Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 24. Februar 2009
Aktenzeichen: 14 U 28/07
(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 24.02.2009, Az.: 14 U 28/07)
Zur Auslegung einer Klausel im Gesellschaftsvertrag, nach der der Höhe des Abfindungsanspruchs des ausscheidenden Gesellschafters der vom Finanzamt zuletzt festgestellte gemeine Wert für nicht notierte Anteile aus Kapitalgesellschaften zugrunde zu legen ist
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Schlussurteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Fulda vom 25.01.2007 abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 62.681,25 € zu zahlen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des ersten Rechtszuges haben der Kläger 76% und die Beklagte 24% zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden zu 18% der Beklagten und zu 82% dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien dürfen die Vollstreckung jeweils durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die Parteien streiten über die Höhe des dem Kläger nach seinem Ausscheiden aus der Beklagten zustehenden Abfindungsanspruchs.
Die Beklagte wurde mit Urkunde des Notars A vom ...06.1994 (Bd. I Bl. 19 bis 37 d. A.) gegründet, wobei der Kläger an dem Gesellschaftskapital in Höhe von 1.000.000 DM einen Anteil von 90.000 DM übernahm. Zum 31.12.2003 hielt der Kläger einen prozentualen Anteil von 9 % am Gesellschaftsvermögen, weitere 60 % der Anteile verteilen sich auf sieben Mitgesellschafter und 31 % der Anteile wurden von der Gesellschaft selbst gehalten. Wegen der Beteiligungsverhältnisse wird auf Seite 2 der Klageschrift (Bd. I Bl. 2 d. A.) verwiesen.
Gemäß § 13 des Gesellschaftsvertrages ist jeder Gesellschafter berechtigt, seine Mitgliedschaft mit einer Frist von neun Monaten zum Ende des Kalenderjahres zu kündigen, wobei eine Kündigung erstmals zum 31.12.2001 möglich war. Von dieser Kündigungsmöglichkeit machten drei Gesellschafter B, C und D, die je einen Anteil zum Nennwert von 90.000 DM hielten, Gebrauch und verkauften ihre Anteile mit Zustimmung der übrigen Gesellschafter (Bd. I Bl. 147) mit notariellem Vertrag vom 01.08.2001 (Bd. I Bl. 154 bis 159 d. A.) zu einem Kaufpreis von 2.360 DM je 100 DM Anteil an die Beklagte. Mit notariellen Verträgen vom 02.10.2001, 22.10.2001 und 19.12.2001 verkaufte der Mitgesellschafter E von seinem Geschäftsanteil in Höhe von insgesamt 80.000 DM einen Teilanteil in Höhe von insgesamt 20.000 DM ebenfalls zu einem Kurs von 2.360 DM je 100 DM Anteil.
Mit Schreiben vom 14.03.2003 (Bd. I Bl. 39 d. A.) kündigte der Kläger seine Geschäftsbeteiligung zum 31.12.2003. Die Anteile des Klägers kaduzierte die Beklagte mit Beschluss vom 29.03.2005.
In § 15 des Gesellschaftsvertrages (Bd. I Bl. 35, 36 d. A.) ist betreffend die Abfindung des ausscheidenden Gesellschafters folgendes geregelt:
€Für die Abfindung ist der vom Finanzamt zuletzt festgestellte gemeine Wert (für nicht notierte Anteile aus Kapitalgesellschaften) zugrunde zu legen, mit der Maßgabe, dass eine Änderung dieses Wertes (z. B. durch eine spätere Betriebsprüfung) auf die Abfindung ohne Einfluss sein soll.€
Die letzte turnusmäßige Wertfestsetzung durch das Finanzamt erfolgte durch Bescheid vom 25.01.1999 (Bd. I Bl. 80 d. A.) für den Stichtag 31.12.1995. Nach Wegfall der Vermögenssteuer zum 01.01.1997 findet keine regelmäßige Feststellung des gemeinen Werts durch das Finanzamt mehr statt.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die in § 15 des Gesellschaftsvertrages enthaltene Regelung sei in Anbetracht der veränderten Umstände dahin umzudeuten, dass der Wert des letzten turnusgemäßen Bewertungsstichtages zugrunde zu legen sei. Ausgehend von dem Dreijahresturnus sei auf den Stichtag 31.12.2001 abzustellen. Gemäß § 11 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes sei eine Schätzung nach dem Stuttgarter Verfahren vorzunehmen. Aus den Anteilsverkäufen an die Beklagte könne der gemeine Wert nicht hergeleitet werden, weil es sich nicht um Verkäufe im gewöhnlichen Geschäftsverkehr gehandelt habe. Tatsächlich sei es lediglich um die satzungsgemäße Abfindung von sogenannten Zwerganteilen gegangen, wobei zu berücksichtigen sei, dass die seinerzeit kündigenden Gesellschafter durch dieses Entgegenkommen der übrigen Gesellschafter, die Abfindung zum 30.09.2001 vorzunehmen, einen deutlichen Steuervorteil erlangt hätten.
Unter Zugrundelegung des Stuttgarter Verfahrens errechne sich ein Abfindungsguthaben in Höhe von insgesamt 2.641.389 Euro, so dass eine erste Jahresrate von 660.347 Euro fällig sei, woraus nach Abzug der von der Beklagten geleisteten Zahlung von 271.000 Euro der Klagebetrag von 389.347 Euro offenstehe. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf die Klageschrift (Bd. I Bl. 8 bis 17 d. A.) Bezug genommen. In diesem Zusammenhang hat der Kläger die Auffassung vertreten, der Unternehmenswert sei durch den außerbilanziellen Wert des Körperschaftssteuerguthabens, welches je nach Höhe der Gewinnausschüttungen die künftige Körperschaftssteuerschuld mindere, erhöht.
Ferner hat der Kläger die Auffassung vertreten, seinem Abfindungsanspruch seien die nicht ausgeschütteten Gewinnanteile für die Jahre 2002 und 2003 hinzuzurechnen, weil er seine Beteiligung erst zum 31.12.2003 gekündigt habe, während die Bewertung seines Geschäftsanteils zum 01.01.2002 erfolge.
Bei der Ermittlung der Höhe des prozentualen Anteils sei nicht auf seinen nominellen Anteil von 9 % abzustellen, sondern dieser in das Verhältnis zu den übrigen Fremdanteilen von nominell 690.000 DM zu setzen, so dass sich ein prozentualer Anteil von 13,043 % des Wertes ergebe.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 389.347 Euro nebst Zinsen
in Höhe von 3,14 % aus 660.347 Euro vom 01.01.2004 bis 30.06.2004, in Höhe von 3,13 % aus 660.347 Euro vom 01.07.2004 bis 31.08.2004, in Höhe von 5 %Punkten über dem Basiszinssatz aus 660.347 Euro vom 01.09.2004 bis 29.12.2004 sowie in Höhe von 5 %Punkten über dem Basiszinssatz aus 389.347 Euro seit dem 30.12.2004
sowie 3.259,02 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 %Punkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung (29.06.2005) zu zahlen,
abzüglich des von der Beklagten anerkannten und durch Teil-Anerkenntnisurteil vom 24.11.2005 ausgeurteilten Betrages von 31.993 Euro.
Die Beklagte hat beantragt,
die noch anhängige Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, eine Anpassung des § 15 des Gesellschaftsvertrages komme nicht in Betracht; vielmehr sei auf den für den 31.12.1995 festgestellten Wert abzustellen. Für den Fall einer abweichenden Auffassung sei der gemeine Wert zum 31.12.2001 aus den in diesem Jahr getätigten Verkäufen herzuleiten, woraus sich ein Abfindungsbetrag von 2.124 DM und die bereits gezahlte Rate von 271.500 Euro errechneten.
Sollte demgegenüber eine Schätzung vorgenommen werden, sei darauf hinzuweisen, dass weder das Körperschaftssteuerguthaben als lediglich latenter und in seiner Realisierung ungewisser Anspruch noch die nicht ausgeschütteten Gewinne für die Jahre 2002 und 2003 dem gemeinen Wert hinzugerechnet werden könnten. Auch sei der Ertragswert abweichend zu bestimmen, indem auf die künftige Entwicklung abzustellen sei, weil bereits seinerzeit eine Änderung der Verhältnisse vorhersehbar und evident gewesen sei. Nach der Berechnung der Beklagten (Bd. I Bl. 66 bis 77 d. A.) errechnet sich ein Abfindungsanspruch von 1.213.971 Euro und damit eine Jahresrate von 303.493 Euro.
Die sich aus 303.493 Euro zu 271.500 Euro ergebende Differenz von 31.993 Euro hat die Beklagte anerkannt. Durch Teil-Anerkenntnisurteil vom 24.11.2005 ist sie zu einer entsprechenden Zahlung verurteilt worden.
Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens und die weitergehende Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Anspruch des Klägers auf Zahlung der ersten Rate des Abfindungsguthabens bereits übererfüllt sei, weil sich das Abfindungsguthaben nach den Ausführungen des Sachverständigen SV1 auf 914.972 Euro belaufe, woraus sich eine Rate von 228,743 Euro ergebe. Bei der Berechnung des Abfindungsanspruchs sei entsprechend der Vorgabe der Kammer an den Sachverständigen von der letzten Wertfeststellung des Finanzamtes mit Bescheid vom 25.02.1999 auszugehen. Eine Anpassung der in § 15 des Gesellschaftsvertrages enthaltenen Regelung unter dem Gesichtspunkt der Störung der Geschäftsgrundlage komme in Anbetracht des klaren Wortlauts nicht in Betracht. Zudem stelle die nach Wegfall der Vermögenssteuer geänderte Bewertungspraxis der Finanzbehörden keinen Umstand dar, welcher unter dem Gesichtspunkt einer schwerwiegenden Änderung von Umständen eine Anpassung rechtfertige. Den kaufmännisch erfahrenen Vertragsbeteiligten musste von vornherein klar gewesen sein, dass insbesondere steuerrechtliche Regelungen sehr häufig tiefgreifenden Veränderungen unterliegen. Da insoweit keinerlei Änderungsvorbehalt aufgenommen worden sei, sei davon auszugehen, dass die Parteien es im allseitigen Einvernehmen hätten hinnehmen wollen, wenn die Änderung steuerrechtlicher Vorschriften sich in der Zukunft zu Gunsten aber auch zu Lasten eines ausscheidenden Gesellschafters auswirken. Diese Überlegungen fänden eine Bestätigung in § 15 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages, wonach eine spätere Änderung des Wertes nach der letzten finanzbehördlichen Feststellung auf die Abfindung ohne Einfluss sein solle. Damit hätten die Vertragsparteien auf die Festlegung eines möglichst zeitnahen Stichtages für die Bemessung des Wertes verzichtet.
Auch sei die Bestimmung der Abfindungshöhe nicht sittenwidrig, weil sie nach der Auffassung des Klägers zu einer Abfindung von weniger als der Hälfte seines Buchwerts seiner Beteiligung führe. Ob dies zutreffe, könne dahinstehen, weil § 15 Abs. 3 der Satzung nicht auf den Buchwert abstelle, sondern auf den vom Finanzamt festgestellten gemeinen Wert, wobei das Risiko einer Veränderung seit dem Stichtag gleichmäßig verteilt sei, je nachdem, ob der Wert steige oder falle.
Richtig sei allerdings die Berechnung des Abfindungsguthabens nach einem Prozentsatz von 13,043 %, weil es anderenfalls zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Verkürzung der Abfindung des Klägers im Verhältnis zu den übrigen Fremdgesellschaftern komme. Auch erstrecke sich der anteilige Gewinnanspruch des Klägers für die Jahre 2002 und 2003 nicht nur auf die ausgeschütteten, sondern auch auf die thesaurierten Gewinne dieser beiden Jahre, weil es anderenfalls die Beklagte in der Hand habe, durch eine für diese beiden Jahre gewählte höhere Thesaurierungsquote den Gewinnbeteiligungsanspruch des Klägers zu verkürzen.
Demgegenüber könne der latente Erstattungsanspruch im Hinblick auf das Körperschaftssteuerguthaben nicht zugunsten des Klägers berücksichtigt werden, weil es sich lediglich um eine ungewisse Aussicht der Beklagten auf einen möglicherweise künftig geringeren Steueraufwand handele, dessen Realisierung von vielerlei Faktoren abhänge. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtene Entscheidung vom 25.01.2007 (Bd. I Bl. 222 bis 229 d. A.) verwiesen.
Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seinen erstinstanzlichen Klageantrag weiter. Er weist darauf hin, dass die Beklagte bereits einen Anspruch in Höhe von 303.493 Euro anerkannt habe und es dem Gericht verwehrt sei, einen Betrag unterhalb des Anerkenntnisses auszuurteilen. Ferner wiederholt der Kläger seine Auffassung, wonach § 15 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages eine ergänzungsbedürftige Lücke enthalte, nachdem der gemeine Wert nicht mehr turnusmäßig in einem Drei-Jahre-Rhythmus von der Finanzverwaltung festgestellt werde. Bezogen auf den Stichtag 31.12.2001/01.01.2002 ergebe sich vielmehr der bereits in der Klageschrift dargelegte Abfindungsanspruch.
Stelle man demgegenüber auf den 31.01.1995 ab, müssten die für die Jahre 1996 bis 2001 thesaurierten Gewinne ebenfalls Berücksichtigung finden. Insofern sei das angefochtene Urteil inkonsequent.
Außerdem sei gemäß § 22 Bewertungsgesetz eine jährliche Feststellung vorzunehmen.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung vom 26.04.2007 (Bd. II Bl. 1 bis 7) und auf den Schriftsatz vom 10.01.2008 (Bd. II Bl. 25) Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
das Schlussurteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Fulda vom 25.01.2007 abzuändern und nach den erstinstanzlich gestellten Anträgen zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie weist darauf hin, dass sie nicht die gesamte von ihr errechnete Abfindungssumme, sondern nur einen Teilbetrag von 31.993 Euro anerkannt habe, den das Landgericht auch zutreffend ausgeurteilt habe.
Entgegen der Auffassung des Klägers komme eine ergänzende Vertragsauslegung des § 15 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages nicht in Betracht. Insbesondere sei es dem Kläger verwehrt, sich hierauf zu berufen, weil diesbezüglich € was bislang von dem Kläger nicht bestritten worden ist € in der Gesellschafterversammlung vom 19.07.2002 beschlossen worden sei, die Berechnungsmethode für die Ermittlung des gemeinen Werts zu prüfen und bei der nächsten Gesellschafterversammlung zu verabschieden. Angedacht sei gewesen, die Berechnungsmethode des Stuttgarter Verfahrens auch in Zukunft anzuwenden. Ein Änderungsbeschluss sei jedoch an der fehlenden Zustimmung des Klägers gescheitert.
Entgegen der Auffassung des Klägers sei die Abfindungsregelung auch nicht nichtig, weil die vom Gericht anerkannte Abfindungssumme unter 50 % des buchmäßigen Eigenkapitals liege. In einem solchen Falle sei die Abfindungssumme durch eine ergänzende Vertragsauslegung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben neu zu ermitteln. Zutreffend habe das Landgericht auch eine Aktivierung des Körperschaftssteuererstattungsanspruchs verneint. Nicht zu folgen sei dem Landgericht in der Berechnung des Anteils nach einer Quote von 13,34 % sowie in der Zuerkennung thesaurierten Gewinne für die Jahre 2002 und 2003. Die Voraussetzungen für eine Anwendung des § 22 Bewertungsgesetz hätten nicht vorgelegen.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Berufungserwiderung vom 16.05. 2007 (Bd. II Bl. 13 bis 19 d. A.) sowie auf die Schriftsätze vom 16.01.2008 (Bd. II Bl. 26) und vom 02.09.2008 (Bd. II Bl. 73 bis 75) Bezug genommen.
Der Senat hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 18.12.2008 (Bd. II Bl. 24). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen SV1 vom 28.07.2008 (Bd. II Bl. 35 bis 61) verwiesen.
Die Berufung des Klägers ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, mithin zulässig. In der Sache hat sie nur teilweise in Höhe eines Betrages von 62.681,25 € Erfolg. In dieser Höhe steht dem Kläger gegen die Beklagte ein weiterer Anspruch aus § 15 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages betreffend die erste Abfindungsrate zu.
Maßgeblich für die Bestimmung der Höhe des Abfindungsanspruchs ist der zum 31.12.2001 festzustellende gemeine Wert der Anteile des Klägers. Nach dem Wegfall der turnusmäßigen Feststellung des gemeinen Wertes durch die Finanzbehörden ist die in § 15 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages enthaltene Regelung gemäß den §§ 133, 157 BGB dahin auszulegen, dass es auf den gemeinen Wert des Gesellschaftsanteils zu dem Zeitpunkt ankommt, zu welchem bei Beibehaltung der turnusmäßigen Feststellungen durch das Finanzamt zuletzt eine solche hätte erfolgen müssen. Dies wäre vorliegend der 31.12.2001 gewesen. Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist die Regelung einer ergänzenden Vertragsauslegung zugänglich, weil sie eine planwidrige Regelungslücke enthält. Eine solche kann darauf beruhen, dass sich die bei Vertragsschluss stehenden wirtschaftlichen Verhältnisse nachträglich ändern (Palandt-Heinrichs, BGB, 66. Aufl., § 157 Rdn. 3). Eine derartige Änderung ist durch den Wegfall der Vermögenssteuer und der hiermit verbundenen turnusmäßigen Feststellungen des gemeinen Wertes eingetreten. Eine Änderung der Vermögenssteuerregelungen haben die Parteien bei Vertragsschluss nicht bedacht und daher auch nicht geregelt, was für den Fall des Wegfalls der turnusmäßigen Feststellungen geschehen soll (so auch Hueck/Fastrich, GmbHG, § 34 Rdn. 31 und OLG Sachsen-Anhalt Urteil vom 02.10.2006 € 2 U 14/06 € zitiert nach Juris Rdn. 18, 19). . Die Regelungslücke ist anhand des hypothetischen Parteiwillens zu schließen. Es ist zu fragen, was die Parteien bei angemessener Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben vereinbart hätten. Die seinerzeitige Interessenlage wird an der Regelung, wonach sich das Abfindungsguthaben eines ausscheidenden Gesellschafters an dem sogenannten gemeinen Wert bemisst, deutlich. Da dieser überwiegend am Substanzwert ausgerichtete Wert zumeist geringer ist als der nach dem sogenannten Ertragswertverfahren berechnete Verkehrswert eines Gesellschaftsanteils (Scholz-Westermann, GmbHG, § 34 Rdn. 24 bis 30), dient die Abfindungsregelung dem Erhalt der Gesellschaft. Soweit die Regelung zudem auf den zuletzt von dem Finanzamt festgestellten gemeinen Wert abstellt, mit der Maßgabe, dass spätere Änderungen ohne Einfluss sind, wird dem Interesse der Gesellschaft an einer vereinfachten Berechnung des Abfindungsanspruchs Rechnung getragen, indem für beide Parteien verbindlich die Feststellung des Finanzamtes zugrunde gelegt wird, wodurch die Einholung von Sachverständigengutachten sowie das Entstehen von Streitigkeiten über den gemeinen Wert zum Ausscheidungstag vermieden wird. Ferner wird mit dem Hinweis auf den €zuletzt€ festgestellten Wert sichergestellt, dass es sich um eine zeitnahe, und daher noch relativ realistische Bewertung handelt, wobei im Höchstfall das Risiko einer Abweichung von drei Jahren bestand, welches beide Parteien im Interesse der Rechtssicherheit eingegangen sind.
Das Risiko einer deutlichen Wertabweichung infolge Zeitablaufs vergrößert sich zunehmend zum zeitlichen Abstand des Ausscheidens zu der letzten Wertfestsetzung durch das Finanzamt. Dass die Parteien dieses Risiko bewusst eingegangen seien, weil sie mit einer Änderung der steuerrechtlichen Vorschriften hätten rechnen müssen, kann nicht angenommen werden. Eine Änderung der vermögenssteuerrechtlichen Regelungen mit einem Wegfall der turnusmäßigen Wertfeststellungen durch das Finanzgericht stand zum Zeitpunkt der Errichtung der Beklagten im Jahre 1994 nicht in Rede.
Ausgehend von dem Interesse der Vertragsparteien an der Rechtssicherheit durch den Rückgriff auf den Feststellungsbescheid des Finanzamtes einerseits und dem Interesse beider Parteien an einer möglichst realistischen Festsetzung des gemeinen Wertes zeitnah zum Ausscheiden des Gesellschafters entspricht es Treu und Glauben, an dem der Regelung des § 15 Abs. 3 zugrundeliegenden Turnus von drei Jahren festzuhalten und ausgehend von diesem Rhythmus den gemeinen Wert des Anteils des jeweils Ausscheidenden zeitnah neu zu bestimmen. Das Interesse der Parteien, die Festsetzung des gemeinen Werts einem Streit zu entziehen, tritt in diesem Fall hinter dem Interesse an einer zeitnahen und daher annähernd realistischen Festsetzung des gemeinen Wertes, das ebenfalls beiden Parteien zu eigen ist, zurück. Das folgt schon daraus, dass mangels behördlicher Wertfestsetzung seit 1995 auf eine annähernd zeitnahe unabhängige Festsetzung des gemeinen Wertes nicht mehr zurückgegriffen werden kann. Die Auffassung des Landgerichts hätte zur Folge, dass das Abfindungsguthaben des ausscheidenden Gesellschafters für alle Zukunft eingefroren wäre. So sieht es offenbar die Beklagte auch selbst, indem sie in ihrer Berufungserwiderung mitteilt, ihr Willensbildungsorgan, die Gesellschafterversammlung, habe mit Ausnahme des Klägers vorgesehen, die Berechnungsmethode der Stuttgarter Verfahren auch in Zukunft anzuwenden. Einer solchen Änderung hätte es nicht bedurft, hätte man weiterhin auf den letzten Festsetzungsbescheid abstellen wollen.
Entgegen der Auffassung der Beklagten kann aus ihrem von der Klägerseite nicht bestrittenen Vorbringen, wonach der Kläger der beabsichtigten Änderung des § 15 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages nicht zugestimmt hat, nichts zu seinen Lasten hergeleitet werden. Abgesehen davon, dass die Gründe, aus denen der Kläger nicht zugestimmt hat, nicht bekannt sind und auch nicht vorgetragen ist, welche Regelung in zeitlicher Hinsicht geplant war, ist der Kläger nicht gemäß § 242 BGB wegen eines Verstoßes gegen Treu und Glauben gehindert, sich auf die Auslegung des Vertrages zu berufen. Es kann ihm weder eine unzulässige Rechtsausübung vorgeworfen werden noch ist ein sich hieraus ergebender Anspruch verwirkt. Über ein etwaiges widersprüchliches Verhalten hinaus setzte dies voraus, dass hierdurch bei der Beklagten ein besonderes Vertrauen dahingehend begründet worden wäre, der Kläger werde sich bei einem Ausscheiden an der letzten Feststellung durch das Finanzamt festhalten lassen, und sich zudem in ihren Vermögensdispositionen hierauf eingerichtet hätte. Hieran fehlt es.
Da für die Bestimmung des gemeinen Wertes zum 31.12.2001 nicht auf einen Feststellungsbescheid zurückgegriffen werden kann, hat diese nach § 11 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes zu erfolgen. Hiernach ist der gemeine Wert in erster Linie aus Verkäufen abzuleiten, die weniger als ein Jahr zurückliegen. Zeitlich kommen die Verkäufe von Anteilen an die Beklagte in Betracht. In der Sache muss es sich um Verkäufe im gewöhnlichen Geschäftsverkehr handeln, der sich nach marktwirtschaftlichen Grundsätzen von Angebot und Nachfrage vollzieht und bei dem jeder Vertragspartner ohne Zwang und nicht aus Not, sondern freiwillig und in Wahrung seiner eigenen Interessen zu handeln in der Lage ist. Insoweit hat eine Gesamtwürdigung der Gesamtumstände des Einzelfalls unter Heranziehung objektivierter Maßstäbe stattzufinden. Nur wenn die Verkäufe unter ungewöhnlichen Verhältnissen zustande gekommen oder die Preise mit Rücksicht auf persönliche Verhältnisse erzielt worden sind, was z. B. bei verwandtschaftlichen Beziehungen oder bei konzernpolitischen Erwägungen in Betracht kommen kann, scheidet die Annahme eines Verkaufs im gewöhnlichen Geschäftsverkehr aus (BFH Urteil vom 08.08.2001 € II R 59/98; BFH Beschluss vom 22.08.2002 € II B 170/01 €, beide zitiert nach Juris; Kreutzinger/Lindenberg/Schaffner, Kommentar zum Bewertungsgesetz, § 11 Rdn. 25 bis 32; Stöckel, Bewertungsgesetz, Bd. I, § 11 Rdn. 20). Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu dem Verkauf sogenannter €Zwerganteile€ steht der Ableitung des gemeinen Verkaufs aus den in Rede stehenden Verkäufen nicht entgegen. Finden mehrere Verkäufe statt, können auch die Verkäufe von Zwerganteilen Berücksichtigung finden. Vorliegend sind im Herbst 2001 immerhin 29 % der Anteile an die Beklagte verkauft worden.
Allerdings kann nicht angenommen werden, dass die von der Beklagten zu zahlenden Kaufpreise nach marktwirtschaftlichen Grundsätzen unter Berücksichtigung des Vermögens und der Erfolgsaussichten gebildet worden sind und jeder Vertragspartner ohne Zwang und nicht aus Not oder besonderer Rücksicht, sondern freiwillig und in Wahrung seiner eigenen Interessen handeln konnte. Folgende Umstände sprechen gegen einen Verkauf im Rahmen des gewöhnlichen Geschäftsverkehrs: Bei der Beklagten handelt es sich nicht um einen Dritten, sondern um die Gesellschaft selbst, was für sich allein die Annahme eines Verkaufs im Sinne des § 11 Abs. 2 Bewertungsgesetz zwar nicht ausschließt. Zu berücksichtigen ist aber, dass die Verkäufer B, C und D ihre Mitgliedschaft zum 31.12.2001 gekündigt hatten und ihnen aus diesem Grunde gemäß § 15 der Satzung ohnehin eine Abfindung zu zahlen gewesen wäre. § 13 und § 14 sehen für den Fall der Kündigung die Übernahme des Anteils durch die übrigen Gesellschafter oder eine Einziehung des Gesellschaftsanteils vor. Vorliegend wurde ein dritter Weg gewählt, indem die Gesellschaftsversammlung den Ankauf der Anteile der Ausscheidenden durch die Beklagte beschlossen hat. In jedem Fall hätte den Ausscheidenden nach ihrer Kündigung gemäß § 15 der Satzung ein Abfindungsanspruch zugestanden, der nach dem gemeinen Wert zu bemessen gewesen wäre. Es liegt daher nahe, dass sich die Festsetzung des Kaufpreises hieran orientiert hat und nicht ohne weiteres einem Kaufpreis entspricht, der bei einer Veräußerung an einen Dritten zu erzielen gewesen wäre. In diesem Zusammenhang ist auch § 12 der Satzung zu beachten, wonach die Geschäftsanteile an Dritte mit Ausnahme von Mitgesellschaftern und Verwandten nur mit Genehmigung der Gesellschafterversammlung abgetreten werden können. Daher könnten die Ausscheidenden gezwungen gewesen sein, ihre Anteile an die Beklagte zu veräußern. Auch dies spricht gegen die Annahme eines Verkaufs im gewöhnlichen Geschäftsverkehr (vgl. BFH Urteil vom 08.08.2001, a.a.O. für den Fall des Verkaufs von Namensaktien einer gemeinnützigen AG, die nur mit Zustimmung der Organe der AG übertragen werden dürfen). Es verbleiben somit lediglich die Verkäufe von einzelnen Anteilsteilen des Gesellschafters E in Höhe von insgesamt 2 %, die im Rahmen der Bewertung des § 11 Abs. 2 Bewertungsgesetz keine Rolle zu spielen vermögen und deren Preis sich offenbar an dem zuvor mit den ausscheidenden Gesellschaftern geschlossenen Kaufverträgen orientiert hat.
Kann nach den vorstehenden Ausführungen nicht auf die Verkäufe abgestellt werden, ist eine Ermittlung des gemeinen Wertes nach dem sogenannten Stuttgarter Verfahren unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten zum turnusgemäßen Stichtag 31.12.2001 durchzuführen. Die Voraussetzungen für eine Fortschreibung zum 01.01.2003 oder zum 01.12.2004 gemäß § 22 Abs. 1 Bewertungsgesetz sind nicht hinreichend dargetan. Im Übrigen wäre ein entsprechendes Vorbringen gemäß § 531 Abs. 2 ZPO unbeachtlich, weil die Beklagte bestreitet, dass die maßgeblichen Grenzen überschritten worden seien, und der Kläger dies bereits in erster Instanz hätte darlegen können und müssen.
Nach den unwidersprochenen Feststellungen und Berechnungen des Sachverständigen SV1 betrug der gemeine Wert für einen 100 DM Nennkapital am 31.12.2001 3.183 DM, so dass sich der Wert für den Geschäftsanteil des Klägers von 90.000 DM Nennwert auf 2.864.700 DM (= 1.464.697 €) belief.
Im Hinblick auf die Ertragsaussichten war die Prognose aufgrund der letzten drei Jahre zu stellen. Lediglich für den Fall, dass besondere Umstände zum Bewertungsstichtag Abweichungen erkennen lassen, können diese einbezogen werden (Stöckel, a.a.O., § 11 Rdn. 20). Insoweit hat der Sachverständige in seinem Gutachten ausgeführt, dass zum Bewertungsstichtag keine hinreichend konkreten Sachverhalte, die eine Abweichung rechtfertigen könnten, vorlagen.
Für den Anteil des Klägers am Gesamtwert der Beklagten war ausgehend von seinem Nennwertanteil von 90.000 DM ein Prozentsatz von 9 und nicht von 13,043 zugrunde zu legen. Der Abfindungsanspruch richtet sich nach den Anteilen des Klägers im Verhältnis Nennwertsumme aller Geschäftsanteile von 1.000.000 DM. Es ist zwar richtig, dass die Mitwirkungs- und Gewinnbezugsrechte der Eigenanteile der GmbH ruhen. Soweit die Eigenanteile der GmbH aber nicht zur Einziehung vorgesehen wurden und daher bei der Berechnung des Vermögenswertes zu berücksichtigen sind, müssen sie beim Ausscheiden einzelner Gesellschafter bei der Berechnung dessen Prozentanteils auch Berücksichtigung finden. Denn die Gesellschaft kann ihre Anteile jederzeit veräußern, was dazu führte, dass sich zwar ihr Vermögen durch die Vereinnahmung der Kaufpreise erhöhte, aber auch die Fremdanteile prozentual stiegen, der ausscheidende Gesellschafter also nur mit seinem Nennanteil und den sich hieraus ergebenden Prozenten am Vermögen beteiligt ist.
Soweit der Kläger einen Anteil an dem Körperschaftssteuerguthaben sowie an den nicht ausgeschütteten Gewinnanteilen für 2002 und 2003 geltend macht, kann er diese Positionen nicht verlangen. Gemäß § 15 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages richtet sich seine Abfindung nach dem gemeinen Wert zum letzten Stichtag. Hierzu gehören die nicht ausgeschütteten Gewinnanteile für die nachfolgenden Jahre 2002 und 2003 nicht. Gleiches gilt für das Körperschaftssteuerguthaben, welches in der Bilanz offenbar nicht aktiviert wird. Es könnte sich allenfalls die Frage stellen, ob sich dieser Anspruch auf den Vermögenswert zum 31.12.2001 auswirken könnte. Dies wäre nur dann der Fall, wenn es sich um Ansprüche bzw. Werte handelt, die im Bewertungszeitpunkt so hinreichend konkretisiert sind, dass mit ihnen als Tatsache zu rechnen ist (Viskorf/Glier/Knobel, Bewertungsgesetz, 4. Aufl., § 11 Rdn. 43). Hiervon kann im Hinblick auf das Körperschaftssteuerguthaben nicht ausgegangen werden. Die Realisierung dieser Ansprüche hängt davon ab, ob und in welchem Umfang künftig Gewinne erzielt und nach den Gesellschaftsbeschlüssen ausgeschüttet werden. Dies ist und war bezogen auf den Bewertungsstichtag 31.12.2001 vollkommen ungewiss.
Schließlich ist die Regelung des § 15 des Gesellschaftsvertrages auch nicht nichtig. Die mit derartigen Klauseln meistens verbundene Abfindungsbeschränkung ist im Bestandesinteresse der Gesellschaft grundsätzlich nicht zu beanstanden. Eine Nichtigkeit gemäß § 138 BGB kommt nur in Betracht, wenn die Beschränkung des Mittelabflusses vollkommen außer Verhältnis zu der im Interesse der Gesellschaft notwendigen Mittelerhaltung steht (Scholz-Westermann, GmbHG, § 34 Rdn. 26, 27). Nichtigkeit ist nicht gegeben, wenn der wirtschaftliche Wert des Geschäftsanteils erheblich unter dem Abfindungsbetrag liegt, solange die Differenz nicht ein Mehrfaches des Abfindungsbetrages ausmacht. Hiernach kann also nur ein grobes Missverhältnis zwischen wahrem Wert und Abfindungsbetrag die Sittenwidrigkeit begründen, wobei allerdings schematische Grenzen abgelehnt werden und stets eine Einzelfallabwägung von Vermögensinteressen des Gesellschafters und Bestandinteresse der Gesellschaft und der verbleibenden Gesellschafter erforderlich ist. Maßgeblicher Zeitpunkt ist der Vertragsschluss, nicht der Zeitpunkt des Ausscheidens. Bei nachträglich grobem Missverhältnis gewährt die Rechtsprechung im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung einen Anspruch auf Abfindung in angemessener Höhe (Baumbach/Hueck-Hueck/Fastrich, GmbHG, 18. Aufl., § 34 Rdn. 27, 28). Nach der Rechtsprechung des BGH (BGH Urteil vom 16.12.91 €II ZR 58/91- BGHZ 116, 359, zitiert nach Juris Rdn. 22 für eine €Nennwertabfindung€; BGH Urteil vom 20.09.1993 - II ZR 104/02 -, BGHZ 123, 281, zitiert nach Juris Rdn. 11 bis 13 für eine €Buchwertklausel€) sind Beschränkungen des Abfindungsrechts grundsätzlich zulässig. § 138 BGB greift nur dann ein, wenn die getroffene Regelung bereits bei ihrer Entstehung grob unbillig ist. Erforderlich ist ferner die Erfüllung der engeren Voraussetzungen des § 241 Nr. 4 AktG, wobei auch § 242 Abs. 2 AktG (Heilung) zur Anwendung kommt. Ferner kann bei einem später eintretenden Missverhältnis das Recht des Gesellschafters zum Austritt aus der Gesellschaft in unvertretbarer Weise eingeengt werden. Liegt ein grobes Missverhältnis zwischen vertraglichem Abfindungsanspruch und vollem wirtschaftlichen Wert vor, kann auch für diesen Fall eine angemessene Abfindung zuerkannt werden (Rdn.25 € 30). Eine vollkommen unangemessene Abweichung liegt vor, wenn das Interesse der verbleibenden Gesellschafter am Bestand der Gesellschaft eine derart weitgehende Beschneidung des Abfindungsrechts nicht erforderlich erscheinen lässt und der am Unternehmenswert auszurichtende volle wirtschaftliche Anteilswert den Nennwert erheblich übersteigt, möglicherweise ein Vielfaches des Nennwerts ausmacht. Erforderlich ist eine umfassende Interessenabwägung.
Diese Voraussetzungen hat der Kläger nicht darlegt. In der Berufungsbegründung (Bd. II Bl. 5) wird lediglich zu dem vom Landgericht angenommenen Abfindungswert von nur 914.972 Euro behauptet, eine Abfindung unter Hälfte des Buchkapitals sei nach ständiger Rechtsprechung nichtig. Tatsächlich beträgt der Abfindungsanspruch des Klägers insgesamt 1.464.697 €. Dass der gemeinen Wert von 1,46 Mio. € einen am 31.12.2003 deutlich höheren Verkehrswert um ein Mehrfaches übersteigt, behauptet der Kläger selbst nicht. Ausgehend von einem Anteilswert in Höhe von 1.464.697 € errechnet sich ein erste Abfindungsrate von 366.174,25 €. Nach Abzug der vorgerichtlich geleisteten Zahlungen der Beklagten in Höhe von 271.500 € sowie des durch Teil-Anerkenntnisurteil vom 24.11.2005 ausgeurteilten Betrages von 31.993 € verbleibt ein zu zahlender Betrag von 62.681,25 €. Nachdem der Kläger in der Klageschrift lediglich eine vorgerichtliche Zahlung von 271.000 € abgezogen hatte, hat die Beklagte bereits in der Klageerwiderung vorgetragen, dass die Zahlung 271.500 € betragen habe. Im Berufungsverfahren hat sie hierauf nochmals hingewiesen und einen entsprechenden Überweisungsbeleg vorgelegt, ohne dass der Kläger dem widersprochen hätte, so dass ihr Vorbringen insoweit gemäß § 138 Abs. 2 ZPO als unstreitig anzusehen ist.
Die beantragten vorgerichtlichen Kosten und Zinsen stehen dem Kläger weder aus § 15 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages noch aus Verzugsgesichtspunkten zu, weil die Forderung auf Zahlung der Abfindungsbeträge von 31.993 € und 62.681,25 € zu keinem Zeitpunkt fällig war. Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbs. des Gesellschaftsvertrages sollte die erste Rate fällig werden, sobald ihre Höhe feststeht. Diese Regelung steht in Zusammenhang mit der in Abs. 3 des § 15, wonach der zuletzt vom Finanzamt festgestellte gemeine Wert für die Abfindung zugrunde zu legen ist. Das Finanzamt sollte den Wert für die Berechnung der Abfindung im Rahmen der turnusgemäßen Bewertung verbindlich feststellen, was einem Leistungsbestimmungsrecht gemäß § 317 BGB entspricht (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, 68. Aufl., § 317 Rdn. 6). Nachdem die turnusgemäßen Bewertungen entfallen sind, kann die im Gesellschaftsvertrag vorgesehene Bestimmung der Berechnungsgrundlage durch das Finanzamt nicht mehr getroffen werden, mit der Folge, dass diese gemäß § 319 Abs. 1 Satz 2 BGB durch das Gericht zu erfolgen hat (Palandt-Grüneberg, a.a.O., § 319 Rdn. 8). Die Klage kann € wie vorliegend € sogleich auf Leistung gerichtet sein, wobei die Leistungsbestimmung in den Entscheidungsgründen erfolgt und die Fälligkeit der Leistung erst mit Rechtskraft des Urteils eintritt und auch Prozesszinsen nicht verlangt werden können (Palandt-Grüneberg, a.a.O., § 315 Rdn. 17; BGH Urteil vom 04.04.2006 €X ZR 122/05 -, NJW 06, 2472, zitiert nach Juris Rdn. 22, 23).
Die Kostenentscheidungen beruhen auf § 92 Abs. 1 ZPO. In erster Instanz gewinnt der Kläger insgesamt 94.674,25 €, was bezogen auf den Streitwert von 389.347 € 24% ausmacht. Entgegen der Auffassung der Beklagten greift zu ihren Gunsten nicht § 93 ZPO ein, weil sie auch in Höhe des anerkannten Betrages Anlass zur Klageerhebung gegeben hat. In diesem Zusammenhang kommt es nicht auf die Fälligkeit des Zahlungsanspruchs sondern darauf an, dass die Beklagte vorgerichtlich das Erfordernis einer Neubewertung für den Stichtag 01.01.2002 sowie denn von dem Kläger mit 18.531.181 € bezifferten Unternehmenswert in Abrede gestellt und lediglich eine erste Rate in Höhe von 271.500 € nach Maßgabe der Vereinbarungen mit anderen ausgeschiedenen Gesellschaftern anerkannt und gezahlt hat. Im Berufungsverfahren beträgt die Kostenquote ausgehend von einem Streitwert von 357.354 € und einem zuerkannten Betrag von 62.681,25 € 82% zu 18% zu Lasten des Klägers. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern, § 543 ZPO.
OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 24.02.2009
Az: 14 U 28/07
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