Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. August 2009
Aktenzeichen: 19 W (pat) 37/09
(BPatG: Beschluss v. 17.08.2009, Az.: 19 W (pat) 37/09)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen BPatG 154
Gründe
I.
Die am 15. September 2000 beim Deutschen Patentund Markenamt eingegangene Patentanmeldung mit der Bezeichnung
"Verfahren und Vorrichtung zum Bearbeiten von Geldeinheiten"
wurde von der Prüfungsstelle für Klasse G07D durch Beschluss vom 22. September 2005 mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Patentanspruch 1 nicht auf einer erfinderischer Tätigkeit beruhe. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.
Der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet mit einer eingefügten Gliederung:
1.
"Vorrichtung zum Sortieren von Geldeinheiten wie Banknoten oder Münzen 2.
mit einem Eingabefach (2) zur Aufnahme von zu sortierenden Geldeinheiten und 3.
mehreren von außen zugänglichen Ausgabefächern (6b, 7b, 8b, 9b, 10b) zur Entnahme der sortierten Geldeinheiten, 4.
einem Transportsystem (4) zum Transport der Geldeinheiten von dem Eingabefach (2) zu jeweils einem der Ausgabefächer (6b, 7b, 8b, 9b, 10b) in Abhängigkeit von der Vorgabe einer Steuerungseinrichtung (15), dadurch gekennzeichnet 5.
dass die Steuerungseinrichtung (15) ausgelegt ist, 6.
um in mehreren der Ausgabefächer (6b, 7b, 8b, 9b) jeweils Geldeinheiten mehrerer unterschiedlicher Stückelungen injeweils einer vorgegebenen Anzahl automatisch auszugeben, um die Geldeinheiten zu konfektionieren."
Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag lautet (ebenfalls mit einer eingefügten Gliederung):
a) "Vorrichtung zum Sortieren von Banknoten mitb) einem Eingabefach (2) zur Aufnahme von zu sortierenden Banknoten undc) mehreren von außen zugänglichen Ausgabefächern (6b, 7b, 8b, 9b, 10b) zur Entnahme der sortierten Banknoten, d) mindestens einer Prüfeinrichtung (5), um mindestens die Stückelung und die Echtheit der zu den Ausgabefächern (6b, 7b, gb, gb, 10b) transportierten Banknoten zu überprüfen, e) einer Steuerungseinrichtung wenigstens zur Auswertung der Signale von verschiedenen Sensoreinheiten der Prüfeinrichtung (5), undf) einem Transportsystem (4) zum Transport der Banknoten von dem Eingabefach (2) zu jeweils einem der Ausgabefächer (6b, 7b, 8b, 9b, 10b) in Abhängigkeit von der Vorgabe der Steuerungseinrichtung (15), dadurch gekennzeichnet, dassg) die Steuerungseinrichtung (15) ausgelegt ist, in einem ersten Betriebsmodus für mehrere der Ausgabefächer Daten über in diese jeweils auszugebende Banknoten unterschiedlicher Stückelungen in jeweils einer vorgegebenen Anzahl zu speichern und um in die mehreren der Ausgabefächer (6b, 7b, 8b, 9b) jeweils die Banknoten der unterschiedlichen Stückelungen in jeweils der vorgegebenen Anzahl automatisch auszugeben, um die Geldeinheiten zu konfektionieren, undh) in einem zweiten Betriebsmodus eingegebene Banknoten nach Stückelung oder Echtheit zu trennen."
Der Anmeldung liegt die Aufgabe zugrunde, eine Vorrichtung zum Bearbeiten von Geldeinheiten wie Banknoten oder Münzen, bereitzustellen, die für weitere Anwendungen geeignet ist (Beschreibung S. 2 Abs. 3).
Die Anmelderin macht insbesondere geltend, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 einen technischen Gegenstand betreffe, eine Gewichtung von technischen und nichttechnischen Merkmalen sei nicht zulässig. Die Entscheidung der Prüfungsstelle beruhe auf einer rückschauenden Betrachtung.
Die Anmelderin stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluss der Prüfungsstelle aufzuheben und das Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:
Patentansprüche 1 bis 11, eingereicht mit Schriftsatz vom 15. November 2001, mit anzupassender Bezeichnung und Beschreibung, Zeichnung, Figur 1 vom Anmeldetag 15. September 2000.
hilfsweise Patentansprüche 1 bis 11 gemäß Hilfsantrag, eingereicht in der mündlichen Verhandlung, mit anzupassender Bezeichnung und Beschreibung, Zeichnung, Figur 1 vom Anmeldetag 15. September 2000.
II.
Die fristund formgerecht erhobene Beschwerde ist zulässig. Sie hat jedoch keinen Erfolg, da der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag nach § 1 Abs. 3 Nr. 3, Abs. 4 PatG nicht patentfähig ist und der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (§ 4 PatG).
Der Patentanspruch 1 betrifft nach seinem Oberbegriff eine Vorrichtung zum Sortieren von Geldeinheiten wie Banknoten oder Münzen, wie sie aus der im Prüfungsverfahren genannten Druckschrift DE 34 12 726 C2 bekannt ist (vgl. Bezeichnung i. V. m. S. 2 Z. 59). Diese weist ein Eingabefach (12) auf, zur Aufnahme von zu sortierenden Geldeinheiten und mehrere von außen zugänglichen Ausgabefächern (18, 20, 22) zur Entnahme der sortierten Geldeinheiten. Es ist auch ein Transportsystem (30) zum Transport der Geldeinheiten von dem Eingabefach (12) zu jeweils einem der Ausgabefächer (18, 20, 22) in Abhängigkeit von der Vorgabe einer Steuerungseinrichtung (Fig. 4, S. 4 Abs. 3) vorgesehen.
Im Unterschied hierzu ist die anspruchsgemäße Steuerungseinrichtung ausgelegt um in mehreren der Ausgabefächer (6b, 7b, 8b, 9b) jeweils Geldeinheiten mehrerer unterschiedlicher Stückelungen in jeweils einer vorgegebenen Anzahl automatisch auszugeben, um die Geldeinheiten zu konfektionieren. Diese Arbeitsweise wird durch eine spezielles Programm erreicht, wie aus den ursprünglichen Unterlagen (S. 4 Z. 7 und S. 17 Z. 18) hervorgeht, und mit dem auch bestehende Systeme nachgerüstet werden können.
Somit weist der Patentanspruch 1 technische und nichttechnische Merkmale auf, die nicht gewichtet werden dürfen, die Technizität nach § 1 Abs. 1 PatG ist somit gegeben (BGH Steuerungseinrichtung für Untersuchungsmodalitäten, BlPMZ 2009, 183, 184 li. Sp. Abs. 2).
Bei der weiteren Untersuchung der Patentfähigkeit nach § 1 Abs. 3 Nr. 3, Abs. 4 PatG) ist die Frage, ob ein angemeldeter Patentanspruch die erforderliche Patentfähigkeit aufweist nicht allein nach der Kategorie des Anspruchs und nicht unabhängig davon zu beantworten was nach der beanspruchten Lehre im Vordergrund steht (BGH Suche fehlerhafter Zeichenketten GRUR 2002, 143, 145 re. Sp.).
Nach BGH (Steuerungseinrichtung für Untersuchungsmodalitäten a. a. O. 184, li. Sp. Abs. 3) muss eine Anmeldung, die ein Computerprogramm oder ein durch Software realisiertes Verfahren zum Gegenstand hat, über die für die Patentfähigkeit unabdingbare Technizität hinaus bestimmende Anweisungen enthalten, welche die Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln zum Gegenstand haben. Wegen des Patentierungsausschlusses von Computerprogrammen als solchen (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 PatG) vermögen regelmäßig erst solche Anweisungen die Patentfähigkeit eines Verfahrens zu begründen, welche eine Problemlösung mit solchen Mitteln zum Gegenstand hat. Nicht der Einsatz eines Computerprogramms selbst, sondern die Lösung eines solchen Problems mit Hilfe eines (programmierten) Computers kann vor dem Hintergrund des Patentierungsverbotes eine Patentfähigkeit zur Folge haben. Das hat zur Folge, dass bei der Prüfung von Neuheit und erfinderischer Tätigkeit diese Problemlösung in den Blick zu nehmen ist. Außerhalb der Technik liegende Anweisungen genügen in diesem Zusammenhang grundsätzlich nicht; sie sind nur in dem Umfang von Bedeutung in dem sie auf die Lösung des technischen Problems mit technischen Mitteln Einfluss nehmen (BGHZ 149, 68 -Suche fehlerhafter Zeichenketten; 159, 197 -elektronischer Zahlungsverkehr). Schutzfähig ist eine solche Lehre vielmehr erst dann, wenn die Lösung des konkreten technischen Problems neu und erfinderisch ist.
Das hier vorliegende Problem liegt, wenn die in der Beschreibung angeführte Aufgabenstellung objektiv ausgelegt wird, darin eine spezielle Sortierung der Banknoten vorzunehmen, wie sie bei verschiedenen Anwendungen aus dem täglichen Leben benötigt werden. Eine Sortierung der Banknoten vorzunehmen, wie sie z. B. als Wechselgeld einer Kasse oder an einem Bankschalter vorzuhalten ist, ist kein technisches Problem, sondern eine kaufmännischeorganisatorische Frage. Nachdem kein technisches Problem zu lösen ist, stellen sich Fragen nach der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit im vorliegenden Fall nicht, zumal sie auch nicht gegeben sind.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag wird somit von dem Patentierungsausschluss nach § 1 Abs. 3 Nr. 3, Abs. 4 PatG erfasst. Der Patentanspruch 1 ist deshalb nicht gewährbar.
Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag ist nach § 4 PatG nicht patentfähig.
Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag unterscheidet sich von dem nach Hauptantrag durch die Merkmale d, e und h. Die Merkmale a, b, c und f sind, wie zum Hauptantrag ausgeführt, aus der DE 34 12 726 C2 bekannt.
Nach Merkmal g erfolgt die Sortierung derart, dass in die mehreren der Ausgabefächer jeweils die Banknoten der mehreren unterschiedlichen Stückelungen in jeweils der vorgegebenen Anzahl automatisch ausgegeben werden, um die Geldeinheiten zu konfektionieren.
Dies Vorgehensweise entspricht dem, was im Alltagsleben regelmäßig durchgeführt wird, z. B. wenn sich Bankkunden Geldbeträge in von ihnen gewünschten Stückelung auszahlen lassen. Diese Arbeitsweise auf eine Steuerungseinrichtung zu übertragen bedarf es keiner erfinderischen Tätigkeit, vor allem da in der gesamten Anmeldung kein zusätzlichen Angaben enthalten sind, die die technische Realisierung näher definieren. Eine expost-Betrachtung durch die Prüfungsstelle ist dabei nicht zu erkennen.
Die Merkmale d, e und h sind auf die Erkennung der Stückelung und auch auf die Erkennung der Echtheit der Banknoten gerichtet. Da für die Erkennung der Echtheit einer Banknote die Erfassung und Bewertung physikalischer Besonderheiten
(z.
B. eingebrachter Metallfäden, Hologramme, Strukturen im Notenmaterialu.
s. w.) erfordert, liegt hier nicht der Ausschlusstatbestand gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 3, Abs. 4 PatG vor.
Jedoch geben sie dem Fachmann lediglich den Hinweis auf eine Vorgehensweise, wie sie bei jedem Bankschalter immer vorgenommen wird, ohne auf irgendwelche technischen Einzelheiten einzugehen. Für den Fachmann bedarf es jedoch keiner erfinderischen Tätigkeit, Arbeitsschritte aus dem täglichen Leben bei einer Vorrichtung vorzusehen, ohne nähere technische Maßnahmen hierfür zu offenbaren.
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 ist deshalb nicht gewährbar.
Mit den nicht gewährbaren Patentansprüchen 1 nach Hauptantrag und Hilfsantrag fallen auch die auf sie rückbezogenen Unteransprüche.
Bertl Dr. Kaminski Kirschneck J. Müller Pr
BPatG:
Beschluss v. 17.08.2009
Az: 19 W (pat) 37/09
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