Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 10. Juni 2010
Aktenzeichen: 7 U 17/08

(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 10.06.2010, Az.: 7 U 17/08)

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 04.01.2008 verkündeteUrteil der Einzelrichterin der 27. Zivilkammer des LandgerichtsFrankfurt a.M. (Az.: 2-27 O 21/07) teilweise dahingehendabgeändert, dass der Beklagte weiter verurteilt wird, an dieKlägerin über die vom Landgericht zugesprochenen Beträge hinausZinsen in Höhe von 4% aus 56.923,83 € vom 03.10.2003 bis zum20.10.2006 sowie aus weiteren 36.109,99 € vom 29.06.2005 biszum 16.02.2007 und Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über demBasiszinssatz aus 56.923,83 € vom 21.10.2006 bis zum16.02.2007 zu zahlen.

Die Widerklage gemäß Schriftsatz vom 12.07.2009 wird alsunzulässig abgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzenzu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann dieVollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115% desaufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofernnicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von115% des jeweils zur Vollstreckung gelangenden Betragesleistet.

Gründe

I.

Der Beklagte ist Rechtsanwalt. Er vertrat die Klägerin in verschiedenen Restitutions- und Entschädigungsangelegenheiten. Unter anderem beauftragte die Klägerin ihn mit der Durchsetzung einer ihr gemäß einem Bescheid des X zustehenden Forderung gegen die Y-mbH in Höhe von 56.923,83 €. Die Y-mbH zahlte am 02.10.2003 diesen Betrag an den Beklagten, der die Klägerin hiervon nicht unterrichtete und das in Empfang genommene Geld auch nicht an die Klägerin auskehrte. Mit Schreiben vom 09.10.2006 forderte die Klägerin den Beklagten unter Fristsetzung zum 20.10.2006 fruchtlos zur Auszahlung der 56.923,83 € auf. Der Beklagte kündigte mit Schreiben vom 08.11.2006 eine Abrechnung an und erklärte in einem weiteren Schreiben vom 14.12.2006, dass er seine Honoraransprüche gegen die Klägerin auf einen Betrag von rund 250.000 € schätze. Darüber hinaus hatte die Klägerin den Beklagten mit der Durchsetzung einer Forderung gegen Z-mbH (Z) in Höhe von 36.109,99 € beauftragt. Die Z überwies diesen Betrag am 28.06.2006 auf ein Konto des Beklagten, der die Zahlung wiederum nicht an die Klägerin auskehrte. Der Beklagte ließ der Klägerin Vorschuss-Kostenrechnungen mit dem Betreff €Vermögensrechtliche Ansprüche € diverse Verfahren€ vom 21.10.2005 über 9.280,00 € und vom 26.04.2006 über 5.800,00 € zukommen, welche die Klägerin ausglich (Bl.17-19 d.A.).

Mit der Klage hat die Klägerin den Beklagten auf Zahlung von 93.033.32 € (56.923,83 € + 36.109,99 €) nebst Zinsen in Höhe von 8% über dem Basiszinssatz aus 56.923,83 € seit dem 03.10.2003 und aus weiteren 36.109,99 € seit dem 29.06.2005 in Anspruch genommen.

Der Beklagte hat geltend gemacht, dass sich die Gegenstandswerte in Angelegenheiten nach dem VermG nach den aktuellen Verkehrswerten richteten und sich von daher ein Gegenstandswert von 20.000.000 € ergebe. Als Anlagen A 4a zu seinen Schriftsätzen vom 25.03.2007 und vom 24.05.2007 hat er eine Berechnung auf der Grundlage dieses Gegenstandswertes vorgelegt, die mit einem Betrag von 146.384,28 € endet und wegen deren Einzelheiten auf Bl. 47 und 79 d.A. Bezug genommen wird. Der Beklagte hat behauptet, dass die Klägerin vereinnahmte Kosten an ihn abgetreten habe.

Widerklagend hat er den nach Abzug der Klagehauptforderung und der Vorschusszahlungen der Klägerin von dem Betrag von 146.384,28 € verbleibenden Rest, nämlich eine Forderung von 38.270,46 €, geltend gemacht.

Die Klägerin und Widerbeklagte hat beanstandet, dass das ihr vorliegende Exemplar der Anlage A 4a nicht vom Beklagten unterschrieben sei. Sie hat darauf abgestellt, dass die Berechnung auch im Übrigen nicht den Anforderungen des § 18 BRAGO genüge. Zudem hat sie den zugrunde gelegten Gegenstandswert bestritten.

Das Landgericht hat der Klage unter Abweisung im Übrigen wegen der Hauptforderung nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.02.2007 stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Hauptforderung aus § 667 BGB und der zugesprochene Zinsanspruch ab Rechtshängigkeit aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB begründet seien. Eine vom Beklagten wohl konkludent erklärte Aufrechnung mit Vergütungsansprüchen gehe ins Leere, weil Honoraransprüche jedenfalls nicht fällig und darüber hinaus nicht schlüssig dargetan seien. Aus diesen Gründen sei auch die Widerklage unbegründet. Wegen der Erwägungen des Landgerichts und des erstinstanzlichen Parteivorbringens im Einzelnen wird ergänzend auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt.

Der Beklagte und Widerkläger hat mit seinem Rechtsmittel die vollständige Abweisung der Klage und die Verurteilung der Klägerin und Widerbeklagten gemäß seinem Widerklageantrag erster Instanz erstrebt. Die Berufung des Beklagten hat der Senat mit einstimmig gefasstem Beschluss vom 14.01.2009 nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen und die Kostenentscheidung dem Schlussurteil vorbehalten. Mit Schriftsatz vom 26.03.2009 hat der Beklagte Gehörsrüge gegen das erstinstanzliche Urteil erhoben und zugleich die €Wiederherstellung des `status quo ante´€ sowie die Aufhebung des Senatsbeschlusses vom 14.01.2009, Abweisung der Klage und Stattgabe seiner Widerklage beantragt. Er hat mit Schriftsatz vom 21.04.2009 klargestellt, dass sich die von ihm erhobene Gehörsrüge auch auf das Verfahren über seine Berufung bezieht. Das Landgericht hat die Gehörsrüge gegen das erstinstanzliche Urteil mit Beschluss vom 30.04.2009 verworfen. Die dagegen eingelegte Beschwerde hat der Senat mit Beschluss vom 12.06.2009 verworfen. Darüber hinaus hat der Senat mit Beschluss vom 27.05.2009 sowohl das Gesuch des Beklagten um Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Einlegung der Gehörsrüge gegen den Senatsbeschluss vom 14.01.2009 als auch die gegen diesen Beschluss erhobene Gehörsrüge verworfen. Einen vom Beklagten gegen den Beschluss vom 27.05.2009 eingelegten und als €sofortige Beschwerde€ bezeichneten Rechtsbehelf des Beklagten hat der Senat als Gegenvorstellung behandelt und mit am 23.06.2009 zugestelltem Beschluss vom 17.06.2009 zurückgewiesen. Ablehnungsgesuche des Beklagten gegen den Berichterstatter und späteren Einzelrichter sowie gegen deren Zurückweisung eingelegte, als Gegenvorstellung behandelte Rechtsbehelfe hatten keinen Erfolg.

Die Klägerin verfolgt mit ihrer Berufung ihre erstinstanzlich geltend gemachten Zinsforderungen, soweit ihnen das Landgericht nicht stattgegeben hat, in reduziertem Umfang weiter. Sie macht geltend, dass die Zinsforderungen in Höhe von 4% nach unstreitigem Sachverhalt aus § 668 BGB begründet seien, was das Landgericht übersehen habe. Weiter habe das Landgericht unberücksichtigt gelassen, dass der Beklagte unstreitig unter Fristsetzung zum 20.10.2006 zur Auskehrung der 56.923,83 € aufgefordert worden sei. Daher sei insoweit eine Zinsforderung in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.10.2006 aus Verzug begründet.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil teilweise abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin weitere Zinsen in Höhe von 4% aus 56.923,83 € vom 03.10.2003 bis 20.10.2006 sowie aus weiteren 36.109,99 € vom 29.06.2005 bis zum 16.02.2007 und in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 56.923,83 € vom 21.10.2006 bis zum 16.02.2007 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, dass die Berufung der Klägerin unzulässig sei. Da die Klägerin nach ihm Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil eingelegt habe, liege doppelte Rechtshängigkeit vor, woraus sich die Unzulässigkeit der Berufung der Klägerin ergebe.

Mit Schriftsatz vom 12.07.2009 hat der Beklagte ankündigt, seine Widerklage zu €erweitern€ (Bl. 460 d.A.). Mit Beschluss vom 14.07.2009 hat der Senat auf diesbezüglich bestehende Zulässigkeitsbedenken hingewiesen. Der Beklagte macht geltend, dass ihm aus 14 weiteren, bisher nicht streitgegenständlichen Angelegenheiten Honoraransprüche gegen die Klägerin in Höhe von 43.390,38 € zustünden.

Der Beklagte beantragt widerklagend,

die Klägerin und Widerbeklagte zu verurteilen, an den Beklagten und Widerkläger weitere 43.390,38 € zu zahlen.

Die Klägerin und Widerbeklagte beantragt,

die Widerklage zu verwerfen.

Sie widerspricht der Widerklage und hält sie für unzulässig, hilfsweise auch für unbegründet.

Der Beklagte beantragt mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 04.06.2010, das Verfahren nach § 149 Abs. 1 ZPO auszusetzen. Zur Begründung stellt er darauf ab, dass am 25.05.2010 eine Durchsuchung seines elterlichen Anwesens, der Wohnung seiner Ehefrau und seiner Kanzleiräume gemäß § 102 StPO stattgefunden habe.

Wegen des Parteivorbringens in der zweiten Instanz wird ergänzend auf die klägerischen Schriftsätze vom 12.03.2008, 30.04.2008 und 07.09.2009, auf die Schriftsätze des Beklagten vom 21.01.2008, 13.02.2008, 16.06.2008, 24.07.2008, 05.08.2008, 27.08.2008, 19.11.2008, 09.02.2009, 26.03.2009, 21.04.2009, 11.06.2009, 12.07.2009, 14.09.2009, 04.10.2009, 19.11.2009, 10.12.2009 (zwei Schriftsätze), 09.01.2010, 11.01.2010 und 04.06.2010 sowie auf die Sitzungsniederschriften vom 20.08.2009, 18.02.2010 und 20.05.2010 Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Klägerin ist statthaft. Die Klägerin ist im Umfang der Teilabweisung der Klage durch das angefochtene Urteil mit mehr als der Erwachsenheitssumme des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO beschwert und kann daher selbstständig Berufung einlegen. Das Rechtsmittel ist auch im Übrigen zulässig.

Es hat in der Sache Erfolg. Die mit der Berufung weiter verfolgten Zinsforderungen sind aus unstreitigem Sachverhalt begründet. Die Klägerin hat, zwar im zweiten Rechtszug neu, aber unbestritten, und daher zu berücksichtigen, vorgetragen, dass der Beklagte die von der Y-mbH und der Z erhaltenen Gelder für sich verwendet hat. Daraus resultiert ein weiterer Zinsanspruch nach §§ 688, 246 BGB in Höhe von 4% aus 56.923,83 € vom 03.10.2003 bis zum 20.10.2006 sowie aus weiteren 36.109,99 € vom 29.06.2005 bis zum 16.02.2007. Im Hinblick auf die fruchtlose Aufforderung mit Schreiben vom 09.10.2006 unter Fristsetzung zum 20.10.2006 zur Auszahlung von 56.923,83 € ist ein weiterer Zinsanspruch in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf diese Teilforderung für den Zeitraum vom 21.10.2006 bis zum 16.02.2007 aus Verzug nach §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB begründet.

Die mit Schriftsatz vom 12.07.2009 eingereichte Widerklage ist unzulässig. Es handelt sich um eine neue Widerklage, nicht lediglich um eine Erweiterung der schon in erster Instanz erhobenen Widerklage. Das Verfahren über die ursprüngliche Widerklage war spätestens mit dem Beschluss des Senats vom 17.06.2009, dem Beklagten zugestellt am 23.06.2009, endgültig abgeschlossen. Die Entscheidung über die neue Widerklage kann nicht auf Tatsachen gestützt werden, die der Entscheidung über die Berufung der Klägerin, d.h. über die restlichen Zinsansprüche, ohnehin zugrunde zu legen sind. Daher fehlt an der Zulässigkeitsvoraussetzung des § 533 Nr. 2 ZPO.

Der Schriftsatz des Beklagten vom 04.06.2010 gibt keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen, um das Verfahren sogleich wieder auszusetzen. Denn der Rechtsstreit ist entscheidungsreif.

Da die Klägerin mit einem weiteren Teil der von ihr geltend gemachten Nebenforderungen durchgedrungen ist, entspricht es der Billigkeit, die erstinstanzliche Kostenentscheidung dahingehend abzuändern, dass der Beklagte gemäß § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO die gesamten Kosten des ersten Rechtszugs zu tragen hat.

Da die Berufung der Klägerin Erfolg hat, die des Beklagten jedoch nicht, und da die neue Widerklage abgewiesen wird, hat der Beklagte darüber hinaus nach §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der zweiten Instanz zu tragen.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.






OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 10.06.2010
Az: 7 U 17/08


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