Bundespatentgericht:
Beschluss vom 22. April 2008
Aktenzeichen: 27 W (pat) 89/07

(BPatG: Beschluss v. 22.04.2008, Az.: 27 W (pat) 89/07)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I Die am 21. Januar 2005 angemeldete Wortmarke Gaiusist am 5. Oktober 2005 unter der Nummer 305 03 288 für die Waren

"Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit in Klasse 18 enthalten; Webstoffe und Textilwaren, soweit in Klasse 24 enthalten; Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen"

in das Markenregister des Deutschen Patent- und Markenamts eingetragen worden.

Widerspruch erhoben hat die Inhaberin zweier Gemeinschaftsmarken. Dabei handelt es sich um 1. die am 15. Juli 2003 angemeldete und am 15. September 2004 unter der Nr. GM 327 14 75 eingetragene Wort-/Bildmarkeund 2. die am 12. März 1998 angemeldete und am 23. März 1998 unter der Nr. GM 77 04 38 eingetragene Wortmarke GALLUS.

Die Widerspruchsmarken sind jeweils geschützt für die Waren

"Leder, Waren aus Leder und Lederimitationen, soweit in Klasse 18 enthalten; Rucksäcke, Schultaschen, Ranzen, Einkaufstaschen, Büchertaschen, Sporttaschen, Schultertaschen, Handtaschen, Gürteltaschen, Reisetaschen, Brieftaschen, Münz- und Geldbeutel, Schlüsseltaschen und -mäppchen, Reise- und Handkoffer; leere Kosmetik- oder Haarpflegekoffer und -taschen; Schlüsselhalter aus Leder oder Lederimitationen; Regenschirme, Sonnenschirme, Hüllen für Regen- und Sonnenschirme, Spazierstöcke; Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen."

Die Widersprüche werden auf alle Waren der Widerspruchsmarken gestützt und richten sich gegen alle identischen und ähnlichen Waren der angegriffenen Marke.

Die mit einer Beamtin des höheren Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat die Widersprüche mit Beschluss vom 22. März 2007 wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Ausgehend von teilweiser Warenidentität hielten die Marken bei Anlegung strengster Maßstäbe einen hinreichend großen Abstand ein. Die sich in klanglicher Hinsicht gegenüberstehenden Vergleichsmarken "Gaius" und "Gallus" vermittelten aufgrund der differierenden Buchstaben in der Wortmitte einen deutlich voneinander abweichenden Gesamteindruck. So sei die Silbifizierung unterschiedlich. Während bei der angegriffenen Marke "i" und "u" zu einem "j" zusammengezogen und somit "Gajus" gesprochen werde, lauteten die Widerspruchsmarken "Gallus". Darüber hinaus handele es sich bei den Vergleichszeichen um zweisilbige Kurzwörter. Es spreche vieles dafür, dass die Unterschiede zumindest einem beachtlichen Teil des Verkehrs ohne weiteres auffielen. Dies gelte umso mehr, als diese Verbraucher mit der angegriffenen Marke den bekannten römischen Vornamen (z. B. Gaius Julius Caesar), der auch noch heute als "Gajus" in Deutschland gegenwärtig sei, assoziierten, während der Bedeutungsgehalt der Widerspruchsmarken nicht deutlich hervortrete. Die klanglichen Unterschiede seien daher so ausgeprägt, dass sie selbst bei flüchtigem Kontakt und ungünstigen Übermittlungsbedingungen nicht überhört würden.

Schriftbildlich scheitere eine Verwechslungsgefahr mit der Widerspruchsmarke GM 327 14 75 an deren graphischer Ausgestaltung. Nicht zu übersehen seien auch die Unterschiede in der Wortmitte in der jüngeren Marke ("i") und der Widerspruchsmarke GM 77 04 38 ("ll"). Dies gelte auch bei einer Großschreibung aller Buchstaben.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie hält die Marken klanglich und schriftbildlich für verwechselbar. Klanglich wiesen die Marken nicht nur die gleiche Silbenzahl und -folge auf, sondern würden auch beide auf der ersten Silbe betont. Zudem sei nicht nur die Vokalfolge identisch, sondern auch der am Wortanfang und -ende stehende Konsonant. Die einander gegenüberstehenden Marken stellten keine Kurzmarken dar. In bildlicher Hinsicht verfüge das Alphabet kaum über zwei Buchstaben, die sich ähnlicher seien, wie die Buchstaben "l" bzw. "i" und "L" bzw. "I". Ein die Zeichen unterscheidender Begriffsinhalt liege nicht vor.

Die Widersprechende beantragt, den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 22. März 2007 aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Der Markeninhaber beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Er hält die Entscheidung der Markenstelle für zutreffend. Die zwischen den Marken bestehenden klanglichen und schriftbildlichen Unterschiede seien ausreichend, um Verwechslungen auszuschließen.

Wegen sonstiger Einzelheiten wird auf den Inhalt der Amts- und Gerichtsakten Bezug genommen.

II Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat keinen Erfolg, weil die sich gegenüberstehenden Marken keiner Gefahr der Verwechslung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 107, § 112 MarkenG unterliegen. Die Markenstelle hat die Widersprüche aus den international registrierten Marken zu Recht zurückgewiesen.

Ob Verwechslungsgefahr vorliegt, ist nach der Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofs als auch des Bundesgerichtshofs unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalles zu beurteilen. Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit die Identität oder Ähnlichkeit der zum Vergleich stehenden Marken sowie der von dieser erfassten Waren. Darüber hinaus ist die Kennzeichnungskraft der älteren Marke und - davon abhängig - der dieser im Einzelfall zukommende Schutzumfang in die Betrachtung mit einzubeziehen. Dabei impliziert der Begriff der Verwechslungsgefahr eine gewisse Wechselwirkung zwischen den genannten Faktoren (vgl. EuGH GRUR 1998, 387, 389 (Nr. 22) - Sabel/Puma; GRUR Int. 2000, 899, 901 (Nr. 40) - Marca/Adidas; GRUR 2006, 237, 238 (Nr. 18f.) PICASSO; BGH GRUR 2001, 507, 508 - EVIAN/REVIAN; GRUR 2006, 859, 860 - Malteserkreuz; GRUR 2007, 321, 322 - COHIBA). Nach diesen Grundsätzen besteht im vorliegenden Fall keine Verwechslungsgefahr.

a) Die Waren der jüngeren Marke sind mit den Waren der beiden Widerspruchsmarken teilweise identisch bzw. teilweise hochgradig ähnlich.

b) Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte ist von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken auszugehen.

c) Den bei dieser Ausgangslage erforderlichen deutlichen Abstand hält die jüngere Marke zu beiden Widerspruchsmarken ein.

aa) Schriftbildlich scheitert eine Verwechslungsgefahr mit der Widerspruchsmarke GM 327 14 75 bereits an der besonderen graphischen Ausgestaltung der als Wort-/Bildmarke eingetragenen Widerspruchsmarke und den nur in dieser Marke vorhandenen Bestandteilen "SINCE 1880".

Auch eine klangliche Verwechslungsgefahr mit der Widerspruchsmarke GM 327 14 75 liegt nicht vor. Diese wäre selbst dann zu verneinen, wenn man - wie die Widersprechende - von einer Prägung der Widerspruchsmarke durch den Bestandteil "Gallus" ausgehen wollte. Der klangliche Unterschied in der Wortmitte durch das "i" im Verhältnis zum "ll" ist nicht zu überhören.

Zutreffend ist die Markenstelle davon ausgegangen, dass bei der angegriffenen Marke das "i" und das "u" wie ein "j" zusammengezogen werden und die jüngere Marke somit "Gajus" ausgesprochen wird. Mit der dadurch bedingten kürzeren Aussprache unterscheidet sich die jüngere Marke deutlich von der Widerspruchsmarke, die aufgrund der Verdoppelung des Buchstabens "l" "Gallus" ausgesprochen wird. Aufgrund der deutlichen klanglichen Unterschiede kann die zwischen den Parteien streitige Frage, ob der Annahme einer klanglichen Verwechslungsgefahr auch ein abweichender Begriffsinhalt beider Marken entgegensteht, dahingestellt bleiben.

bb) Von der Widerspruchsmarke GM 77 04 38 unterscheidet sich die jüngere Marke in schriftbildlicher Hinsicht durch das "i" anstelle des doppelten "l" in jeder Schreibweise ausreichend. Bei einer Kleinschreibung sind die Unterschiede ("i" im Verhältnis zu "ll") ebenso wenig zu übersehen wie bei einer Großschreibung ("I" im Verhältnis zu "LL").

Was die klangliche Verwechslungsgefahr anbelangt, kann auf die Ausführungen zu der Widerspruchsmarke GM 327 14 75 Bezug genommen werden.

Für die Auferlegung von Verfahrenskosten gemäß § 71 Abs. 1 MarkenG besteht kein Anlass.

Dr. Albrecht Schwarz Kruppa Na/Fa






BPatG:
Beschluss v. 22.04.2008
Az: 27 W (pat) 89/07


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