Bundesverwaltungsgericht:
Beschluss vom 16. Dezember 2010
Aktenzeichen: 2 WDB 3.10
(BVerwG: Beschluss v. 16.12.2010, Az.: 2 WDB 3.10)
1. Im Falle des § 42 Nr. 4 Satz 3 WDO ist die weitere Beschwerde bei dem nächsten Disziplinarvorgesetzten oder bei dem Bundesverwaltungsgericht einzulegen, nicht aber bei der Stelle, die über die Beschwerde entschieden hat.
Tenor
Der vom Amtschef Streitkräfteamt am 11. März 2010 gegen den Soldaten verhängte strenge Verweis und der Beschwerdebescheid des Stellvertreters des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteurs der Streitkräftebasis vom 27. April 2010 werden aufgehoben.
Die dem Soldaten im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht einschließlich der im vorgerichtlichen Verfahren erwachsenen notwendigen Aufwendungen werden dem Bund auferlegt.
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer ist Berufssoldat und wird in der Abteilung "..." (...) des ... in P... eingesetzt.
Mit Schreiben des evangelischen Militärdezernats Kiel vom 15. Juni 2009 wurde er zur Teilnahme an der XI. Ostseeanrainerkonferenz der Evangelischen Militärgeistlichen im Zeitraum vom 8. bis 11. Oktober 2009 in Riga/Lettland eingeladen. Themen der Veranstaltung waren Familienbetreuungszentren und aus dem Einsatz heimkehrende Soldaten. Einen Antrag vom 8. September 2009 auf Genehmigung einer Dienstreise lehnte der amtierende Amtschef des ..., Oberst i.G. Dr. M..., mit der Begründung ab, er halte die Dienstreise im Hinblick auf die Arbeit des Soldaten nicht für unbedingt notwendig. Zudem liege zurzeit bei der Abteilung ... wegen eines Sonderauftrages eine Arbeitsspitze an, die die Kräfte binde.
In einem an Oberst i.G. Dr. M... am 16. September 2009 per E-Mail übermittelten längeren Schreiben führte der Soldat einleitend aus, er habe die Ablehnung des Dienstreiseantrages erhalten. Gerne würde er sich jedoch dazu äußern. Der Großauftrag sei bekannt, Arbeitsspitzen habe es in der Abteilung schon immer gegeben. Nach weiteren Ausführungen zu seinem bisherigen Einsatz und den von ihm übernommenen zusätzlichen Aufgaben heißt es weiter, das Ganze lasse sich natürlich nur dann durchziehen, wenn man morgens um 7:30 Uhr zum Dienst komme und ohne Kaffee- und Mittagspause bis 16:30 Uhr oder 17:00 Uhr durcharbeite. Zeit zum Vertrödeln habe er leider nicht. Um so mehr ärgere es ihn, wenn über 5 Ecken an ihn weitergegeben werde, dass irgendwelche Vertreter der militärischen Führung sich darüber wundern würden, ihn auf verschiedenen Veranstaltungen in Berlin zu sehen - ob er denn nichts zu arbeiten hätte. Weiter heißt es in dem Schreiben wörtlich:
"Wenn ich von verschiedenen Gastgebern zu verschiedenen Veranstaltungen eingeladen werde, haben diese offensichtlich einen Grund dafür, dass sie mich dort gerne sehen. In diesem Fall ist es also meine Angelegenheit und geht andere einen Sch... an."
Tatsächlich sei es offensichtlich so, dass Engagement - gerade für eine gute Sache - sowie Leistung in unserem Land nur Neid hervorriefen. Nach weiteren Ausführungen "zu kriminellem Mobbing und Rufmord", die gegen ihn und andere Mitglieder des Bundes jüdischer Soldaten betrieben würden, wird der folgende Absatz eingeleitet mit den Worten: "Nun zum Thema Reise nach Riga:"
Oberst i.G. Dr. M... meldete das Schreiben dem damaligen Amtschef ..., Oberst Dr. E..., weil er darin Anhaltspunkte für ein Dienstvergehen sah. Dieser gab die Prüfung des Vorgangs wegen Befangenheit an den Amtschef Streitkräfteamt ab.
Der Amtschef Streitkräfteamt beauftragte mit Verfügung vom 22. Oktober 2009 Oberst H... vom ... gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 WDO mit der Durchführung der disziplinaren Ermittlungen gegen den Soldaten. Dieser stehe im Verdacht, mit dem Schreiben an Oberst i.G. Dr. M... einen Verstoß gegen §§ 10 Abs. 6, 12, 17 Abs. 1 und 2 SG begangen zu haben. Bei seiner Vernehmung am 27. Oktober 2009 erklärte der Soldat, Oberst i.G. Dr. M... habe ihm über den Korvettenkapitän Dr. S... mitgeteilt, dass namentlich nicht genannte höhere Dienstgrade kritische Äußerungen gegen ihn und seine Frau getätigt hätten. Diese ihm, dem Soldaten, namentlich nicht bekannten und nicht genannten höheren Dienstgrade habe er mit seiner Äußerung gemeint. Auch in einer weiteren Vernehmung vom 28. Januar 2010 durch den Rechtsberater des Streitkräfteamtes, Leitender Regierungsdirektor H..., hat sich der Soldat dahin eingelassen, der ihm vorgeworfene Satz aus dem Schreiben habe sich nicht auf den abgelehnten Dienstreiseantrag nach Riga bezogen, sondern auf die Ausführungen, die er, der Soldat, im Absatz zuvor gemacht habe. Die Ablehnung des Dienstreiseantrags sei nur der Auslöser dafür gewesen, seinen Unmut über verschiedene Gesprächssituationen, die er mit Oberst i.G. Dr. M... gehabt habe, zum Ausdruck zu bringen. Dabei sei es im Wesentlichen darum gegangen, dass Dr. M... ihm mehrfach geschildert habe, aus Bundeswehrkreisen - insbesondere aus Kreisen höherer Offiziere - seien Vorwürfe gegen seine Person geäußert worden. Dr. M... habe ihm gegenüber nie die Urheber dieser Vorwürfe und Mutmaßungen genannt.
Am 11. März 2010 verhängte der Amtschef des Streitkräfteamtes gegen den Beschwerdeführer einen strengen Verweis, der am 21. Mai 2010 vollstreckt wurde. Der Tenor der Disziplinarverfügung lautet:
"Er hat am 16.09.2009 in P..., ..., als Reaktion auf die schriftliche Antwort des amtierenden Amtschefs ..., Oberst i.G. Dr. M..., vom 11.09.2009, mit der dieser einen Dienstreiseantrag des Soldaten vom 08.09.2009 zur Teilnahme an einer internationalen Konferenz der lettischen evangelischen Militärseelsorge in Riga/Lettland wegen des fehlenden dienstlichen Interesses für die Verwendung des Soldaten abgelehnt hatte, diesem eine E-Mail zugesandt, in der er unter anderem im Hinblick auf die zahlreichen Einladungen, die er nicht nur im Rahmen seiner ehrenamtlichen Betätigung als Vorsitzender des Bundes jüdischer Soldaten erhalte, ausführte:
€Wenn ich von verschiedenen Gastgebern zu verschiedenen Veranstaltungen eingeladen werde, haben diese offensichtlich einen Grund dafür, dass sie mich dort gerne sehen. In diesem Fall ist es also meine Angelegenheit und es geht andere einen Sch... an.€"
Gegen diese Disziplinarmaßnahme legte der Beschwerdeführer durch seinen bevollmächtigten Rechtsanwalt mit Schreiben vom 12. März 2010, beim Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis eingegangen am 15. März 2010, Beschwerde ein, die mit weiterem Schriftsatz des Bevollmächtigten vom 14. April 2010 unter anderem damit begründet wurde, die beanstandete Äußerung in der E-Mail vom 16. September 2009 habe sich weder auf Oberst i.G. Dr. M... noch auf andere Mitarbeiter des ..., sondern auf die ominösen, von Oberst i.G. Dr. M... erwähnten, namentlich jedoch nicht genannten Personen bezogen, die sich über die Aktivitäten des Soldaten negativ geäußert hätten. Die Disziplinarmaßnahme sei daher aufzuheben, weil sie von falschen Voraussetzungen ausgehe.
Mit Beschwerdebescheid vom 27. April 2010 wies der Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis die Beschwerde des Soldaten als unbegründet zurück. Die Verhängung der Disziplinarmaßnahme durch den Amtschef Streitkräfteamt sei formell fehlerfrei erfolgt und auch materiell nicht zu beanstanden. Mit der Äußerung gegenüber seinem Vorgesetzten, Oberst i.G. Dr. M..., habe der Soldat schuldhaft gegen die ihm obliegenden Pflichten aus §§ 7, 17 Abs. 2 Satz 1 SG verstoßen und damit ein Dienstvergehen begangen. Die in der Disziplinarverfügung zitierte Äußerung in der E-Mail könne bei verständiger Würdigung und im Zusammenhang mit dem abgelehnten Dienstreiseantrag nur so aufgefasst werden, dass der Soldat beanspruche, etwaige Einladungen auch als Dienstreise wahrnehmen zu können, ohne dies vor den zuständigen Vorgesetzten rechtfertigen zu müssen, und dass der Zweck der jeweiligen Einladung die Vorgesetzten nichts anginge. Schon in Form und Stil sei die Äußerung einem Vorgesetzten gegenüber nicht akzeptabel und zeuge von mangelnder Achtung und fehlendem Respekt. Darin liege ein Verstoß gegen die Pflicht zum treuen Dienen.
In der im Beschwerdebescheid beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung heißt es, dass gegen diesen Beschwerdebescheid die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beantragt werden könne. Der Antrag sei innerhalb eines Monats nach der Bekanntgabe des Bescheides bei dem Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis zu stellen. Er könne auch bei dem nächsten Disziplinarvorgesetzten des Soldaten eingelegt werden.
Mit Schreiben vom 27. Mai 2010, das am selben Tage per Telefax beim Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis einging, beantragte der Soldat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Auch sein Bevollmächtigter stellte mit einem weiteren Schreiben vom 31. Mai 2010 einen Antrag auf Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, der ebenfalls noch am selben Tage per Telefax bei dem Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis einging.
Diesen Antrag legte der Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis dem Senat mit Vorlageschreiben vom 24. Juni 2010, beim Gericht eingegangen am 20. Juli 2010, zur Entscheidung vor.
Nachdem das Gericht den Beteiligten Gelegenheit gegeben hatte, zu der Frage Stellung zunehmen, ob die als Antrag auf gerichtliche Entscheidung bezeichnete weitere Beschwerde bei der zuständigen Stelle eingereicht worden sei, legte der Bevollmächtigte des Soldaten mit weiterem Schreiben vom 3. August 2010 zusätzlich "weitere Beschwerde" ein und führte zur Begründung aus, erst aufgrund des gerichtlichen Hinweises habe er die Fehlerhaftigkeit der erteilten Rechtsbehelfsbelehrung erkannt. Im Übrigen wiederholt und vertieft der Soldat sein bisheriges Vorbringen im Beschwerdeverfahren. Weiter führt er aus, unabhängig davon, dass er kein Dienstvergehen begangen habe, seien auch die zwingenden Förmlichkeiten bei der Verhängung der Disziplinarmaßnahme nicht beachtet worden. So sei die Anhörung der Vertrauensperson nicht den Vorschriften entsprechend durchgeführt worden. Daraus ergebe sich ein nicht heilbarer Verfahrensfehler. Zum einen habe ein nicht zuständiger Offizier (Oberst Dr. K...) die Vertrauensperson angehört, obwohl der Disziplinarvorgesetzte, der für die Verhängung der Disziplinarmaßnahme zuständig gewesen sei, die Anhörung habe höchstpersönlich vornehmen müssen. Zum anderen sei die Vertrauensperson auch nicht zu Art und Höhe der Maßnahme angehört worden. Schließlich sei die Anhörung nicht zeitnah erfolgt, d.h. im Regelfall innerhalb von zwei Wochen vor der Disziplinarmaßnahme. In diesem Fall sei die Wiederholung der Anhörung zwingend vorgeschrieben. Die Anhörung sei aber nicht wiederholt worden.
Der Soldat beantragt,
1. Die Disziplinarmaßnahme - strenger Verweis - vom 11. März 2010 wird aufhoben.
2. Der Beschwerdebescheid des Stellvertreters des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteurs der Streitkräftebasis vom 27. April 2010 wird aufgehoben.
Der Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis beantragt,
die weitere Beschwerde zurückzuweisen.
Er hält die weitere Beschwerde für zulässig. Sie sei zwar nicht bei einer nach dem Gesetz vorgesehenen Stelle eingelegt worden. Jedoch habe der Beschwerdebescheid eine unrichtige Rechtsbehelfsbelehrung enthalten. Da eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung auch nicht nachträglich erteilt worden sei, sei der Rechtsbehelf mit der Vorlage bei dem Bundesverwaltungsgericht am 20. Juli 2010 als Anlage zum Vorlageschreiben vom 24. Juni 2010 nicht verfristet eingegangen. Einer nochmaligen Einlegung des Rechtsbehelfs beim Bundesverwaltungsgericht habe es daher nicht bedurft.
In der Sache sei die weitere Beschwerde unbegründet. Die Disziplinarmaßnahme leide nicht wegen einer fehlerhaften Anhörung der Vertrauensperson an einem unheilbaren Mangel. Selbst wenn die Anhörung der Vertrauensperson vollständig unterblieben wäre, könne dies nicht dazu führen, dass die Disziplinarmaßnahme alleine deswegen rechtswidrig sei. Dies müsse erst recht für Fälle gelten, in denen eine Anhörung durch einen unzuständigen Vorgesetzten erfolgt sei. Im Übrigen sei Oberst Dr. K... auch zuständig gewesen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts müsse bei der Durchführung von Beteiligungsverfahren in den für Soldaten nach § 49 SBG personalratsfähigen Dienststellen, zu denen auch das ... gehöre, die Anhörung durch den Dienststellenleiter erfolgen. Da der Amtschef des ... unter Berufung auf seine Befangenheit in der Sache von der Durchführung der Anhörung Abstand genommen habe, der stellvertretende Amtschef als Betroffener daran gehindert und der mit den Ermittlungen beauftragte Offizier von der Dienststelle abwesend gewesen sei, habe Oberst Dr. K... als nächster Vertreter des Dienststellenleiters die Anhörung zu Recht vorgenommen. Unschädlich sei, dass auf dem Anhörungsformular vermerkt sei, dass die Anhörung im Auftrag des Amtschefs Streitkräfteamt stattgefunden habe.
Im Übrigen sei einzuräumen, dass Art und Höhe der beabsichtigten Disziplinarmaßnahme in der Anhörung nicht thematisiert worden seien, auch nicht seitens der Vertrauensperson, die sich grundsätzlich gegen eine förmliche Disziplinierung ausgesprochen habe. Insofern sei diese nicht vorschriftenkonforme Handhabung unschädlich geblieben, weil die Meinungsbildung der Vertrauensperson zum Disziplinarmaß eine Erörterung der beabsichtigten Maßnahme obsolet gemacht habe.
Diesen Ausführungen hat sich der Bundeswehrdisziplinaranwalt in seiner Stellungnahme vom 24. August 2010 im Wesentlichen angeschlossen. Ergänzend führt er aus, der Gesetzgeber habe durch die Vorschrift des § 46 Abs. 2 WDO abschließend die Gründe festgelegt, die zwingend und ohne weitere Einzelfallprüfung zu einer Aufhebung der Disziplinarmaßnahme im Wege der Dienstaufsicht führen sollen. Fehler im Beteiligungsverfahren zählten hierzu nicht. Mit dieser Regelung sei der rechtsstaatliche Maßstab für die Bestandskraft einer einfachen Disziplinarmaßnahme festgelegt und damit auch indirekt die rechtliche Folge von Fehlern im Beteiligungsverfahren in Disziplinarangelegenheiten begrenzt worden.
In der Sache sei die Disziplinarmaßnahme nicht zu beanstanden. Der Soldat habe zumindest fahrlässig gegen seine Pflichten verstoßen, die Würde und Ehre des Oberst i.G. Dr. M... als Kameraden zu achten und gegenüber Vorgesetzten Disziplin zu wahren. Denn der Soldat habe mit dem auch an Oberst i.G. Dr. M... gerichteten Vorwurf diesen in der ordnungsgemäßen Wahrnehmung seiner Dienstpflichten als Stellvertreter des Amtschefs herabgewürdigt und in missachtender Art und Weise zu verstehen gegeben, dass er die Bewertung der Dienstreise durch seinen Vorgesetzten in keiner Weise akzeptiere. Er stelle damit in Frage, ob er sich weiterhin in ein System von Disziplin und Gehorsam selbstbeherrscht einordnen möchte. Gleichzeitig habe er dadurch seine Pflicht nach § 10 Abs. 6 SG verletzt, als Vorgesetzter bei seinen Äußerungen die notwendige Zurückhaltung zu wahren. Eine persönlich andere Auffassung über die Genehmigungsfähigkeit seiner Dienstreise vermöge die sprachliche Ausfälligkeit nicht zu rechtfertigen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Vorgänge des Rechtsberaters Streitkräfteamt (...), die Beschwerdevorgänge des Rechtsberaters Führungsstab der Streitkräfte (...) sowie die Personalgrundakte des Soldaten haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
II.
Die zulässige weitere Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Disziplinarmaßnahme und des Beschwerdebescheides.
Die Entscheidung des Senats ergeht in der Besetzung mit ehrenamtlichen Richtern. Auf das Beschwerdeverfahren finden nach § 42 Satz 1 WDO die Vorschriften der Wehrbeschwerdeordnung Anwendung. Abschließende Sachentscheidungen werden im Wehrbeschwerdeverfahren in der Besetzung mit ehrenamtlichen Richtern getroffen (vgl. Beschluss vom 31. Juli 2008 - BVerwG 2 WDB 1.08 - Buchholz 449 § 13 SG Nr. 10 = NZWehrR 2008, 261; Dau, WBO, 5. Aufl. 2009, § 18 Rn. 7 und Einführung Rn. 102). § 80 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 WDO gilt, wie das Wort "Hauptverhandlung" zeigt, nur für das gerichtliche Disziplinarverfahren und nicht für Wehrbeschwerdesachen und damit auch nicht für Beschwerdeverfahren nach § 42 WDO.
Der Senat entscheidet gemäß § 42 Satz 1 WDO i.V.m. § 18 Abs. 2 Satz 3 WBO durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung. Von einer mündlichen Verhandlung hat der Senat abgesehen, weil der Sachverhalt - soweit entscheidungserheblich - geklärt ist und den Verfahrensbeteiligten hinreichend Gelegenheit gegeben worden ist, ihre unterschiedlichen Rechtsauffassungen darzulegen und dazu wechselseitig Stellung zu nehmen. Davon haben sie auch Gebrauch gemacht.
1. Die weitere Beschwerde ist zulässig. Nach § 42 Satz 1 WDO sind auf Beschwerden des Soldaten gegen Disziplinarmaßnahmen die Vorschriften der Wehrbeschwerdeordnung nach näherer Maßgabe der folgenden Nummern 1 bis 12 anzuwenden. Nach Nr. 4 Satz 1 der Vorschrift entscheidet über die weitere Beschwerde das Truppendienstgericht. Hat der Bundesminister der Verteidigung oder einer der in § 22 WBO genannten Disziplinarvorgesetzten über die Beschwerde entschieden, ist das Bundesverwaltungsgericht zuständig (§ 42 Nr. 4 Satz 3 WDO). Da über die Beschwerde des Soldaten der Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis entschieden hat, ist demnach im vorliegenden Fall die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts gegeben.
Die Verweisung in § 42 Satz 1 WDO auf die Wehrbeschwerdeordnung führt dazu, dass nach § 16 Abs. 4 i.V.m. § 5 Abs. 1 WBO die weitere Beschwerde bei dem nächsten Disziplinarvorgesetzten des Beschwerdeführers oder bei der für die Entscheidung über die weitere Beschwerde zuständigen Stelle - hier also bei dem Bundesverwaltungsgericht - einzulegen ist. Innerhalb der Frist von einem Monat nach Zustellung des Beschwerdebescheides (§ 16 Abs. 1 WBO) ist die weitere Beschwerde bei keiner der danach für die Entgegennahme der Beschwerde zuständigen Stellen eingegangen. Stattdessen ging sie bei der Stelle ein, die über die Beschwerde entschieden hat. Beim Bundesverwaltungsgericht gingen die als weitere Beschwerde anzusehenden Anträge auf gerichtliche Entscheidung vom 27. Mai 2010 und vom 31. Mai 2010 erstmals mit dem Vorlageschreiben des Stellvertreters des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteurs der Streitkräftebasis vom 24. Juni 2010 am 20. Juli 2010 und damit nach Ablauf der in § 16 Abs. 1 WBO genannten Frist ein.
Allerdings bestimmt § 7 Abs. 1 WBO, dass die Frist erst zwei Wochen nach Beseitigung des Hindernisses abläuft, wenn der Beschwerdeführer unter anderem durch unabwendbare Zufälle an der Einhaltung der Frist gehindert war. Als unabwendbarer Zufall ist es auch anzusehen, wenn eine vorgeschriebene Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder unrichtig ist (§ 7 Abs. 2 WBO). Da die in § 6 WDO und in § 12 Abs. 1 Satz 4 WBO vorgeschriebene Rechtsbehelfsbelehrung in dem Beschwerdebescheid - wie auch der Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis einräumt - unzutreffend war und da auch nicht nachträglich eine zutreffende Rechtsbehelfsbelehrung erteilt wurde, war die Frist des § 7 Abs. 1 WBO bei Eingang des Vorlageschreibens bei Gericht noch nicht abgelaufen. Dass die weitere Beschwerde entsprechend der erteilten Rechtsbehelfsbelehrung als "Antrag auf gerichtliche Entscheidung" bezeichnet wurde, steht ihrer Wertung als weitere Beschwerde nicht entgegen (vgl. Beschluss vom 31. Juli 2008 - BVerwG 2 WDB 1.08 - a.a.O.).
2. Die weitere Beschwerde ist auch begründet, weil die angefochtene Disziplinarmaßnahme sowohl an formellen Mängeln leidet (a), als auch materiell fehlerhaft ist (b).
a) Nach § 27 Abs. 1 SBG ist die Vertrauensperson zur Person des Soldaten, zum Sachverhalt und zum Disziplinarmaß anzuhören, bevor der Disziplinarvorgesetzte eine Disziplinarmaßnahme verhängt, sofern der Soldat nicht widerspricht. Diese Anhörung ist nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden.
aa) Allerdings ist entgegen der Ansicht des Soldaten nicht zu beanstanden, dass die Vertrauensperson von Oberst K... vom ... in P... angehört wurde. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 31. Januar 2007 - BVerwG 1 WB 16.06 - Buchholz 449.7 § 52 SBG Nr. 3 = NZWehrR 2007, 162) ergibt sich aus der Vorschrift des § 52 Abs. 1 SBG, der die Beteiligungsrechte der Soldaten für Dienststellen regelt, in denen Soldaten Personalvertretungen gewählt haben, dass anhörungspflichtige Stelle allein der Dienststellenleiter und nicht die Einleitungsbehörde ist. Während Satz 1 der Vorschrift regelt, dass in "Angelegenheiten, die nur die Soldaten betreffen", die Soldatenvertreter die Befugnisse der Vertrauensperson haben, wird durch die in Satz 2 erfolgte Verweisung auf § 7 BPersVG bestimmt, dass für die Dienststelle ihr Leiter oder sein Vertreter handelt. Der Gesetzgeber hat mit § 52 Abs. 1 Satz 2 SBG eine abschließende Zuständigkeitsregelung für die Anwendung des Soldatenbeteiligungsgesetzes in den Dienststellen getroffen, in denen - wie im vorliegenden Fall - Soldatenvertreter in die Personalräte gewählt werden. Durch die Vorgabe des § 52 Abs. 1 Satz 2 SBG sind im Anwendungsbereich der Vorschrift die im Soldatenbeteiligungsgesetz sonst vorgesehenen Zuständigkeitsregelungen nach Maßgabe des § 7 BPersVG spezialgesetzlich derogiert.
Die Absicht des Amtschefs Streitkräfteamt, gegen den Soldaten eine einfache Disziplinarmaßnahme zu verhängen, stellt eine Angelegenheit dar, die nur die Soldaten betrifft. Dazu zählen auch die in § 52 Abs. 2 SBG erwähnten Angelegenheiten nach der Wehrdisziplinar- und Wehrbeschwerdeordnung. Denn dabei handelt es sich lediglich um einen Unterfall des Absatzes 1 (vgl. Beschlüsse vom 1. November 2001 - BVerwG 6 P 10.01 - BVerwGE 115, 223 <230> = Buchholz 252 § 52 SBG Nr. 2 und vom 31. Januar 2007 - BVerwG 1 WB 16.06 - a.a.O. Rn. 42). Während in allen anderen Fällen, die nur Angelegenheiten der Soldaten betreffen, gemäß § 52 Abs. 1 SBG die Beteiligungsrechte der Vertrauensperson durch die Soldatenvertreter im Personalrat insgesamt als Gruppenangelegenheit wahrzunehmen sind, sieht § 52 Abs. 2 SBG für Verfahren nach der Wehrdisziplinarordnung und der Wehrbeschwerdeordnung eine besondere Zuständigkeit einzelner Mitglieder der Soldatengruppe vor. Der Gesetzgeber ging bei dieser Sonderregelung des § 52 Abs. 2 SBG von der Annahme aus, dass Wehrdisziplinar- und Wehrbeschwerdesachen einer besonderen Vertraulichkeit bedürfen und daher nicht im Plenum des Personalrates erörtert werden sollen (BTDrucks 13/5740 S. 22 zu § 52 Abs. 2 SBG; vgl. dazu u.a. Gronimus, Die Beteiligungsrechte der Vertrauenspersonen in der Bundeswehr, 6. Aufl. 2009, § 52 Rn. 19).
Die Absicht des Gesetzgebers, eine Beratung der in § 52 Abs. 2 SBG genannten Angelegenheiten im Personalratsplenum aus Gründen eines wirksamen Persönlichkeits- und Datenschutzes durch die ausschließliche Übertragung der Befugnisse der Vertrauensperson an den zuständigen Laufbahnvertreter auszuschließen, berührt nicht die Frage, wer anhörungspflichtige Stelle ist. Die in § 52 Abs. 2 SBG getroffene Sonderregelung hinsichtlich der Bestimmung der anzuhörenden Stelle ändert nichts an den in § 52 Abs. 1 SBG getroffenen Regelungen hinsichtlich der Befugnisse der anhörungsberechtigten Stelle (Satz 1) sowie hinsichtlich der anhörungspflichtigen Stelle (Satz 2 i.V.m § 7 BPersVG). Denn § 52 Abs. 2 SBG trifft, wie sich schon aus dem Wortlaut ergibt, keine Sonderregelung dazu, welche Stelle zur Anhörung des Soldatenvertreters in Angelegenheiten nach der Wehrdisziplinarordnung und der Wehrbeschwerdeordnung verpflichtet ist. Es bleibt damit bei der in § 52 Abs. 1 Satz 2 SBG i.V.m. § 7 BPersVG normierten Verantwortlichkeit des Dienststellenleiters.
Im vorliegenden Fall war daher der Amtschef des ... - in eigener Zuständigkeit und nicht im Wege einer Delegierung von Seiten des Amtschefs Streitkräfteamt - anhörungspflichtige Stelle. Dass wegen unterschiedlicher Verhinderungsgründe anstelle des Amtschefs letztlich Oberst Dr. K... die Anhörung durchgeführt hat, hat der Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis in seinem Vorlageschreiben im Einzelnen dargelegt. Dem ist der Soldat nicht entgegengetreten.
Unter diesen Umständen kommt es im vorliegenden Fall nicht auf die Frage an, ob der für die Verhängung der Disziplinarmaßnahme zuständige Disziplinarvorgesetzte die Anhörung persönlich hätte vornehmen müssen (ZDv 10/2 Nr. 236 Abs. 5 Satz 1) oder ob hier ausnahmsweise nach Satz 2 der genannten Regelung die Anhörung einem unterstellten Offizier übertragen werden durfte.
bb) Schon aus dem Wortlaut des § 27 Abs. 1 SBG folgt, dass die, sofern der Soldat einer Anhörung nicht insgesamt widerspricht (vgl. dazu Urteil vom 8. Dezember 2010 - BVerwG 2 WD 24.09 - <zur Veröffentlichung in Buchholz vorgesehen>), zwingend vorgeschriebene Anhörung der Vertrauensperson vor Verhängung einer Disziplinarmaßnahme durch den Disziplinarvorgesetzten auch auf die Frage des Disziplinarmaßes zu erstrecken ist (vgl. Beschluss vom 25. November 2004 - BVerwG 1 WB 3.04 - und Urteil vom 12. Juni 2007 - 2 WD 11.06 - Buchholz 449.7 § 27 SBG Nr. 3 = NZWehrR 2007, 256). Der Disziplinarvorgesetzte hat hierzu der Vertrauensperson die beabsichtigte Disziplinarmaßnahme nach Art und Höhe mitzuteilen (TDG Nord, Beschluss vom 18. Januar 1994 - N 4 ASL 22/94 - NZWehrR 1994, 260; Höges in Wolf/Höges, SBG, 51. Aufl. 2010, § 27 Rn. 8; Altvater/Hamer/Kröll/Lemcke/Peiseler, BPersVG, 6. Aufl. 2008, § 27 SBG Rn. 3; Dau, WDO, 5. Aufl. 2009, § 4 Rn. 17; ZDv 10/2 Nr. 237 Abs. 2). Ausweislich der Niederschrift über die Anhörung der Vertrauensperson vom 8. Februar 2010 sind Art und Höhe der beabsichtigten Disziplinarmaßnahme jedoch nicht Gegenstand der Anhörung gewesen (vgl. zum Erfordernis der Dokumentation der Anhörung in einer Niederschrift § 27 Abs. 4 SBG sowie TDG Süd, Beschluss vom 17. Oktober 1996 - S 10 Blc 7/96; Höges a.a.O. Rn. 15; ZDv 10/2 Nr. 237 Abs. 4). Auch eine telefonische Rückfrage des Leitenden Rechtsberaters Streitkräfteamt vom 8. Juni 2010 bei der Vertrauensperson hat ergeben, dass der Vertrauensperson das beabsichtigte Disziplinarmaß nicht bekannt gegeben worden ist. Dementsprechend hat der Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis in seinem Vorlageschreiben ausdrücklich eingeräumt, dass die Frage der beabsichtigten Disziplinarmaßnahme nicht Gegenstand der Anhörung gewesen ist. Die Anhörung war daher in einem entscheidenden Punkt unzureichend.
cc) Folge einer unterbliebenen oder unzureichenden Anhörung der Vertrauensperson ist die Rechtswidrigkeit der verhängten Disziplinarmaßnahme. Die Anhörung kann auch nicht in dem Beschwerdeverfahren ganz oder gegebenenfalls teilweise nachgeholt werden (TDG Süd, Beschluss vom 27. September 1996 - S 1 Blc 8/96 - NZWehrR 1997 S. 123 <124>; Höges a.a.O. Rn. 12; Altvater/Hamer/Kroll/Lemcke/Peiseler, a.a.O. Rn. 3; Ebert, NZWehrR 1994, 11 <12>; a. A. Dau, WDO, a.a.O. Rn. 21 unter Hinweis auf den Beschluss vom 27. April 1983 - BVerwG 2 WDB 2.83 - BVerwGE 76, 82 <87>, der allerdings zu der früheren Rechtslage nach § 28 Abs. 6 Satz 1 WDO a.F. ergangen ist, in der im Unterschied zur jetzigen Regelung des § 27 Abs. 1 SBG die Anhörung der Vertrauensperson nicht zwingend vorgeschrieben war; die weiter von Dau angeführten Beschlüsse vom 8. Januar 1992 - BVerwG 2 WDB 17.91 - BVerwGE 93, 222 und vom 9. Januar 1992 - BVerwG 2 WDB 20.91 - NZWehrR 1992, 167 betreffen jeweils die Frage der unterbliebenen Anhörung der Vertrauensperson vor Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens <§ 27 Abs. 2 SBG> und sind auf den Fall des § 27 Abs. 1 SBG nicht übertragbar).
Der Ansicht des Bundeswehrdisziplinaranwaltes, aus der Regelung des § 46 Abs. 2 WDO folge, dass eine unterbliebene oder mangelhafte Anhörung der Vertrauensperson nicht dazu führe, dass die Disziplinarmaßnahme an einem nicht heilbaren Mangel leide, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Die Vorschrift regelt ausschließlich, unter welchen Voraussetzungen eine Disziplinarmaßnahme im Wege der Dienstaufsicht zwingend aufgehoben werden muss. Dies schließt nicht aus, dass auch sonstige formelle Mängel der Disziplinarmaßnahme im Beschwerdeverfahren nach § 42 WDO zu deren Aufhebung führen können (vgl. auch Höges a.a.O Rn. 12 und Ebert a.a.O).
Schließlich kann auch der Umstand, dass sich die Vertrauensperson hier bei ihrer Anhörung gegen jede Form einer disziplinarischen Ahndung ausgesprochen hat, das Unterbleiben der Anhörung zur beabsichtigten Disziplinarmaßnahme nicht rechtfertigen. Abgesehen davon, dass der anhörende Disziplinarvorgesetzte oder Dienststellenleiter der Vertrauensperson als Grundlage der Anhörung den Sachverhalt und die beabsichtigte Disziplinarmaßnahme zu eröffnen hat, bevor die Vertrauensperson dazu Stellung nehmen kann, ist im Übrigen die Angabe des beabsichtigten Disziplinarmaßes auch dann nicht bedeutungslos, wenn sich die Vertrauensperson dafür ausspricht, von einer Disziplinarmaßnahme vollständig abzusehen. Denn auch in diesem Fall kann es durchaus geboten sein, dass die Vertrauensperson hilfsweise Ausführungen dazu macht, dass die beabsichtigte Disziplinarmaßnahme, wenn denn überhaupt eine disziplinarrechtliche Ahndung erfolgen solle, jedenfalls in der angegebenen Art und Höhe unangemessen erscheine. Auch diese Frage wäre gegebenenfalls mit der Vertrauensperson zu erörtern (§ 20 Abs. 3 SBG). Ob hier eine Erörterung mit der Vertrauensperson im Sinne des § 20 Abs. 3 SBG stattgefunden hat und ob außer der Vertrauensperson gegebenenfalls auch der Soldat das Fehlen einer solchen Erörterung rügen könnte, bedarf wegen der ohnehin fehlerhaften Anhörung keiner Entscheidung.
Für die Entscheidung unerheblich ist weiter die Frage, ob die am 8. Februar 2010 durchgeführte Anhörung noch zeitnah zu der verhängten Disziplinarmaßnahme war (vgl. dazu ZDv 10/2 Nr. 236 Abs. 3 und Höges a.a.O. Rn. 3).
b) Die Disziplinarmaßnahme ist darüber hinaus auch materiell fehlerhaft. Die in der Disziplinarverfügung beanstandete Formulierung in der E-Mail des Soldaten erfüllt nicht den Tatbestand eines Dienstvergehens nach § 23 Abs. 1 SG.
aa) Ein Verstoß gegen § 10 Abs. 6 SG liegt entgegen der Ansicht des Bundeswehrdisziplinaranwaltes schon deshalb nicht vor, weil nach der Rechtsprechung des Senats wegen des Schutzzwecks der Norm, Unteroffizieren und Offizieren das Vertrauen als Vorgesetzte zu erhalten, nur solche Äußerungen einen Verstoß gegen die Vorschrift darstellen, die Untergebenen "zu Gehör kommen" oder "in die Öffentlichkeit dringen" können (Urteile vom 10. Oktober 1985 - BVerwG 2 WD 19.85 - BVerwGE 83, 60 <68 f.> m.w.N., vom 20. Mai 1983 - BVerwG 2 WD 11.82 - BVerwGE 83, 136 <149>, vom 10. Oktober 1989 - BVerwG 2 WDB 4.89 - BVerwGE 86, 188 <199> und vom 22. Oktober 2008 - BVerwG 2 WD 1.08 - BVerwGE 132, 179 = Buchholz 449 § 10 SG Nr. 60; vgl. auch Scherer/Alff/Poretschkin, SG, 8. Aufl. 2008 § 10 Rn. 62 m.w.N.). Dafür ist hier aber nichts dargetan.
bb) Unabhängig davon erfordert nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. u.a. Urteil vom 22. Oktober 2008 - BVerwG 2 WD 1.08 - a.a.O.) die für die Demokratie konstitutive Funktion der Meinungsäußerungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) - ebenso wie das Grundrecht auf ein faires rechtsstaatliches Verfahren (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 und 3 GG) - bei Meinungsäußerungen von Soldaten, dass der Inhalt und der Bedeutungsgrad der in Rede stehenden Äußerung unter Heranziehung des gesamten Kontextes objektiv und sachlich vor dem Hintergrund des gesellschaftlichen, sozialen und politischen Geschehens, in dem sie gefallen ist, ermittelt und der Entscheidung zugrunde gelegt werden. Bei der Auslegung der festgestellten Äußerung ist von deren objektivem Sinngehalt auszugehen, wie ihn ein unbefangener verständiger Dritter verstehen musste (vgl. BGH, Urteil vom 18. Februar 1964 - 1 StR 572/63 - BGHSt 19, 235 <237> m.w.N.; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 7. Juli 1989 - 5 Ss 250/89 - 101/89 I - NJW 1989, 3030; BayObLG, Urteil vom 17. Dezember 1996 - 2 St RR 178/96 - NStZ 1997, 283 m.w.N.; Herdegen in: Leipziger Kommentar, StGB, 10. Aufl. 1985, § 185 Rn. 17 ff.; Fischer, StGB, 57. Aufl. 2010, § 185 Rn. 8). Gehalt und Sinn der Äußerung sind nach dem jeweiligen Kommunikationszusammenhang zu ermitteln (BVerfG, Beschluss vom 9. Oktober 1991 - 1 BvR 1555/88 - BVerfGE 85, 1 <19>; Grimm, NJW 1995, 1697 <1700>).
Nach diesen Maßstäben kann die beanstandete Formulierung bei Berücksichtigung des gesamten Inhalts der E-Mail nicht so verstanden werden, dass sie sich auf Oberst i.G. Dr. M... oder andere Vorgesetzte des Soldaten im Militärgeschichtlichen Forschungsamt bezieht. Zwar ist Oberst i.G. Dr. M... der Empfänger der E-Mail. Der Soldat geht auch mit den einleitenden Worten auf die vorherige Ablehnung seines Dienstreiseantrages ein. Er leitet dann aber zu einem anderen Thema über, nämlich den angeblichen Vorwürfen nicht namentlich genannter Vertreter der militärischen Führung, die sich angeblich darüber wunderten, dass der Soldat genügend Zeit habe, um an verschiedenen Veranstaltungen in Berlin teilnehmen zu können. Diese Vorwürfe versucht der Soldat mit seinen Ausführungen zu seinen dienstlichen Leistungen und dem von ihm erbrachten Arbeitsumfang zu widerlegen. In diesem Zusammenhang findet sich dann auch die beanstandete Formulierung. Die Einlassung des Soldaten, der Satz habe sich nicht auf Oberst i.G. Dr. M... bezogen und stehe auch in keinem Zusammenhang mit der Ablehnung des konkreten Dienstreiseantrages, kann dem Soldaten daher nicht widerlegt werden; sie erscheint vielmehr naheliegend. Denn der Soldat hat erst einen späteren Absatz des Schreibens mit den Worten eingeleitet "Nun zum Thema Reise nach Riga". Diese Formulierung erschiene unverständlich, wenn sich die vorangegangenen Äußerungen ebenfalls auf den Dienstreiseantrag und dessen Ablehnung durch Oberst i.G. Dr. M... beziehen sollten.
Enthielt demnach die beanstandete Formulierung keine despektierliche Äußerung gegenüber seinem Vorgesetzten Oberst i.G. Dr. M... und war sie auch nicht so zu verstehen, dass der Soldat nicht bereit wäre, sich weiterhin in die militärische Hierarchie einzuordnen, ist der gegen ihn erhobene Vorwurf eines Verstoßes gegen die Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG) und zur Kameradschaft (§ 12 SG) ebenso wie der Vorwurf eines Verstoßes gegen § 17 Abs. 1 und 2 SG unbegründet.
Liegt deshalb ein Dienstvergehen des Soldaten nicht vor, waren der Beschwerdebescheid und der verhängte strenge Verweis mit der Rechtsfolge des § 42 Nr. 9 WDO aufzuheben.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 42 Satz 1 WDO i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1, § 20 Abs. 1 Satz 1 WBO.
BVerwG:
Beschluss v. 16.12.2010
Az: 2 WDB 3.10
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