Oberlandesgericht Koblenz:
Urteil vom 25. Februar 2009
Aktenzeichen: 4 U 759/07

(OLG Koblenz: Urteil v. 25.02.2009, Az.: 4 U 759/07)

Tenor

1.) Die Berufung der Klägerin gegen das am 16.05.2007 verkündete Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach € 2 O 441/06 € wird zurückgewiesen.

2.) Die Klägerin hat die weiteren Kosten des Rechtsstreites zu tragen.

3.) Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

4.) Die Revision wird zugelassen.

5.) Der Gegenstandswert für das Verfahren wird auf 2.000.000 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin betreibt eine kommerzielle Fluggesellschaft. Die Beklagte ist die Betreiberin des Verkehrsflughafens .... Gesellschafter der Beklagten sind überwiegend die ... AG und zu jeweils 17,5% die Länder Rheinland-Pfalz und Hessen. Die Hauptgesellschafterin der Beklagten, die ... AG ist an der Börse notiert, wobei die Mehrheit der Aktien in der Hand der Bundesrepublik Deutschland, des Landes Hessen und der Stadt Frankfurt liegen.

Der Verkehrsflughafen ... ist aus einem ehemaligen Stützpunkt der Luftstreitkräfte der Vereinigten Staaten von Amerika hervorgegangen. Nach der Aufgabe dieses Stützpunktes wurde die Anlage der zivilen Nutzung zugeführt, wobei in nicht unerheblichem Maße von der Beklagten Baumaßnahmen durchgeführt wurden. Der Betrieb des Flughafens führt - entgegen ursprünglichen Prognosen auch über das Jahr 2006 hinaus - zu jährlichen Verlusten der Beklagten in Höhe von mehreren Millionen Euro, die aufgrund von Ergebnisabführungsverträgen aus den Jahren 1998 und 2000 in der Vergangenheit und aufgrund der derzeitigen Vertragslage auch bis ins Jahr 2014 von der ... AG getragen werden.

Das Passagieraufkommen ist zu einem ganz wesentlichen Teil auf die Tätigkeit der ... Limited zurückzuführen, die als sogenannter Low Cost Carrier den Flughafen ... als zentralen kontinentalen Knotenpunkt gewählt hat und von hier eine Vielzahl von europäischen Städten und Regionen anfliegt. Grundlage ist ein Vertrag zwischen der ... Limited und der Beklagten. Die Beklagte gewährt der Fluggesellschaft jährliche Zahlungen als €Marketing-Support€ oder €Marketing-Förderung€ in einer der Klägerin bisher nicht bekannten Höhe. Die Fluggesellschaft ihrerseits zahlt aufgrund einer Entgeltordnung der Beklagten je Passagier ein Entgelt. In der zuletzt maßgeblichen Entgeltsatzung war vorgesehen, dass sich das Entgelt je Passagier ab einer Gesamtpassagierzahl von 3 Millionen Menschen reduziert. Start-, Lande- und Anflugentgelte werden ebenso wenig geschuldet wie ein Entgelt für die Nutzung der zentralen Infrastruktureinrichtungen, weil die Fluggesellschaft ausschließlich Flugzeuge nutzt, die die entsprechenden Ermäßigungstatbestände erfüllen.

Die Klägerin meint:

Die maßgeblichen Entgeltordnungen aus den Jahren 2001 und 2006 sähen für die ... Ltd. ein zu niedriges Entgelt vor, so dass es zwangsläufig zu Verlusten der Beklagten kommen müsse. Die nicht angemessenen Entgelte stellten ebenso wie die Leistung von €Marketing Support€ aufgrund der Gesellschafterstruktur staatliche Beihilfen im Sinne der Art 87, 88 EG-Vertrag dar, die unzulässig seien. Ob diese nach Art. 88 Abs. 3 S. 3 EG-Vertrag rechtmäßig gewährt werden könnten, bedürfe keiner Entscheidung, weil es hierfür an einer unstreitig nicht vorliegenden Entscheidung der EU-Kommission fehle. Die Erzielung von Gewinnen durch die Beklagte sei auf Dauer nicht absehbar.

Die Klägerin trägt vor:

Die Zahlung des €Marketing Support€ erfolge ohne nennenswerte Gegenleistung und sei von einem privaten Investor nicht zu erlangen.

Die Klägerin hat vor dem Landgericht beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Auskunft zu erteilen über die Höhe und den Zeitpunkt der in den Jahren 2002, 2003, 2004 und 2005 an die Fluggesellschaft ... Ltd. gezahlten Beträge in Form von €Marketing Support€, die aufgrund des Vertrages über den Aufbau der ersten deutschen Basis aus dem Jahr 2001/2002 mit der Fluglinie ... Ltd. entrichtet wurden;

2. die Beklagte zu verurteilen, erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben an Eides statt zu versichern;

3. die Beklagte zu verurteilen, von der ... Ltd. staatliche Beihilfen in Form von €Marketing Support€ in einer nach Erteilung der Auskunft noch zu bestimmenden Höhe zuzüglich Zinsen für die im Jahre 2002 gewährten Beihilfen in Höhe von 6,32% ab Auszahlung, für die im Jahre 2003 gewährten Beihilfen in Höhe von 5,44% ab Auszahlung, für die im Jahre 2004 gewährten Beihilfen in Höhe von 5,24% ab Auszahlung und für die im Jahre 2005 gewährten Beihilfen in Höhe von 5,04% ab Auszahlung zurückzufordern;

4. die Beklagte zu verurteilen, von der ... Ltd. staatliche Beihilfen aus der Reduzierung von Flughafenentgelten für das Jahr 2003 in Höhe von 2,679 Millionen EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5,44% für die Zeit vom 01. Januar bis 31. Dezember 2004 und 5,04% vom 01. Januar bis zum 31. Dezember 2005 und 4,89% ab dem 01. Januar 2006 zurückzufordern;

5. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, in Zukunft staatliche Beihilfen (insbesondere in Form der Start- und Landeentgelte für Passagierflüge nach der Entgeltordnung 2006) an die ... Ltd. zu gewähren, ohne dass diese zuvor nach Artikel 88 Abs. 3 EG bei der Kommission der Europäischen Gemeinschaften angemeldet und von dieser genehmigt wurden;

6. der Beklagten anzudrohen, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000,00 EUR oder eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten gegen sie festgesetzt wird.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Unzulässigkeit der Klage gerügt und meint:

Unabhängig von ihrer materiell-rechtlichen Verpflichtung zur Rückforderung vermeintlicher Beihilfen könne sie jedenfalls für die Jahre 2002 und 2003 hierzu nicht verurteilt werden, da mögliche Rückforderungsansprüche insoweit bereits verjährt seien. Es sei unternehmerisch nicht zu beanstanden, wenn sie über einen Zeitraum von 10 Jahren langfristig kalkulierte Verluste hinnehme, um dann Gewinn zu erwirtschaften.

Die Beklagte trägt vor:

Die beanstandeten Leistungen würden nicht nur der ... Ltd. gewährt, sondern stünden allen Fluggesellschaften offen, die ihre Leistungen in Anspruch nähmen. Sie erwarte für das Jahr 2009 einen Gewinnüberschuss. Sie erziele ihre wesentlichen Einnahmen mit Parkentgelten sowie Umsatzabgaben des Einzelhandels und der Gastronomie.

Ein Private-Investor-Test habe zu dem Ergebnis geführt, dass die Verträge der Beklagten mit der ... Ltd. einen positiven Deckungsbeitrag erbrachte, die Entscheidungen des Hauptgesellschafters betriebswirtschaftlich sinnvoll und nachvollziehbar seien und das Handeln der Beklagten den Grundsätzen des marktwirtschaftlich handelnden privaten Kapitalgebers entsprächen.

Das Landgericht Bad Kreuznach hat den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten als eröffnet angesehen, die Klage jedoch in der Sache als unbegründet abgewiesen. Der Klägerin stehe aus Rechtsgründen kein Anspruch gegen die Beklagte zu, dass diese die an ... Ltd. erbrachten Leistungen von €Marketing Support€ zurückfordere. Mangels Hauptanspruchs bestehe auch kein Anspruch auf eine entsprechende Auskunftserteilung sowie die damit in Zusammenhang stehende Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung. Es könne zugunsten der Klägerin unterstellt werden, dass es sich bei den Leistungen der Beklagten um unzulässige Beihilfen nach Art. 87, 88 EG-Vertrag handele, weshalb die zugrunde liegenden Verträge zwischen der Beklagten und der ... Ltd. gemäß § 134 BGB nichtig seien und deshalb der Beklagten auch ein Rückzahlungsanspruch gegenüber der ... Ltd. zustehe. Auch könne zugunsten der Klägerin unterstellt werden, dass der Einwand der Verjährung nicht durchgreife, weil er europarechtlich überlagert sei. Die Klägerin sei aber mangels Anspruchsgrundlage nicht berechtigt, von der Beklagten die Einleitung eines entsprechenden Rückforderungsverlangens zu fordern. §§ 3, 8 UWG könnten einen solchen Anspruch nicht begründen, weil die Leistungen der Beklagten an die ... Ltd. kein Verhalten darstelle, welches auf das Wettbewerbsgeschehen einwirke. Allein die Auswirkungen auf den Wettbewerb reichten hierfür nicht aus. Art 87 und 88 EG-Vertrag wiesen aus sich heraus keinen Marktbezug auf. Auch aus § 823 Abs. 1 BGB oder § 1004 BGB wegen eines Eingriffes in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ergebe sich der geltend gemachte Anspruch nicht. In der Förderung der ... Ltd. als Wettbewerber liege kein betriebsbezogener Eingriff zu Lasten der Klägerin, der eine unmittelbare Beeinträchtigung zur Folge gehabt hätte. Da es sich bei Art 87 und 88 EG-Vertrag nicht um Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB handele, könne auch hieraus kein Anspruch hergeleitet werden. Letztlich ergebe sich nicht unmittelbar aus Art 88 Abs. 3 EG-Vertrag ein solcher Anspruch. Weder enthalte die Norm einen unmittelbaren zivilrechtlichen Anspruch, noch verlange der Gesichtspunkt des effektiven Rechtsschutzes die Zulassung eines solchen Anspruches.

Der Klägerin stehe auch kein Anspruch gegen die Beklagte auf Einforderung von Flughafenentgelten im Umfange des Klageantrages zu 4) zu. Insoweit sei bereits zweifelhaft, ob es sich bei der Entgeltordnung der Beklagten um eine Beihilfe im Sinne der Art 87, 88 EG-Vertrag handele. Die darin vorgesehenen Entgelte beträfen nicht nur die ... Ltd., sondern alle Flughafenbenutzer. Die Ermäßigungstatbestände seien so allgemein gefasst, dass die Behauptung, sie seien auf die Beklagte zugeschnitten, nicht überzeugend sei. Ungeachtet dessen scheitere der Anspruch aber jedenfalls auch daran, dass es an einer entsprechenden Anspruchsgrundlage fehle.

Der Antrag zu 5, zukünftig Beihilfen an die ... Limited zu unterlassen, sei mangels hinreichender inhaltlicher Bestimmtheit bereits unzulässig. Hilfsweise stützt das Landgericht seine Entscheidung darauf, dass der Antrag mangels Anspruchsgrundlage auch unbegründet ist. Angesichts dieser Rechtslage sei für die beantragte Androhung einer Ordnungsmaßnahme nach § 890 Abs. 2 ZPO kein Raum.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil vom 16.05.2007 (Bl. 344 € 356 GA) Bezug genommen. Dieses wurde der Klägerin am 18.05.2007 zugestellt.

Mit Schreiben vom 30.05.2007 hat die Klägerin und mit Schreiben vom 31.05.2007 die Beklagte einen Antrag auf Berichtigung des Tatbestandes nach § 320 ZPO gestellt. Das Landgericht Bad Kreuznach hat darauf den Tatbestand in der Weise geändert, dass die Beklagte die Unzulässigkeit der Klage, nicht aber die Unzulässigkeit des Rechtsweges gerügt habe. Im übrigen hat es die Anträge zurückgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss vom 12.06.2007, Bl. 398 € 401 GA verwiesen.

Mit Schriftsatz vom 12.06.2007 hat die Klägerin gegen das Urteil in der durch die erfolgte Berichtigung gefundenen Form Berufung eingelegt.

Die Klägerin hat am 22. Juni 2007 die Verweisung des Rechtsstreites vom erkennenden Senat an den Kartellsenat des Oberlandesgerichtes Koblenz und zugleich eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 18.08.2007 beantragt, worauf der Vorsitzende des 4. Zivilsenates am 22.06. die Berufungsbegründungsfrist bis zum 20.08. 2007 verlängert hat. Die Berufungsbeklagte hat dem Verweisungsantrag widersprochen.

Am 20.08.2007 hat die Klägerin ihre Berufung begründet, wobei sie im wesentlichen ihren erstinstanzlichen Vortrag wiederholt und vertieft. Zugleich hat sie Verfahrensfehler des erstinstanzlichen Gerichtes, insbesondere einen Verstoß gegen das Gebot der prozessualen Waffengleichheit, unzureichende Hinweise nach § 139 ZPO, eine unzureichende Erörterung des Sach- und Streitstandes in der mündlichen Verhandlung, eine zu beanstandende Protokollierung der mündlichen Verhandlung und eine zu Unrecht erfolgte Zurückweisung des Tatbestandsberichtigungsantrages gerügt.

Die Klägerin ist weiterhin der Auffassung, dass ihre Anspruchsbegehren unmittelbar von Art 88 Abs. 3 EG-Vertrag, jedenfalls von Art 88 Abs. 3 EG-Vertrag i.V.m. § 1004 BGB getragen würden. Art 88 Abs. 3 EG-Vertrag sei nach der Rechtsprechung der europäischen Gerichte unmittelbar anwendbar. Aus dem Wortlaut, der Systematik und der Entstehungsgeschichte der Art 87 und 88 EG-Vertrag ergebe sich deren drittschützender Charakter, der in der Rechtsprechung des EuGH wie des BGH und von der ganz überwiegenden Auffassung in der Literatur anerkannt sei. Ausgehend von dieser Anspruchsgrundlage stellten sich sowohl die gewährte Marketingförderung aufgrund des Vertrages mit ... aus dem Jahre 2001 und nachfolgenden Rechtsakten als auch die Reduzierung von Flughafenentgelten als staatliche Beihilfen dar. Mit beiden Zuwendungen habe sich die Beklagte als öffentliches Unternehmen nicht so verhalten wie ein privater Investor (€Private-Investor-Test€). Dies ergebe sich auch aus der Verfügung der Europäischen Kommission vom 17.06.2008 € K (2008) 2276 betreffend die €Staatliche Beihilfe Nr. C 29/2008(ex NN 54/2007 € Deutschland / ... Flughafen Gesellschaft und ... plc€, mit der die Europäische Kommission ein Verfahren nach Artikel 88 Abs. 2 EG-Vertrag (Anlage zum Schriftsatz vom 17.12.2008, Bl. 1110 GA) eingeleitet habe. Dabei sei zu beachten, dass jede einzelne Maßnahme für sich zu betrachten und damit eine Gesamtschau in einem Geschäftsmodell unzulässig sei. Letztlich sei ihr, der Klägerin, Begehren von § 33 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 GWB i.V.m. Art 82 EG-Vertrag und §§ 19, 20 GWB gedeckt. Hier sei zwingend das Bundeskartellamt zu informieren.

Die Klägerin beantragt im Berufungsverfahren zuletzt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Landgerichtes Bad Kreuznach vom 16.05.2007 (2 O 441/06) die Beklagte zu verurteilen,

1. der Klägerin Auskunft zu erteilen über die Höhe und den Zeitpunkt der in den Jahren 2002, 2003, 2004 und 2005 von der Beklagten aufgrund des mit der Fluglinie ... Ltd. geschlossenen €Vertrag[s] über den Aufbau [der] ersten Basis€ aus dem Jahr 2001/2002 an die Fluglinie ... Limited geleisteten €Marketingförderung€ in Form von (i) Einmalzahlungen für neu eingerichtete Strecken und (ii) Ermäßigungen der Flughafenentgelte nach Maßgabe der Anzahl der von ... Ltd. am Flughafen ... stationierten Flugzeuge und der Anzahl der ankommenden Passagiere;

2. erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben an Eides statt zu versichern;

3. von der ... Ltd. staatliche Beihilfen in Form der in Nr. 1 beschriebenen €Marketingförderung€ in einer nach Erteilung der Auskunft noch zu bestimmenden Höhe zuzüglich Zinsen für die im Jahr 2002 gewährten Beihilfen in Höhe von 6,32 % ab Auszahlung, für die im Jahr 2003 gewährten Beihilfen in Höhe von 5,44 % seit Auszahlung, für die im Jahr 2004 gewährten Beihilfen in Höhe von 5,24 % seit Auszahlung und für die im Jahr 2005 gewährten Beihilfen in Höhe von 5,04 % seit Auszahlung zurückzufordern;

Hilfsweise für den Fall, dass der Senat Art. 88 Abs. 3 S. 3 EG für nicht unmittelbar anwendbar hält:

von der ... Ltd. €Marketingförderung€ der in Nr. 1 beschriebenen Form in einer nach Erteilung der Auskunft noch zu bestimmenden Höhe zuzüglich Zinsen für die im Jahr 2002 gewährten Zahlungen in Höhe von 6,32 % ab Auszahlung, für die im Jahr 2003 gewährten Zahlungen in Höhe von 5,44 % seit Auszahlung, für die im Jahr 2004 gewährten Zahlungen in Höhe von 5,24 % seit Auszahlung und für die im Jahr 2005 gewährten Zahlungen in Höhe von 5,04 % seit Auszahlung zurückzufordern;

4. von der ... Ltd. staatliche Beihilfen aus der Reduzierung von Flughafenentgelten für das Jahr 2003 in Höhe von € 2,679 Millionen zuzüglich Zinsen in Höhe von 5,44 % ab 1. Januar bis 31. Dezember 2004 und 5,04 % ab 1. Januar bis 31. Dezember 2005 und 4,89 % ab 1. Januar 2006 zurückzufordern;

Hilfsweise für den Fall, dass der Senat Art. 88 Abs. 3 S. 3 EG für nicht unmittelbar anwendbar hält:

von der ... Ltd. nicht erhobene Flughafenentgelte für das Jahr 2003 in Höhe von € 2,679 Millionen zuzüglich Zinsen in Höhe von 5,44 % ab 1. Januar bis 31. Dezember 2004 und 5,04 % ab 1. Januar bis 31. Dezember 2005 und 4,89 % ab 1. Januar 2006 nachzufordern.

5. es zu unterlassen, in Zukunft staatliche Beihilfen (insbesondere in Form der Start- und Landeentgelte für Passagierflüge nach der Entgeltordnung von 2006) an die ... Ltd. zu gewähren, ohne dass diese zuvor nach Art. 88 Abs. 3 EG

- bei der Kommission der Europäischen Gemeinschaften angemeldet und

- von dieser genehmigt wurden;

Hilfsweise:

es zu unterlassen, in Zukunft staatliche Beihilfen in Form von

- €Marketing Support€, €Anlaufbeihilfen€ oder sonstigen Zuschüssen und/oder

- vergünstigten Flughafenentgelten auf Grundlage von Nr. 3.2 lit. a) der Entgeltordnung von 2006

an ... Ltd. zu gewähren, ohne dass diese staatlichen Beihilfen zuvor nach Art. 88 Abs. 3 EG

- bei der Kommission der Europäischen Gemeinschaften angemeldet und

- von dieser genehmigt wurden.

Hilfsweise für den Fall, dass der Senat Art. 88 Abs. 3 S. 3 EG für nicht unmittelbar anwendbar hält:

es zu unterlassen, in Zukunft ... Ltd. durch die Gewährung von €Marketing Support€ oder sonstigen Zuschüssen nach Nr. 6 der Entgeltordnung von 2006 und den hierzu erlassenen Grundsätzen

zu begünstigen.

6. Der Beklagten wird angedroht, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von € 250.000,00 oder eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten gegen sie festgesetzt wird.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hat auf die Berufung am 06.11.2007 erwidert. Sie wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag und erhebt die Einrede der Verjährung. Dabei weist sie darauf hin, dass nach dem aktuellen Gesellschaftsvertrag die ... AG zwar nur 4 der 14 Aufsichtsratsmitglieder stellt, während das Land Hessen drei und das Land Rheinland-Pfalz 7 Aufsichtsratsmitglieder stelle. Aufgrund des in § 7 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages geregelten Stimmrechtes habe die ... AG aber insgesamt 95 Stimmen, während die Länder Rheinland-Pfalz und Hessen jeweils nur über 42 Stimmen, insgesamt also über 84 Stimmen verfügten. Die ... AG sei im Aufsichtsrat also allein bestimmend.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass Art 87, 88 EG-Vertrag weder unmittelbar noch mittelbar als Anspruchsgrundlage für das klägerische Vorbringen herangezogen werden können, da die Klägerin nicht Adressat der Vorschriften sei. Ungeachtet dessen liege auch keine staatliche Beihilfe im Sinne dieser Vorschriften vor. Es fehle sowohl an der Staatlichkeit als auch an einem bestimmten Unternehmen, welches durch die Leistungen begünstigt werde. An dieser rechtlichen Wertung ändere sich auch durch die Entscheidung der EU-Kommission vom 17.06.2008 nichts, da lediglich ein Prüfungsverfahren eingeleitet worden, aber keine Entscheidungen getroffen worden seien. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch sei schon unzulässig.

Der erkennende Senat hat zunächst am 23.01.2008 einen Hinweisbeschluss nach § 522 Abs. 2 S. 2 ZPO erlassen. Nachdem die Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme hatten, wurde Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 16.02.2009 bestimmt. Wegen der Einzelheiten der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll vom 16.02.2009 Bezug genommen.

Während des vorliegenden Rechtsstreites hat die EU-Kommission mit Schreiben vom 17. Juni 2008 mitgeteilt, dass sie ein förmliches Prüfverfahren nach Art 88 Abs. 2 EG-Vertrag eingeleitet hat. Gegenstand des Verfahrens ist einerseits die Beschwerde der Arbeitsgemeinschaft ..., zu deren Mitgliedern auch die Klägerin gehört, wegen behaupteter unrechtmäßiger staatlicher Beihilfen seitens der ... AG sowie der Bundesländer Rheinland-Pfalz und Hessen zugunsten der irischen Luftfahrtgesellschaft ... plc sowie des Betreibers des Flughafens ..., der Flughafen ... GmbH ... sowie andererseits ähnliche Beschwerden der Klägerin sowie einer weiteren Luftfahrtgesellschaft.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Parteivorbringens im Berufungsrechtszug wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie die hiermit zu den Akten gereichten Urkunden und sonstigen Unterlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Gründe

Die nach §§ 517, 520 ZPO zulässige Berufung hat keinen Erfolg.

1. Die Berufung ist zunächst zulässig.

a) Die am 12. Juni 2007 eingegangene Berufung ist in der am 18. Juni 2007 abgelaufenen Monatsfrist des § 517 ZPO erhoben worden. Die Berufungsbegründung vom 20.08.2007, eingegangen am gleichen Tage, ist in der verlängerten Frist des §§ 520 Abs. 2 S. 1, 222 Abs. 2 ZPO erfolgt. Gegen die Formalien der Berufung bestehen keine Bedenken.

b) Im Berufungsverfahren ist die Frage, ob das erstinstanzliche Gericht seine Zuständigkeit zu Recht angenommen hat, nach § 17a Abs. 5 GVG, der insoweit § 513 Abs. 2 ZPO vorgeht (Zöller-Gummer/Heßler, ZPO, 27. Aufl., § 513 Rn. 12), grundsätzlich nicht mehr zu prüfen.

Vorliegend ergibt sich allerdings die Besonderheit, dass das Landgericht nach seinem ursprüng­lichen Urteil € die Tatbestandsberichtigung außer Acht lassend - die Bestimmung des § 17a Abs. 3 GVG nicht beachtet hat, wonach über die Zulässigkeit des Rechtsweges zwingend vorab zu entscheiden ist, wenn € wie nach dem ursprünglichen Tatbestand € eine Partei die Zulässigkeit des Rechtsweges rügt. Gegen eine solche Vorabentscheidung wäre nach § 17a Abs. 4 GVG die sofortige Beschwerde und damit ein Rechtsmittel statthaft gewesen. Aus diesem Entzug eines Rechtsmittels wird hergeleitet, dass dann der Rechtsweg auch vom Rechtsmittelgericht in der Hauptsache überprüft werden kann und muss (BGH NJW 1993, 1799; BGH NJW 1998, 231; BGH NJW 1993, 470; BGH NJW 1994, 956).

Dieser Aspekt ist von Amts wegen zu berücksichtigen. Ob und inwieweit die Berufungsbegründung oder €erwiderung die Frage nach dem zulässigen Rechtsweg aufgreift, bleibt unerheblich. Grundsätzlich muss bei Missachtung des Vorabentscheidungsverfahrens durch das Ausgangsgericht das Oberlandesgericht selbst in das entsprechende Vor­ab­ent­scheidungsverfahren eintreten. Anderes gilt allerdings dann, wenn es die Zulässigkeit des Rechtsweges bejaht, ohne die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde als gegeben zu erachten (BGH NJW 1996, 1890; BGH NJW 1996, 591; BGH ZIP 1996, 1059; OLG Bremen OLGR 2002, 327; KG Berlin KGR 2005, 435).

Nachdem das Landgericht auf den Tatbestandsberichtigungsantrag der Beklagten sein Urteil allerdings dahin berichtigt hat, dass zwar die Unzulässigkeit der Klage, nicht aber die Unzulässigkeit des Rechtsweges gerügt wurde, ist der Verfahrensmangel im fehlenden Vorgehen nach § 17a Abs. 3 GVG geheilt. Ausgehend von der fehlenden Rüge durfte das Landgericht im Urteil über die Zulässigkeit des gewählten Rechtsweges mit der Folge entscheiden, dass der erkennende Senat die Zulässigkeit des Rechtsweges nach § 17a Abs. 5 GVG nicht mehr zu prüfen hat.

Dies ist von den Parteien mit ihren Stellungnahmen zum Hinweisbeschlusses des Senates nicht mehr aufgegriffen worden, so dass weitere Ausführungen entbehrlich sind.

c) Der Senat ist für die Entscheidung des Rechtsstreites funktionell zuständig. Es handelt sich nicht um eine Kartellsache im Sinne der §§ 91, 87 GWB. Wann eine Kartellsache vorliegt, bestimmt sich nach § 87 GWB. Danach sind Kartell­sachen nur solche nach dem GWB sowie den Art 81 und 82 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG-Vertrag). Die mit der Klage geltend gemachten und der Berufung weiterverfolgten Ansprüche sollen sich nach dem Vortrag der Klägerin aus Art 88 des EG-Vertrages ergeben. Soweit § 33 GWB genannt wird, bezieht auch dieser sich für das Unterlassungsgebot allein auf die Art 81 und 82 EG-Vertrag. Art 88 des EG-Vertrag ist nicht Bestandteil des europäischen Kartellrechtes. Das europäische Kartellrecht hat in materieller Hinsicht seine Regelung in Art 81 und 82 EG-Vertrag und in verfahrensrechtlicher Hinsicht in Art 83 € 86 EG-Vertrag gefunden. Angesichts der eindeutigen Bezugnahme in § 87 GWB auf die Art 81 und 82 EG-Vertrag sieht der Senat keine Regelungslücke, die die analoge Anwendung einer eng auszulegenden Zuständigkeitsnorm auf Art 88 EG-Vertrag gebietet. Die von der Klägerin in Bezug genommenen Ausführungen bei Tilmann/Schreibauer (GRUR 2002, 212, 222) gehen dahin, dass sie eine ausdrückliche Ergänzung des früheren § 96 GWB a.F. um einen Verweis auf die Art 87, 88 EG-Vertrag für wünschenswert erachtet haben. Schon vor einer solchen befürworteten Gesetzesänderung haben sie €möglicherweise€ eine entsprechende Auslegung von § 96 GWB a.F. als erwägenswert erachtet. Der Gesetzgeber ist dem bei der Novelle des GWB im Jahre 2005 aber gerade nicht gefolgt, sondern hat € bei gleichzeitiger Streichung von § 96 GWB a.F. € in § 87 GWB nur die Art 81, 82 EG-Vertrag in Bezug genommen. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass er die Art 87, 88 EG-Vertrag gerade nicht dem europäischen Kartellrecht zugeordnet hat und deshalb auch keine besondere Zuständigkeit der Kartellsenate begründen wollte. Vor diesem Hintergrund war eine Unterrichtung des Bundeskartellamtes nicht erforderlich.

Die Parteien wurden bereits mit Verfügung vom 28.08.2007 und nochmals mit dem Hinweisbeschluss vom 23.01.2008 darauf hingewiesen, dass der Senat davon ausgeht, dass es sich nicht um eine Kartellsache handelt. Die Parteien haben darauf ihren Vortrag allein wiederholt, ohne neue, nicht bereits berücksichtigte Gesichtspunkte mit einzubinden.

2. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Der Klägerin steht weder der zunächst geltend gemachte Auskunftsanspruch noch der weitere Hauptanspruch zu. Ein solcher Anspruch ergibt sich weder unmittelbar aus Art 88 Abs. 3 S. 3 EG-Vertrag, noch aus § 242 BGB i.V.m. §§ 823 Abs. 2, 1004 BGB i.V.m. Art. 88 Abs. 3 S. 3 EG-Vertrag. Bei den Art. 87 und 88 EG-Vertrag handelt es sich nämlich € wie der Senat in seinem Hinweisbeschluss vom 23.01.2008 bereits ausführlich begründet hat - nicht um Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB (ebenso bereits OLG München v. 15.05.2003 € 29 U 1703/03 = OLGR 2003, 411 = GRUR 2004, 169; nunmehr auch OLG Schleswig v. 20.05.2008 € 6 U 54/06 = EWS 2008, 470).

Ob staatliche Beihilfen im Sinne der Art 87, 88 EG-Vertrag vorliegen und ob sie in diesem Fall für ein bestimmtes Unternehmen gewährt wurden, kann damit ebenso dahin stehen, wie die Frage, ob die Leistungen € unterstellt es seien staatliche Beihilfen - im Sinne des Privat-Investor-Testes als marktkonform angesehen werden könnten. Diese Fragen wird die EU-Kommission innerhalb des inzwischen eingeleiteten Prüfverfahrens zu beantworten haben. Es bedarf deshalb auch keiner Auseinandersetzung mit den Ausführungen der Klägerin in Erwiderung auf die entsprechenden Hilfserwägungen des Senates in seinem Hinweisbeschluss vom 23.01.2008.

a) Art 87, 88 EG-Vertrag als unmittelbare Anspruchsgrundlage

Art 87, 88 EG-Vertrag und insbesondere auch das Durchführungsverbot in Art 88 Abs. 3 S. 3 EG-Vertrag stellen keine unmittelbare Anspruchsgrundlage für Auskunfts-, Unterlassungs-, Rückforderungs- und Schadensersatzansprüche eines Wettbewerbers gegen den vermeintlichen Beihilfegewährer dar. Der Wettbewerber ist nicht Adressat der genannten Normen und kann aus diesen keine subjektiven Rechts herleiten.

Für den Beihilfeempfänger stellt der EuGH dies in Nr. 76 der SFEI-Entscheidung vom 11.07.1996 € C-39/94 - ausdrücklich klar. Offen lässt der EuGH, inwieweit sich aus dem nationalen Recht eine Anspruchsbegründung ergeben kann.

Auch für den Beihilfegewährer ergibt sich dies aber schon aus dem Wortlaut der Vorschriften, die keine entsprechenden Ansprüche begründen, sondern lediglich Verpflichtungen der Mitgliedsstaaten ansprechen. Auch der EuGH hat immer wieder betont, dass den Vorschriften zwar unmittelbare Wirkung zukommt, gleichwohl aber die Gerichte nach ihrem nationalen Recht den Normen die Geltung verschaffen (EuGH v. 11.07.1996 € C-39/94 € SFEI, Nr. 40). Wie noch darzustellen sein wird, geschieht dies in Deutschland durch ein repressives Tätigwerden im Rahmen der Rückforderung von der EU-Kommission als unzulässig erachteter oder entgegen Art 88 Abs. 3 S. 3 EG-Vertrag verfrüht gezahlter staatlicher Beihilfen. Ein Zwang, auch einen präventiven Schutz im nationalen Recht vorzusehen oder die Heranziehung von Art 87, 88 EG-Vertrag als unmittelbare Anspruchsgrundlage anzuordnen, ergibt sich nicht.

In Art 88 Abs. 3 S. 2 EG-Vertrag wird der EU-Kommission und gerade nicht dem Wettbewerber aufgegeben, ein entsprechendes Verfahren einzuleiten, wenn sie von der Unvereinbarkeit der Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt ausgeht. Hiervon hat die EU-Kommission inzwischen auch Gebrauch gemacht.

Schutzzweck der Norm ist auch nicht das konkrete Wettbewerbsverhältnis, sondern lediglich der Gemeinsame Markt. Allein der Reflex des Schutzes des Gemeinsamen Marktes auf das konkrete Wettbewerbsverhältnis lässt den einzelnen Wettbewerber betroffen sein. Aus der Betroffenheit folgt aber noch kein subjektives Recht.

Dabei muss auch beachtet werden, dass der EuGH in der SFEI-Entscheidung unter Nr. 42 deutlich herausgearbeitet hat, dass es den nationalen Gerichten verwehrt ist, sich zur Vereinbarkeit einer Beihilfe mit dem gemeinsamen Markt zu äußern, d.h. die Tatbestandsvoraussetzungen des heutigen Art 88 Abs. 2 S. 1 EG-Vertrag zu prüfen, da die Beurteilung allein der EU-Kommission unter der Kontrolle des EuGH zustehe. Die Argumentation der Klägerin, dass Art 88 Abs. 2 S. 1 EG-Vertrag dem Beurteilungsrecht der nationalen Gerichte entzogen sein soll, dagegen nicht das Durchführungsverbot nach Art 88 Abs. 3 S. 3 EG-Vertrag, vermag nicht zu überzeugen.

Nicht unberücksichtigt bleiben kann auch, dass der EuGH in der genannten Entscheidung unter Nr. 43 noch festgestellt hat, dass die EU-Kommission anders als die nationalen Gerichte die Rückerstattung einer staatlichen Beihilfe nicht allein mit der Begründung anordnen kann, dass sie ihr nicht rechtzeitig angezeigt wurde. Genau diese Möglichkeit steht der EU-Kommission nun aber mit Art 11 der VO (EG) Nr. 659/1999 offen. Art 11 Abs. 1 VO erlaubt das Verlangen nach der Aussetzung der weiteren Beihilfegewährung, § 11 Abs. 2 VO nun aber auch das Verlangen, die bisher unter Verstoß gegen die Anzeigeverpflichtung gezahlten Beihilfen zurückzufordern. Die in der SFEI-Entscheidung (Nr. 45) noch zu beklagende Situation, dass ohne eine von den nationalen Gerichten angeordnete Rückforderung die praktische Wirkung des heutigen Art 88 Abs. 3 S. 3 EG-Vertrag verpuffe, besteht damit nicht mehr. Auch für eine analoge Anwendung von Art 88 Abs. 3 S. 3 EG-Vertrag besteht also mangels Regelungslücke jedenfalls heute keine Rechtfertigung mehr.

Damit kommt allein eine repressive Tätigkeit der nationalen Gerichte auf eine Klage eines Wettbewerbers im Rahmen von § 812 BGB in Betracht, da die Beihilfegewährung im Sinne des § 134 BGB nichtig ist, wenn die EU-Kommission einen Art 87, 88 EG-Vertrag widersprechenden Sachverhalt feststellt und hieraus konkrete Anordnungen ableitet.

Eine Anordnung über die einstweilige Aussetzung oder Rückforderung vermeintlicher staatlicher Beihilfen der EU-Kommission liegt aber unstreitig nicht vor. Vielmehr hat die EU-Kommission bisher nur ein Verfahren eingeleitet, um zu prüfen, ob diese Voraussetzungen gegeben sind.

Nichts anderes ergibt sich aus der bisherigen Rechtsprechung. Die Klägerin übersieht bei ihrer Argumentation, dass auch die bisherigen Rückforderungsverlangen der Beihilfen in Deutschland, die Gegenstand von Gerichtsverfahren waren, nicht unmittelbar auf Art 88 Abs. 3 S. 3 oder Art 88 Abs. 2 EG-Vertrag gestützt wurden, sondern sich die Rückforderung auch hier allein nach dem nationalen Recht richtete und mit §§ 812 ff. BGB ein hinreichendes Instrumentarium zur Verfügung steht.

Dieses Instrumentarium ist auch ausreichend, um den Wettbewerber zu schützen. Es gibt keinen Zwang des vorbeugenden Rechtsschutzes, d.h. eines Rechtsschutzes vor der Entscheidung der EU-Kommission über ein nach § 11 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 659/1999 auszusprechendes vorläufiges oder endgültiges Rückforderungsverlangen. Es ist unbestritten, dass wegen der damit verbundenen Auswirkungen auf das konkrete Wettbewerbsverhältnis der Wettbewerber die Rückforderung verlangen kann, wenn denn eine Entscheidung in diesem Sinne vorliegt. Diese Situation ist vorliegend aber nicht gegeben.

Der Hinweis des EuGH auf das nationale Recht wäre nicht nachvollziehbar, wenn die EuGH-Rechtsprechung mit der Klägerin zwingend in dem Sinne verstanden werden müsste, dass Art 88 Abs. 3 S. 3 EG-Vertrag als unmittelbare Anspruchsgrundlage heranzuziehen ist. Wenn die Klägerin hier den Verweis auf das reine Verfahrensrecht beschränken möchte, findet dies in der Rechtsprechung keine den Senat überzeugende Stütze. So hat der BGH in seinem Urteil vom 26.10.2006 zur Rückforderung einer unzulässigen Stahlbeihilfe ausdrücklich die Bedeutung der Prüfung der einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 812 BGB hervorgehoben, d.h. gerade einer Vorschrift des nationalen Rechtes. Auch für die Rückabwicklung hat der BGH allein auf § 346 BGB, d.h. die materielle nationale Norm abgestellt (Nr. 31, 32). Indem das nationale Recht die originäre Feststellungslast zum Vorliegen einer unzulässigen staatlichen Beihilfe bei der EU-Kommission belässt und zugleich die notwendigen Instrumentarien zur Verfügung stellt, um die Rückforderung einer gleichwohl vor einer Anzeige geleisteten oder einer gänzlich unzulässigen Beihilfe zu ermöglichen, wird die Durchsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Individualinteressen auch nicht unmöglich gemacht, sondern im Gegenteil gewährleistet. Das Recht des Einzelnen muss nicht darin bestehen, dass er selbst die Unzulässigkeit der Beihilfe muss feststellen lassen können. Es kann vielmehr auch darin bestehen, dass er ein Recht darauf hat, dass die EU-Kommission ihrer Prüfungs- und Feststellungsaufgabe nachkommt.

Wenn es in der von der Klägerin zitierten Rechtssache ... (EuGH v. 21.10.2003 € C-261 und 262/01) heißt, dass €es grundsätzlich den nationalen Gerichten obliegt, die Erstattung der Abgaben oder Beiträge anzuordnen, die speziell zur Finanzierung einer Beihilfe erhoben wurden ...€, so trägt dem die bisherige Rechtsprechung in der Anwendung von §§ 812 ff. BGB Rechnung. Hieraus ergibt sich nicht, dass die nationalen Gerichte ein Instrumentarium zur Verfügung stellen müssen, das diese Rückforderung bereits vor einer Entscheidung der EU-Kommission erlaubt und damit die Gefahr begründet, dass es zu sich widersprechenden Entscheidungen des Gerichtes und der EU-Kommission kommt. Der Senat hat keinen Anlass, an der Effektivität dieser Rechtsschutzgewährung zu zweifeln.

Anders als die Klägerin meint, ist die Rückforderung durch einen Wettbewerber auch durchaus denkbar. Nämlich dann, wenn die EU-Kommission vorläufig oder endgültig ein Rückforderungsverlangen gestellt hat, dem aber von dem betroffenen Mitgliedsstaat nicht Rechnung getragen wird. Er setzt dann sein Recht durch, dass der Mitgliedsstaat tätig wird. Zunächst ist aber den dazu berufenen Adressaten, dem Mitgliedsstaat sowie der EU-Kommission, Gelegenheit zu geben, ihren Verpflichtungen nachzukommen.

Die auf Seite 25 des Schriftsatzes vom 23.04.2008 geäußerte Befürchtung der Klägerin, dass die Mitgliedsstaaten keinen Anreiz hätten, eine mutmaßliche Beihilfe anzuzeigen, weil die Nichtanzeige zunächst keine negativen Folgen habe, insbesondere, wenn sich die Beihilfe nachträglich als gerechtfertigt erweise, trifft nicht zu, weil auch in diesem Fall eine vorläufige oder endgültige Anordnung der EU-Kommission über die Rückforderung der gesamten Beihilfe oder aber zumindest der ersparten Zinsen für eine Vorfinanzierung möglich bleibt.

Es bleibt damit festzuhalten, dass weder aus der von der Klägerin herangezogenen SFEI-Entscheidung aus dem Jahre 1996 noch den darauf aufbauenden Entscheidungen des EuGH entnommen werden kann, dass Art 87, 88 EG-Vertrag als unmittelbare Anspruchsgrundlagen herangezogen werden können. Die unmittelbare Geltung der Normen besagt lediglich, dass diese unmittelbar für den Adressaten, die Mitgliedsstaaten und die EU-Kommission, gelten und dem im Rahmen des nationalen Rechtes Geltung zu verschaffen ist. Dies geschieht über §§ 812 ff. BGB. Für eine analoge Anwendung ist mangels Regelungslücke im Rechtsschutzsystem kein Raum.

b) Art 87, 88 EG-Vertrag als Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB

(1) Die Klägerin will die von ihr geltend gemachten Ansprüche hilfsweise aus Art 88 Abs. 3 EG-Vertrag i.V.m. § 1004 BGB herleiten. Sie ist der Auffassung, dass es sich bei Art 87, 88 EG-Vertrag zumindest auch um Schutzgesetze in Sinne des § 823 Abs. 2 BGB handele, so dass neben dem sich aus § 823 Abs. 2 BGB ergebenden Schadensersatzanspruch immer auch ein Unterlassungsanspruch nach § 1004 BGB bestehe.

Es ist in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass § 1004 BGB alle durch § 823 Abs. 2 BGB deliktisch geschützten Rechtsgüter erfasst (Palandt-Bassenge, BGB, 68. Aufl. 2009, § 1004 Rn. 4, 27 und Einf. v. § 823 Rn. 18). Nur wenn ein solcher Anspruch besteht, kommen auch die Auskunftsansprüche sowie der Anspruch auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung mit § 242 BGB als weiterer Anspruchsgrundlage in Betracht (Palandt-Bassenge, BGB, 68. Aufl. 2009, § 1004 Rn. 27; OLG Düsseldorf ZMR 1997, 149). Insoweit hat der BGH festgehalten, dass nach stän­diger Rechtsprechung Treu und Glauben es gebieten, dem Anspruchsberechtigten einen Auskunftsanspruch zuzubilligen, wenn die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich bringen, dass der Anspruchsberechtigte in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang seines Rechts im Ungewissen ist, und wenn der Verpflichtete in der Lage ist, unschwer die zur Beseitigung dieser Ungewissheit erforderliche Auskunft zu erteilen (vgl. aktuell etwa Urteil vom 06.02.2007 - X ZR 117/04 - NJW 2007, 1806 = MDR 2007, 1030 = BGHReport 2007, 539; BGHZ 10, 385; BGHZ 81, 21; BGHZ 95, 285; BGHZ 148, 26; BGHZ 152, 307).

Die Voraussetzungen der Unsicherheit sind gegeben, weil die Klägerin zwar Kenntnis davon hat, dass die Beklagte die von ihr beanstandeten Leistungen dem Grunde nach erbringt, ohne diese tatsächlich aber der Höhe nach exakt beziffern zu können. Es fehlt aber an den weiteren Voraussetzungen.

Das Begehren der Klägerin kann danach nur dann Erfolg haben, wenn eine durch Art 88 Abs. 3, Art 87 EG-Vertrag hinreichend individualisierte Rechtsbeziehung zwischen der Klägerin und der Beklagten besteht, was nur dann der Fall ist, wenn Art 88 Abs. 3, Art 87 als Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB anzusehen sind und damit die genannten Normen gerade auch dem Schutz der Klägerin zu dienen bestimmt sind.

Dies ist im Ergebnis nicht der Fall, weil Art 87, 88 EG-Vertrag nicht dazu bestimmt sind, der Klägerin als Wettbewerberin des Beihilfeempfängers ein subjektives Recht gegenüber dem Beihilfegewährer zu vermitteln.

Der Klägerin kann darin gefolgt werden, dass die Wettbewerbsvorteile durch eine nicht von der EU-Kommission als zulässig erachtete Beihilfe - oder jedenfalls vor einer Entscheidung hierüber - wirksam nur in der Weise entzogen werden können, dass die Bewilligung der Beihilfe, gleich in welcher Form diese gewährt wurde, nach § 134 BGB als nichtig angesehen wird und deshalb zurückgefordert werden darf. Dafür ist es allerdings nicht erforderlich, dass auch dem Wettbewerber des Beihilfeempfängers ein Anspruch über § 1004 BGB wegen der Qualifizierung des Durchführungsverbotes als Schutzgesetz nach § 823 Abs. 2 BGB zugestanden wird. Ausreichend ist vielmehr, dass der Wettbewerber ein Verletzungsverfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 bei der EU-Kommission einleiten kann. Nach der Feststellung eines Verstoßes gegen Art 87 Abs. 1, 88 Abs. 3 EG-Vertrag muss der Beihilfegewährer dann die notwendige Rückforderung der Beihilfen einleiten. Ungeachtet dessen sieht die Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 93 des EG-Vertrages (jetzt § 88 EG-Vertrag) in Art 14 Abs. 1 VO ausdrücklich vor, dass bei Negativentscheidungen hinsichtlich rechtswidriger Beihilfen die Kommission entscheidet, dass der betreffende Mitgliedsstaat alle notwendigen Maßnahmen ergreift, um die Beihilfe zurückzufordern. Auch hier wird also wieder auf den Mitgliedsstaat als Adressat der normativen Regelungen abgestellt wie es sich auch aus den Vorerwägungen (Nr. 6, 13) ergibt.

Nach Art 14 Abs. 3 S. 1 der genannten Verordnung erfolgt die Rückforderung nach dem Verfahren des jeweiligen Mitgliedsstaates, d.h. dem nationalen Recht. Nach Art 14 Abs. 3 S. S. 2 VO (EG) Nr. 659/1999 veranlassen die Mitgliedsstaaten bei der Rückforderung im Fall eines Verfahrens vor den nationalen Gerichten unbeschadet des Gemeinschaftsrechtes alle in ihren jeweiligen Rechtsordnungen verfügbaren erforderlichen Schritte. Adressat ist also auch hier nicht der Wettbewerber. Es wird auf die nationale Rechtsordnung und die dort vorhandenen Instrumente abgestellt. Weder wird ein solches Instrument im europäischen Recht selbst geschaffen, noch wird gefordert, dass der nationale Gesetzgeber ein solches Instrument für den Wettbewerber im nationalen Recht schafft.

Ob dem Wettbewerber unmittelbar gegen den Beihilfegewährer oder allein gegen die EU-Kommission zur Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens ein Anspruch auf eine solche Rückforderung zusteht, sofern die EU-Kommission die Leistung als Beihilfe angesehen und deren Rechtswidrigkeit festgestellt hat und der Beihilfegewährer untätig bleibt und ob es sich dabei dann um einen öffentlich-rechtlichen oder einen bürgerlich-rechtlichen Anspruch handelt, bedarf hier keiner Entscheidung, da diese Konstellation nicht gegeben ist.

Einer weitergehenden Rechtsschutzmöglichkeit für den Wettbewerber bedarf es auch nicht deshalb, um den fortgesetzten Wettbewerbsverstoß zu verhindern. Der EU-Kommission steht zur Verhinderung eines solches Effektes nach Art 11 der VO (EG) 659/1999 die Möglichkeit zur Anordnung der Aussetzung (Abs. 1) oder zur einstweiligen Rückforderung (Abs. 2) der Beihilfe zur Verfügung. Dem Effizienzgebot ist damit hinreichend Rechnung getragen.

Art 88 Abs. 3 EG-Vertrag kann nicht abgesprochen werden, dass er in seiner Wirkung auch den Wettbewerber des beihilfebegünstigten Marktteilnehmers betrifft. Dies besagt aber nicht, dass dies auch dem Schutzzweck der Norm entspricht. Ziel und damit Schutzzweck der Norm ist vielmehr der objektive Schutz des Marktes als solcher, der einen freien Wettbewerb ermöglicht. Insoweit kann zunächst auf die überzeugenden und belegten Darlegungen des OLG München verwiesen werden. Ergänzend kann auf die Erwägungsgründe zur Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 93 des EG-Vertrages (jetzt Art 88 EG-Vertrag) verwiesen werden, die als Schutzgut im 4. Erwägungsgrund die Vollendung und Vertiefung des Binnenmarktes und im 15. Erwägungsgrund die Funktionsweise des Binnenmarktes als Schutzgut hervorhebt.

Der 16. Erwägungsgrund der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 93 des EG-Vertrages (jetzt Art 88 EG-Vertrag) begründet das Erfordernis, dass die Verordnung alle Möglichkeiten festlegt, über die Dritte verfügen, um ihre Interessen bei Verfahren für staatliche Beihilfen zu vertreten. Tatsächlich legt die Verordnung dann fest, inwieweit Dritte sich am Verfahren der EU-Kommission selbst beteiligten können. Zu den Beteiligten zählen nach der Definition in Art 1 lit. h auch Unternehmen und Unternehmensvereinigungen, deren Interessen aufgrund der Gewährung einer Beihilfe beeinträchtigt sein können, insbesondere auch Wettbewerber. In Art 20 Abs. 1 der Verordnung ist vorgesehen, dass jeder Beteiligte im Prüfungsverfahren eine Stellungnahme abgeben kann. Dazu kann nach Art 20 Abs. 2 S. 1 der Verordnung jeder Beteiligte der Kommission Mitteilung über mutmaßlich rechtswidrige Beihilfen und über eine mutmaßlich missbräuchliche Anwendung von Beihilfen machen. Zurecht weisen Götz/Soria darauf hin, dass die vorläufige Prüfung zum größten Teil auf Beschwerden von Wettbewerbern oder anderen Mitgliedsstaaten beruhen (Götz/Soria in Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechtes, Band 2, Loseblattsammlung, Stand Oktober 2007, H. III. Rn. 262), ohne in diesem Zusammenhang aus den gesetzlichen Regelungen oder der Rechtsprechung des EuGH den Schluss zu ziehen, dass auch der Wettbewerber unmittelbar die Rückforderung der Beihilfe vom Beihilfegewährer verlangen kann. Auch unter dem Gesichtspunkt des Individualrechtsschutzes (Götz/Soria a.a.O. Rn. 286 f.) wird eine solche Option nicht in Betracht gezogen. Von Wallenberg weist auf die Möglichkeit hin, dass ein Unternehmen in Form eines Wettbewerbers Untätigkeitsklage gegen die Kommission nach Art 232 Abs. 3 EG-Vertrag erheben kann, wenn die EU-Kommission auf einen Hinweis auf eine missbräuchliche, weil nicht angemeldete, Beihilfe nicht in angemessener Frist ein Prüfungsverfahren durchführt (v. Wallenberg in Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Loseblattkommentar, Stand Oktober 2007, Art 88 Rn. 99). Für den Fall, dass die EU-Kommission € wie vorliegend € von einem Beteiligten im Sinne des § 20 VO (EG) Nr. 659/1999 eine Mitteilung über eine angeblich missbräuchliche Beihilfe erhalten hat und nicht tätig werden will, ist sie verpflichtet, dies dem Beteiligten mitzuteilen. Für den Fall einer solchen Mitteilung diskutiert v. Wallenberg nur die Frage, ob die Nichtigkeitsklage nach Art 230 Abs. 4 EG-Vertrag oder die Untätigkeitsklage nach Art 232 Abs. 3 EG-Vertrag einschlägig ist und befürwortet letzteres (v. Wallenfels a.a.O. Rn. 100).

Die Verordnung sieht also gerade nicht vor, dass der Dritte im Rahmen der nationalen Rechtsordnung gegen den Beihilfegewährer oder den Beihilfeempfänger vorgehen können muss. Auch spricht die Verordnung gerade nicht davon, dass Beteiligter des Prüfungsverfahrens ein Unternehmer bzw. Wettbewerber ist, dessen Schutz die Beihilfevorschriften dienen. Es wird vielmehr darauf abgestellt, ob seine Interessen betroffen sind. Für die Annahme eines Schutzgesetzes ist es aber gerade nicht ausreichend, dass nur die Interessen eines Dritten betroffen sind. Es kommt nämlich für die Annahme eines Schutzgesetzes nicht auf die Wirkungen eines Gesetzes an, sondern auf den Sinn und den Zweck des Gesetzes (Palandt-Sprau, BGB, 68. Auflage 2009, § 823 Rn. 57). Ein Schutzgesetz ist dann anzunehmen, wenn der Gesetzgeber gerade individuelle Ansprüche schaffen wollte. Hiervon kann aufgrund der vorstehenden Darlegungen aber nicht ausgegangen werden; der Wortlaut der Norm, der explizit den Gemeinsamen Markt als Schutzgut ausweist, spricht eindeutig dagegen.

Die Klägerin hat keine Aspekte vorgetragen, die eine davon abweichende Auffassung rechtfertigen. Insbesondere gebietet sich eine Qualifizierung von Art 88 Abs. 3 EG-Vertrag als Schutzgesetz nicht allein deshalb, weil die Klägerin als Wettbewerberin sonst schutzlos wäre. Dies ist nämlich nicht der Fall. Die Klägerin ist durch die Versagung des von ihr begehrten Rechtsschutzes über Art 88 Abs. 3 EG-Vertrag i.V.m. § 1004 BGB im vorstehenden Sinne nicht rechtlos gestellt. Vielmehr ist ihr die € von ihr auch genutzte - Möglichkeit eröffnet, über Art 20 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 ihrerseits das Prüfungsverfahren durch die EU-Kommission nach § 88 Abs. 3 EG-Vertrag anzustoßen, soweit sie die Kommission mit entsprechenden Informationen versorgt. Die Argumentation der Klägerin ist in diesem Zusammenhang auch widersprüchlich. Einerseits begehrt sie unmittelbaren und primären Rechtsschutz durch das nationale Gericht, andererseits sieht sie einen Verstoß gegen die Loyalitätspflicht darin, dass der Senat keinen Kontakt mit der EU-Kommission aufgenommen hat, um abweichende oder sich widersprechende Entscheidungen zu vermeiden (Bl. 999/1000 GA). Gerade dadurch dass die primäre Entscheidungskompetenz der EU-Kommission unter Kontrolle des EuGH anerkannt und lediglich die nachlaufende Rückabwicklung sichergestellt wird, dokumentiert sich aber der Wille, sich widersprechende Entscheidungen zu vermeiden.

Die EU-Kommission hat mit dem Schreiben vom 17.06.2008 der Beschwerde auch insoweit Rechnung getragen, als sie ein Prüfungsverfahren eingeleitet hat. Anders als die Klägerin zu vermitteln versucht, hat die EU-Kommission damit aber noch keine Entscheidung getroffen, ob überhaupt eine staatliche Beihilfe vorliegt, die unter Art 87, 88 EG-Vertrag zu fassen ist. Bisher wird diese Frage lediglich geprüft. Stellt die EU-Kom­mis­sion im weiteren Verfahren tatsächlich fest, dass es sich einerseits um eine staatliche Beihilfe handelt und diese mangels Marktkonformität unzulässig ist, so ist der Beihilfegewährer zur Rückforderung € nunmehr nach deutschem Recht € gezwungen. Stellt sie allein fest, dass eine zulässige staatliche Beihilfe vorliegt, die ein privater Investor so nicht gewährt hätte, wird der Beihilfegewährer den Zinsvorteil des Beihilfeempfängers zurückzufordern haben.

Im vorstehenden Sinne können auch die Ausführungen des EuGH in dem von der Klägerin selbst zitierten Urteil des EuGH vom 24.11.2006 (C-368/04 = NVwZ 2007, 64) verstanden werden. In diesem Urteil hat der EuGH gefordert, dass die nationalen Gerichte für den Einzelnen, der den Verstoß gegen die Anmeldepflicht geltend machen kann, sicherstellen müssen, dass daraus sämtliche Folgerungen sowohl bezüglich der Gültigkeit der Rechtsakte als auch der Rückforderung gezogen werden. Dies steht nicht der Annahme entgegen, dass der Einzelne den Verstoß gegen die Anmeldepflicht gegenüber der Kommission geltend macht. Diese ordnet dann - ggf. nach Art 11 VO (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 zunächst im Wege der einstweiligen Anordnung - die Rückforderung an. Die Folgerungen aus § 134 BGB und die daraus folgende Rückforderung einer unzulässigen Beihilfe stellt das nationale Recht dann über § 812 BGB sicher, d.h. dass die angeordnete Rückforderung auch tatsächlich möglich bleibt. Die Klägerin kann also auch aus dieser Entscheidung nichts für ihren Rechtsstandpunkt herleiten. Bei dem Rückgriff auf die Aussagen dieses Urteils muss zusätzlich beachtet werden, dass dort jeweils Klagen von Mitbewerbern zu bescheiden waren, die jeweils selbst eine € rechtswidrige, weil gegen § 88 Abs. 3 EG-Vertrag verstoßende € Beihilfe erhalten wollten.

Das dargelegte Verständnis des Senates sichert, dass die in Art 87 Abs. 1, 88 EG-Vertrag allein der EU-Kommission zugewiesene Entscheidungsbefugnis über die maßgeblichen Fragen, ob überhaupt eine staatliche Beihilfe vorliegt und ob diese marktkonform ist, gewahrt wird. Der EuGH hat in seinem von der Klägerin selbst zitierten Urteil vom 21.11.1991 (C-354/90) ausgesprochen, dass für die abschließende Einschätzung, ob eine Leistung eine staatliche Beihilfe darstellt, die Europäische Kommission zuständig ist. Wie das vorliegende Verfahren zeigt, müsste das nationale Gericht der Rechtsauffassung der Klägerin folgend dagegen mittelbar entscheiden, ob eine staatliche Beihilfe vorliegt, um von der Anwendbarkeit des Art 88 Abs. 3 EGV überhaupt ausgehen und damit den zur Rückforderung ausreichenden formalen Verstoß gegen das Durch­führungsverbot des Art 88 Abs. 3 EG-Vertrag feststellen zu können. Diese Entscheidung wäre dann nicht mehr änderbar. Insbesondere kann die EU-Kommission als Teil der Exekutive den nationalen Gerichten hier keine Anweisungen erteilen. Dies wäre mit den Grundsätzen der Gewaltenteilung und der Unabhängigkeit der Gerichte nicht vereinbar. Deshalb ist es der richtige Weg, zunächst die EU-Kommission über die maßgeblichen Fragen entscheiden zu lassen und sodann nachsorgenden Rechtsschutz - in der Beurteilung einer Leistung als Beihilfe durch den EuGH und die Rückforderung betreffend durch die nationalen Gerichte - zu gewähren. Anderenfalls setzte sich das nationale Gericht auf eine Klage des Wettbewerbers an die Stelle der Kommission. Beihilfegewährer und Beihilfeempfänger könnten dem nur entgehen, in dem sie nun ihrerseits € parallel zum Klageverfahren - ein Prüfverfahren einleiteten, obwohl sie der Auffassung sind, dass die Voraussetzungen überhaupt nicht vorliegen. Gleichzeitig müssten sie das nationale Gericht um Aussetzung des Verfahrens bitten. Um die dadurch bestehende Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen zu vermeiden, war es konsequent, in Art 20 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 vorzusehen, dass der Wettbewerber selbst das Prüfungsverfahren durch eine entsprechende Anzeige einleiten kann. Damit sind seine Interessen hinreichend gewahrt.

(2) Die gegen diese Sichtweise gerichteten Einwände der Klägerin vermögen den Senat nicht zu überzeugen.

aa.) Es soll zunächst nicht in Zweifel gezogen werden, dass auch EU-/EG-Recht, d.h. das Gemeinschaftsrecht, grundsätzlich als Schutzgesetz in Betracht kommt, soweit es unmittelbar wirkt (Palandt-Sprau, BGB, 68. Auflage 2009, § 823 Rn. 56a; Soergel/Spickhoff, 12.. Auflage, § 823 Rn. 187). Rechtsvorschriften des europäischen Rechtes, die sich wie hier lediglich an die Mitgliedsstaaten richten, scheiden dagegen als Schutzgesetze im Verhältnis von Privatrechtssubjekten untereinander aus (Palandt-Sprau, BGB, 68. Auflage 2009, § 823 Rn. 56a).

bb.) Das Gericht verkennt auch € anders als die Klägerin meint - nicht, dass Art 87, 88 EG-Vertrag individuelle Interessen schützen. Damit ist aber noch nicht ausgedrückt, wer diese Interessen zu schützen hat. Art 87, 88 EG-Vertrag richten sich an die Mitgliedsstaaten, so dass es ihnen obliegt, die Individualinteressen durch ihre Handlungen zu schützen. Hierüber wacht die EU-Kommission, die wiederum vom Europäischen Gerichtshof kontrolliert wird. Aus dem Umstand, dass eine europäische Rechtsvorschrift (auch) Individualrechtsinteressen schützt, kann also nicht abgeleitet werden, dass es auch dem einzelnen Individuum nach dem nationalen Recht unmittelbar möglich sein muss, sie durchzusetzen, d.h. dass die Norm ihm ein subjektives Recht vermittelt. Vielmehr werden diese Rechte dadurch hinreichend geschützt, dass das Gesamtrechtssystem die Wahrung vorsieht. Es besteht mithin keine Notwendigkeit, den Individualrechtsschutz über § 823 Abs. 2 BGB im nationalen Recht zu konstruieren.

cc.) Das Gericht behauptet entgegen den Ausführungen der Klägerin auch nicht, dass die Rechtsprechung des EuGH im Urteil SFEI durch die VO (EG) 659/1999 abgelöst worden sei. Die Verordnung ist vielmehr ein Instrument, um im Zusammenspiel mit den Mitgliedsstaaten den Schutz der Individualinteressen sicherzustellen. Sie hat aus der SFEI-Entscheidung die Konsequenzen gezogen, dass nach Art 11 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 659/1999 nun auch eine Anordnung der einstweiligen Rückforderung von staatlichen Beihilfen durch die EU-Kommission gefordert werden kann.

Die Mitgliedsstaaten haben die Vorgaben der Art 87, 88 EG-Vertrag zu achten und sind deren erster Adressat. Die EU-Kommission wacht hierüber und hat die notwendigen Instrumente, um mögliche Verstöße zu verfolgen und auch einstweilige Maßnahmen zu treffen. D.h., die Verordnung löst die Rechtsprechung des EuGH nicht ab, sondern sie ist ein Beitrag, um dem geforderten Schutzsystem Rechnung zu tragen. In diesem Sinne kodifiziert und verstärkt die VO (EG) Nr. 659/1999 die bis dahin geltende Praxis (EuGH v. 05.10.2006 € C-368/04 = NVwZ 2007, 64, Erwägungsgrund 35).

dd.) Die Rechtsprechung des EuGH fordert aber nicht einen €doppelten€ Schutz, indem das nationale Recht auch dem Privatrechtssubjekt die Befugnis einräumen müsste, in unmittelbarer Auseinandersetzung mit dem vermeintlichen Beihilfegewährer oder dem potentiellen Beihilfeempfänger die Begünstigung rückgängig zu machen. Es lässt die Rechtschutzsuche durch den Wettbewerber allerdings zu, wenn sich dies aus dem nationalen Recht ergibt. Insoweit ergänzt der EuGH im Erwägungsgrund 38 seiner Entscheidung vom 05.10.2006 seine Auffassung dahin, dass für die Beurteilung der Vereinbarkeit von Beihilfemaßnahmen mit dem Gemeinsamen Markt ausschließlich die EU-Kommission zuständig ist.

Der EuGH führt in seiner Entscheidung vom 05.10.2006 im Erwägungsgrund 39 weiter aus, dass es für ein nationales Gericht €erforderlich werden kann€, festzustellen, ob eine staatliche Maßnahme unter Verstoß gegen Art 88 Abs. 3 EG-Vertrag eingeführt wurde. Durch diese Formulierung macht der EuGH deutlich, dass sich diese Frage allein aus dem nationalen Recht beantwortet. Dies wird auch ausdrücklich im 45. Erwägungsgrund hervorgehoben: €Insoweit sind mangels einer einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen Regelung die Bestimmung der zuständigen Gerichte und die Auslegung des Verfahrens für die Klagen, die den Schutz der dem Einzelnen aus dem Gemeinschaftsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, Sache der nationalen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedsstaaten.€ Das nationale deutsche Recht ermöglicht in diesem Sinne einem Privatrechtssubjekt über § 823 Abs. 1 BGB die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen € was die Klägerin vorliegend nicht erstrebt € oder aber die nachlaufende Rückforderung € von der EU-Kommission vorläufig oder endgültig festgestellter - unzulässiger Beihilfen oder des Zinsvorteils auf zulässige Beihilfen über §§ 812, 134 BGB, deren Voraussetzungen erkennbar noch nicht vorliegen.

ee.) Auch aus dem Schreiben der EU-Kommission vom 02.03.2008 sowie aus der Bekanntmachung der EU-Kommission über die Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Mitgliedsstaaten im Bereich der staatlichen Beihilfen aus dem Jahre 1995 (ABl. 1995 C 312/8 ff.) sowie dem vorliegenden Entwurf für eine Neufassung der Bekanntmachung folgt nichts anderes.

Ungeachtet der Frage, dass es der EU-Kommission als Teil der ausführenden Gewalt im gewaltengeteilten System nicht zukommt, dem Gericht Vorgaben zu machen, und die Ausführungen deshalb nur als Mitteilung einer eigenen Rechtsauffassung der EU-Kommission oder € wie dies der EuGH in seiner SFEI-Entscheidung im Jahre 1996 ausgedrückt hat € als €Ermunterung zur Zusammenarbeit€ anzusehen sind, stehen die Ausführungen nicht in Widerspruch zur Auffassung des Senates.

Die Aufgabe der nationalen Gerichte, die Rechte Dritter nach Art 88 Abs. 3 EG-Vertrag zu schützen, wird dadurch wahrgenommen, dass sie die tatsächliche Rückgewähr einer von der EU-Kommission einstweilen oder rechtskräftig als unzulässig qualifizierten Beihilfe in konsequenter Anwendung von §§ 134, 812 BGB ermöglicht. Darüber hinaus kann und muss auch die Rückforderung einer zwar im Ergebnis zulässigen, aber unter Verstoß gegen die Anzeige- und Warteverpflichtung des Art 88 Abs. 3 S. 3 EG-Vertrag gewährten Beihilfe auf diese Weise sichergestellt werden (EuGH v. 12.02.2008 € C-199/06 = GewArch 2008, 247).

In der genannten Entscheidung führt der EuGH aus, dass Art 88 Abs. 3 S. 3 EG-Vertrag der Sicherungszweck zugrunde liege, zu gewährleisten, dass eine mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare Beihilfe niemals durchgeführt wird. Diese Zielsetzung werde zunächst vorläufig mit Hilfe des von der Kommission verhängten Verbots und sodann endgültig durch deren abschließende Entscheidung erreicht, die, wenn sie negativ ist, einer zukünftigen Einführung der mitgeteilten Beihilfe entgegensteht (Erwägungsgrund 47). Grundlage einer nationalen gerichtlichen Entscheidung ist also immer eine € in ihren Konsequenzen dann umzusetzende € Entscheidung der EU-Kommission, ob überhaupt eine Beihilfe im Sinne der Art 87, 88 EG-Vertrag vorliegt. Die Entscheidung belegt zugleich, dass es nach einer solchen Entscheidung durch die auf die ersparten Zinsen beschränkte Rückforderung auch ohne weiteres möglich ist, entgegen Art 88 Abs. 3 S. 3 vorgezogene Beihilfegewährungen, die an sich aber nicht gegen Art 88 Abs. 2 S. 1 EG-Vertrag verstoßen, in ihren die Wettbewerbsbedingungen beeinträchtigenden Folgen rückgängig zu machen.

ff.) Die Klägerin möchte die Funktion von Art 87, 88 EG-Vertrag als Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB sodann aus den Entscheidungen des Bundesgerichtshofes vom 04.04.2003 (V ZR 314/02 = BGH-Report 2003, 855 = EuTW 2003, 444 = WM 2003, 1491) und vom 20.01.2004 (XI ZR 53/03 = BGHReport 2004, 672 = ZIP 2004, 498 = WM 2004, 468) herleiten. In diesen Entscheidungen hat der BGH allerdings allein festgestellt, dass es sich bei Art 88 Abs. 3 EG-Vertrag um ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB handelt. Gegenstand der Entscheidung vom 04.04.2003 war dabei die Nachforderung eines Kaufpreisanteils des von der öffentlichen Hand beherrschten Beihilfegewährers aufgrund einer Entscheidung der EU-Kommis­sion, wonach sich der zuvor gewährte Nachlass als unzulässige Beihilfe darstellte; Gegenstand der Entscheidung vom 20.01.2004 war die Rückforderung eines gewährten Zuschusses im Rahmen eines öffentlichen Wirtschaftsförderungsprogramms. Klägerin dieses Verfahrens war eine von der öffentlichen Hand beherrschte Bank, die den Zuschuss zuvor gewährt hatte. Auch hier hatte die EU-Kommission den gewährten Zuschuss zuvor als unzulässige Beihilfe qualifiziert. Es handelte sich also jeweils nicht um die hier vorliegende Fallgestaltung, dass ein Wettbewerber der begünstigten Gesellschaft gegen die vermeintliche Beihilfegewährerin klagt.

gg.) Die Klägerin übersieht bei der Heranziehung dieser Entscheidungen als Grundlage ihrer Argumentation, dass ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB nicht zwingend zu­gleich auch ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB darstellt. Verbotsgesetze sind Normen, die eine nach der Rechtsordnung grundsätzlich mögliche rechtsgeschäftliche Regelung wegen ihres Inhaltes oder der Umstände ihres Zustandekommens untersagen (Palandt-Heinrichs, BGB, 68. Auflage 2009, § 134 Rn. 5 m.w.N.). Demgegenüber sind Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB solche Normen, die zumindest auch dem Schutz des Einzelnen im Hinblick auf ein bestimmtes Rechtsgut zu dienen bestimmt sind (Palandt-Heinrichs, BGB, 68. Auflage 2009, § 823 Rn. 57 m.w.N.). Der Schutz von Rechten geht dabei über den Schutz von Interessen hinaus. Die beiden Schutzziele dürfen nicht gleichgesetzt werden.

Auch die Zielrichtung von § 134 BGB einerseits und § 823 Abs. 2 BGB andererseits unterscheiden sich, so dass aus der Qualifizierung einer Norm als Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB nicht zugleich darauf geschlossen werden kann, dass es sich auch um ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB handelt.

Die Entscheidungen des BGH sprechen auch eher gegen eine Qualifizierung als Schutz­gesetz. Der BGH hat nämlich in beiden Entscheidungen hervorgehoben, dass sich das Durchführungsverbot des Art 88 Abs. 3 EGV seinem Wortlaut nach nur an die Mitgliedsstaaten richtet. Der BGH sichert über die Anwendung des § 134 BGB lediglich, dass eine Rückforderung zu Unrecht gewährter Beihilfen und damit eine Verwirklichung der Ziele der Art 87 Abs. 1, 88 Abs. 3 EG-Vertrag auch tatsächlich möglich bleibt. Im Sinne der Rechtsprechung des EuGH (vgl. nur die Entscheidung v. 21.11.1991 € C-354/90) zieht der BGH als nationales Gericht damit die €Folgerungen bezüglich der Gültigkeit€ der Beihilfegewährung. Ob die Ziele allein objektiver öffentlicher Natur sind oder insbesondere auch dem Schutz der Klägerin als Wettbewerber der Beihilfeempfängerin zu dienen bestimmt sind, lässt sich den genannten Entscheidungen des BGH mithin nicht entnehmen.

hh.) Für die Qualifizierung von Art 87, 88 Abs. 3 EG-Vertrag als Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB beruft sich die Klägerin weiter darauf, dass in Rechtsprechung und Literatur anerkannt sei, dass es sich bei Art 87, 88 Abs. 3 EG-Vertrag um €unmittelbar anwendbare Normen€ handelt. Dem kann im Kern nicht widersprochen werden. Auch der EuGH hat dies mehrfach ausgesprochen (vgl. etwa EuGH v. 21.11.1991 € C-354/90 = NJW 1993, 49 m.w.N. sowie die weiter von den Parteien zitierten Entscheidungen des EuGH). Allerdings lässt sich aus dieser Feststellung nicht ableiten, dass es sich um ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB handelt. Zwar ist Voraussetzung für die Annahme eines Schutzgesetzes die unmittelbare Wirkung einer Norm, insbesondere auch einer europarechtlichen Norm (Palandt-Sprau, BGB, 68. Auflage 2009, § 823 Rn. 56 a). Allerdings verbietet sich der Umkehrschluss, dass jede unmittelbar geltende Norm auch ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB darstellt. Ist eine europarechtliche Norm unmittelbar anwendbar, besagt dies nur, dass die Norm keines Transformationsaktes in das nationale Recht bedarf, sondern unmittelbar vom Normadressaten zu beachten ist. Mit dem BGH ist aber davon auszugehen, dass Normadressat die Mitgliedsstaaten und die EU-Kommission sind, nicht aber der Wettbewerber. Die Frage, ob europäisches Recht unmittelbar gilt oder zunächst der Umsetzung in das nationale Recht bedarf, ist also grundsätzlich zu stellen und zu beantworten. Hieraus kann die Klägerin aber nicht herleiten, dass es sich auch um ein Gesetz zum Schutz ihrer Rechte handelt. Art 87 Abs. 1 EG-Vertrag als materieller Prüfungsmaßstab richtet sich an die jeweilige nationale staatliche Stelle und ist von dieser zu beachten. Allein ausgehend vom Vortrag der Klägerin, dass die Beklagte aufgrund ihrer Gesellschaftsstruktur einer staatlichen Stelle gleichzusetzen ist, richtet sich Art 87 Abs. 1 EG-Vertrag damit an die Beklagte. Art 88 Abs. 3 EGV richtet sich wiederum an die staatliche Stelle, der eine Informationspflicht gegenüber der EU-Kommission zukommt und die einem Gewährungsverbot unterliegt, sowie an die Kommission selbst hinsichtlich des von ihr zu veranlassenden Verfahren. In diesem Sinne findet die Norm unmittelbare Anwendung.

Dass die Norm unmittelbar geltendes Recht darstellt, sagt auch nichts über den Schutzzweck aus, d.h. ob gerade der Einzelne mit seinen auch wirtschaftlichen Interessen im Wettbewerb geschützt werden soll oder lediglich die Errichtung eines gemeinsamen Binnenmarktes nach Art 3 Abs. 1 lit. b) EG-Vertrag als ein von den Interessen und dem Schutz des Einzelnen losgelöstes Ziel der Europäischen Union.

ii.) Auch aus der weiter von der Klägerin herangezogenen Aussage des EuGH, dass das Durchführungsverbot auch €von den nationalen Gerichten zu beachten ist€ und es den nationalen Gerichten obliegt, die Konsequenzen aus der Verletzung von Art 88 Abs. 3 EG-Vertrag zu ziehen, vermag die Auffassung, es handele sich insoweit um ein Schutzgesetz, nicht zu tragen.

Die Ausführungen des Europäischen Gerichtshofes sind in dem Zusammenhang der konkret entschiedenen Fälle bzw. beantworteten Vorlagen dahin zu verstehen, dass nach dem nationalen Recht zu beurteilen ist, ob zwei Beteiligte in einer prozessual relevanten Rechtsbeziehung zueinander stehen. Ist dies der Fall, so ist die Beachtung von Art 87 Abs. 1 EG-Vertrag in materieller Hinsicht und § 88 Abs. 3 EG-Vertrag in verfahrensrechtlicher zu prüfen. Gerade aus der Betonung des nationalen Rechtes ergibt sich, dass Art 87, 88 EG-Vertrag für sich allein nicht ausreichen, um eine solche prozessuale Beziehung zu begründen. Dementsprechend liegen den einschlägigen Fällen auch jeweils Konstellationen zu­grunde, in denen es um die Rückforderung der vermeintlichen Beihilfe zwischen dem Beihilfegewährer und dem Beihilfeempfänger geht.

Die Rechtsprechung zieht auch die entsprechenden Konsequenzen, indem Art 88 Abs. 3 EG-Vertrag als Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB angesehen wird und deshalb eine Rückforderung zu Unrecht gewährter Beihilfen oder verfrüht, nämlich vor einer Entscheidung der Kommission, gewährter Beihilfen möglich bleibt.

Aus den von der Klägerin zitierten Passagen der EuGH-Rechtsprechung ergibt sich nicht, dass der Wettbewerber zwingend eine Möglichkeit haben muss, unmittelbar vom Beihilfeempfänger die Rückzahlung der gewährten Beihilfe an den Beihilfegewährer verlangen zu können oder den Beihilfegewährer zwingen können muss, die Rückforderung der Beihilfe zu betreiben. Die Rechtsprechung steht dem lediglich nicht entgegen.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der SFEI-Entscheidung des EuGH vom 11.07.1996 (C-39/94). Hier hatten Wettbewerber gegen den Beihilfegewährer auf Feststellung geklagt, dass bestimmte Leistungen staatliche Beihilfen im Sinne des Art 87 Abs. 1 EGV sind und sodann Unterlassungs- und Auskunftsansprüche erhoben sowie wegen des dadurch erlittenen eigenen Schadens Schadensersatz in Millionenhöhe gefordert. Das nationale französische Gericht hat im nationalen französischen Recht hierfür eine Anspruchsgrundlage gesehen und den EuGH u.a. mit der Frage befasst, ob es durch die Möglichkeiten der EU-Kommission gehindert ist, weiter tätig zu werden. Dies hat der EuGH verneint. Dies ist mit der vorliegenden Konstellation nicht vergleichbar. Das nationale deutsche Recht sieht für das Begehren der Klägerin auf Auskunft und Unterlassung keine Anspruchsgrundlage. Der EuGH hat auch hier seine schon früher geäußerte Einschränkung wiederholt, dass der Rechtsschutz nach dem nationalen Recht gewährt wird (Ziffer 32 der Entscheidung), was allein zu der € vom Senat verneinten - Frage führt, ob hier ein Schutzgesetz für den Wettbewerber vorliegt, so dass der begehrte Rechtsschutz über § 1004 BGB erlangt werden kann.

Es darf auch nicht übersehen werden, dass erst nach dieser Entscheidung die Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 93 des EG-Vertrages (jetzt Art 88 EGV) erlassen wurde, die dem Wettbewerber als nach Art 20 der VO (EG) Beteiligten des Prüfungsverfahrens einen selbständigen rechtlichen Status zur Geltendmachung der vermeintlichen Rechts­verletzung und damit zur Wahrung seiner Interessen gibt. Dies lässt das Bedürfnis zur Bildung von Analogien mangels Rechtsschutzlücke entfallen. Die Beantwortung des konkreten Vorabentscheidungsgesuches geht dann auch dahin, dass das nationale Gericht weder verpflichtet ist, sich für unzuständig zu erklären, noch das Verfahren aussetzen muss, bis die Kommission entschieden hat (Ziffer 53 der Entscheidung). Das nationale Gericht €könne€ Anlass haben, den Begriff der Beihilfe selbst auszulegen und anzuwenden, was nichts anderes bedeutet, als dass diese Möglichkeit besteht, soweit das nationale Recht aufgrund einer dort vorhandenen Anspruchsgrundlage zu einer solchen Prüfung führt. Auch hier wiederholt sich der Aspekt, dass das europäische Recht grundsätzlich einen effektiven Rechtsschutz fordert, den nationalen Weg dafür aber nicht bestimmt. Dabei €könne€ das nationale Gericht auch eine Anfrage an die Kommission oder ein Vorabentscheidungsverfahren einleiten. Die weiteren Ausführungen des EuGH, wonach das nationale Gericht auch auf eine Klage des Wettbewerbers verpflichtet sein könne, die Rückzahlung der vermeintlich missbräuchlichen staatlichen Beihilfe anzuordnen, setzt erkennbar eine entsprechende Anspruchsgrundlage im nationalen Recht voraus, ohne dass der EuGH postuliert, dass Art 88 Abs. 3 EGV selbst eine solche Anspruchsgrundlage im nationalen Recht darstellt.

jj.) Soweit die Klägerin auf die Entscheidung des BGH v. 27.11.1963 (V ZR 201/61 = NJW 1964, 396) hinweist, ergibt sich hieraus auch nicht mittelbar, dass es sich bei Art 87, 88 EG-Vertrag um Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB handeln muss. Der BGH postuliert darin nur, dass der Schutz eines Interesses durch ein Verwaltungsverfahren oder eine strafrechtliche Sanktion das Rechtsschutzinteresse für eine Klage nicht entfallen lässt. Anderes behauptet auch der Senat nicht.

Jedenfalls lässt die Entscheidung nicht den Umkehrschluss zu, dass es des doppelten oder sonst mehrfachen Rechtsschutzes und damit zusätzlich auch des zivilrechtlichen Schutzes für einen Wettbewerber bedarf.

kk.) Damit ist festzustellen, dass entgegen der Auffassung der Klägerin der EuGH nicht entschieden hat, dass Art 87, 88 Abs. 3 EG-Vertrag als unmittelbare Anspruchsgrundlagen für einen Auskunfts- und Leistungsanspruch heranzuziehen sind, noch dass es sich bei den Normen um Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB handelt.

(3) Entgegen der Auffassung der Klägerin sieht sich der Senat auch im Einklang mit der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung.

Der Senat teilt die Auffassung des OLG München im Urteil vom 15.05.2003 (Az.: 29 U 1703/03 = EuZW 2004, 125 = GRUR 2004, 169) sowie des OLG Schleswig in seinem Urteil vom 20.05.2008 (6 U 54/06 = EWS 2008, 470), wonach es sich bei Art 87, 88 EG-Vertrag nicht um Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB handelt. Er sieht sich mittelbar durch die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde gegen die Entscheidung des OLG München durch den Bundesgerichtshof bestätigt.

aa.) Das OLG München ist der Auffassung, dass die Vorschriften über staatliche Beihilfen einen Teil der Wettbewerbsregeln darstellen, die auf Art. 3 lit. b EGV zurückgehen. Die Kontrolle von Beihilfen solle einen wirksamen Wettbewerb als wesentlichen Bestandteil der marktwirtschaftlichen Ordnung aufrechterhalten; darüber hinaus trage diese Kontrolle zur Vollendung des Binnenmarktes bei (vgl. Rawlinson, in: Lenz (Hrsg.), EGV, 2. Aufl., Vorb. Art. 87-89 Rn. 2). Mögliche Auswirkungen auf die Lage von Wettbewerbern seien für das Beihilfeverbot des Art. 87 EGV nicht entscheidend; es sei auf unmittelbare staatliche Leistungen beschränkt und erfahre seine Rechtfertigung allein daraus, dass der Staat die Leistung erbringe (vgl. EuGH, EuZW 2001, 242 Rn. 61 - Preussen Elektra/Schleswag; Mees; in: Festschrift für Erdmann, 2002, S. 665-667). Ob die Bedingungen, unter denen sich Angebot und Nachfrage begegnen, durch die Gewährung einer Beihilfe verändert würden, sei für das Beihilfeverbot nicht entscheidend (vgl. Mees, S. 667); die Beihilfevorschriften hätten nicht die Funktion, die Gegebenheiten eines bestimmten Marktes festzulegen und gleiche Voraussetzungen für die auf diesem Markt tätigen Wettbewerber zu schaffen.

Der Bundesgerichtshof hat durch einen nicht begründeten Beschluss vom 04.12.2003 im Verfahren I ZR 140/03 die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zurückgewiesen, da er den aufgeworfenen Rechtsfragen weder grundsätzliche Bedeutung beigemessen, noch eine Entscheidung des Beschwerdegerichtes zur Fortbildung des Rechtes oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung für erforderlich gehalten hat. Der BGH hat damit zumindest mittelbar die Entscheidung des OLG München gebilligt.

Das OLG Schleswig hat darauf abgestellt, dass das Durchführungsverbot nach Artikel 88 Abs. 3 EG-Vertrag sich seinem Wortlaut nach nur an die Mitgliedsstaaten richte, nicht aber an einzelne Marktteilnehmer, um deren individuelle Rechtsverhältnisse zu schützen. Die Regelungen des EG-Vertrages dienten der Verwirklichung der in Artikel 2 niedergelegten Ziele, die Voraussetzungen eines Gemeinsamen Marktes und einer Wirtschafts- und Währungsunion unter den Mitgliedsstaaten zu gewährleisten. Es solle ein hoher Grad an Wettbewerbsfähigkeit und Konvergenz der Wirtschaftsleistungen zur Förderung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhangs sowie der Solidarität untereinander erreicht werden. Ferner gehe es auch darum, Wettbewerbsvorteile des Einzelnen zu verhindern, die dieser aus einer nicht auf dem vorgesehenen Weg gewährten Beihilfe ziehen könnte. Dieses Ziel könne nur erreicht werden, wenn Art. 88 Abs. 3 EG-Vertrag als ein Verbotsgesetz i.S.v. § 134 BGB angesehen wird, mithin der privatrechtliche Vertrag oder der sonstige Bewilligungsvorgang, durch den die Beihilfe gewährt wird, wegen Verstoßes gegen Art. 88 Abs. 3 EG-Vertrag nichtig ist. Nur so wird der Beihilfegeber oder ein Wettbewerber des Begünstigten € vorausgesetzt, die nach den nationalen Bestimmungen erforderlichen weiteren Voraussetzungen sind erfüllt € in die Lage versetzt, zur Vermeidung einer (weiteren) Wettbewerbsverzerrung umgehend die Erstattung der nicht genehmigten Beihilfe zu verlangen. Diese unmittelbare Wirkung auf das nationale Recht ohne besonderen Transformationsakt lege jedoch nicht den Schluss nahe, dass es sich bei Art. 88 Abs. 3 EG-Vertrag zugleich um ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB handele. Mit dieser Entscheidung hat das OLG Schleswig zugleich die von der Klägerin herangezogene Entscheidung des LG Kiel in seinem Teil-Urteil vom 28.07.2006 (14 O Kart 176/04 n.v.) aufgehoben, auf die sich die Klägerin bisher bezogen hat.

bb. Der Senat schließt sich der vorstehenden Auffassung an, wie sich bereits aus seinem Hinweisbeschluss vom 23.01.2008 ergibt.

cc. Soweit die Klägerin zunächst geltend macht, dass die Entscheidung des OLG München eine andere Konstellation betreffe, weil dort der Wettbewerber unmittelbar gegen den Beihilfeempfänger vorgegangen sei (S. 5 des Schriftsatzes vom 19.02.2007), ist dies unzutreffend. Beklagte waren die Landeshauptstadt München und der Freistaat Bayern als vermeintliche Beihilfegewährer. Die Klägerin des dortigen Verfahrens begehrte die Un­ter­lassung der Nichterhebung von Umsatzsteuer als Form der staatlichen Beihilfe. Dies ist der hier vorliegenden Konstellation vergleichbar, da auch die Klägerin des vorliegenden Verfahrens u.a. die Unterlassung der Nichterhebung von nicht kostendeckenden Entgelten verlangt.

c.) § 33 GWB als Anspruchsgrundlage

Die Klägerin kann sich neben Art 88 Abs. 3 EGV i.V.m. § 1004 BGB auch nicht auf § 33 GWB als Anspruchsgrundlage berufen. Nach § 33 Abs. 1 GWB ist derjenige, welcher gegen eine Vorschrift des GWB, gegen Artikel 81 oder 82 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft oder eine Verfügung der Kartellbehörde verstößt, dem Betroffenen zur Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr zur Unterlassung verpflichtet. Der Anspruch auf Unterlassung besteht bereits dann, wenn eine Zuwiderhandlung droht. Betroffen ist, wer als Mitbewerber oder sonstiger Marktbeteiligter durch den Verstoß beeinträchtigt ist.

Wie bereits Eingangs dargelegt, handelt es sich vorliegend weder um eine Kartellsache noch sind die Art 81, 82 EGV einschlägig. § 33 GWB scheidet danach als Anspruchsnorm für das klägerische Verlangen aus. Insoweit ergibt sich auch keine Verpflichtung zur Unterrichtung des Bundeskartellamtes nach § 90 Abs. 1 GWB. Hierfür reicht es nicht aus, dass allein § 33 GWB als Anspruchsnorm genannt wird.

Es liegt auch kein Verstoß gegen § 19 Abs. 1 GWB vor. Danach ist die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung durch ein oder mehrere Unternehmen verboten. Ein Unternehmen ist nach § 19 Abs. 2 GWB marktbeherrschend, soweit es als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen auf dem sachlich und räumlich relevan­ten Markt ohne Wettbewerber ist oder keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist oder eine im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern überragende Marktstellung hat; hier­bei sind insbesondere sein Marktanteil, seine Finanzkraft, sein Zugang zu den Beschaffungs- oder Absatzmärkten, Verflechtungen mit anderen Unternehmen, rechtliche oder tatsächliche Schranken für den Marktzutritt anderer Unternehmen, der tatsächliche oder potentielle Wettbewerb durch innerhalb oder außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes ansässige Unternehmen, die Fähigkeit, sein Angebot oder seine Nachfrage auf andere Waren oder gewerbliche Leistungen umzustellen, sowie die Möglichkeit der Marktgegenseite, auf andere Unternehmen auszuweichen, zu berücksichtigen.

Ausgehend hiervon bedarf es keiner näheren Darlegungen, dass angesichts der in Reichweite befindlichen Flughäfen in Frankfurt und Köln eine solche marktbeherrschende Stellung nicht vorliegt. Die Kommission hat in ihrer von der Klägerin vorgelegten Entscheidung 95/364EG vom 28. Juni 1995 betreffend den Flughafen Brüssel (ABl. Nr. L 216 v. 12.09.1995 S. 8 € 14) dargelegt, dass die marktbeherrschende Stellung sich daraus ableitet, dass es keine Alternative für den Kurz- und Mittelstreckenverkehr mit Ziel- und Ausgangsort im Einzugsgebiet Brüssels, die die Vorteile des Flughafens Brüssel bietet, gibt. Es kann nicht ernsthaft in Zweifel gezogen werden, dass die im Einzugsgebiet des Flughafens ... liegenden Flughäfen Frankfurt und Köln/Bonn diese Funktion in gleicher Art und Weise wahrnehmen. Inwieweit dies auch noch für die Flughäfen Zweibrücken, Luxemburg, Dortmund und Düsseldorf gilt, kann deshalb dahin gestellt bleiben. Das Kriterium der Entfernung kann im konkreten Einzelfall nur bedingt herangezogen werden, weil der Flughafen ... € anders als etwa Brüssel € regelmäßig nicht das tatsächliche Ziel des Reisenden ist, sondern er sich von dort in das Rhein-Main-Gebiet oder aber in den Raum Koblenz/Bonn/Köln begibt. Auch die Klägerin räumt ein, dass auf den relevanten geographischen Markt abgestellt werden kann. Genau hier fehlt es aber an jedem Vortrag. Die Flughäfen Frankfurt und Köln sind von den tatsächlichen Herkunfts- und Zielorten der Passagiere regelmäßig auch nicht mehr als 100 km entfernt. Die maßgeblichen Fakten, insbesondere die räumliche Struktur in den genannten Gebieten, sind dem Senat, der aus Mitgliedern besteht, die allesamt in der Region leben, aus eigener Wahrnehmung bekannt. Anders als die Klägerin meint, ist auch auf die Passagiere abzustellen und nicht auf die Fluglinien. Letztere orientieren sich auch daran, welche örtliche und sonstige Orientierung ihr potentieller Kundenkreis hat. Auch hier fehlt es an jedem sachlichen Vortrag, worin die marktbeherrschende Stellung in Bezug auf andere Fluglinien liegen soll und in welcher Weise sich gerade auch die Klägerin diesem marktbeherrschenden Einfluss ausgesetzt sieht. Die Klägerin stellt Behauptungen auf, ohne diese auch € in erster Instanz - begründet zu haben.

Soweit die Klägerin meint, dass ein Anwaltsgutachten der Beklagten von einem anderen Standpunkt ausgeht und mittelbar die marktbeherrschende Stellung eingeräumt wird, bleibt dies unerheblich, weil die Beurteilung dieser Frage dem Senat obliegt.

Ungeachtet dessen liegt auch offensichtlich keine missbräuchliche Ausnutzung einer solchen marktbeherrschenden Stellung vor, da unbestritten geblieben ist, dass die Klägerin zu den gleichen Konditionen wie andere Fluggesellschaften, insbesondere die ... Ltd., den von der Beklagten betriebenen Flughafen nutzen könnte. Die Klägerin hat zwar in ihren Schriftsatz vom 23.04.2008 behauptet, dass es nur für ... möglich sei, auf dem Flughafen der Beklagten hohe Passagiervolumina zu generieren. Mit Tatsachen hat sie diese schlichte Behauptung jedoch nicht unterlegt. Insoweit liegt auch gerade keine unbillige Ungleichbehandlung im Sinne des § 20 GWB vor.

Die Klägerin selbst sieht den Rechtsstreit im europäischen Beihilferecht verortet. Dies hat sie in der mündlichen Verhandlung noch einmal deutlich hervorgehoben. Es handelt sich deshalb vorliegend nicht um eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit, in der die Anwendung des GWB Haupt- oder Vorfrage ist (zum Anwendungsbereich Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht / GWB, 4. Aufl. 2007, § 90 Rn. 2). Der vorliegende Rechtsstreit wird aus diesem Grunde nicht von der Unterrichtungspflicht des § 90 Abs. 1 GWB erfasst. Insoweit hat das Landgericht Bad Kreuznach eine solche Vorlage zu Recht unterlassen. Auch dem Senat obliegt keine derartige Unterrichtungspflicht.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

4. Die Revision war vorliegend nach § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO zuzulassen. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 04.11.2008 € 1 BvR 2587/06 entschieden, dass einer Sache grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn sie eine klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Klärungsfähigkeit einer Rechtsfrage setzt dabei die Revisibilität des anzuwendenden Rechts nach § 545 Abs. 1 ZPO voraus. Klärungsbedürftig sind solche Rechtsfragen, deren Beantwortung zweifelhaft ist oder zu denen unterschiedliche Auffassungen vertreten werden und die noch nicht oder nicht hinreichend höchstrichterlich geklärt sind.

Der BGH hat die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das bezeichnete Urteil des OLG München mit Beschluss vom 04.12.2003 im Verfahren I ZR 140/03 zurückgewiesen. Gleichwohl kann im Sinne der Auffassung des Bundesverfassungsgerichtes nicht von einer hinreichenden höchstrichterlichen Klärung der Streitfrage ausgegangen werden, ob Art 87, 88 EG-Vertrag Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB sind. Der BGH hat die Nichtzulassungsentscheidung nicht begründet. Damit kann jedenfalls formal betrachtet nicht ausgeschlossen werden, dass hierfür andere Gründe maßgeblich waren.

Letztlich kann auch nicht übersehen werden, dass das OLG Schleswig € anders als das OLG München € die grundsätzliche Bedeutung der Sache angenommen hat. Es wäre nicht sachgerecht, bei der identischen Rechtsfrage der Klägerin nun den weiteren Rechtsweg zu versperren. Es bedarf deshalb auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung der Zulassung der Revision im vorliegenden Verfahren.

Insoweit revidiert der Senat seine durch die Erteilung des Hinweises nach § 522 Abs. 2 S. 2 ZPO dokumentierte ursprüngliche Auffassung, dass die Voraussetzungen des § 522 Abs. 1 Nr. 1 € 3 ZPO vorliegen, dahin, dass jedenfalls die Voraussetzung des § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und 3 ZPO durch die Entscheidung des OLG Schleswig im Lichte der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zu § 522 Abs. 2 ZPO nicht mehr gegeben sind.






OLG Koblenz:
Urteil v. 25.02.2009
Az: 4 U 759/07


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/6b1e4dffc301/OLG-Koblenz_Urteil_vom_25-Februar-2009_Az_4-U-759-07




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