Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 29. Januar 1992
Aktenzeichen: 13 U 178/91

(OLG Köln: Urteil v. 29.01.1992, Az.: 13 U 178/91)

Nimmt jemand anwaltlichen Rat in Anspruch, weil er sich von einem anderen durch eine - von diesem bestrittene - Àußerung bedroht fühlt, und wendet sich der Anwalt sodann schriftlich an den Anwalt des Gegners mit der Aufforderung, derartige Drohungen in Zukunft zu unterlassen, so besteht kein Unterlassungsanspruch gegen den angeblich Bedrohten.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 17. Mai 1991 verkündete Urteil der 10. Zi-vilkammer des Landgerichts Aachen - 10 O 641/90 - wird zurückgewiesen. Die Kosten der Berufung trägt der Kläger. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2.300,00 DM vorläufig voll-streckbar.

Gründe

Die zulässige Berufung hat in der Sache

keinen Erfolg. Einen Unterlassungsanspruch des Klägers gemäß §§

823 Abs. 2, 1004 BGB in Verbindung mit §§ 185, 186 StGB hat das

Landgericht zutreffend verneint.

Es kann dahinstehen, ob die für einen

solchen Anspruch erforderliche Wiederholungsgefahr angenommen

werden kann. Grundsätzlich mag zwar die einmalige Aufstellung einer

als Beleidigung oder üblen Nachrede zu wertenden Àußerung

gegenüber einem Dritten bereits ausreichen, um die Gefahr einer

Wiederholung dieses Verhaltens zu begründen. Hier muß aber

beachtet werden, daß die dem Beklagten vorgeworfene Àußerung vor

einem konkreten Hintergrund zu sehen ist. Die Parteien waren

nämlich zur damaligen Zeit in einen Rechtsstreit verwickelt, der

offenbar von beiden Seiten stark emotionell geführt worden ist.

Dieser Rechtsstreit ist inzwischen jedoch abgeschlossen. Der

Beklagte hat über das Verhalten des Klägers nur seinen

Prozeßbevollmächtigten des damaligen Rechtsstreits berichtet, um

deren anwaltlichen Rat einzuholen; sonstigen Personen hat er

davon nichts mitgeteilt, wie die im ersten Rechtszug durchgeführte

Beweisaufnahme ergeben hat. Im Hinblick auf diese Umstände

erscheint zweifelhaft, ob die Wiederholungsgefahr zu bejahen

ist.

Dies kann jedoch letztlich ebenso

dahinstehen wie die Frage, ob die vom Kläger beanstandete Àußerung

eine Beleidigung im Sinne des § 185 StGB oder eine üble Nachrede im

Sinne des § 186 StGB darstellt. Nicht entschieden zu werden braucht

auch, ob der Kläger sich gegenüber dem Beklagten tatsächlich in der

von diesem mitgeteilten Art und Weise geäußert hat.

Der Beklagte hätte nämlich die Àußerung

des Klägers ihm gegenüber zum Anlaß einer Strafanzeige nehmen

können, weil diese Àußerung als Bedrohung im Sinne des § 241 StGB

hätte gewertet werden können. Die Einreichung einer solchen

Strafanzeige bei Polizei oder Staatsanwaltschaft - unabhängig

davon, ob ihr Inhalt zutraf - hätte der Kläger keinesfalls mit

einer Unterlassungs- oder Beseitigungsklage verhindern können,

weil es jedem Bürger freisteht, sich zur Wahrung seiner Rechte an

die Strafverfolgungsorgane zu wenden. Ob der Inhalt der Anzeige

richtig ist oder nicht, ist von den Strafverfolgungsorganen ggf. zu

ermitteln. Der Betroffene hat in dem Ermittlungsverfahren

Gelegenheit zur Wahrnehmung seiner Rechte.

Der Beklagte hätte auch, wie schon das

angefochtene Urteil zutreffend ausführt, die angebliche Drohung des

Klägers sogleich zum Gegenstand einer Unterlassungsklage machen

können, ohne vorher den Kläger abzumahnen. Auch diese Klage hätte

der Kläger mit einer eigenen Unterlassungsklage nicht verhindern

können, wäre vielmehr darauf angewiesen gewesen, in jenem Verfahren

seine Rechte wahrzunehmen. Aus zivilprozessualen Gründen hätte der

Beklagte, wenn er denn eine Unterlassungsklage hätte erheben

wollen, den Kläger zuvor abmahnen müssen, um im Falle eines

Anerkenntnisses des Klägers der nachteiligen Kostenfolge aus § 93

ZPO zu entgehen.

Keinen dieser beiden Wege, die für den

Kläger eine nicht unerhebliche Belastung dargestellt hätten, hat

der Beklagte gewählt. Er hat vielmehr anwaltlichen Rat eingeholt,

und seine Prozeßbevollmächtigten als unabhängige Organe der

Rechtspflege, § 1 BRAO, haben den damaligen Prozeßbevollmächtigten

des Klägers von der angeblichen Drohung Mitteilung gemacht und den

Kläger aufgefordert, zukünftig solche Belästigungen des Beklagten

zu unterlassen. Damit haben die Prozeßbevollmächtigten des

Beklagten eine Aufgabe wahrgenommen, die ihnen von der

Rechtsordnung zugewiesen ist, indem sie vor der Inanspruchnahme

behördlicher oder gerichtlicher Hilfe für den Beklagten eine

außergerichtliche Beilegung der Angelegenheit versucht haben. Es

darf aber keinem Bürger verwehrt werden, sich ratsuchend an einen

Rechtsanwalt zu wenden, vgl. auch § 2 BRAO. Wenn dieser daraufhin

tätig wird in einer Weise, die weder nach ihrer Form noch nach

ihrem Inhalt Anlaß zu Beanstandungen gibt, kann diese Tätigkeit

nicht mit einer Unterlassungsklage gegen den Mandanten bekämpft

werden.

Es ist aus der Sicht des Senats auch

nicht zu beanstanden, daß die Prozeßbevollmächtigten des

Beklagten sich nicht unmittelbar an den Kläger gewandt haben,

sondern an dessen Prozeßbevollmächtigten des damaligen

Rechtsstreits. Das lag sogar nahe, weil die angebliche Drohung des

Klägers im Zusammenhang mit dem bereits erwähnten Rechtsstreit der

Parteien zu sehen war. Wenn infolge der Anweisungen des Klägers,

die dieser in bezug auf die von seinen Anwälten eingehende Post

gegeben hatte, der Inhalt des an ihn gerichteten Briefes seiner

Prozeßbevollmächtigten auch anderen Personen als nur ihm zur

Kenntnis gelangte mit der Folge, daß weitere Dritte von der

angeblichen Drohung gegenüber dem Beklagten erfuhren, kann dies

nicht dem Beklagten angelastet werden. Aus dessen Sicht konnte

gerade der Umstand, daß die Abmahnung an die Prozeßbevollmächtigten

des Klägers gerichtet wurde wegen der diesen obliegenden

anwaltlichen Schweigepflicht dazu führen, daß die angebliche

Drohung des Klägers keinen sonstigen Dritten bekannt wurde.

Die prozessualen Nebenentscheidungen

beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 709 Satz 1 ZPO.

Streitwert der Berufung: 6.000,00

DM.






OLG Köln:
Urteil v. 29.01.1992
Az: 13 U 178/91


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