Bundespatentgericht:
Beschluss vom 26. April 2006
Aktenzeichen: 25 W (pat) 113/04
(BPatG: Beschluss v. 26.04.2006, Az.: 25 W (pat) 113/04)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Bezeichnungadress24 ist am 22. August 2003 für die Waren und Dienstleistungen
"Datenverarbeitungsgeräte; Speicher für Datenverarbeitungsanlagen; Computer-Programme (gespeichert); Computer-Software (gespeichert); Computer; Systematisierung von Daten in Computerdatenbanken; Zusammenstellung von Daten in Computerdatenbanken; Systematisierung von Daten in Computerdatenbanken; Dateienverwaltung mittels Computer; Bestellannahme, Lieferauftragsservice und Rechnungsabwicklung, auch im Rahmen von ecommerce und über das Internet; Vermittlung und Abschluss von Handelsgeschäften, auch im Rahmen von ecommerce und über das Internet; Vermittlung, Abschluss und Abwicklung von Verträgen über den An- und Verkauf von Waren, auch im Rahmen von ecommerce und über das Internet; Vermittlung, Abschluss und Abwicklung von Verträgen über die Inanspruchnahme von Dienstleistungen, auch im Rahmen von ecommerce und über das Internet; Datensicherung; Datenspeicherung; Datenverwaltung auf Servern; Dienstleistungen einer Datenbank, insbesondere einer Adressendatenbank, insbesondere Adressensammlung, Adressenrecherchierung, Adressenermittlung, Adressenbearbeitung, Adressenüberprüfung, Adressenabgleich, Adressenverwaltung, Bereinigung, Pflege, Analyse, Aufarbeitung und Verbesserung von Adressenbeständen; Dienstleistungen eines EDV-Programmierers; digitale Datenaufbereitung; digitale Datenverarbeitung; elektronische Datenverarbeitung für Dritte; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Nachforschungen, Recherchen in Datenbanken und im Internet für Dritte; Vermittlung und Vermietung von Zugriffszeiten zu Datenbanken; Zurverfügungstellung von Speicherplätzen im Internet; Aktualisieren von Computer-Software"
zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden.
Mit Beschluss der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 17. Mai 2004 wurde die Anmeldung gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG durch einen Prüfer des höheren Dienstes zurückgewiesen. Die Angabe "adress24" stehe für Adressen "rund um die Uhr" bzw. "24 Stunden". Der Bedeutungsgehalt werde sich den betroffenen Verkehrskreisen unmittelbar erschließen. Die Wort-/Zahlenfolge "adress24" gebe einen unmittelbaren thematischen Sachhinweis auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen, nämlich dass sie "sich inhaltlich mit Adressen beschäftigen und Waren und Dienstleistungen, die 24 Stunden am Tag zur Verfügung stehen". Die Angabe stelle in ihrem beschreibenden Gehalt eine allgemeine Aussage dar, wie sie von einer Vielzahl von Unternehmen verwendet werden könnte - ohne Durchsetzung im Verkehr weise sie gerade nicht auf ein bestimmtes Unternehmen hin. Die angesprochenen Verkehrskreise fassten die angemeldete Bezeichnung nur als Sachhinweis, nicht aber als Hinweis auf einen bestimmten Geschäftsbetrieb auf. Auch die Gestaltung vermöge die Schutzfähigkeit nicht zu begründen. Sie beschränke sich darauf, dass "adress24" klein geschrieben sei und kein Freiraum zwischen "adress" und "24" bestehe, was in der Werbebranche allgemein üblich sei. Soweit die Anmelderin sich auf die Eintragung angeblich vergleichbarer Marken berufe, führe dies nicht zu einer anspruchsbegründenden Selbstbindung des DPMA hinsichtlich der Beurteilung des angemeldeten Zeichens.
Dagegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders, der - ohne einen Antrag zu stellen - der Auffassung ist, dass die angemeldete Bezeichnung für die angemeldeten Waren und Dienstleistungen nicht beschreibend und daher unterscheidungskräftig sei. Darüber hinaus bestehe auch kein Freihaltebedürfnis.
Eine Zergliederung der Marke in einzelne Bestandteile sei im Rahmen der Prüfung der Unterscheidungskraft unzulässig, weil das Gesamtzeichen in seiner Einheit Gegenstand der Anmeldung und im Falle seiner Eintragung Gegenstand des Schutzes als Kennzeichen sei. Bei einer neuen, nicht geläufigen Wortzusammenstellung, deren beschreibender Gebrauch derzeit nicht nachweisbar sei, müsse grundsätzlich angenommen werden, dass die Marke bei entsprechender Benutzung unter Berücksichtigung der konkreten Waren und Dienstleistungen als Unterscheidungsmittel geeignet sei. Schon ein geringfügiger Phantasiegehalt könne für eine produktidentifizierende Unterscheidungskraft einer Marke genügen.
In der angemeldeten Form, klein und zusammengeschrieben, komme der Marke "adress24" Unterscheidungskraft zu. Die in ihrer Gesamtheit angemeldete Marke "adress24" stehe nachweisbar in keinem Duden und/oder Wörterbuch. Auch finde man, soweit ersichtlich, unter dem Suchbegriff "adress24" in der Internetsuchmaschine Google keinen einzigen Eintrag für die angemeldeten Waren und Dienstleistungen. Es handele sich mithin um eine Wortneubildung, die einen herkunftshinweisenden Gesamteindruck vermittle.
Die Marke sei in ihrer Gesamtheit auch nicht beschreibend. Gegebenenfalls sei eine Einzelbetrachtung in Bezug auf jede einzelne Ware und Dienstleistung vorzunehmen. Die Marke habe - wenn überhaupt - nur teilweise und ganz weitläufig möglicherweise einen beschreibenden Bezug und sei demzufolge unterscheidungskräftig. Das Patent- und Markenamt habe vergleichbare Marken mittlerweile eingetragen. Das HABM habe "print24 online on demand" im Blatt für Gemeinschaftsmarken veröffentlicht. Es bestehe kein konkretes Freihaltungsbedürfnis. Der Ausdruck werde vom Verkehr nicht benötigt und nicht verwendet. Nur vorsorglich werde darauf hingewiesen, dass das Freihaltebedürfnis der Mitbewerber an der Marke nicht ein hypothetisches und potentielles sein dürfe. Es müsse auch unter Berücksichtigung einer nahe liegenden, wahrscheinlichen Wirtschaftsentwicklung in der Zukunft im Einzelfall auch tatsächlich vorhanden sein. Hierfür müssten konkrete Anhaltspunkte vorliegen. Es dürfe auch nicht nur an einer Abwandlung bestehen.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde des Anmelders ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg, denn der Eintragung der Bezeichnung "adress24" steht für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zumindest ein Schutzhindernis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen.
Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist nach ständiger Rechtsprechung im Hinblick auf die Hauptfunktion der Marke, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten, die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (vgl. zur st. Rspr. BGH GRUR 2003, 1050 - Cityservice; EuGH GRUR 2004, 674 - Postkantoor). Es muss also eine Kennzeichnungskraft mit der Eignung zur Ausübung der Herkunftsfunktion verbunden sein, auch wenn eine Marke zusätzlich noch weitere Funktionen haben kann (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl. § 8 Rdn. 42).
Die Unterscheidungskraft ist zum einen im Hinblick auf die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen und zum anderen im Hinblick auf die beteiligten Verkehrskreise zu beurteilen, wobei auf die mutmaßliche Wahrnehmung eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren und Dienstleistungen abzustellen ist.
Keine Unterscheidungskraft besitzen nach der Rechtsprechung vor allem solche Marken, denen die angesprochenen Verkehrskreise für die fraglichen Waren und Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, 678 - Postkantoor). Jedoch hat der EuGH auch darauf hingewiesen, dass eine unmittelbar beschreibende Bedeutung nicht Voraussetzung für die Annahme fehlender Unterscheidungskraft ist. Vielmehr kann die Unterscheidungskraft auch aus anderen Gründen fehlen (vgl. EuGH GRUR 2004, 674 - Postkantoor; GRUR 2004, 680 - Biomild).
Der Verkehr wird in der angemeldeten Marke, die aus dem Wort "adress" und der Zahl "24" zusammengesetzt ist, keine Kennzeichnung eines bestimmten Unternehmens sehen, sondern einen Hinweis, dass es sich um 24 Stunden am Tag zur Verfügung stehende Adressen handelt, die mit Hilfe der angemeldeten Waren und Dienstleistungen zur Verfügung gestellt werden oder auf die zurückgegriffen werden kann.
Auch wenn das deutsche Wort "Adresse" mit großem Anfangsbuchstaben und mit einem "e" am Ende geschrieben wird, wird der Verkehr das angemeldete Zeichen nur als Sachhinweis verstehen, da in Wortzusammensetzungen der Buchstabe "e" entfallen kann (z. B. Adressbuch) und auch die Schreibweise in Kleinbuchstaben werbeüblich ist. Hinzu kommt, dass das angemeldete Zeichen den Verkehr auch an die englische Aussprache für das Wort "Adresse" erinnert und es ihm nicht ohne weiteres auffällt, dass in der angemeldeten Marke das Wort nur mit einem "d" geschrieben ist, oder, wenn er dies bemerkt, es auch als einen Fehler bei der englischsprachigenen Schreibweise halten kann. Die konkrete Schreibweise des Wortes "adress" hat für den Verkehr daher keinen kennzeichnenden Charakter.
Die angemeldeten Waren und Dienstleistungen können dafür bestimmt sein, Adressendatenbanken aufzubauen und zu unterhalten oder mit Hilfe solcher Datenbanken, im Internet teilweise auch als Adressdatenbanken bezeichnet, erbracht werden. Es gibt Adressendatenbanken, in denen sich z. B. Namen, Telefonnummern, E-Mail-Adresse usw., aber auch oft Kurzbeschreibungen zu den Tätigkeiten des Adressaten finden. Teilweise werden Adressendatenbanken auch für verschiedene Bereiche zusammengestellt, wie z. B. Ernährung oder Ökonomie, oder es kann sich um fachübergreifende Adressendatenbanken handeln. Um solche Adressendatenbanken aufzubauen und zu pflegen und um die Adressen den Kunden zu liefern, sind sowohl Hard- und Software als auch verschiedene Dienstleistungen erforderlich oder bestimmt, die in den angemeldeten Oberbegriffen enthalten sind, wie z. B. bei den Waren und Dienstleistungen "Datenverarbeitungsgeräte; Speicher für Datenverarbeitungsanlagen; Computer-Programme (gespeichert); Computer-Software (gespeichert); Computer; Systematisierung von Daten in Computerdatenbanken; Zusammenstellung von Daten in Computerdatenbanken; Systematisierung von Daten in Computerdatenbanken; Dateienverwaltung mittels Computer; Datensicherung; Datenspeicherung; Datenverwaltung auf Servern; Dienstleistungen einer Datenbank, insbesondere einer Adressendatenbank, insbesondere Adressensammlung, Adressenrecherchierung, Adressenermittlung, Adressenbearbeitung, Adressenüberprüfung, Adressenabgleich, Adressenverwaltung, Bereinigung, Pflege, Analyse, Aufarbeitung und Verbesserung von Adressenbeständen; Dienstleistungen eines EDV-Programmierers; digitale Datenaufbereitung; digitale Datenverarbeitung; elektronische Datenverarbeitung für Dritte; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Aktualisieren von Computersoftware". Auch die angemeldeten Dienstleistungen "Vermittlung und Vermietung von Zugriffszeiten zu Datenbanken; Zurverfügungstellung von Speicherplätzen im Internet; Nachforschungen, Recherchen in Datenbanken und im Internet für Dritte" können sich auf Adressendatenbanken beziehen. Die Dienstleistungen "Bestellannahme, Lieferauftragsservice und Rechnungsabwicklung, auch im Rahmen von ecommerce und über das Internet; Vermittlung und Abschluss von Handelsgeschäften, auch im Rahmen von ecommerce und über das Internet; Vermittlung, Abschluss und Abwicklung von Verträgen über den An- und Verkauf von Waren, auch im Rahmen von ecommerce und über das Internet; Vermittlung, Abschluss und Abwicklung von Verträgen über die Inanspruchnahme von Dienstleistungen, auch im Rahmen von ecommerce und über das Internet" können aufgrund solcher Adressendatenbanken besser erbracht werden, da Adressendatenbanken nach Waren- oder Dienstleistungsbereichen gegliedert sein können und man daher die gewünschten Waren und Dienstleistungen und ihre Anbieter im Internet besser und bequemer findet.
Die dem angemeldeten Wort "adress" angefügte Zahl "24" sieht der Verkehr als Hinweis darauf, dass die Adressen den angesprochenen Verkehrskreisen 24 Stunden am Tag zur Verfügung stehen bzw dass die Waren und Dienstleistungen aufgrund solcher rund um die Uhr zur Verfügung stehender Adressendatenbanken besser erworben oder in Anspruch genommen werden können. Der Verkehr wird daher in der angemeldeten Marke auch in der Gesamtheit keine Kennzeichnung eines bestimmten Unternehmens sehen, sondern einen Hinweis, dass es sich um 24 Stunden am Tag zur Verfügung stehende Adressen handelt, die mit Hilfe der Waren/Dienstleistungen ermittelt werden können oder auf die zurückgegriffen werden kann. Der Verkehr sieht darin eine bloße Sachangabe und keine Marke, unabhängig davon, ob die Bezeichnung bereits in Deutschland verwendet wird.
Voreintragungen von Marken mit dem Bestandteil "24" rechtfertigen nicht die Eintragung der vorliegenden Marke. Selbst aus identischen Voreintragungen könnte kein Rechtsanspruch auf Eintragung einer neu angemeldeten Marke hergeleitet werden, weil die Entscheidung über die Schutzfähigkeit einer Marke keine Ermessens-, sondern eine reine Rechtsfrage darstellt (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 8 Rdn. 262). Zudem ist jede Wortkombination jeweils im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen zu beurteilen. Die Zahl "24" wird bereits gegenwärtig in den unterschiedlichsten Wortzusammenstellungen und Bereichen des täglichen Lebens als Kürzel und Synonym für "rund um die Uhr" bzw "24 Stunden", insbesondere eine rund um die Uhr bestehende Internetpräsenz und damit eine rund um die Uhr bestehende Verfügbarkeit der im Internet angebotenen Waren und Dienstleistungen verwendet. So lassen sich im Internet eine Vielzahl entsprechend gebildeter Bezeichnungen und/oder Internetadressen nachweisen, die aus der Sicht des Verbrauchers als Sachangaben erscheinen (vgl. BPatG, GRUR 2004, 336 - beauty24.de). Hinzu kommt, dass der Verkehr immer mehr daran interessiert ist und sich daran gewöhnt hat, im Internet rund um die Uhr nach Adressen und Bezugsquellen suchen zu können. Der Bestandteil "24" wird in entsprechenden Anmeldungen heute als Sachangabe angesehen. Wenn das HABM die Wortbildmarke "print24 online on demand" im Blatt für Gemeinschaftsmarken veröffentlicht hat, so rechtfertigt dies noch nicht die Eintragung des vorliegenden Zeichens für die angemeldeten Waren und Dienstleistungen. Im Übrigen gibt es auch Zurückweisungen von Zeichen mit dem Bestandteil "24" (vgl. z. B. BPatG, GRUR 2004, 336 - beauty24.de), worauf nur ergänzend hingewiesen wird.
Diese Präsenz rund um die Uhr ist für alle angemeldeten Waren und Dienstleistungen von Bedeutung, entweder, dass diese dazu bestimmt sind, eine solche zu ermöglichen, oder dass sie selbst rund um die Uhr angeboten werden.
Die graphische Gestaltung, die sich darauf beschränkt, dass die Zeichenbestandteile zusammengeschrieben sind und Kleinbuchstaben verwendet wurden, ist werbeüblich und führt nicht dazu, dass der Verkehr in dem angemeldeten Zeichen ein Betriebskennzeichen sieht.
Da die Anmeldung bereits wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückzuweisenist, kann dahingestellt bleiben, ob es für alle angemeldeten Waren und Dienstleistungen eine beschreibende Angabe im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist.
Die Beschwerde war deshalb zurückzuweisen.
BPatG:
Beschluss v. 26.04.2006
Az: 25 W (pat) 113/04
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