Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 9. September 2003
Aktenzeichen: 4 U 63/03

(OLG Hamm: Urteil v. 09.09.2003, Az.: 4 U 63/03)

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das am 1. April 2003 verkündete Urteil der VI. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bielefeld wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Klägern wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 4.000,- EUR abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Die Sicherheitsleistung kann durch unbedingte, unwiderrufliche, unbefristete selbstschuldnerische Bürgschaft eines als Zoll- und Steuerbürge anerkannten Kreditinstituts in der Europäischen Union erbracht werden.

Tatbestand

Die Kläger betreiben in M die Bar N, bei der es sich nach ihrem Vorbringen um ein Etablissement handelt, in dem Prostituierten und deren Kunden sexuelle Kontakte ermöglicht werden.

Die Beklagte gibt das Anzeigenblatt X heraus. Dieses Anzeigenblatt enthält u.a. eine Rubrik "Von Herz zu Herz", unter der sich private Kontaktanzeigen befinden. Daneben sind außerdem Kleinanzeigen abgedruckt, in denen seuxelle Kontakte in unterschiedlicher Art und Weise angeboten werden. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlagen K 1 und 2 (Bl. 6 und 7 der Akten) Bezug genommen, ferner auf die Ausgabe des X vom 21. August 2003.

Die Kläger streben an, der Beklagten zu untersagen, Anzeigen zu veröffentlichen, in denen für entgeltliche sexuelle Handlungen geworben wird.

Sie haben dazu ausgeführt, in den besagten Kleinanzeigen, wie sie insbesodere in der Anlage K 3 (Bl. 11 der Akten) wiedergeben seien, werde für entgeltliche sexuelle Handlungen geworben. Mit der Veröffentlichung wirke die Beklagte an einem Verstoß gegen § 120 Abs. 1 Nr. 2 OWiG mit, in dem jegliche Werbung für Prostitution verboten werde. Einzelne Anzeigen seien zudem so gestaltet, daß auch ein Verstoß gegen § 119 Abs. 1 Nr. 2 OWiG gegeben sei. Die Veröffentlichung solcher Anzeigen sei ihnen gegenüber wettbewerbswidrig. Sowohl die Anbieter der in den Kleinanzeigen beworbenen Leistungen als auch sie selbst würden gewerbliche Leistungen zumindest verwandter Art auf dem selben Markt vertreiben. Die Werbung dieser Anbieter um Kunden unterstütze die Beklagte in rechtswidriger Weise, während sie selbst sich an das Verbot der Werbung für Prostitution hielten. Durch diese rechtswidrige Werbung würden ihrem Geschäftsbetrieb erhebliche wirtschaftliche Nachteile zugefügt.

Die beanstandete Werbung verstoße auch gegen § 3 UWG, da durch die Einordnung der beanstandeten Anzeigen unter die Rubrik "Von Herz zu Herz" der (unzutreffende) Eindruck erweckt werde, es handele sich um private Kontaktanzeigen, während es sich tatsächlich um gewerbliche Anbieter handele. Als solche müßten diese eindeutig erkennbar sein. Dadurch, daß lediglich eine Telefonnummer angegeben werde, werde aber der Eindruck des privaten Charakters verstärkt.

Die Kläger haben beantragt,

die Beklagte unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr in ihren Druckwerken Anzeigen zu veröffentlichen, in denen für entgetliche sexuelle Handlungen geworben wird, insbesondere, wenn dies unter einer Rubrik "Von Herz zu Herz/Die nette Art Menschen kennenzulernen: einfach anrufen und verabreden" und unter Verschweigen des gewerblichen Charakters der Anzeige geschieht, insbesondere wie aus der nachfoglenden Anlage K 3 ersichtlich.

Kopie Bl. 53 der Akten

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat den Klageantrag als zu unbestimmt gerügt und im übrigen ausgeführt, sie habe mit den Anzeigen nicht für Prostitution geworben. Sie wisse nicht, was sich hinter den einzelnen Anzeigen verberge. Jedenfalls fehle es an einem Wettbewerbsverhältnis zwischen den Klägern und ihr. Auch könne nicht nachvollzogen werden, daß der Barbetrieb der Kläger durch die Anzeigen beeinträchtigt werde. Schließlich würden die Anzeigen als sozialverträglich gelten und allgemein geduldet werden, so daß sie deshalb auch wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden seien, zumal § 120 Abs. 1 Nr. 2 OWiG keine wettbewerbsrechtliche Schutzfunktion zukomme.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Mit ihrer Berufung verfolgen die Kläger ihr erstinstanzliches Begehren weiter und führen dazu des weiteren aus, in ihrem Lokal böten die Prostituierten gegenüber Kunden ihre Dienste an. Das Entgelt würden die Prostituierten selbst bestimmen. Der Mietzins je Stunde für die zu ihrem Lokal gehörenden Zimmer die nach den Angaben des Klägers zu 1) im Senatstermin ausschließlich zur Vornahme sexueller Handlungen bereitgehalten und an die Kunden der Prostitutierten vermietet werden, betrage 50,00 &...8364;. Außerdem würden sie an den von ihnen verkauften Getränken verdienen.

Das Anzeigenblatt der Beklagten werde insbesondere in M und N verteilt, und zwar donnerstags. Mit den beanstandeten Anzeigen werde Prostitution beworben, da es sich für den Leser aus der Art der Anzeigen ergebe, so daß das Bestreiten der Beklagten, es handele sich um das Bewerben von Prostitution, unbeachtlich sei. Außerdem stünden hinter der Werbung erkennbar Bordellbetriebe, so daß ein Wettbewerbsverhältnis zu ihnen bestehe. Im einzelnen vertiefen die Kläger mit näheren Ausführungen, daß es sich bei den §§ 119, 120 OWiG um solche handele, denen eine wettbewerbsbezogene Schutzfunktion zukomme. Zudem habe das Landgericht (fehlerhaft) nicht geprüft, ob die beanstandete Werbung nicht bereits unmittelbar sittenwidrig im Sinne von § 1 UWG sei, da es hier erst Recht um eine Herabwürdigung der Frau zum bloßen sexuellen Objekt gehe. Insbesondere "Tai-Mädchen" würden als jederzeit verfügbare Ware "feilgeboten". An dieser Beurteilung ändere auch das Prostitutionsgesetz nichts.

Das Unterlassungsbegehren sei aber auch wegen eines Verstoßes gegen die §§ 119, 120 OWiG begründet. Diese Normen seien wettbewerbsbezogen, da durch sie die Werbung für entgeltliche sexuelle Handlungen verboten und damit gerade ein Wettbewerbsverhalten untersagt werde. Es gehe bei dem Werbeverbot um den Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter, und zwar insbesondere um den Jugendschutz. Die Verletzung solcher wertbezogenen Normen indiziere grundsätzlich die wettbewerbsrechtliche Unlauterkeit mit der Folge, daß es regelmäßig nicht der Feststellung weiterer Unterlauterkeitsmomente bedürfe. Dagegen müsse die verletzte Norm nicht auch den Schutz des Mitbewerbers bezwecken. Besondere Umstände, die ausnahmsweise die indizierte Unlauterkeit entfallen lassen könnten, seien nicht ersichtlich.

Die durch das Vorgehen der Beklagten geförderten Anbieter der in den Kleinanzeigen beworbenen Leistungen erlangten außerdem durch den Verstoß gegen die §§ 119, 120 OWiG einen erheblichen, nicht gerechtfertigten Wettbewerbsvorsprung.

Der Unterlassungsanspruch rechtfertige sich aber auch aus § 3 UWG.

Die Kläger beantragen,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach den Schlußanträgen der Kläger erster Instanz zu erkennen,

hilfsweise,

die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu zahlenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr in ihren Druckwerken Anzeigen zu veröffentlichen, in denen für entgeltliche sexuelle Handlungen geworben wird, insbesondere, wenn dies wie in den Anzeigen geschieht, die im Klageantrag Seite 2 der Klageschrift vom 16.01.2003 (Bl. 2 der Gerichtsakten) wiedergegeben sind.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil mit näheren Darlegungen und führt u.a. aus, es bestehe zwischen den Klägern und ihr kein Wettbewerbsverhältnis. Ein solches könne allenfalls zwischen den in der Bar der Kläger tätigen Prostituierten und den Prostituierten bestehen, die möglicherweise in ihrem Anzeigenblatt inserierten. Ihr Anzeigenblatt werde zudem nicht in M verteilt. Sie hafte auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Pressehaftung, da sich die Überprüfungspflicht auf grobe und eindeutige, also unschwer zu erkennende Wettbewerbsverstöße beschränke. An einem solchen Verstoß fehle es hier, weil niemand mehr an derartigen Anzeigen Anstoß nehme, sondern von der Zulässigkeit solcher Anzeigen ausgegangen werden müsse.

Aus diesem Grund könne wegen der Sozialverträglichkeit der Anzeigen auch nicht von einem Verstoß gegen § 1 UWG ausgegangen werden.

Den §§ 119, 120 OWiG fehle der erforderliche Wettbewerbsbezug, da sie nicht dem Schutz von konkurrierendem Gewerbe im Bereich der Prostitution dienten. Aber selbst dann, wenn sie gegen die §§ 119, 120 OWiG verstoßen haben sollte, fehle es an dem erforderlichen Vorsprung, der durch den unterstellten Rechtsbruch erzielten werden müsse.

Gründe

Die Berufung der Kläger ist unbegründet, da das Landgericht im Ergebnis zu Recht die Klage abgewiesen hat, und die Kläger auch nicht mit ihrem Hilfsantrag durchzudringen vermögen.

Der Senat braucht dabei nicht der Frage nachzugehen, ob der Hauptantrag gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unzulässig ist, wofür ein Widerspruch zwischen dem verallgemeinernden Teil des Antrages und dem ersten "insbesondere"-Zusatz des Antrags sprechen könnte.

Den Klägern mangelt es nämlich an der erforderlichen Klagebefugnis.

Sie können ihr Begehren nicht aus den §§ 1, 3 UWG herleiten, da sie nicht unmittelbar Verletzte sind.

Grundsätzlich sind diejenigen Bewerber als unmittelbar von einer zu Wettbewerbszwecken begangenen Handlung betroffen anzusehen, die zu dem Verletzter oder wie hier zu dem vermeintlich von diesem Geförderten in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis stehen (vgl. BGH WRP 2001, 148 ff, 149 m.w.N. - Vielfachabmahner). Ein solches konkretes Wettbewerbsverhältnis ist dann gegeben, wenn beide Parteien innerhalb des selben Endverbraucherkreises gleichartige Waren abzusetzen oder gleichartige Dienstleistungen zu erbringen suchen mit der Folge, daß das konkret beanstandete Wettbewerbsverhältnis den anderen beeinträchtigen, d.h. den Absatz der Waren oder die Erbringung der Dienstleistung behindern oder stören kann.

Die Beklagte fördert dadurch, daß sie die beanstandeten Anzeigen veröffentlicht, den Wettbewerb der Prostituierten, die als Werbende in diesen Anzeigen auftreten. Nach dem Verkehrsverständnis bieten diese mit den beanstandeten Anzeigen die Vornahme sexueller Handlung gegen Entgelt an. An diesem Inhalt der Werbung ändert sich auch dann nichts, wenn entsprechend dem Vorbringen der Kläger hinter der Werbung "erkennbar Bordellbetriebe stehen sollten", denn es wird nicht ein solches Etablissement, sondern die von den Prostituierten angebotene Handlung beworben. Solche Leistungen bieten die Kläger jedoch nicht an. Nach ihrem eigenen Vorbringen vermieten sie nur die entsprechenden Zimmer und verkaufen Getränke. Die sexuellen Handlungen bieten danach die Prostituierten "selbstbestimmend" an (vgl. dazu § 180 a Abs. 1 StGB, wonach die Ausbeutung von Prostituierten unter Strafe gestellt ist, und Artikel 1 § 2 Prostitutionsgesetz, wonach die Prostituierten ihre Forderungen nicht abtreten und nur im eigenen Namen geltend machen können). Mögen sich die Tätigkeitsbereiche der Kläger und der Prostituierten auch wirtschaftlich berühren, so handelt es sich gleichwohl nicht um gleichartige Leistungen, die die Voraussetzung für die Annahme eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses sind.

Die Kläger können ihre Klagebefugnis auch nicht aus § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG herleiten. Zwar ist der Begriff "gewerbliche Leistungen gleicher oder verwandter Art" weit auszulegen. Doch ist das entgeltliche Anbieten sexueller Handlungen verglichen mit dem Vermieten von Zimmern zur Vornahme solcher Handlungen nebst dem Verkauf von Getränken eine derart andere Leistung, daß sie auch nicht als verwandt angesehen werden kann. Das Vermieten von Zimmern stellt nur eine Hilfsleistung dar, mit der die Kläger Dritten die Ausübung der Prostitution in ihrem Lokal möglich machen, ohne selbst an dieser Leistungserbringung beteiligt zu sein.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.






OLG Hamm:
Urteil v. 09.09.2003
Az: 4 U 63/03


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