Kammergericht:
Urteil vom 25. Januar 2010
Aktenzeichen: 24 U 16/09
(KG: Urteil v. 25.01.2010, Az.: 24 U 16/09)
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Berlin € 16 O 1188/06 € vom 07. Oktober 2008 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A.
Die Parteien streiten über die urheberrechtliche Vergütung von Kabelweitersendungen, die die Klägerin über Breitbandkabelanschlüsse der Netzebenen 3 und 4 zum Empfang von Fernseh- und Hörfunksignalen im Umkreis von Bernau vornimmt; die Beklagte nimmt als Verwertungsgesellschaft die urheberrechtlichen Leistungsschutzrechte der betroffenen privaten Hörfunk- und Fernsehsender wahr. Nach vorheriger Durchführung des Schiedsverfahrens (vgl. Anlagen K 5 und K 6 zur Klageschrift = Bl. 34-44 d.A.) will die Klägerin festgestellt wissen, dass sie nicht verpflichtet sei, mit der Beklagten einen Vertrag zur Abgeltung von Urheberrechtsgebühren für die Kabelweitersendung abzuschließen, und begehrt die Erstattung der für das Jahr 2003 unter Vorbehalt geleisteten Zahlung in Höhe 5.193,78 EUR zuzüglich Prozesszinsen.
Für alle weiteren Einzelheiten des zugrunde liegenden Sachverhalts wird zunächst auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils verwiesen (§ 540 Abs.1 ZPO).
Das Landgericht hat die Klage durch Urteil vom 07. Oktober 2010 abgewiesen. Das Senderecht der betroffenen privaten Hörfunk- und Fernsehveranstalter sei tangiert, weil durch die beiden von der Klägerin betriebenen Kabelnetze mit 200 bzw. über 8.000 Endnutzern nicht nur der Empfang der Programme verbessert, sondern der Tatbestand der öffentlichen Wiedergabe erfüllt sei. Weder untereinander noch im Verhältnis zu der Klägerin seien die Letztverbraucher durch persönliche Beziehungen verbunden, so dass der Bereich der privaten Werknutzung (wie bei einer Gemeinschaftsantennen- oder €kabelanlage) überschritten sei. Die Klägerin nutze nicht privat, sondern wirtschaftlich, und sei deshalb nach § 87 Abs.5 UrhG verpflichtet, mit den Sendeunternehmen zu angemessenen Bedingungen einen Vertrag über die Kabelweitersendung abzuschließen. Für die Angemessenheit des Tarifs spreche hier bereits wegen der Staatsaufsicht über die Verwertungsgesellschaften ein Beweis des ersten Anscheins, zumal der FRK-Gesamtvertrag, auf dem der € unter der aufschiebenden Bedingung einer rechtskräftigen Feststellung der Zahlungsverpflichtung geschlossene € Einzelvertrag beruhe, durch Verhandlungen zwischen den Verwertungsgesellschaften und den Kabelnetzbetreibern zustande gekommen sei. Deshalb sei es nunmehr Sache der Klägerin, die Angemessenheit substantiiert zu bestreiten; daran fehle es jedoch.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung. Sie macht geltend, das Landgericht habe bei der Tarifbewertung außer acht gelassen, dass den Leistungsschutzrechten der Sendeunternehmen ein Einspeiseentgelt für die Transportleistung gegenzurechnen sei, was € zumal vor dem Hintergrund, dass die Beklagte nicht die Urheberrechtsansprüche der eigentlich Kulturschaffenden geltend mache € das Leistungsverhältnis in sein Gegenteil verkehre. In der Summe von Transportentgelt und Urheberrechtsgebühr könne im Verhältnis zwischen privaten Sendern und Kabelnetzbetreibern kein Überschuss zu Gunsten der Sender bestehen, denn nicht der Sender erbringe dem Kabelnetzbetreiber eine Leistung, sondern der Kabelnetzbetreiber umgekehrt dem Sender, indem er dessen Reichweite erhöhe. Dies sei auch bei einer verfassungskonformen Auslegung des § 87 Abs.5 UrhG zu berücksichtigen; denn es sei keine sachliche Rechtfertigung dafür erkennbar, dass im wirtschaftlichen Ergebnis der Endkunde eines Kabelanschlusses mit einer Gebühr belastet werde, die ein Kunde mit Satellitenanschluss nicht zu zahlen habe. Dies widerspreche auch dem gesetzgeberischen Ziel, das Urheberrecht technologieneutral auszugestalten. Der verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz erfordere € was das Landgericht verkannt habe € auch eine restriktive Auslegung des Begriffs der Kabel€weiter€sendung, der nicht einfach auf den Gesichtspunkt der €öffentlichen Wiedergabe€ verkürzt werden dürfe, sondern verfassungskonform auf wertschöpfende Vorgänge € wie etwa eine Weitersendung in von der Satellitenausstrahlung nicht erfasste Gebiete - zu begrenzen sei. Die Unangemessenheit des Tarifs belege auch der neu abgeschlossene Gesamtvertrag zwischen GEMA und ANGA.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landgerichts Berlin vom 07. Oktober 2008 € 16 O 1188/06 € abzuändern und
1. festzustellen, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, mit der Beklagten einen Vertrag zur Abgeltung von Urheberrechtsgebühren für die Kabelweitersendung abzuschließen;
2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 5.193,78 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin als unzulässig zu verwerfen,
hilfsweise,
die Berufung der Klägerin kostenpflichtig zurückzuweisen.
Die Klägerin setze sich nicht mit den Urteilsgründen auseinander und zeige weder auf, inwiefern dem Landgericht Fehler bei der Rechtsanwendung noch bei der Tatsachenfeststellung unterlaufen wären. Die Berufung sei jedenfalls unbegründet. Die Klägerin verkenne, dass Einspeiseverträge nur die technische Seite der Kabelweitersendung beträfen, während § 87 Abs.5 UrhG sich nur auf den urheberrechtlich relevanten Nutzungsvorgang beziehe. Die Differenzierung in den Gesamtverträgen je nach Zahlung oder Nichtzahlung des Transportentgeltes entspreche der von der Schiedsstelle bestätigten tariflichen Praxis. Die Klägerin verkenne weiter, dass das deutsche Urheberrecht auch Sendeunternehmen ein eigenes Leistungsschutzrecht zuspreche. Wer die in diesem Recht enthaltene Verwertungsbefugnis in Anspruch nehme, müsse die entsprechenden Nutzungsrechte erwerben und dem Rechtsinhaber eine Vergütung leisten. Dass die Klägerin diese Vergütungsbelastung an ihre Endkunden weiterreiche, sei ausschließlich ihre eigene unternehmerische Entscheidung. Eine Ungleichbehandlung zwischen Kabelnetzkunden und Kunden mit Satellitenempfang liege darin nicht. Ebensowenig sei die Auslegung des Begriffs der €Kabelweitersendung€ durch das Landgericht zu beanstanden. Die Angemessenheit des Tarifs sei auch in zweiter Instanz nur pauschal und zudem verspätet bestritten worden. Insoweit fehle der Klägerin auch das Rechtsschutzbedürfnis, denn sie erhebe gar keine Einspeiseentgelte.
Für alle weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens zweiter Instanz wird verwiesen auf die Berufungsbegründungsschrift vom 14. April 2009 (Bl. 128ff. d.A.), die Berufungserwiderung vom 15. Juli 2009 (Bl. 139ff. d.A.), den Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 22. Januar 2010 (Bl. 150f. d.A.) sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung über die Berufung vom 25. Januar 2010 (Bl. 148f. d.A.).
B.
1. Die statthafte Berufung der Klägerin gegen das am 13. Januar 2009 zugestellte Urteil des Landgerichts Berlin ist form- und fristgerecht eingelegt und € nach Fristverlängerung um einen Monat - mit dem am gleichen (auf den Ostermontag folgenden) Tag eingegangenen Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 14. April 2009 auch form- und fristgerecht begründet worden. Entgegen der Auffassung der Beklagten ergeben sich Zulässigkeitsbedenken auch nicht aus den in § 520 Abs.3 S.2 ZPO umschriebenen Anforderungen an die Berufungsbegründung. Die Klägerin rügt in erster Linie eine Rechtsverletzung (§§ 520 Abs.3 S.2 Nr.2 i.V.m. 513 Abs.1, 546 ZPO) durch das Landgericht, das den Begriff der €Kabelweitersendung€ in den §§ 20, 20b Abs.1 und 87 Abs.5 UrhG in einer gegen den Grundsatz der verfassungskonformen Auslegung verstoßenden Weise auch auf reine Empfangs- und Transportvorgänge € wie hier - ausgedehnt und deshalb auch die Angemessenheit des unter Vorbehalt vereinbarten und gezahlten Tarifs nicht zutreffend beurteilt habe. Damit hat die Klägerin - ausreichend konkret auf den Streitfall bezogen € ihre Rechtsansicht dargelegt, die € träfe sie zu € zu einer Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung führen müsste. Dies reicht aus, um den Zulässigkeitsanforderungen an eine Berufungsbegründung, die durch die ZPO-Reform nicht verschärft worden sind, gerecht zu werden (vgl. nur BGH NJW 1984, 177; NJW 1995, 1560 und NJW 2003, 2531, 2532).
2. Die Berufung hat aber in der Sache keinen Erfolg. Vielmehr hat das Landgericht die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen.
a) Die Verpflichtung der Klägerin, mit der Beklagten einen Vertrag über die Kabelweitersendung zu angemessenen Bedingungen abzuschließen, folgt zwar nicht unmittelbar aus § 87 Abs.5 UrhG; vielmehr ist der dort statuierte Kontrahierungszwang für die Sendeunternehmen nur eine Folge der Freistellung der Sendeunternehmen von der Verpflichtung, das Recht auf Kabelweitersendung nur durch eine Verwertungsgesellschaft geltend zu machen (§ 20b Abs.1 S.2 UrhG, vgl. Gesetzesbegründung BT-Drs. 13/4796 S. 9f. und S. 14 und etwa Dreier in Dreier / Schulze (3. Auflage 2008) § 87 UrhG Rdn. 26). Da die Beklagte hier die Leistungsschutzrechte der betroffenen privaten Sendeunternehmen wahrnimmt, folgt ihre Verpflichtung, der Klägerin auf Verlangen zu angemessenen Bedingungen Nutzungsrechte einzuräumen, jedoch bereits aus § 11 Abs.1 UrhWG (vgl. Gesetzesbegründung aaO. und Dreier aaO.). Umgekehrt ist die Klägerin ohne die erforderliche Rechteeinräumung durch die Beklagte nicht zur Kabelweitersendung berechtigt (vgl. OLG Dresden GRUR 2003, 601, 603f.). Es bedarf keiner Entscheidung, ob § 87 Abs.5 UrhG € über den Wortlaut hinaus - auch den anspruchsberechtigten Verwertungsgesellschaften ein eigenständiges Recht gegenüber den Kabelunternehmen einräumt, den Abschluss eines Vertrages über die Kabelweitersendung zu verlangen; denn der erkennende Senat legt den in der Berufungsinstanz weiter verfolgten Feststellungsantrag der Klägerin dahin aus, dass sie ihre fehlende Verpflichtung zum Vertragsschluss mit der Beklagten gerade vor dem Hintergrund festgestellt wissen will, dass sie die ausgestrahlten Fernseh- und Hörfunkprogramme weiterhin durch ihr Kabelnetz den angeschlossenen Endverbrauchern zugänglich macht. Diesem Antrag hat das Landgericht zu Recht nicht entsprochen.
b) Die Tätigkeit der Klägerin erfüllt den Begriff der Kabelweitersendung. Nach der Legaldefinition des § 20b Abs.1 S.1 UrhG stellt die Kabelweitersendung das Recht dar, ein gesendetes Werk im Rahmen eines zeitgleich, unverändert und vollständig weiterübertragenen Programms durch Kabelsysteme oder Mikrowellensysteme weiterzusenden. Damit ist das Kabelweitersenderecht € als Zweitverwertungsrecht € Teil des Senderechts, also des Rechts, das Werk durch Funk, wie Ton- und Fernsehrundfunk, Satellitenrundfunk, Kabelfunk oder ähnliche technische Mittel der Öffentlichkeit zugänglich zu machen (§ 20 UrhG). Weiter zu fragen ist, wann eine € Weitersendung€ vorliegt, ob dies insbesondere nur der Fall ist, wenn € wie die Klägerin annimmt € ein weiterer €wertschöpfender Vorgang€ vorliegt wie bei der Weiterleitung der Programme in Gebiete, die vom Satellitenausstrahlungsgebiet nicht erfasst werden, oder ob es ausreicht, dass der Rundfunkempfang lediglich technisch verbessert wird, ohne einen neuen Hörer- bzw. Zuschauerkreis zu eröffnen. Es unterliegt insoweit keinem Zweifel, dass der Gesetzgeber von einem weiten Sendebegriff ausgegangen ist (ebenso Dustmann in: Nordemann (10. Auflage 2008) § 20 UrhG Rdn. 17; Ehrhardt in: Wandtke / Bullinger (3. Auflage 2009) §§ 20-20b UrhG Rdn. 19; von Ungern-Sternberg in: Schricker (3. Auflage 2006) § 20 UrhG 32-34 m. zahlr. w. N.). Bereits vor Inkrafttreten des Vierten Urheberrechtsänderungsgesetzes, das der Umsetzung der Richtlinie 93/83/EWG des Rates vom 27.09.1993 zur Koordinierung bestimmter urheber- und leistungsschutzrechtlicher Vorschriften betreffend Satellitenrundfunk und Kabelweiterverbreitung diente, hatte der BGH in seinen Entscheidungen vom 07.11.1980 (I ZR 24/79 € Kabelfernsehen in Abschattungsgebieten € Rdn. 33 € zitiert nach juris) und vom 04.06.1987 (I ZR 117/85 € Kabelfernsehen II € Leitsatz 2 und Rdn. 68 € zitiert nach juris; ebenso später Urteil vom 17.02.2000 € I ZR 194/97 (Kabelweitersendung) € Rdn. 18 € zitiert nach juris) festgestellt, dass der historische Gesetzgeber bei § 20 UrhG bewusst an den technischen Sendevorgang habe anknüpfen und dem Urheber im Einklang mit Art. 11bis Abs.1 Nr.2 RBÜ ein ausschließliches Recht zur Sendung seines Werkes auch für den Fall habe gewähren wollen, dass eine € am Ort auch drahtlos empfangbare € Rundfunksendung lediglich zeitgleich über Kabel weitergesendet werde und diese Weitersendung keinen neuen Empfängerkreis erschließe, sondern lediglich der technischen Verbesserung des Empfangs diene. Diese Rechtsprechung hat der Gesetzgeber aufgegriffen, indem er in der Begründung zum Entwurf des Vierten Urheberrechtsänderungsgesetzes unter ausdrücklichem Verweis auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 04.06.1987 (I ZR 117/85 € Kabelfernsehen II) hervorgehoben hat, der neu eingefügte § 20b UrhG betreffe € über den Anwendungsbereich der EG-Richtlinie hinaus - auch diejenigen Kabelweitersendungen, die innerhalb der Bundesrepublik Deutschland der Ermöglichung oder Verbesserung des Empfangs von Rundfunksendungen dienten (vgl. BT-Drs. 13/4796 S.13). Zwar hatte es der Bundesgerichtshof in der zuletzt genannten Entscheidung ausdrücklich offen gelassen, ob der Versorgungsbereich € also dasjenige Gebiet, das ein Sendeunternehmen kraft gesetzlichen Auftrags oder (bei privatrechtlich organisierten Rundfunkanstalten) satzungsgemäß zu versorgen hat € von urheberrechtlichen Ansprüchen freizustellen ist, was er in der Entscheidung vom 07.11.1980 (I ZR 24/79 € Kabelfernsehen in Abschattungsgebieten) noch unter Hinweis auf den Erschöpfungsgedanken bejaht hatte. Der Gesetzgeber hat an dem weiten Sendebegriff aber auch festgehalten, nachdem der Bundesgerichtshof (in der Entscheidung vom 17.02.2000 € I ZR 194/97 - Kabelweitersendung) von der Anwendung des Erschöpfungsgedankens auf das Recht der öffentlichen Wiedergabe (§ 15 Abs.2 UrhG) Abstand genommen hatte. In der Begründung des Zweiten Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft ist Vorschlägen von Seiten der Kabelunternehmen, die Kabelweitersendung im Versorgungsbereich des ursprünglichen Sendeunternehmens vom Tatbestand des Senderechts auszunehmen oder eine Erschöpfung des Senderechts € ähnlich wie bei Werkverwertungen in körperlicher Form € zu regeln, eine deutliche Absage erteilt worden; wörtlich heißt es dort (BT-Drs. 16/1828 S.22):
€Beide Vorschläge würden im Ergebnis eine Kabelweitersendung im Versorgungsbereich ohne Rechtserwerb ermöglichen. Der Tatbestand der Sendung ist aber auch bei einer zeitgleichen, unveränderten und vollständigen Kabelweitersendung eines Rundfunkprogramms erfüllt und sichert dem Urheber damit die Kontrolle seines Werks und die angemessene Vergütung für die Nutzung. Zudem ist der Gedanke der Erschöpfung von Rechten der öffentlichen Wiedergabe auf europäischer Ebene wiederholt abgelehnt worden. Eine Pflicht des Urhebers, sein Werk vergütungsfrei zur Verfügung zu stellen, gibt es nicht.€
An der Grundentscheidung, die Kabelweitersendung durch § 20b Abs.1 UrhG (generell) als urheberrechtlich relevante Nutzungshandlung einzustufen, hat der Gesetzgeber auch angesichts der (Prüf-)Bitte des Bundesrates, eine technologieneutrale Ausgestaltung sicherzustellen und eine isolierte Belastung des Übertragungswegs Kabel, der gegenüber der vergütungsfreien Verbreitung via Satellit diskriminiert werde, zu vermeiden (BT-Drs. 16/1828 S. 37), unter ausdrücklichem Hinweis auf die bindenden Vorgaben der Satelliten- und Kabelrichtlinie 93/83/EWG festgehalten (vgl. BT-Drs. 16/1828 S. 46). Angesichts dieses in der Gesetzesbegründung klar zum Ausdruck gebrachten Willens des Gesetzgebers ist für die von der Klägerin befürwortete verfassungskonforme Auslegung kein Raum. Eine verfassungskonforme Auslegung kommt nur dann in Betracht, wenn eine Norm mehrere Auslegungen zulässt, die teils zu einem verfassungswidrigen, teils zu einem verfassungsmäßigen Ergebnis führen (BVerfG NJW 2001, 2160, 2161; BFHE 207, 471 = NJW 2005, 1392 Rdnr. 86). Sie findet ihre Grenze dort, wo sie zu dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde (BVerfG NJW 2007, 2977, 2980; NJW 1999, 1853, 1855; BGH NJW 2009, 2744, 2746 Tz. 28). So ist es hier.
Im Übrigen ist auch nicht erkennbar, dass die Endkunden durch die gesetzgeberische Entscheidung in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise ungleich belastet würden, zumal sich die Sachverhalte in Bezug auf die Weitersendung durch einen zwischengeschalteten Dritten maßgeblich unterscheiden. Zudem unterliegt es der freien Wahl der Endkunden, ob sie sich statt für eine Wohnung mit Satellitenempfang für eine Wohnung mit Kabelanschluss entscheiden und damit die von dem Kabelunternehmen weitergereichten Vergütungen für das Sendeunternehmen mit übernehmen oder nicht. Einer Rundfunkgebühr € wie bei den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten € unterliegen die Nutzer privater Hörfunk- oder Fernsehsender nicht. Diese sind auch nicht verpflichtet, die Produkte zu kaufen, aus deren Bewerbung die privaten Sender ihre Gewinne beziehen. Die Frage einer Doppelvergütung für die Ausstrahlung desselben Programms auf unterschiedlichen Übertragungswegen, die bereits der Bundesgerichtshof als Billigkeitserwägung, aber nicht als selbständige Rechtfertigung für eine Freistellung eingeordnet hatte (vgl. Urteil vom 04.06.1987 - I ZR 117/85 (Kabelfernsehen II) Rdn. 81 und Urteil vom 17.02.2000 € I ZR 194/97 (Kabelweitersendung) € Rdn. 21 € jeweils zitiert nach juris), hat deshalb auch der Gesetzgeber nicht als ausreichend angesehen, um dem Rechteinhaber eine vergütungsfreie öffentliche Wiedergabe anzusinnen (vgl. BT-Drs. 16/1828 S. 22f.).
c) Zu Recht und mit zutreffender Begründung, die sich der erkennende Senat zu eigen macht, hat das Landgericht durch die Weitergabe der privaten Hörfunk- und Fernsehprogramme über die von der Klägerin betriebenen Breitbandkabelanschlüsse auch den Tatbestand der öffentlichen Wiedergabe als erfüllt angesehen. Das Senderecht ist Teil des Rechts der öffentlichen Wiedergabe (§ 15 Abs.2 S.2 Nr.3 UrhG). Die Wiedergabe ist öffentlich, wenn sie für eine Mehrzahl von Mitgliedern der Öffentlichkeit bestimmt ist. Zur Öffentlichkeit gehört jeder, der nicht mit demjenigen, der das Werk verwertet, oder mit den anderen Personen, denen das Werk in unkörperlicher Form wahrnehmbar oder zugänglich gemacht wird, durch persönliche Beziehungen verbunden ist (§ 15 Abs.3 UrhG). Nicht jede Übermittlung eines geschützten Werkes, die über ein Verteilernetz stattfindet, ist jedoch dem Urheberrecht unterworfen; andernfalls wäre selbst der Rundfunkempfang mit kleineren Gemeinschaftsantennenanlagen von der Genehmigung der Rechteinhaber abhängig. Ob eine öffentliche Wiedergabe vorliegt, kann deshalb nicht nach technischen Kriterien beurteilt werden, sondern nur aufgrund einer wertenden Betrachtung (BGH Urteil vom 08.07.1993 € I ZR 124/91 (Verteileranlagen) € Rdn. 16; OLG Hamm Urteil vom 04.09.2007 € 4 U 38/07 € Rdn. 38; BGH Urteil vom 22.04.2009 € I ZR 216/06 € Rdn. 32 € jeweils zitiert nach juris; ebenso Dreier in: Dreier / Schulze aaO. § 20 UrhG Rdn. 12; Dustmann in: Nordemann aaO. § 20 UrhG Rdn. 18; von Ungern-Sternberg in: Schricker aaO. § 20 UrhG 35). Der Gesetzgeber hat davon abgesehen, die Unterscheidung zwischen Sende- und Empfangsvorgängen durch eine nähere Definition des Begriffs der €Öffentlichkeit€ zu konkretisieren. Bereits im Gesetzgebungsverfahren zum Vierten Urheberrechtsänderungsgesetz war eine ausdrückliche gesetzliche Freistellungsregelung nicht für erforderlich gehalten worden. Der Rechtsausschuss ging jedoch ausweislich seiner Beschlussempfehlung davon aus, dass ein urheberrechtlich relevanter Akt der (Weiter-)Sendung durch Kabelfunk dann nicht vorliege, wenn ein gesendetes Werk innerhalb einer € auf nachbarschaftliche Verhältnisse beschränkten € Gemeinschaftsantennenanlage weiterübertragen wird (BT-Drs. 13/9856 S.3 der Beschlussempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses). Auf dieser Basis hat sich in der Praxis eine Grenze von 75 Wohnungseinheiten etabliert (vgl. BT-Drs. 16/1828 S.23). Wie sich aus dem Regierungsentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft ergibt, hat der Gesetzgeber angesichts dieser Praxis auch im Jahre 2006 eine Festlegung ebenso wenig für erforderlich gehalten wie eine Regelung zur Frage der Weitersendung auf den Netzebenen 3 und 4 (BT-Drs.aaO.). Der Europäische Gerichtshof hat €Öffentlichkeit€ im Rahmen des Begriffs der €öffentlichen Wiedergabe€ im Sinne der Richtlinie 2001/29/EG, die € über die Satelliten- und Kabelrichtlinie 93/83/EG hinaus € auf jede öffentliche Wiedergabe geschützter Werke anwendbar ist, als €unbestimmte Zahl möglicher Fernsehzuschauer€ gedeutet, im Rahmen des gebotenen umfassenden Ansatzes aber auch den Umstand, dass im zu entscheidenden Fall die Wiedergabe Erwerbszwecken diente, berücksichtigt (EuGH Urteil vom 07.12.2006 € C-306/05 (SGAE / Rafael) - GRUR 2007, 225, 227; ebenso OLG Hamm aaO. Rdn. 39 € zitiert nach juris).
Nach diesen Kriterien ist die Beurteilung des Landgerichts, die Weiterleitung der von den privaten Sendeunternehmen ausgestrahlten Programme über zwei Kabelnetze an 200 bzw. über 8.000 Endnutzer nicht mehr als (erweiterten) Empfangsvorgang, sondern als (zusätzliche) öffentliche Wiedergabe einzuordnen, nicht zu beanstanden. Die gegenteilige Auffassung der Klägerin, die darauf hinausläuft, die Netzebenen 3 und 4 generell aus dem Bereich der €öffentlichen Wiedergabe€ bzw. der €Sendung€ auszuklammern, ist mit dem klaren Willen des Gesetzgebers nicht zu vereinbaren. Die Einschränkung des Öffentlichkeitsbegriffs, wie sie in § 15 Abs.3 UrhG vorgenommen worden ist, will € wie das Landgericht zu Recht hervorgehoben hat € die private Werknutzung privilegieren. Die Klägerin nutzt aber nicht privat, sondern wirtschaftlich, so dass an den Erlösen die Urheber und die Inhaber verwandter (Leistungs-)Schutzrechte zu beteiligen sind. Dass auch die Kosten einer Gemeinschaftsantenne ggf. auf die beteiligten Mieter umgelegt werden können, gibt keine Rechtfertigung dafür, den kommerziellen Betrieb von Kabelnetzen einer privaten Werknutzung gleichzustellen. Dass die Abgrenzungskriterien im Gesetzestext nicht konkret niedergelegt worden sind, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, weil es nicht um einen staatlichen Eingriff in die grundrechtliche Freiheitssphäre geht, sondern um den privatrechtlichen Ausgleich zwischen gleichgeordneten Grundrechtsträgern (vgl. nur Schulze-Fielitz in: Dreier (2. Auflage 2006) Art. 20 GG Rdn. 109 m.N.). Erst recht ist es von Verfassungs wegen nicht geboten, die Durchleitung von Programmen privater Sendeunternehmen vergütungsfrei zu stellen, zumal die öffentliche Wiedergabe und Weitersendung in den Kernbereich des grundrechtlich durch Art. 14 GG geschützten Leistungsschutzrechts der Sendeunternehmen eingreift (vgl. BT-Drs. 16/1828 S.17).
d) Da die Klägerin € wie dargelegt € durch die von ihr betriebenen Breitbandkabelanschlüsse nicht nur den Empfang der ausgestrahlten Programme verbessert, sondern diese selbst € durch Kabelweitersendung € öffentlich wiedergibt, trifft es auch nicht zu, dass nicht der Sender dem Kabelnetzbetreiber eine Leistung erbringt, sondern nur der Kabelnetzbetreiber umgekehrt dem Sender, indem er dessen Reichweite erhöht. Dieses Argument ist deshalb auch nicht geeignet, die Angemessenheit der € auf der Grundlage des FRK - Gesamtvertrages € vorbehaltlich vereinbarten Vergütung in Frage zu stellen. Zu Recht hat deshalb auch das Landgericht das Vorbringen der Klägerin nicht als ausreichend bewertet, um die Angemessenheit des Tarifs in Zweifel zu ziehen. Dieser entspricht auch dem überzeugend begründeten Einigungsvorschlag der Schiedsstelle, der bereits aus diesem Grund eine gewisse Vermutung der Angemessenheit für sich hat (vgl. nur BGH GRUR 2001, 1139, 1142 und BT-Drs. 14/8058 S.20). Der € bereits tarifreduzierend berücksichtigte € Umstand, dass unstreitig kein Einspeiseentgelt erhoben wird, kann demgegenüber nicht die Vergütungsfreiheit des Eingriffs in das Senderecht rechtfertigen. Aus dem gleichen Grund geht auch die erstinstanzlich erklärte Aufrechnung ins Leere.
C.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs.1, 708 Nr.10, 711 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs.2 ZPO nicht erfüllt sind. Weder hat die Sache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Die für die Entscheidung maßgeblichen Rechtsfragen sind hinreichend geklärt. Im Übrigen beruht die Entscheidung auf den besonderen Umständen des vorliegenden Falls.
KG:
Urteil v. 25.01.2010
Az: 24 U 16/09
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