Landgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 7. Juli 2011
Aktenzeichen: 2/3 O 9/11
(LG Frankfurt am Main: Urteil v. 07.07.2011, Az.: 2/3 O 9/11)
Tenor
I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000.- EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an dem Vorstand, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs
1. für das verschreibungspflichtige Arzneimittel €Pink Luna€ außerhalb der eingeschränkten Fachkreise (Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker und Personen, die mit diesen Arzneimitteln erlaubterweise Handel treiben) zu werben,
2. gegenüber Endverbrauchern einen 10 EUR € Download € Gutschein, welcher im Musikportal €Musicstar€ eingelöst werden kann, auszuloben und/oder zu gewähren und/oder zu verlosen,
sofern dies jeweils geschieht, wie in Anlage K 1 wiedergegeben.
II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 166,60 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.01.2011 zu zahlen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
IV. Das Urteil ist hinsichtlich der Unterlassungsansprüche gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 90.000.- EUR und im Übrigen in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger verlangt von der Beklagten die Unterlassung von Werbetätigkeiten sowie die Erstattung vorgerichtlicher Kosten.
Der Kläger ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder, insbesondere die Achtung darauf gehört, dass die Regeln des lauteren Wettbewerbs eingehalten werden.
Die Beklagte ist ein bekanntes pharmazeutisches Unternehmen, deren Tochtergesellschaft A GmbH das verschreibungspflichtige Kontrazeptivum €Pink Luna€ vertreibt. Diesbezüglich wird auf die Anlage K 2 der Klageschrift (Bl. 57 € 62 d.A.) Bezug genommen. Dabei handelt es sich umgangssprachlich um eine €Pille€ zur Empfängnisverhütung (€Anti-Baby-Pille€).
Die Beklagte betreibt die Internetdomain www.liebe-ist-pink.de. Dort wurde u.a. mit der Ankündigung einer Verlosung geworben, als deren Gewinn €10 EUR Musik-Gutscheine€ ausgelobt wurden. Ebenso bestand die Möglichkeit, den 10 EUR Musik-Download-Gutschein für das Musikportal €Musicstar€ als Bestandteil eines sog. €Pink Packs€ über den Frauenarzt zu beziehen. Dieses €Pink Pack€ besteht aus einem modischen Schminktäschchen mit Lippenpflegestift, Nagelfeile, Kondom, Pillen-Blister-Etui, Pillen-Info-Broschüre und dem genannten Gutschein.
Der Kläger sieht insgesamt einen werblichen Zusammenhang der Internetseite mit der von der Tochtergesellschaft vertriebenen €Pille€ gegeben. Wegen der Einzelheiten der streitgegenständlichen Internetseiten wird auf die der Klageschrift beigefügte Anlage K 1 (Bl. 33 € 56 d.A.) Bezug genommen.
Der Kläger mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 05.08.2010 (Bl. 63 € 67 d.A.) wegen angeblichem wettbewerbswidrigen Verhaltens durch rechtswidrige Werbung ab und forderte sie auf, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Die Beklagte trat diesem Begehren mit Anwaltsschreiben vom 19.08.2010 (Bl. 69 € 71 d.A.) entgegen und verteidigte den Internetauftritt als rechtskonform.
Daraufhin beantragte der Kläger bei der erkennenden Kammer zum Az.: 2-03 O 405/10 mit Schriftsatz vom 31.08.2010 den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Durch Beschluss vom 04.10.2010 erließ die Kammer eine einstweilige Verfügung, die jedoch nur dem € hier nicht mehr streitgegenständlichen € Unterlassungsanspruch zu I.3. des Verfügungsantrages stattgab. Diesbezüglich gab die Beklagte zwischenzeitlich eine Abschlusserklärung ab. Im Übrigen hatte das Begehren des Antragstellers (jetzigen Klägers) keinen Erfolg. Wegen der Einzelheiten dieses Beschlusses wird auf Bl. 124 ff. der beigezogenen Akte Bezug genommen. Der sofortigen Beschwerde des Antragstellers (jetzigen Klägers) bezüglich der nicht stattgegebenen Verfügungsanträge wurde von der erkennenden Kammer durch Beschluss vom 25.10.2010 (Bl. 180 f. der beigezogenen Akte) nicht abgeholfen, jedoch durch Beschluss des 6. Zivilsenats des OLG Frankfurt am Main vom 16.11.2010 € 6 W 140/10 € antragsgemäß stattgegeben. Wegen weiterer Einzelheiten dieses Beschlusses wird auf die Anlage K 6 (Bl. 72 € 75 d.A.) Bezug genommen.
Aufgrund des Kostenwiderspruchs der Antragsgegnerin (jetzigen Beklagten) wurde der Beschluss der Kammer im genannten Eilverfahren vom 04.10.2010 in der Fassung des Beschlusses des OLG Frankfurt am Main vom 16.11.2010 € 6 W 140/10 € ohne mündliche Verhandlung am 07.12.2010 durch das erkennende Gericht hinsichtlich der Kostenentscheidung durch Anerkenntnisurteil vom 10.12.2010 aufgehoben (Bl. 207 € 208 der beigezogenen Akte). Von den erstinstanzlichen Kosten des Eilverfahrens haben danach der Kläger 1/3 und die Beklagte 2/3 zu tragen. Die zweitinstanzlichen Kosten des Eilverfahrens wurden der Beklagten auferlegt.
Der Kläger forderte die Beklagte mit Schreiben vom 23.11.2010 (Anlage K 7 = Bl. 76 d.A.) zur Abgabe einer Abschlusserklärung auf. Dieser Forderung kam die Beklagte nicht nach. Auf Antrag der Beklagten wurde dem Kläger durch Beschluss der erkennenden Kammer € Rechtspfleger € vom 15.12.2010 (Anlage K 8 = Bl. 77 d.A.) gemäß §§ 936, 926 ZPO aufgegeben, binnen einer Frist von drei Wochen ab Zugang des Beschlusses Klage in der Hauptsache zu erheben.
Der Kläger vertritt die Auffassung, die Werbung im Internet unter www.liebe-ist-pink.de stelle einen Verstoß gegen § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 10 Abs. 1 HWG dar. Insoweit wird insbesondere auf die Ausführungen des Klägers in der Klageschrift samt Anlagen (Bl. 22 ff. d.A.) Bezug genommen. Die streitgegenständlichen Internetseiten seien an das breite Publikum gerichtet. Das HWG sei einschlägig, da es sich bei dem Internetangebot um eine produktbezogene Werbung handele, da für die angesprochenen Verkehrskreise mit hinreichender Deutlichkeit auf das verschreibungspflichtige Produkt €Pink Luna€ in zumindest indirekter Weise Bezug genommen werde. Hilfsweise stützt die Klägerin ihren Anspruch darauf, dass im Internet die Pflichtangaben gemäß § 4 HWG nicht aufgeführt seien.
Die Werbung auf der streitgegenständlichen Internetseite verstoße zudem gegen § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 7 HWG, da der dort angebotene 10 EUR Musik-Gutschein, sowohl im Rahmen der Umfrage als auch als Bestandteil des sog. €Pink Packs€, als verbotene Werbegabe zu qualifizieren sei.
Der Kläger beantragt,
I. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an dem Vorstand, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs 1. für das verschreibungspflichtige Arzneimittel Pink Luna außerhalb der eingeschränkten Fachkreise (Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker und Personen, die mit diesen Arzneimitteln erlaubterweise Handel treiben) zu werben, sofern dies geschieht wie in Anlage K 1 wiedergegeben; 2. gegenüber Endverbrauchern einen 10 € € Download € Gutschein, welcher im Musikportal Musicstar eingelöst werden kann, auszuloben und/oder zu gewähren und/oder zu verlosen, sofern dies geschieht wie in Anlage K 1 wiedergegeben; II. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 166,60 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (26.01.2011) zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie vertritt die Auffassung, der streitgegenständliche Internetauftritt unter www.liebe-ist-pink.de stelle keine verbotene Publikumswerbung im Sinne des § 10 Abs. 1 HWG dar. Vielmehr würden mit dem Internetauftritt allgemeine Informationszwecke für Mädchen und junge Frauen sowie allenfalls zulässige allgemeine Unternehmenswerbung, die jedoch nicht gegen die Regelungen des HWG verstoße, verfolgt. Die Seiten würden weder einen direkten noch indirekten Bezug zu dem Produkt €Pink Luna€ darstellen. Die Seiten beschränkten sich auch nicht auf Fragen zur Verhütung, sondern sprächen umfassend alle wichtigen Themen in Bezug auf Mädchen, Liebe und Sexualität an. Ähnliche Internetpräsenzen gäbe es auch von anderen Arzneimittelherstellern. Der Name der eigenen €Pille€ sei nur über die Verlinkung zu einem Preisvergleich eines Drittanbieters überhaupt erkennbar, wodurch es zu keinerlei Verknüpfung kommen könne.
Auch weise der Internetauftritt keinen mittelbaren Produktbezug im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 10 Abs. 1 HWG auf. Die auf der Internetpräsenz verwendete Farbe Pink sei auch kein versteckter Bezug zu dem Produkt. Vielmehr müsse die Farbe im Kontext mit den Themen des Internetauftritts (Mädchen, Liebe, Sexualität, körperliches Selbstverständnis) gesehen werden, was sich auch durch die Verwendung dieser Farbe bei Internetauftritten von anderen Anbietern ergebe, die sich den genannten Themen verschrieben haben. Auch durch die Verwendung des gleichen Mädchenkopfes als Motiv auf der streitgegenständlichen Internetseite und der Verpackung des Produktes €Pink Luna€ sei kein vermeintlicher Produktbezug gegeben, da dies erfordere, dass die Internetnutzerin das Produkt bereits durch die Verschreibung durch den Frauenarzt kenne, wodurch der Schutzzweck des § 10 HWG obsolet werden würde. Zudem sei, selbst bei unterstelltem mittelbarem Bezug, der Schutzweck des HWG nicht in relevanter Weise berührt, da es sich bei der €Pille€ um ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel handelt, was als solches bereits einen hinreichenden Schutz biete. Eine missbräuchliche Anwendung der Pille aufgrund einer vermeintlich produktbezogenen Werbung bestehe daher nicht. Es müsse in diesem Zusammenhang berücksichtigt werden, dass es sich bei einer Internetpräsentation um eine passive Darstellungsform handele, die von den Nutzern erst aktiv aufgerufen werden müsse.
Die auf der Internetseite angebotenen streitgegenständlichen Download-Gutscheine stellten keine unerlaubte Werbegabe im Sinne von § 7 Abs. 1 HWG dar, da sich diese, aufgrund des Fehlens produktbezogener Werbung, nicht auf das konkrete Heilmittel bezögen. Schließlich handele es sich nicht um eine Werbegabe, da der Gutschein keinen Anreiz setze, das Präparat €Pink Luna€ zu kaufen und die Nutzerin gar nicht in der Läge wäre, das Präparat frei auf dem Markt zu erwerben.
Die Akte bezüglich des zwischen den Parteien anhängig gewesenen einstweiligen Verfügungsverfahrens des Landgerichts Frankfurt am Main 2-03 O 405/10 war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist zulässig.
Der Kläger ist prozessführungsbefugt gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG. Die Vorschrift regelt neben der materiellen Anspruchsberechtigung auch die prozessuale Klagebefugnis (Bergmann in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 2. Aufl., § 8 Rn. 261; BGH, NJW 1996, 3276 f. m. w. N.). Bei dem Kläger handelt es sich um einen rechtsfähigen Verband zur Förderung gewerblicher Interessen im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG, der insbesondere nach seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande ist, seine satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen (so für den Kläger u.a.: BGH, GRUR 2004, 793, 794; BGH, NJW 1996, 3276). Der Kläger ist klagebefugt gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG.
Die Klage ist auch begründet.
Dem Kläger steht der mit dem Antrag zu I.1. aus der Klageschrift verfolgten Unterlassungsanspruch aus §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 10 Abs. 1 HWG zu.
Es handelt es sich bei dem Produkt €Pink Luna€ um ein verschreibungspflichtiges Medikament im Sinne von § 48 AMG. Der Begriff der Werbung ist gesetzlich nicht definiert. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch sind unter Werbung alle der Förderung des Absatzes dienlichen Anpreisungen und Angaben zu verstehen, die auf eine Ware aufmerksam machen, den Bedarf wecken und zum Kauf anregen (Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, § 1 HWG, Rn. 14 ff.).
Bei der in der Anlage K 1 wiedergegebenen Darstellung handelt es sich auch nach der nunmehrigen Auffassung der Kammer um produktbezogene Werbung im Sinne des § 10 Abs. 1 HWG. Das Publikumswerbeverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel gemäß dieser Vorschrift beschränkt sich ausschließlich auf eine produktbezogene Werbung. Eine unzulässige € mittelbare € Werbung für Arzneimittel im Sinne der genannten Vorschrift läge auch dann vor, wenn durch die Werbung der Absatz bestimmter Arzneimittel im Hinblick darauf gefördert würde, dass die angesprochenen Verkehrskreise aufgrund sonstiger Umstände, wie beispielsweise der Angabe des Indikationsgebiets oder ihrer Kenntnisse der Marktverhältnisse, der Anzeige entnehmen könnten, es solle für bestimmte einzelne oder mehrere Arzneimittel geworben werden, obwohl deren Bezeichnung nicht ausdrücklich genannt ist (vgl. BGH GRUR 1992, 871, 872 € €Femovan€).
Der Annahme einer produktbezogenen Werbung steht vorliegend nicht entgegen, dass der Name des Produktes nicht auf der streitgegenständlichen Internetpräsenz genannt wird. Auf die Verlinkung auf die Internetseite www€.-€.de und der dortigen Nennung der von der Beklagten angebotenen €Pille€ im Preisvergleich mit konkurrierenden Produkten kommt es vorliegend für die Bejahung der Produktbezogenheit nicht an. Dabei ist auch unerheblich, dass auf der Internetpräsenz unter www.liebe-ist-pink.de auch andere Verhütungsmethoden und auch andere Themenkomplexe angeführt werden. Ob die Verlinkung unter der Rubrik €B€ neben anderen Arzneimitteln (Anlage K 10 = Bl. 86 d.A.) auf €Pink C€ mit dem Produkt €Pink Luna€ im Zusammenhang steht, kann dahinstehen.
28Vorliegend steht vielmehr das mittelbar assoziierte Produkt €Pink Luna€ im Mittelpunkt. Es liegt ein ausreichender mittelbarer Produktbezug vor. Der angesprochene Verkehrskreis (hier Mädchen und junge Frauen) kann auch ohne direkte Namensnennung auf der streitgegenständlichen Internetseite aufgrund der Gesamtumstände sowie ihrer eigenen Marktkenntnisse entnehmen, für welches Produkt geworben werden soll (vgl. BGH NJW 1995, 1617 ff. - Pharma-Hörfunkwerbung).
29Verhütung durch die €Pille€ stellt einen zentralen Aspekt der Internetpräsenz dar. Auch wenn die Farbe Pink, wie von der Beklagten gemäß Anlage B 5 ff. (Bl. 154 ff. d.A.) vorgetragen, bei anderen Internetauftritten und Produkten im Zusammenhang mit der genannten Zielgruppe verwendet wird, kommt der Farbe vorliegend, in Zusammenhang mit dem Namensbestandteil der Internetadresse (www.liebe-ist-pink.de) sowie der Nennung des Wortes €Pink€ auf der gesamten Internetpräsenz der Beklagten erhebliche Bedeutung zu und stellt einen €Blickfang€ dar. €Pink€ wird dabei in den Zusammenhang mit dem auch auf der Seite vielfach genannten Namen €A€ und €Verhütung€ gesetzt.
Zumindest einen Wiedererkennungseffekt wird auch durch den auf dem Produkt sowie auf der Internetseite gleich verwendeten Frauenkopf erzeugt. Auch für Patientinnen, die das Produkt kennen, kann durchaus Werbung betrieben werden. Für sie stellt sich die Frage, das Produkt weiterzuverwenden oder sich wieder mit dem Thema auseinanderzusetzen. Für andere, noch nicht mit dem Produkt vertraute Adressatinnen ist es hingegen ein Leichtes, durch einfache eigene Recherchen (z.B. auch im Bekannten- und Freundeskreis oder im Internet) den Namen des Produktes €Pink Luna€ zu erfahren. Es besteht ferner die Möglichkeit über den Frauenarzt oder in der Apotheke, sich über die angebotenen Verhütungspräparate der Beklagten zu informieren.
31Insofern entsteht durch die Nennung des Namens der Beklagten und der Farbe €Pink€ eine hinreichend konkrete Assoziation. Eine Verbindung mit dem Produkt €Pink Luna€ der Beklagten ist leicht herstellbar. Es handelt sich daher nicht bloß um erlaubte Firmenwerbung, die nur allgemein um Vertrauen zu einem bestimmten Hersteller erzeugen will, sondern um mittelbare Produktwerbung für €Pink Luna€ der Beklagten.
Entgegen der Auffassung der Beklagten steht auch der Schutzweck der Norm im vorliegenden Fall der Bejahung einer verbotenen Werbung nicht entgegen. Die Vorschrift des § 10 Abs. 1 HWG will die Gefahr einer Verleitung zur Selbstmedikation hochwirksamer und solcher Mittel begegnen, bei denen ein Missbrauch besonders nahe liegt. Die Argumentation der Beklagten, dass vorliegend kein Missbrauch entstehen könne, da es sich um ein verschreibungspflichtiges Medikament handele und der Arzt sich nicht €drängen€ lasse, ein bestimmtes Medikament zu verschreiben, geht schon dem Grunde nach fehl, da § 10 Abs. 1 HWG nur auf verschreibungspflichtige Arzneimittel Anwendung findet. Abgesehen davon, dass Fälle denkbar erscheinen, in denen die Patientin Wünsche oder Bitten gegenüber dem sie behandelnden Arzt äußert, ihr ein bestimmtes Kontrazeptivum zu verschreiben, und der Arzt dieser Bitte dann folgt, würde das Publikumswerbeverbot gemäß § 10 Abs. 1 HWG für medizinisch-indizierte, verschreibungspflichtige Arzneimittel auch bei produktbezogener Werbung leerlaufen, wenn man der Auffassung der Beklagten folgte. Eine Beeinflussung des Arztes durch die Patientin bezüglich der Verschreibung eines bestimmten Arzneimittels, im Rahmen der medizinischen Indikation, erscheint nicht ausgeschlossen. Zum einen kann durch die Werbung der Anreiz überhaupt gesetzt werden, mit der €Pille€ zu verhüten. Zum anderen gibt es in der Regel nicht nur die eine passende Medikation. Sofern mehrere Produkte in Betracht kommen, hat die Patientin durchaus ein Mitspracherecht.
33Auch wenn die streitgegenständlichen Informationen auf der Website des Herstellers lediglich als sog. €Pull-Dienste€ im Internet verfügbar sind, so dass der Internetnutzer einen aktiven Suchschritt unternehmen muss und derjenige, der kein Interesse an den jeweiligen Arzneimitteln hat, nicht ungewollt mit diesen Informationen konfrontiert wird (siehe Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 05.05.2011, Az.: C-316/09 in dem Verfahren MSD Sharp & Dohme GmbH gegen Merckle GmbH, Rn. 47), und nach dieser jüngsten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs von dieser Art der Informationsübermittlung über eine passive Darstellungsplattform regelmäßig keine Belästigung angenommen wird, schließt dies vorliegend nach Auffassung des Gerichts eine Bejahung des § 10 Abs. 1 HWG nicht aus. Durch das Surfen, durch Tipps z.B. von Freundinnen und insbesondere durch den Anreiz eines 10 EUR-Download-Gutscheins ist es ein Leichtes für die angesprochenen Verkehrskreise, auf die streitgegenständliche Internetseite zu gelangen. Hierbei ist auch gerade zu berücksichtigen, dass die Internetpräsenz, aufgrund ihrer weiterführenden Informationen zu €Mädchen-Themen€ einen aktiven Anreiz zum Besuch der Seite darstellt.
Das Unterlassungsbegehren gemäß dem Klageantrag zu I.2. hat ebenfalls Erfolg. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Unterlassungsanspruch gemäß §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 7 Abs. 1 HWG zu. Der angebotene 10 EUR-Download-Gutschein, der im Musikportal €Musicstar€ eingelöst werden kann, stellt zur Überzeugung des Gerichts eine Werbegabe im Sinne von § 7 Abs. 1 HWG dar.
35Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG ist es grundsätzlich unzulässig, im Zusammenhang mit der produktbezogenen Werbung für Heilmittel Zuwendungen und sonstige Werbegaben anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren. Dieses Zuwendungsverbot umfasst auch Werbegaben an Verbraucher (vgl. BGH GRUR 2006, 949). Die Vorschrift des § 7 HWG dient dazu, die Wertreklame der Heilmittelwerbung, welche in diesem Bereich mit der besonderen Gefahr der unsachlichen Beeinflussung der Verbraucher verbunden ist, weitgehend zu beschränken (vgl. BGH GRUR 2010, 1133 € Bonuspunkte, Tz. 18; Bülow/Ring, HWG, 3. Aufl., § 7 Rn. 7). Ein nach Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 der Regelung ausnahmsweise erlaubter geringwertiger Gegenstand oder eine geringwertige Kleinigkeit liegt daher nur dann vor, wenn wegen des Wertes der Werbegabe ausgeschlossen werden kann, dass der Werbeadressat durch die Aussicht, die Zugabe zu erhalten, in relevanter Weise unsachlich beeinflusst wird (BGH, a.a.O., Tz. 22). Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist die insoweit maßgebliche Grenze bei einem Betrag von 5 EUR jedoch überschritten (vgl. BGH GRUR 2010, 1136 € Unser Dankeschön für Sie; BGH GRUR-RR 2011, 39 € Einkaufsgutschein für Arzneimittel; BGH GRUR 2010, 1133 € Bonuspunkte). Nach der Rechtsprechung des 6. Zivilsenates des OLG Frankfurt am Main (Beschluss vom 26.04.2011, 6 U 44/11) liegt der vom Bundesgerichtshof gebilligte Betrag von 1 EUR bereits an der Obergrenze des nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 HWG Zulässigem.
Eine Werbegabe stellt eine Wertreklame dar und unterscheidet sich von einer Zugabe grundsätzlich dadurch, dass sie anders als diese unabhängig vom Bezug einer Ware gewährt wird (vgl. HansOLG GRUR 1979, 726 ff. € €Mederma€).
Grundvoraussetzung für die Anwendung des Werbegabenverbots ist der Produktbezug. Wie dargelegt handelt es sich bei dem streitgegenständlichen Internetauftritt um produktbezogene Werbung für das Präparat €Pink Luna€.
Zu unterscheiden ist vorliegend zwischen der Erlangung des Gutscheins durch das sog. €Pink Pack€ sowie durch die Teilnahme an der Umfrage.
39Der Coupon, der zum Erhalt des €Pink Packs€ beim Frauenarzt berechtigt, kann auf der streitgegenständlichen Internetseite ausgedruckt werden. Hier ist schon fraglich, ob dann beim Frauenarzt nicht schon eine enge Verbindung mit der Abgabe des €Pink Packs€ sowie mit der Verschreibung der €Pille€ der Beklagten besteht. Die Werbegabe kann jedoch auch unabhängig von der Abnahme des beworbenen Guts erfolgen (Bülow/Ring, a.a.O., § 7 Rn. 1). Es ist daher ausreichend, dass die Werbegabe der Absatzförderung dient. Dies ist durch die Erlangung des Gutscheins als Teil des €Pink Packs€ zur Überzeugung des Gerichts der Fall, da die Beklagte durch diese Werbegabe in einem positiven Licht bei der potentiellen Kundin erscheint, unabhängig von dem Umstand, dass das Medikament nicht freiverkäuflich ist. Insofern muss bei der Bewertung auch gesehen werden, dass es sich bei der Vorschrift des § 7 HWG um ein abstraktes Gefährdungsdelikt (vgl. Bülow/Ring, a.a.O., § 7 Rn. 7) handelt.
40Ebenso stellt die Erlangung des Gutscheins über die Teilnahme an der Umfrage eine Werbegabe im Sinne des § 7 Abs. 1 HWG dar. Hierbei handelt es sich nicht bloß um einen Anreiz zur Teilnahme. Es kann dabei offen bleiben, ob bereits die bei der Verlosung eingeräumte Gewinnchance als Werbegabe angesehen werden kann. Jedenfalls kann dies auf die ausgesetzten Gewinne zutreffen. Dabei ist jedoch auch zu beachten, dass die Gewinnchance für die einzelne Teilnehmerin bei der Auslobung von über 200.000 Gutscheinen (s. insoweit die Seiten 1 und 3 der Anlage K 1 = Bl. 33 und 35 d.A.), auch im Internet, relativ hoch sein müsste. Entscheidend für die Bedeutung der Werbegabe ist, ob die Leistung, die der Adressat zu erbringen hat, einen wirtschaftlichen Wert hat und die Verlosung daher ein Entgelt darstellt oder nicht. Ist das zu verneinen, so handelt es sich, falls die Teilnahme unabhängig vom Bezug einer Ware ist, um eine Werbegabe (HansOLG GRUR 1979, 726 ff. €€Mederma€).
Die Beklagte erhält durch die Umfrage nur wenige Marktinformationen, die auch an anderer Stelle vielfach verfügbar sind. In der Umfrage sind auch nur wenige Pflichtangaben erforderlich. Dies sind lediglich: Geburtstag, Vorname, Geschlecht, E-Mail-Adresse, Verhütungsmethode (Anlage K 1 = Bl. 35 f. d.A.). Der Teilnehmer oder die Teilnehmerin erbringt daher durch diese Angaben keine adäquate Gegenleistung, die im wirtschaftlichen Interesse der Beklagten liegt. Zudem ist der wirtschaftliche Wert der erlangten Informationen auch völlig außer Verhältnis zu der gesamten Höhe der ausgelobten Gewinne (200.000 x 10 EUR). Hier steht der Werbeeffekt für das Produkt der Beklagten im Vordergrund und nicht die Umfrage als solche.
Die Regelung des § 7 Abs. 1 HWG stellt auch eine gesetzliche Vorschrift im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG dar, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, sodass die streitgegenständliche Werbung der Beklagten unlauter und damit nach § 3 Abs. 1 UWG unzulässig ist.
Nachdem sich die Beklagte weigert, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben, ist auch die für das jeweilige Unterlassungsbegehren erforderliche Wiederholungsgefahr zu bejahen.
Die Entscheidung über die Androhung eines Ordnungsmittels beruht auf § 890 ZPO.
Hinsichtlich der gemäß Klageantrag zu II. geltend gemachten vorgerichtlichen Kosten ist ein Kostenerstattungsanspruch nach § 12 Abs. 1 S. 2 UWG als Annexanspruch begründet. Der Kläger mahnte die Beklagte wegen der streitgegenständlichen Werbung mit Schreiben vom 05.08.2010 ab. Wie oben ausgeführt, war die Abmahnung berechtigt, so dass Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangt werden kann. Die geltend gemachten Aufwandskosten in Höhe von 140.- EUR zzgl. im Zeitpunkt der Abmahnung geltender gesetzlicher Umsatzsteuer sind nicht zu beanstanden (vgl. auch Bornkamm in: Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Aufl., § 12 Rn. 1.97 f.); hiergegen wendet sich die Beklagte im Übrigen nicht.
Der Zinsanspruch ist gemäß §§ 291, 288 Abs. 1 BGB begründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 709 ZPO.
LG Frankfurt am Main:
Urteil v. 07.07.2011
Az: 2/3 O 9/11
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