtsverfahren selbst durch ein berechtigtes Interesse des Arbeitnehmers gedeckt sein können (vgl. BAG vom 24. März 2011 a.a.O; BAG vom 9. September 2010€ 2 AZR 482/09, AP Nr. 64 zu § 9 KSchG 1969). Deshalb erkennt das Bundesarbeitsgericht an, dass mit Blick auf eine prozessuale Auseinandersetzung nicht außer Betracht bleiben kann, dass Parteien zur Verteidigung von Rechten schon im Hinblick auf das grundgesetzlich geschützte rechtliche Gehör alles vortragen dürfen,was als rechts-, einwendungs- oder einredebegründender Umstand prozesserheblich sein kann. Es wird deshalb gebilligt, dass ein Verfahrensbeteiligter auch starke, eindringliche Ausdrücke und sinnfällige Schlagworte benutzen darf, um seine Rechtsposition zu unterstreichen, selbst wenn er seinen Standpunkt vorsichtiger hätte formulieren können (vgl. BAG vom 24. März 2011 a.a.O. m.w.H.).

Gemessen an diesen Anforderungen ist unter Beachtung des ojektivierten Prüfungsmaßstabs nicht zu erkennen, dass eine den Betriebszwecken gedeihliche Zusammenarbeit mit dem Kläger nicht mehr erwartet werden kann. Die Beklagte stützt ihren Auflösungsantrag auf die ihrer Bewertung nach ehrverletzenden,beleidigenden Äußerungen, die der Kläger im Rahmen der gerichtlichen Auseinandersetzung gemacht hat. Die Berufungskammer verkennt nicht, dass die Bemerkungen des Klägers zu Verhaltensweisen der Beklagten und Motiven von Handlungen ihrer Beschäftigten, insbesondere der Juristin G und des Bereichsleiters H als beleidigend auslegbar sind. Dies ist jedoch nur eine mögliche Interpretation, die unter Anlegung eines objektivierten Maßstabs nicht zwingend ist. Hinzu kommt, dass die diesbezüglichen Einlassungen des Klägers in ihrem Kontext gesehen werden müssen.Der Kläger hat in seiner Darstellung des chronologischen Ablaufs der Ereignisse nach der Versendung der personenbezogenen Daten an die Muttergesellschaft in der Türkei die Abläufe geschildert, wie er sie empfunden hat. Das wiederum ist vor dem Hintergrund der betrieblichen Abläufe vor Versendung der Nachricht in die Türkei zu sehen. Es ist zumindest nachvollziehbar, dass er seine Kündigung als €Bauernopfer€ empfindet und entsprechend versucht,die Dinge aus seiner Sicht zu schildern und zu bewerten. Die Äußerungen in Bezug auf die Leiterin der Rechtsabteilung und den Bereichsleiter sind nicht so gravierend, dass sie in objektiv berechtigter Weise die Gefahr belegen, sie stünden einer gedeihlichen Zusammenarbeit entgegen. Der Kläger hat sich verteidigt. Zwar verkennt auch das Berufungsgericht nicht, dass die weitere Zusammenarbeit des Klägers mit den Mitarbeitern der Beklagten € speziell den Führungskräften € durchaus von beiden Seiten zunächst nicht spannungsfrei sein wird. Allerdings ist die Annahme einer dauerhaften Beeinträchtigung der Vertrauensgrundlage und damit eine den Betriebszwecken entgegenstehende gedeihliche Zusammenarbeit vor dem Hintergrund seiner Einlassungen nicht gerechtfertigt.

Nichts anderes folgt auch aus der Behauptung des Klägers, das Vorstandsmitglied F der Beklagten werde demnächst ausscheiden. Es kann dahin gestellt bleiben, ob dies € was die Beklagte bestreitet € den Tatsachen entspricht. Denn jedenfalls kann in dieser, zu Gunsten der Beklagten als falsch unterstellten Behauptung nicht im Ansatz eine im Rahmen eines Auflösungsantrags zu beanstandende Äußerung gesehen werden. Das Gericht geht davon aus, dass weiterhin eine, wenn auch zunächst nicht völlig unproblematische Zusammenarbeit zwischen dem Kläger und dem Vorstand der Beklagten möglich sein wird. Eine Belastung ist bei einer Rückkehr in den Betrieb nach Feststellung der Unwirksamkeit einer verhaltensbedingten außerordentlichen oder ordentlichen Kündigung kein ungewöhnlicher Umstand. Es kann selbstverständlich nicht davon ausgegangen werden, die beteiligten Personen könnten einfach zur Tagesordnung übergehen und die Vertrauensgrundlage bestünde so fort, wie sie vor Ausspruch der Kündigung bestanden hat.

Weiterhin führt auch der Umstand, dass der Kläger Unterlagen aus dem Besitz der Beklagten in den Prozess eingeführt hat, nicht zur Begründetheit des Auflösungsantrags. Es ist nicht zu erkennen, dass er diese Unterlagen bei der Beklagten entwendet hat. Unwiderlegt hat der Kläger behauptet, ihm seien die Unterlagen zugespielt worden und im Hinblick auf den Streitstoff ist die Einbringung in den Prozess noch von der Wahrnehmung seiner berechtigten Interessen gedeckt.

4.

Der Kläger hat einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens.

Nachdem die Kündigung rechtsunwirksam ist und die Anschlussberufung in Bezug auf den Auflösungsantrag des Arbeitgebers Erfolg hat, ist die Beklagte folglich zur Weiterbeschäftigung des Klägers bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens verpflichtet (vgl. BAG GS vom 27.Februar 1985 € GS 1/94, AP Nr. 14 zu § 611 BGBBeschäftigungspflicht). Überwiegende, gegen die Weiterbeschäftigung des Klägers sprechende Umstände sind nicht ersichtlich.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Parteien haben gemäß dem Verhältnis ihres Obsiegens zu ihrem Unterliegen die Kosten zu tragen.

Für die Zulassung der Revision besteht keine gesetzlich begründete Veranlassung (§ 72 Abs. 2 ArbGG).






Hessisches LAG:
Urteil v. 27.06.2012
Az: 2 Sa 578/11


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/6b050753d3dd/Hessisches-LAG_Urteil_vom_27-Juni-2012_Az_2-Sa-578-11




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share