Landgericht Braunschweig:
Urteil vom 11. April 2006
Aktenzeichen: 21 O 3496/05

(LG Braunschweig: Urteil v. 11.04.2006, Az.: 21 O 3496/05)

Tenor

1. Die Nebeninterventionen sind zulässig.

2. Die Klage wird abgewiesen.

3. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Nebenintervenienten. Die Nebenintervenienten tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

5. Streitwert: 50.000,00 €.

Tatbestand

Die Klägerin ficht einen Hauptversammlungsbeschluss der Beklagten an.

Die Beklagte führte am 17.11.2005 eine außerordentliche Hauptversammlung durch. Die Tagesordnung für diese Hauptversammlung hatte sie im elektronischen Bundesanzeiger am 07.10.2005 bekannt gegeben. Unter Tagesordnungspunkt 1 (im Folgenden: TOP 1) schlug sie den Aktionären eine Umstrukturierung des Konzerns vor: Unternehmensbeteiligungen, die die Beklagte selbst hält, sollen auf eine sogenannte €Zwischenholding€, die ... GmbH, übertragen werden. Diese Übertragung der Unternehmensbeteiligungen soll es € zusammengefasst € ermöglichen, Verluste und Gewinne innerhalb ihres Konzerns €steuerlich zu verschneiden€, um so die Steuerlast des Konzerns insgesamt zu senken. Die Beklagte legte den Aktionären zur Vorbereitung der Hauptversammlung einen Ausgliederungsbericht (im Folgenden: Spaltungsbericht) vor, der auch den Vertragsentwurf zwischen der Beklagten und der ... GmbH enthielt.

Die Klägerin selbst hatte am 07.10.2005 noch keine Aktie der Beklagten erworben. Sie erwarb zu einem späteren Zeitpunkt eine Aktie, allerdings noch vor der Hauptversammlung. Aufgrund dieses Aktienerwerbs nahm der Geschäftsführer der Klägerin an der Hauptversammlung teil. In der Hauptversammlung erklärte er € vor Beschlussfassung € zu Protokoll des beurkundenden Notars ... seinen Widerspruch gegen eine positive Beschlussfassung zur Umstrukturierung unter TOP 1.

Die Beklagte ließ auf der Hauptversammlung vom 17.11.2005 dann unter TOP 1 über die Umstrukturierung ihres Unternehmens abstimmen. Die Abstimmung erfolgte im sogenannten Subtraktionsverfahren. D. h., lediglich die Aktionäre, die sich der Stimme enthalten oder gegen den Beschlussvorschlag stimmen wollten, mussten ihre Stimmen abgeben. Diese Stimmen wurden sodann ausgezählt, elektronisch den jeweiligen Aktionären (Stimmrechtsinhabern) zugeordnet und von den registrierten anwesenden Stimmen subtrahiert. Diese Abstimmung führte bei TOP 1 (Umstrukturierung) zu einer Zustimmung von 99,95 % der anwesenden Stimmberechtigten zum Beschlussvorschlag der Beklagten.

Gegen die Beschlussfassung hat die Klägerin rechtzeitig Klage erhoben. Zur Frage der Klagebefugnis (nach neuem Recht) hat der Geschäftsführer der Klägerin in der mündlichen Verhandlung die Kopie eines €Treuhandvertrages€ vorgelegt (vgl. Anlage zum Protokoll vom 06.03.2006), nachdem der Vorsitzende den Prozessbevollmächtigten der Klägerin vor der mündlichen Verhandlung telefonisch gebeten hatte, die Klagebefugnis näher darzulegen. Dieser €Treuhandvertrag€ weist als Datum seines Abschlusses den 01.10.2005 aus.

In diesem Vertrag sind die Klägerin als €Treugeber€ und ein Herr ... €als Treuhänder€ bezeichnet. Im Vertrag heißt es u.a. wie folgt:

€1. Der Treuhänder hält ein Stück auf den Inhaber lautende Aktie der ... AG ...

2. Die Parteien kommen überein, dass der Treuhänder ab dem Zeitpunkt der Wirksamkeit dieser Vereinbarung die unter Ziffer 1 aufgeführten Aktie im eigenen Namen aber für Rechnung des Treugebers hält.

4. Die Verwaltungsrechte aus der unter Ziffer 1 aufgeführten Aktien, wie Stimmrecht etc. werden vom Treuhänder nur nach Weisung des Treugebers ausgeübt. Der Treuhänder erteilt dem Treugeber bereits jetzt Vollmacht die Verwaltungsrechte wahrzunehmen.€

Die Klägerin hält sich mit Rücksicht auf den €Treuhandvertrag€ € hier insbesondere Ziffer 4 des Vertrages € für klagebefugt.

Die Klägerin behauptet, ihr Geschäftsführer habe dem Beschlussvorschlag zu TOP 1 nicht zugestimmt, sondern dagegen gestimmt. Sollte die Stimmerfassung etwas anderes ausweisen, müsse die Abstimmung manipuliert sein, oder es müsse sonst ein Fehler vorliegen. Hilfsweise erklärt sie die Anfechtung der €Stimmabgabe€ wegen Irrtums. Die Klägerin behauptet weiter, ihr Geschäftsführer habe nach der Abstimmung zu TOP 1 seinen Widerspruch gegenüber dem Notar noch einmal ausdrücklich betont und damit also wiederholt. Im Übrigen rügt sie Verletzung ihrer Informationspflichten. Sie vertritt die Ansicht, dass der vorliegende Spaltungsbericht unkorrekt, lückenhaft und in sich widersprüchlich sei. Sie führt das in der Klage und einem nachfolgenden Schriftsatz näher aus (vgl. Seite 5 der Klage, Bl. 5 f. d. A., Schriftsatz vom 01.03.2006, Seite 3 f. Bl. 115 f. d. A.).

Die Klägerin und die Nebenintervenienten beantragen,

1. Der Beschluss der außerordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 17.11.2005 zu TOP 1, dem Eingliederungs- und Übernahmevertrag zwischen der ... AG als übertragender Rechtsträger und der ... GmbH als übernehmender Rechtsträger wird zugestimmt und die ... AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, ..., wird zum Prüfer der Bilanz der ... AG zum 30.11.2005 (Schlussbilanz gemäß § 17 Abs. 2 UmwG) gewählt.

wird für nichtig erklärt.

Hilfsweise: Es wird festgestellt, dass der in der außerordentlichen Hauptversammlung der Beklagten am 17.11.2005 zu TOP 1 gefasste Beschluss mit dem im Hauptantrag wiedergegebenen Wortlaut nichtig ist.

Äußerst hilfsweise: Es wird festgestellt, dass der in der außerordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 17.11.2005 zu TOP 1 gefasste Beschluss mit dem im Hauptantrag wiedergegebenen Wortlaut unwirksam ist.

Die Beklagte beantragt,

1. die Nebeninterventionen zurückzuweisen,

2. die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hält die Klage bereits für unzulässig, da die Klägerin mit Rücksicht auf den €Treuhandvertrag€ nicht klagebefugt sei. Sie bestreitet, dass der Vertrag bereits am 1. 10. 2005 abgeschlossen worden ist und behauptet, er sei erst nach dem 7. 10. 2005 von den Vertragsparteien unterzeichnet worden (Beweis: Sachverständigengutachten). Den protokollierten Widerspruch hält sie für unbeachtlich, da er vor der Beschlussfassung erhoben worden ist. Im Übrigen behauptet sie unter Vorlage des Stimmerfassungsbogens der Klägerin (Anlage Ast 5), dass die Klägerin dem Beschlussvorschlag unter TOP 1 zugestimmt habe. Mit Rücksicht auf diese Zustimmung hält die Beklagte die Klage zumindest für rechtsmissbräuchlich. Im Übrigen hält sie den vorgelegten Spaltungsbericht für hinreichend informativ und korrekt. Sie führt das im Einzelnen aus (vgl. Klagerwiderung, Seite 13 f., Bl. 35 f. d. A.). Die Nebeninterventionen hält sie für unzulässig, da teilweise von den Nebenintervenienten kein Widerspruch protokolliert worden sei. Sie bestreitet auch, dass die Nebenintervenienten Aktionäre der Beklagten seien.

Soweit die Klägerin die Stimmabgabe ihres Geschäftsführers angefochten hat, hält die Beklagte das für verspätet und weist im Übrigen die Anfechtung wegen fehlender Original-Vollmacht zurück.

Gründe

Soweit die Beklagte die Nebeninterventionen nicht für zulässig erachtet, ist nach § 71 ZPO durch Zwischenurteil zu entscheiden. Dieses kann mit der Schlussentscheidung verbunden werden.

Die Nebeninterventionen sind zulässig. Das nach § 66 ZPO vorausgesetzte rechtliche Interesse ergibt sich aus der Rechtskrafterstreckung der vorliegenden Entscheidung auf alle Aktionäre (§ 248 AktG). Dieser vom OLG Düsseldorf (AG 2004, 677 € 678) und dem OLG Frankfurt (AG 2002, 88 € 89) geäußerten Rechtsansicht tritt die Kammer ausdrücklich bei.

Die Klage selbst ist unbegründet.

Der Klägerin fehlt es an der erforderlichen Klagebefugnis nach § 245 Ziffer 1. AktG n. F.. Diese am 01.11.2005 in Kraft getretene neue Fassung des § 245 Ziffer 1. AktG findet hier auch Anwendung, obwohl die Tagesordnung für die außerordentliche Versammlung bereits am 07.10.2005 im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht worden ist. Denn das Gericht ist gehalten, das Recht anzuwenden, das zur Zeit der mündlichen Verhandlung (06.03.2006) gilt, es sei denn, die Anwendung des neuen Rechts würde zu einer sogenannten echten Rückwirkung führen. Von einer echten Rückwirkung kann aber nur dann gesprochen werden, wenn durch die Rechtsänderung Sachverhalte betroffen sind, die in der Vergangenheit abgeschlossen worden sind. Darum handelt es sich hier nicht. Denn der gesamte hier zur Entscheidung stehende Sachverhalt stellt € beginnend mit der Einladung zur Hauptversammlung/der Veröffentlichung der Tagesordnung am 07.10.2005 bis zur Hauptversammlung und bis zur Einreichung der Klage und der mündlichen Verhandlung über sie - einen einheitlichen Sachverhalt dar. Hier kann bestenfalls von einer sogenannten unechten Rückwirkung gesprochen werden, die die Anwendung des neuen Rechts nicht hindert (vgl. dazu BGH MDR 2005, 755; OLG Frankfurt, Beschluss vom 08.02.2006, AZ: 12 W 185/05). Die Kammer schließt sich der vom BGH und vom OLG Frankfurt geäußerten Rechtsansicht ausdrücklich an.

26Der Klägerin fehlt es an der nach § 245 Ziffer 1. AktG erforderlichen Klagebefugnis, weil sie vor dem 07.10.2005 (Bekanntmachung der Tagesordnung) die Aktie, aus der sie ihr Stimmrecht in der Hauptversammlung herleitete, noch nicht erworben hatte. Das hat sie in der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt.

27Der €Treuhandvertrag€, den die Klägerin erst in der mündlichen Verhandlung auf mündliche Nachfrage des Vorsitzenden in Kopie überreicht hat, begründet die erforderliche Klagebefugnis nicht. Denn er ersetzt die Inhaberschaft einer Aktie am 07.10.2005 nicht. Dabei kann offen bleiben, ob dieser Vertrag tatsächlich am 01.10.2005 abgeschlossen worden ist, wie das Datum im Vertrag ausweist, oder € wie die Beklagte behauptet € zu einem späteren Zeitpunkt. Denn selbst wenn der €Treuhandvertrag€ am 01.10.2005 abgeschlossen worden sein sollte, begründet er für die Klägerin keine Klagebefugnis. Zunächst ist bereits zweifelhaft, ob dieser €Treuhandvertrag€ tatsächlich ein Treuhandvertrag im üblichen Sinne ist. Denn die Übertragung von Treugut, wie es üblicherweise in Treuhandverträgen vorgenommen wird, regeln die Vertragsparteien hier gerade nicht. Vielmehr heißt es unter Ziffer 2. des €Treuhandvertrages€ lediglich, dass ein Herr ... als €Treuhänder€ für die Klägerin als €Treugeberin€ eine Aktie der Beklagten €für Rechnung des Treugebers€, also für Rechnung der Klägerin, hält. Was darunter zu verstehen ist, wird nicht weiter erläutert. Sollte es sich aber tatsächlich um einen Treuhandvertrag im klassischen Sinne handeln, begründet er die Klagebefugnis gerade nicht. Denn für die Frage der aktienrechtlichen Klagebefugnis nach § 245 Ziffer 1. AktG ist bei einem Treuhandvertrag auf die rechtliche Betrachtungsweise abzustellen und nicht auf die wirtschaftliche. Maßgeblich ist also, wer € rechtlich gesehen € Inhaber der Aktie ist. Und das ist eben hier der €Treuhänder€, Herr ..., und nicht der €Treugeber€, also die Klägerin (vgl. zur Frage der Klagebefugnis beim Treuhandvertrag Hüffer, AktG, 6. Aufl., § 245 RZ. 10 m. w. N. in der Rechtsprechung). Die Kammer hält diese von der Rechtsprechung und der Kommentierung entwickelte Ansicht für zutreffend. Da aber im vorliegenden Fall Herr ... als €Treuhänder€ Inhaber der Aktie war, als die Tagesordnung bekannt gegeben wurde, war bestenfalls er klagebefugt, nicht aber die Klägerin.

28Die Klagebefugnis der Klägerin lässt sich auch nicht aus der Regelung unter Ziffer 4. des €Treuhandvertrages€ ableiten. Dort heißt es allerdings, dass die €Verwaltungsrechte der Aktie, wie Stimmrecht usw. vom Treuhänder, also Herrn ..., nur nach Weisung des Treugebers, also nach Weisung der Klägerin, ausgeübt werden. Der Treuhänder erteilt dem Treugeber bereits jetzt Vollmacht, die Verwaltungsrechte wahrzunehmen€. Diese Regelung ist aber unwirksam. Denn sie spaltet das Stimmrecht und die sonstigen Verwaltungsrechte, wie z. B. das Recht gegen den Beschluss einer Hauptversammlung zu klagen, von der Inhaberschaft an der Aktie ab. Dies ist nach Ansicht der Rechtsprechung unzulässig (vgl. BGH MDR 1987, 474; OLG Koblenz NJW 1992, 2163 € zum GmbH-Anteil -). Dieser Ansicht ist zuzustimmen. Das deutsche Recht kennt nicht die Übertragung einzelner Verwaltungsrechte, die Ausfluss von Mitgliedschaftsrechten sind, wie hier bei einer Aktie. Ließe man etwas anderes zu, würde das zu einer erheblichen Verunsicherung führen. Bei einer Aufspaltung von Inhaberschaft,. Mitgliedschaftsrechten und Verwaltungsrechten wären die einzelnen Rechte im Rechtsverkehr praktisch nicht mehr nachvollziehbar darzustellen. Im Übrigen wurde eine derartige Regelung auch eine Umgehung der Neufassung des § 245 Ziffer 1. AktG bedeuten, die gerade auf den Erwerb einer Aktie vor Bekanntgabe der Tagesordnung abstellt und damit bewusst die Klagebefugnis von der Inhaberschaft der Aktie zu einem bestimmten Zeitpunkt abhängig machen will.

29Fehlt aber die Klagebefugnis, ist die Klage unbegründet, wie es das OLG Frankfurt in seinem Beschluss vom 08.02.2006 ( a.a.O. )zutreffend ausgeführt hat. Die Frage der Klagebefugnis ist also keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit der Klage. Denn die Klagebefugnis knüpft an die materielle Inhaberschaft der Aktie an. Wenn das Gesetz dann diese Klagebefugnis als Ausschluss des materiellen Rechts einschränkt, stellt das eine Regelung des materiellen Rechts und nicht des Verfahrensrechtes dar.

Sollte man der von der Kammer geäußerten Rechtsansicht nicht folgen wollen, so wäre die Klage aber dennoch unbegründet, da sie rechtsmissbräuchlich ist (§ 242 BGB). Denn die Klage stellt ein widersprüchliches Verhalten der Klägerin dar. Die Kammer muss davon ausgehen, dass die Klägerin durch ihren Geschäftsführer bei der Hauptversammlung am 17.11.2005 dem Beschlussvorschlag zu TOP 1 zugestimmt hat, obwohl der Geschäftsführer vor der Beschlussfassung einen Widerspruch gegen eine positive Beschlussfassung protokollieren ließ. Die Beklagte hat unter der Anlage ASt 5 die €Bestätigung über die Stimmrechtsausübung€ für die Klägerin vorgelegt. Diese weist aus, dass die Klägerin der Beschlussfassung zugestimmt hat € genauer gesagt: Keine Stimme abgegeben hat. Ihr Verhalten ist jedenfalls im Rahmen des Subtraktionsverfahrens zutreffend als €Zustimmung€ gewertet worden. Der Geschäftsführer der Klägerin hat zwar behauptet, er habe der Beschlussfassung widersprochen und mit €Nein€ gestimmt. Angesichts der vorgelegten Unterlagen und dem dargestellten Abstimmungsverfahren hätte die Klägerin aber schon sehr substantiiert vortragen und unter Beweis stellen müssen, dass ihr Geschäftsführer € entgegen den vorliegenden Abstimmungsunterlagen € mit €Nein€ gestimmt hat. Die bloße Behauptung, hier müsse die Abstimmung manipuliert worden sein oder sonst ein Fehler vorliegen, reicht nicht aus. Denn dieser Vorwurf ist durch keinerlei nachvollziehbaren Vortrag gestützt und damit gemäß § 138 Abs. 1 ZPO prozessual unbeachtlich. Die Zustimmung der Klägerin ist auch nicht etwa durch die erklärte Anfechtung unwirksam geworden. Abgesehen davon, dass die Beklagte gemäß § 174 BGB die Anfechtung wirksam zurückgewiesen hat, ist die Begründung (Anfechtung €wegen Irrtums€) ohne weiteren Vortrag dazu, worüber sich der Geschäftsführer der Klägerin geirrt haben will, zu unsubstantiiert, als dass das Gericht Anlass sieht, diesem Vortrag nachzugehen. Er ist ebenfalls nach § 138 Abs. 1 ZPO unbeachtlich. Hat aber die Klägerin der Beschlussfassung zu TOP 1 (Umstrukturierung der Beklagten) zugestimmt, hat sie zu erkennen gegeben, dass sie den ursprünglich geäußerten Widerspruch nicht mehr aufrecht erhält und sie sich eines Anderen besonnen hat. Mit der nachfolgenden Klage setzt sich die Klägerin daher in Widerspruch zu ihrer Zustimmung.

Man mag evtl. eine Klage zulassen, wenn ein Aktionär nach Zustimmung zu einem Beschlussvorschlag sich eines Anderen besinnt und € erneut € einen Widerspruch gegen den Beschluss protokollieren lässt (so Hüffer, in Münchener Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 245 RZ. 55). Dies ist hier aber nicht geschehen. Die Klägerin hat lediglich behauptet, ihr Geschäftsführer habe seinen ursprünglichen Widerspruch dem Notar gegenüber "betont€. Was darunter zu verstehen ist, bleibt unklar (auch wenn die Klägerin darin eine Wiederholung des Widerspruchs sehen will). Jedenfalls ergibt sich aus dem Protokoll des Notars € einer öffentlichen Urkunde € kein erneuter Widerspruch der Klägerin nach Beschlussfassung. Eine Vernehmung des Notars kam nicht in Betracht, da Notar ... unmittelbar vor der mündlichen Verhandlung dem Vorsitzenden gegenüber erklärt hat, er würde von seiner Amtsverschwiegenheit Gebrauch machen und nicht aussagen wollen. Damit steht aufgrund des Protokolls über den Verlauf der Hauptversammlung fest, dass die Klägerin ihren Widerspruch jedenfalls nach der Beschlussfassung nicht erneut beim Notar angebracht hat (§ 415 ZPO). Es verbleibt dabei, dass sie sich mit ihrer Klage in Widerspruch zu der von ihr erteilten Zustimmung zum Beschlussvorschlag unter TOP 1 setzt. Dieses widersprüchliche Verhalten ist nach § 242 BGB als Rechtsmissbrauch anzusehen mit der Folge, dass die Klage auch aus diesem Grund unbegründet ist (vgl. zur Einordnung des Rechtsmissbrauchs als Frage der (Un)-begründetheit: Hüffer, AktG, 6. Aufl., § 245 Rz. 26).

Mit Rücksicht darauf, dass die Klage bereits wegen fehlender Klagebefugnis und wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben unbegründet ist, bedarf es keiner Erörterung der übrigen zwischen den Parteien umstrittenen Gesichtspunkte, also insbesondere der Rügen der Klägerin am Informationsgehalt des Spaltungsberichts.

Die Hilfsanträge bleiben ebenfalls erfolglos. Ausführungen zur Nichtigkeit des angegriffenen Beschlusses finden sich in der Klage nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 101 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

Den Streitwert hat das Gericht gemäß § 3 ZPO, § 247 AktG festgesetzt.

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LG Braunschweig:
Urteil v. 11.04.2006
Az: 21 O 3496/05


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