Verwaltungsgericht Berlin:
Urteil vom 22. März 2012
Aktenzeichen: 2 K 102.11
(VG Berlin: Urteil v. 22.03.2012, Az.: 2 K 102.11)
Tenor
Die Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung des Bescheides des Auswärtigen Amtes vom 1. Februar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Mai 2011 verpflichtet, dem Kläger Auskunft zu erteilen, welche Beschwerden die Direktorin der Zentrum für Internationale Friedenseinsätze gGmbH zu der Entscheidung vom 29. Juni 2010 bewogen haben, den Kläger aus dem Expertenpool der Gesellschaft zu entfernen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt den Zugang zu Informationen des Auswärtigen Amtes, die nach einer Beschwerde des Klägers gegen die Entscheidung einer vom Auswärtigen Amt kontrollierten Gesellschaft angefallen sind, den Kläger nicht mehr als Experten für internationale Einsätze zu nominieren.
Die Zentrum für Internationale Friedenseinsätze (ZIF) gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung (gGmbH) wurde im Jahre 2002 gegründet. Gesellschafter ist die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Auswärtige Amt. Die Finanzierung des Zentrums erfolgt aus Mitteln des Auswärtigen Amts.
Eine zentrale Aufgabe der ZIF gGmbH ist der Aufbau und die Pflege eines Expertenpools ziviler Fach- und Führungskräfte. Aus diesem Pool werden im Auftrag des Auswärtigen Amts Kandidatinnen und Kandidaten für internationale Einsätze ausgewählt. Entsprechend der Rekrutierungsverfahren der jeweiligen internationalen Organisation (Sekundierung oder Direktbewerbung) und deren Anforderungen können sich insbesondere die Mitglieder des Expertenpools für eine bestimmte Tätigkeit bei einer Mission oder für Kurzfristtätigkeiten wie z.B. Wahlbeobachtungen bewerben, oder werden u.a. anhand ihrer im Pool gespeicherten Daten und Verfügbarkeit vorgeschlagen. Die letztendliche Auswahl der Einsatzkräfte trifft die jeweilige internationale Organisation. Die ZIF gGmbH organisiert das Bewerbungsverfahren für bekannte Vakanzen in enger Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt oder unterstützt die Bewerbungen.
Der Kläger war seit der Gründung der ZIF gGmbH im Expertenpool erfasst und nahm wiederholt an Missionen teil. Im Jahre 2010 wurde der Kläger zuletzt als Langzeitwahlbeobachter für drei Monate zu den Präsidentenwahlen in der Ukraine entsandt. Am Ende dieser Mission wurde das Verhalten des Klägers von der zuständigen Koordinatorin in einem Evaluationsbericht dargestellt und bewertet. Diese Ausführungen wurden nach einem Gespräch des Klägers mit dem Leiter der Mission aus dem schriftlichen Bericht entfernt.
Am 29. Juni 2010 eröffnete die Direktorin der ZIF gGmbH dem Kläger in einem persönlichen Gespräch, dass er nicht mehr als Experte nominiert werde, weil es zu mehreren Beschwerden über sein Verhalten bei vorangegangenen Mission gekommen sei. Die Bitte des Klägers, ihm den konkreten Inhalt dieser Beschwerden zu benennen, lehnte sie ab. Eine Beschwerde des Klägers bei dem Auswärtigen Amt, die dort Gegenstand eines Verwaltungsvorgangs wurde, blieb erfolglos.
Der Kläger beantragte mit Schreiben seines Verfahrensbevollmächtigten vom 3. Dezember 2010 bei dem Auswärtigen Amt schriftlich Auskunft über den Inhalt und den Ursprung der Beschwerden, die das Auswärtige Amt dazu bewogen hätten, ihn faktisch aus dem Expertenpool zu entfernen, und ihm Akteneinsicht in den gesamten ihn betreffenden Verwaltungsvorgang zu gewähren.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger den begehrten Informationszugang mit Bescheid des Auswärtigen Amts vom 1. Februar 2011 unter Übersendung einer Kopie des teilweise geschwärzten Verwaltungsvorgangs. Hinsichtlich der Schwärzungen lehnte die Beklagte den Antrag ab, weil das Bekanntwerden der angeforderten Information nachteilige Auswirkungen auf internationale Beziehungen haben könne, weil die maßgeblichen Informationen vertraulich übermittelt worden seien und eine Offenlegung der Informationen das Vertrauensverhältnis zu den Informanten und damit auch die diplomatischen Beziehungen beeinträchtigen könne und weil es sich um personenbezogene Daten Dritter handele.
Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid des Auswärtigen Amts vom 4. Mai 2011 zurück. Zur Begründung führte die Beklagte aus, an den geltend gemachten Ausschlussgründen werde festgehalten. Dies ergebe sich aus den folgenden Erwägungen:
Zu den besonders geschützten Belangen zählten auch die internationalen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland, die als Mitgliedstaat der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) den Zielen und Standards dieser Organisation verpflichtet sei. Dies gelte auch, soweit das Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte in der OSZE Langzeitwahlbeobachter entsende, die bestimmte Grundsätze einhalten müssten, unter anderem Neutralität, Objektivität, Diskretion und professionelles Verhalten zu jeder Zeit. Nachdem die ZIF gGmbH über einen konkreten Vorfall bei einer Mission vertraulich Kenntnis erlangt habe, seien die Leistungen und das Verhalten des Klägers eingehend geprüft worden mit der Folge, dass die ZIF gGmbH ihn aus dem Experten-Pool ausgeschlossen habe. Die Einzelheiten dieses Vorfalls könnten nicht öffentlich diskutiert werden, weil dies die Glaubwürdigkeit der Wahlbeobachtungsmissionen der Organisation insgesamt in Frage stellen würde. Insofern würde das Vertrauensverhältnis zwischen der Beklagten und der die Wahlbeobachtung durchführenden Organisationen sowie der Leitung der Wahlbeobachtungsmissionen, bei denen es sich i.d.R. um hochrangige Diplomaten handele, und gegenüber den die Wahlbeobachtungsmissionen empfangenen Staaten beschädigt, wenn die Beklagte verpflichtet wäre, Informationen offen zu legen, die ihr von Mitarbeitern anderer OSZE-Staaten im Vertrauen mitgeteilt worden seien.
Aufgrund der besonderen Natur des Vorfalls, der Auslöser für die Beschwerden über den Kläger gewesen sei, seien die Informationen hierzu vertraulich direkt an die ZIF gGmbH übermittelt worden. Die Informationsperson habe im Rahmen des durchgeführten Drittbeteiligungsverfahrens deutlich gemacht, dass ihr Interesse an der vertraulichen Behandlung fortbestehe. Insoweit bestehe auch ein Interesse der Beklagten, dass sie nur besonders geeignete Personen für OSZE Missionen nominieren und gegebenenfalls auch vertraulich über deren Fehlverhalten unterrichtet werde.
Die Identität der Informationsperson sei ferner als personenbezogenes Datum geschützt. Insoweit bestehe kein überwiegendes Informationsinteresse des Antragstellers, denn die Daten der anderen Person stünden direkt mit dem aktuellen Dienstverhältnis und einem vorangegangenen Mandat im Zusammenhang und seien daher absolut vom Informationszugang ausgeschlossen. Im Übrigen überwiege das Interesse der dritten Person auch deshalb, weil die diplomatischen Beziehungen der Beklagten in besonderem Maße auf einem Vertrauensverhältnis beruhten, zu dem es auch gehöre, die Interessen von Dritten zu respektieren. Zu den personenbezogenen Daten gehöre der konkrete Vorwurf, denn dessen Offenlegung führe zwangsläufig zu einer Identifizierung der Person.
Mit der am 11. Juni 2011 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er meint, bei der Informationsperson müsse es sich um ein nichtdeutsches Mitglied aus dem Team der Wahlbeobachtungsmission zu den Präsidentenwahlen in der Ukraine Anfang 2010 handeln. Bei solchen Missionen sei für Beschwerden der Berichtsweg innerhalb der operierenden Organisation zu nutzen. Diesen Weg habe die Informationsperson nach Kenntnis des Klägers nicht genutzt, sondern sich vielmehr informell an das Auswärtige Amt gewandt. Dieses Verhalten könne nicht geschützt werden und jedenfalls könne es sein Informationsinteresse des Klägers nicht überwiegen, der seit fast 10 Jahre in einem Vertrauensverhältnis zu der Beklagten gestanden habe und dann ohne nähere Erläuterung aus dem Expertenpool der ZIF gGmbH ausgeschlossen worden sei.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides des Auswärtigen Amtes vom 1. Februar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Mai 2011 zu verpflichten, ihm vollständig Auskunft über den Inhalt und den Ursprung der Beschwerden gegen ihn zu erteilen, die die ZIF gGmbH dazu bewogen haben, ihn aus dem Expertenpool der ZIF zu entfernen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung ihres Klageabweisungsantrages bezieht sie sich auf die Gründe der ergangenen Bescheide und erläutert, aus welchen Gründen sie Teile der vorgelegten Verwaltungsvorgänge, die überwiegend den Antrag auf Informationszugang betreffen, geschwärzt habe. Bei dem Verhalten des Klägers, das Gegenstand der streitbefangenen Information ist, handele es sich um dienstliches Verhalten. Solches dienstliches Verhalten spiele sich bei derartigen Missionen typischerweise auch in der Öffentlichkeit ab.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakte und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Gründe
Die zulässige Verpflichtungsklage ist begründet. Die Ablehnung der begehrten Informationsgewährung durch die Beklagte ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat einen Anspruch auf die im Klageverfahren begehrte Auskunft aus dem aus Anlass seiner Beschwerde angelegten Verwaltungsvorgang des Auswärtigen Amts.
1. Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG. Danach hat jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen.
Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG liegen vor. Der Kläger ist als natürliche Person €jeder€ im Sinne des Gesetzes. Das Auswärtige Amt ist auch eine Behörde des Bundes. Denn hierunter fällt jede staatliche Stelle des Bundes, die öffentliche Verwaltungsaufgaben wahrnimmt und weder der Gesetzgebung noch der Rechtsprechung zuzurechnen ist (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 5. Oktober 2010 - OVG 12 B 5.08 -). Dies gilt insbesondere für die Bundesministerien als oberste Behörden des Bundes (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 - BVerwG 7 C 3/11 - Juris).
Amtliche Information ist gemäß § 2 Nr. 1 Satz 1 IFG jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Die Informationen über das Verhalten des Klägers bei der Wahlbeobachtungsmission in der Ukraine im Jahre 2010 befinden sich in dem Vorgang der Beklagten und sie dienen amtlichen Zwecken im Sinne des § 2 Nr. 1 Satz 1 IFG, da sie bei der Beklagten im Rahmen der Beschwerde des Kläger gegen eine Entscheidung eines Organs der ZIF gGmbH angefallen sind, die wiederum im Aufgabenkreis des Auswärtigen Amtes die Entsendung von Experten an internationale Organisationen unterstützt.
2. Die von der Beklagten geltend gemachten Ausschlussgründe liegen nicht vor. Das Gericht beurteilt dies nach den Angaben der Beklagten. Denn Maßstab für die Prüfung von Ausschlussgründen ist, ob deren Vorliegen von der Behörde plausibel dargelegt werden kann; dabei müssen die Angaben nicht so detailliert sein, dass Rückschlüsse auf die geschützte Information möglich sind, sie müssen aber so einleuchtend und nachvollziehbar sein, dass das Vorliegen von Ausschlussgründen geprüft werden kann (vgl. Urteile der Kammer vom 31. Mai 2007 - VG 2 A 93.06 - Juris, Rn. 21, und 10. September 2008 - VG 2 A 167.06 -). Die Beklagte beruft sich auf § 3 Nr. 1 Buchst. a) und Nr. 7 IFG sowie auf § 5 IFG, ohne jeweils prüffähige Ausführungen zu den Ausschlussgründen zu machen.
a. Nach § 3 Nr. 1 Buchst. a) IFG besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn das Bekanntwerden der Information nachteilige Auswirkungen auf internationale Beziehungen haben kann.
Der Ausschlussgrund des § 3 Nr. 1 Buchst. a) IFG schützt die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland und das diplomatische Vertrauensverhältnis zu ausländischen Staaten sowie zu zwischen- und überstaatlichen Organisationen, etwa der Europäischen Union oder den Vereinten Nationen (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs BT-Drucks. 15/4493 S. 9).
Bei der Beantwortung der Frage, was nachteilige Auswirkungen auf die internationalen Beziehungen sind, steht der informationspflichtigen Stelle ein Beurteilungsspielraum zu. Ob die nachteiligen Auswirkungen eintreten können, wenn die Informationen bekannt werden, erfordert eine Prognose der informationspflichtigen Stelle (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2009 - BVerwG 7 C 22/08 - Juris).
aa. Innerhalb des grundsätzlich weit bemessenen Spielraums bestimmt die Bundesregierung die außenpolitischen Ziele und die zu ihrer Erreichung verfolgte Strategie. Welche Ziele die Bundesregierung mit Hilfe welcher Strategie verfolgen will, entzieht sich mangels hierfür bestehender rechtlicher Kriterien weithin einer gerichtlichen Kontrolle. Ob ein Nachteil für die Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu einem auswärtigen Staat eintreten kann, hängt wiederum davon ab, welche außenpolitischen Ziele die Bundesrepublik Deutschland im Verhältnis zu diesem Staat verfolgt. Nur mit Blick auf diese Ziele und die insoweit verfolgte außenpolitische Strategie kann die Frage beantwortet werden, ob sich die Bekanntgabe von Informationen auf die auswärtigen Belange nachteilig auswirken kann. Nachteil ist, was den außenpolitischen Zielen und der zu ihrer Erreichung verfolgten außenpolitischen Strategie abträglich ist. Wann eine Auswirkung auf die Beziehungen zu einem ausländischen Staat ein solches Gewicht hat, dass sie in diesem Sinne als Nachteil anzusehen ist, hängt ebenfalls von der Einschätzung der Bundesregierung ab. Nur die Bundesregierung kann bestimmen, ob eine von ihr erwartete oder befürchtete Einwirkung auf die auswärtigen Beziehungen mit Blick auf die insoweit verfolgten Ziele hingenommen werden kann oder vermieden werden soll (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2009, a.a.O.).
Ausgehend von dieser Definition liegen die Voraussetzungen des Ausschlussgrundes nicht vor. Nach den Angaben der Beklagten im Widerspruchsbescheid ist es der Bundesregierung wichtig, einen Beitrag zur demokratischen Entwicklung von Regierungen und Gesellschaften im OSZE-Raum zu leisten. Dieses Ziel verfolge sie durch die Entsendung von gut geschulten Beobachtern in angemessener Zahl. Die Wahlbeobachtungsmissionen seien auf die Qualität und Vertrauenswürdigkeit der entsandten Experten angewiesen. Die Bundesregierung lege Wert auf ein Vertrauensverhältnis zu den die Wahlbeobachtungen durchführenden Organisationen, den in die Missionen entsandten Leitungskadern aus dem diplomatischen Dienst anderer Staaten und den die Beobachtungsmissionen empfangenen Staaten. Dieses Vertrauensverhältnis werde beeinträchtigt, wenn die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet wäre, Informationen offen zu legen, die ihr von Mitarbeitern anderer OSZE-Staaten im Vertrauen mitgeteilt wurden.
Diese von der Beklagten genannten Ziele sind so weit definiert, dass sie sich jenseits des gesetzlichen Beurteilungsspielraums bewegen. Die Angaben der Beklagten lassen keine politische Strategie erkennen. Sie umschreiben vielmehr ein allgemein gefasstes wechselseitiges Wohlwollen, das nicht die Interessen anderer Staaten oder internationaler Organisationen und die Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu diesen Staaten und Organisationen betrifft, sondern außerhalb konkreter diplomatischer Kontakte die persönlichen Beziehungen zu Menschen aus diesen Staaten und Organisationen umschreibt, die möglicherweise einen diplomatischen Status haben oder hatten, aber außerhalb einer diplomatischen Mission den Kontakt zu einem Leitungsorgan einer von der Beklagten errichteten juristischen Person des inländischen Privatrechts gesucht haben. Insoweit fehlt bereits ein hinreichend plausibler Zusammenhang zu den internationalen Beziehungen der Beklagten.
bb. Der mögliche Eintritt von Nachteilen für die internationalen Beziehungen kann nur Gegenstand einer plausiblen und nachvollziehbaren Prognose sein, die ihrerseits nur in engen Grenzen verwaltungsgerichtlich überprüfbar ist. Ob und wie sich das Bekanntwerden von Informationen auf die außenpolitischen Ziele auswirkt, hängt von auf die Zukunft bezogenen Beurteilungen ab, die notwendig mit einem gewissen Maß an Unsicherheit verbunden sind. Das Gericht kann insoweit nur nachprüfen, ob die Behörde von einem zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist, ihre Prognose einleuchtend begründet hat und keine offensichtlich fehlerhafte, insbesondere in sich widersprüchliche Einschätzung getroffen hat. Was den Grad der Gewissheit anlangt, lässt die Vorschrift damit die Möglichkeit nachteiliger Auswirkungen ausreichen. Eher fernliegende Befürchtungen scheiden hingegen aus (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2009, a.a.O.).
Eine überzeugende Prognose lässt sich den Angaben der Beklagten im Widerspruchsbescheid auch insoweit nicht entnehmen. Dort heißt es lediglich allgemein, eine Offenlegung von Informationen, die der Bundesrepublik Deutschland von Mitgliedern anderer OSZE Staaten im Vertrauen mitgeteilt wurden, würde die zukünftige vertrauensvolle Zusammenarbeit in hohem Maße gefährden. Diese Überlegung trägt nicht, weil innerhalb der jeweiligen Missionen unstreitig eine Evaluierung stattfindet und dabei auch kritikwürdiges Verhalten von einzelnen Wahlbeobachtern angesprochen werden kann. In dieser Weise ist auch bei der letzten Mission des Klägers verfahren worden, die von ihm als Kritik verstandene Darstellung seines Verhaltens dann jedoch nicht schriftlich festgehalten worden. Jedenfalls ist kein hinreichender Zusammenhang zu den Beziehungen der Beklagten zu anderen Staaten und internationalen Organisationen erkennbar, wenn privat übermittelte Erkenntnisse aus einer beendeten internationalen Mission an die Öffentlichkeit gelangen würden, die das Verhalten des Klägers während dieser Mission betreffen. Die Befürchtungen der Beklagten stellen sich daher als fernliegend dar.
32b. Nach § 3 Nr. 7 IFG besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht bei vertraulich erhobener oder übermittelter Information, soweit das Interesse des Dritten an einer vertraulichen Behandlung im Zeitpunkt des Antrags auf Informationszugang noch fortbesteht. €Vertraulich€ sind nach der Rechtsprechung der Kammer (Urteil vom 8. Dezember 2011 - VG 2 K 75.10 -) solche Informationen, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind. Dies setzt eine - ausdrückliche oder sich aus den Umständen ergebende - Übereinstimmung des Informationsgebers mit dem Informationsnehmer darüber voraus, dass die Information der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht wird. Nur dann besteht die Schutzwürdigkeit des Vertrauens, an welches der Begriff (auch) anknüpft und dessen Schutz die Norm bezweckt.
Es ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass die Direktorin der ZIF gGmbH der Informationsperson Vertraulichkeit zugesichert hat, als beide am Rande einer Veranstaltung im Auswärtigen Amt im Frühjahr 2010 miteinander gesprochen haben. Nach den Angaben der Beklagten über das Ergebnis des Beteiligungsverfahrens mit diesem Dritten besteht dessen Interesse an der Geheimhaltung auch im Hinblick auf den Antrag des Klägers auf Informationszugang weiter.
34Über die vereinbarte Vertraulichkeit hinaus setzt der Ausschlussgrund nach Auffassung der Kammer jedoch voraus, dass der Dritte ein schutzwürdiges Interesse an der vertraulichen Behandlung seiner Informationen hat. Der Wortlaut der Vorschrift ist insoweit offen. Im Gesetz ist ausdrücklich geregelt, dass das Interesse des Dritten an einer vertraulichen Behandlung im Zeitpunkt des Antrags auf Informationszugang noch fortbestehen muss. Es ist jedoch unklar, was mit dem €Interesse des Dritten€ umschrieben wird. Dies könnte so verstanden werden, dass es sich allein auf die Vertraulichkeitsvereinbarung bezieht. Es könnte jedoch auch auf ein darüber hinausgehendes Interesse hinweisen. Bei einer systematischen Betrachtung sprechen die weiteren in § 3 Nr. 1 - 6 und 8 IFG geregelten Fallgruppen dafür, auch die Regelung in § 3 Nr. 7 IFG eng auszulegen, da die Norm insgesamt dem Schutz besonderer öffentlicher Belange dient. Dieser Befund wird durch die Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck der Vorschrift bestätigt. So heißt es in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 15/4493, S. 9) allgemein, die §§ 3 und 4 enthielten Ausnahmetatbestände, die im öffentlichen Interesse liegen; versagt werden dürfe nur in dem Umfang, in dem die Information schützenswert sind; nach den üblichen Auslegungsregeln seien die Ausnahmetatbestände eng zu verstehen. Speziell zu § 3 Nr. 7 IFG wird erläutert (BT-Drs. 15/4493, S. 11), Behörden seien in hohem Maße auf eine € insbesondere freiwillige € Informationszusammenarbeit mit Bürgern angewiesen. Da die Bereitschaft der Bürger zu einer solchen Kooperation von dem Vertrauen in die Verschwiegenheit der Verwaltung abhänge, müsse vertrauliche Information geschützt werden. Dies gelte auf Bundesebene vor allem für das Bundeskartellamt, die Bundesregulierungsbehörde für Elektrizität, Gas, Telekommunikation und Post, das Bundesamt für Verfassungsschutz, den Bundesnachrichtendienst und den Militärischen Abschirmdienst. Da die Bereitschaft der Bürger zu einer solchen Kooperation von dem Vertrauen in die Verschwiegenheit der Verwaltung abhänge, müsse vertrauliche Information geschützt werden. Vertraulich sei eine vertraulich (von der Behörde) erhobene oder (an die Behörde) übermittelte Information. Dieser Gedanke liege auch anderen Rechtsvorschriften zugrunde. Die Schweiz schütze vertrauliche Information durch Artikel 7 Abs. 1 Buchstabe h des schweizerischen Öffentlichkeitsgesetzes vom 12. Februar 2003. Im deutschen Recht müssten Bürger, die Auskünfte für statistische Zwecke erteilen, sicher sein können, dass ihre Angaben anonym bleiben und nicht zweckfremd verwendet werden (das Statistikgeheimnis werde vom Ausnahmetatbestand des § 3 Nr. 4 geschützt). Nach § 29 Abs. 2, 3. Var. VwVfG sei das Recht auf Akteneinsicht in Verwaltungsverfahren ausgeschlossen, wenn die Vorgänge wegen berechtigter Interessen Dritter geheim zu halten sind. Auf dieser Grundlage kann eine Vertraulichkeitsabrede den Informationszugang nur dann ausschließen, wenn diese Abrede auf einem schutzwürdigen Geheimhaltungsinteresse des Informanten oder der Behörde beruht (so auch Berger/Roth/Scheel, IFG, 2006, § 3 Rn. 147).
Anhaltspunkte für ein schutzwürdiges Interesse des Dritten bestehen auf der Grundlage der Angaben der Beklagten nicht. Die Beklagte hat allein behauptet, dass der Dritte ein solches Interesse habe, dies aber auch auf Nachfrage weder einleuchtend noch nachvollziehbar beschrieben. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die ZIF gGmbH in dem konkreten Fall für ihre Aufgabenerfüllung auf vertrauliche Angaben des Dritten angewiesen ist. Denn es ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass die Missionen evaluiert werden und eventuelle Beanstandungen des Verhaltens der entsandten Experten auf dem Dienstweg übermittelt werden können. Auf diesem Weg wurde nach dem Vorbringen des Klägers an ihm zunächst Kritik geübt, die dann jedoch auf seine Einwendungen von den Vorgesetzten als nicht stichhaltig angesehen wurde. Ist jedoch ein Verfahren zur Informationsübermittelung vorgesehen, kann es nicht schutzwürdig sein, auf informellen Kanälen und unter dem Schutz der Vertraulichkeit Vorhaltungen zu transportieren, zu denen der Kläger nicht Stellung nehmen kann.
c. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 IFG darf Zugang zu personenbezogenen Daten nur gewährt werden, soweit das Informationsinteresse des Antragstellers das schutzwürdige Interesse des Dritten am Ausschluss des Informationszugangs überwiegt oder der Dritte eingewilligt hat. Personenbezogene Daten sind Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren Person (§ 3 Abs. 1 BDSG); dazu rechnen auch Handlungen, Äußerungen und sonstige Verhaltensweisen von Personen (vgl. Urteil der Kammer vom 11. November 2010 - VG 2 K 35.10 -; Dammann in: Simitis, BDSG, 6. Aufl. 2006, Rn. 10 zu § 3). Solche Informationen liegen hier unstreitig vor, denn die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, dass der Inhalt der dem Kläger vorenthaltenen Information jedenfalls auch Rückschlüsse auf den von der Beklagten geheim gehaltenen Informanten zulässt. Die daher erforderliche Abwägung fällt zu Gunsten des Informationsinteresses des Klägers aus.
Haben die Dritten in dem nach § 8 Abs. 1 IFG durchgeführten Beteiligungsverfahren ihre Einwilligung nicht erteilt, bestimmt § 5 Abs. 2 IFG, dass das Informationsinteresse des Antragstellers nicht überwiegt bei Informationen aus Unterlagen, soweit sie mit einem Dienst- oder Amtsverhältnis oder einem Mandat des Dritten in Zusammenhang stehen. Die Vorschrift des § 5 Abs. 2 IFG schützt bei Bediensteten im Öffentlichen Dienst die Personalakten im materiellen Sinne (vgl. Urteil der Kammer vom 11. November 2010 - VG 2 K 35.10 -).
Zur Personalakte gehören gemäß § 106 Abs. 1 Satz 3 BBG alle Unterlagen, die die Beamtin oder den Beamten betreffen, soweit sie mit ihrem oder seinem Dienstverhältnis in einem unmittelbaren inneren Zusammenhang stehen (Personalaktendaten). Nicht Bestandteil der Personalakte sind gemäß § 106 Abs. 1 Satz 5 BBG Unterlagen, die besonderen, von der Person und dem Dienstverhältnis sachlich zu trennenden Zwecken dienen, insbesondere Prüfungs-, Sicherheits- und Kindergeldakten. Bei der Abgrenzung kommt es maßgeblich darauf an, ob eine Verletzung von Dienstpflichten festgestellt wurde, da solche Informationen nach dem Fürsorge- und Schutzgedanken in die Personalakte aufzunehmen sind (vgl. Urteil der Kammer vom 5. Mai 2011 - 2 K 132.10 - und Beschluss des Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg vom 16. Dezember 2010 - OVG 12 M 21.10 -, Juris).
Insoweit sind die streitbefangenen Informationen, soweit sie den Kläger betreffen, Personalaktendaten vergleichbar. Denn die Informationen betreffen ein Verhalten des Klägers, das es auch aus der Sicht der Beklagten rechtfertigte, den Kläger nicht mehr als Experten bei internationalen Einsätzen zu nominieren. Der Kläger hat jedoch bezogen auf die ihn betreffenden Informationen kein Geheimhaltungsinteresse. Bei der Informationsperson besteht hingegen dieser unmittelbare Bezug zu ihrem Dienstverhältnis offenbar nicht, so dass die Informationen insoweit nicht kraft Gesetzes besonders geschützt sind. Denn der Dritte hat das Verhalten des Klägers - soweit erkennbar - aus einer neutralen Position beobachtet. Nach den Angaben der Beklagten in der mündlichen Verhandlung soll es jedenfalls typischerweise auch in die Öffentlichkeit des Staates gewirkt haben, in dem die Wahlbeobachtung stattfand.
Nach § 8 Abs. 1 IFG gibt die Behörde einem Dritten, dessen Belange durch den Antrag auf Informationszugang berührt sind, schriftlich Gelegenheit zur Stellungnahme binnen eines Monats, sofern Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er ein schutzwürdiges Interesse am Ausschluss des Informationszugangs haben kann. Dieses Verfahren ist hier eingehalten worden. Die Beklagte hat die Informationsperson beteiligt und diese hat zu erkennen gegeben, dass sie weiterhin Wert auf Geheimhaltung legt. Soweit sie besondere individuelle schutzwürdige Interessen dargelegt haben sollte, hat die Beklagte diese auch auf ausdrückliche Nachfrage in der mündlichen Verhandlung nicht mitgeteilt.
Daher sprechen die erheblichen Folgen, die die Angaben der Informationsperson für die langjährige Tätigkeit des Klägers als Experte bei internationalen Missionen hatten, dafür dass das Informationsinteresse des Klägers das Geheimhaltungsinteresse des Dritten überwiegt. Zwar kann der Kläger insoweit nicht geltend machen, er habe einen Anspruch zu solchen Missionen entsandt zu werden. Er ist jedoch auf Grund von Informationen, deren Wahrheitsgehalt er nicht überprüfen kann und zu denen er nicht Stellung nehmen kann, generell von zukünftigen Missionen ausgeschlossen worden. Bei der Informationsperson ist hingegen nicht ersichtlich, welche Folgen es für sie haben könnte, wenn dem Kläger bekannt würde, wer sie ist und welche Informationen sie der Direktorin der ZIF gGmbH über ihn geben hat. Die Beklagte hat auch insoweit in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen auf die internationalen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland abgestellt, bei denen jedoch eine mögliche Beeinträchtigung durch eine Auskunft an den Kläger nicht überzeugend dargelegt wurde.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis beruhen auf § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 Satz 1 und 2 i. V. m. § 709 Satz 2 ZPO.
Die Berufung wird gemäß § 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 124 a VwGO i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Denn die Auslegung des § 3 Nr. 7 IFG ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung noch nicht geklärt.BESCHLUSS
Der Wert des Streitgegenstandes wird gemäß §§ 39 ff., 52 f. des Gerichtskostengesetzes auf
5.000,00 Euro
festgesetzt.
VG Berlin:
Urteil v. 22.03.2012
Az: 2 K 102.11
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