VerfGH des Landes Berlin:
Beschluss vom 22. März 2001
Aktenzeichen: 57/98

(VerfGH des Landes Berlin: Beschluss v. 22.03.2001, Az.: 57/98)

Gründe

I.

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Berechtigung des Beschwerdeführers zur Führung des Titels "Fachanwalt für Verwaltungsrecht".

1. Der Beschwerdeführer ist seit September 1981 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Schriftsatz vom 31. März 1995 beantragte er bei der Beteiligten zu 2., ihm die Befugnis zum Führen des Titels "Fachanwalt für Verwaltungsrecht" zu verleihen. Hinsichtlich der erforderlichen besonderen theoretischen Kenntnisse verwies er auf ein Zertifikat der Bundesvereinigung Öffentliches Recht e.V. über die erfolgreiche Teilnahme an vier jeweils einwöchigen Lehrgängen. Zum Nachweis seiner besonderen praktischen Erfahrungen fügte er seinem Antrag eine Liste von insgesamt 108 außergerichtlichen Fällen - bezeichnet nach Mandant und Gegner - sowie 34 gerichtlichen Verfahren bei. Darüber hinaus überreichte er Bescheinigungen des Landratsamtes Mühlhausen/Thüringen vom 31. Dezember 1992, der Stadt Schwedt/Oder vom 15. Februar 1995 und des Landkreises Uckermark vom 31. Dezember 1994 sowie 31. Mai 1995, wonach er von Oktober 1992 bis einschließlich Mai 1995 aufgrund entsprechender Honorarverträge in den dortigen Ämtern zur Regelung offener Vermögensfragen - zunächst im Amt Mühlhausen/Thüringen, sodann im Amt der Stadtverwaltung Schwedt und nach der Kreisneugliederung im Amt des Landkreises Uckermark - als juristischer Berater tätig war.

Mit Schreiben vom 21. August 1995 bat der Berichterstatter des zuständigen Fachanwaltsausschusses der Beteiligten zu 2. den Beschwerdeführer um Vorlage von jeweils zehn repräsentativen Handakten aus den im Antrag aufgeführten außergerichtlichen und gerichtlichen Verfahren, um Bedeutung und Umfang der anwaltlichen Tätigkeit beurteilen zu können. Mit Schreiben vom 31. Mai 1996 wurde dem Beschwerdeführer eine Frist von zwei Monaten zur Vorlage der angeforderten und für die Beurteilung der praktischen Erfahrungen als unumgänglich angesehenen Handakten gesetzt; gleichzeitig wurde er darauf hingewiesen, dass der zuständige Ausschuss nach Fristablauf auf der Grundlage der vorliegenden Antragsunterlagen entscheiden werde. Nachdem der Beschwerdeführer keine weiteren Unterlagen eingereicht hatte, beschloss der Fachanwaltsausschuss der Beteiligten zu 2. am 12. Dezember 1996, den Antrag nicht zu befürworten. Der Vorstand der Beteiligten zu 2. lehnte den Antrag daraufhin mit Bescheid vom 8. Januar 1997 ab. Den dagegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung wies der Anwaltsgerichtshof Berlin mit Beschluss vom 29. Januar 1998, dem Beschwerdeführer zugestellt am 6. Mai 1998, zurück. Zur Begründung wird im wesentlichen ausgeführt:

Auf den Antrag des Beschwerdeführers fänden noch die Vorschriften des Gesetzes über Fachanwaltsbezeichnungen nach der Bundesrechtsanwaltsordnung vom 27. Februar 1992 (BGBl. I S. 369) - RAFachBezG - Anwendung, da die Bestimmungen der zwischenzeitlich erlassenen Fachanwaltsordnung - FAO - für den Beschwerdeführer ungünstiger seien (§ 16 Abs. 1 FAO). Hinsichtlich des Nachweises der besonderen theoretischen Kenntnisse genüge das eingereichte Zertifikat der Bundesvereinigung Öffentliches Recht e.V. den Anforderungen des § 8 RAFachBezG. Die vom Beschwerdeführer überreichten Unterlagen erfüllten jedoch nicht die Anforderungen an den Nachweis besonderer praktischer Erfahrungen. Nach § 9 Abs. 1 Buchstabe a RAFachBezG sei der Nachweis besonderer praktischer Erfahrungen in der Regel dann erbracht, wenn der Bewerber aus den in § 3 RAFachBezG bestimmten Bereichen 80 Fälle, davon mindestens ein Drittel gerichtliche Verfahren, selbständig bearbeitet habe. Die vom Beschwerdeführer dem Gericht mit Schriftsatz vom 5. Dezember 1997 überreichte aktualisierte Fallliste weise zwar insgesamt 205 verwaltungsrechtliche Verfahren aus. Angaben zu Bedeutung und Umfang der diesbezüglichen anwaltlichen Tätigkeit habe der Beschwerdeführer jedoch nicht gemacht, obwohl er hierzu bereits im Verfahren vor dem Zulassungsausschuss aufgefordert worden sei und dieser Gesichtspunkt auch ausweislich des angefochtenen Bescheides mitentscheidend gewesen sei. Dem Rechtsanwalt obliege es aber nachzuweisen, dass die von ihm bearbeiteten Fälle bei einer Gesamtbetrachtung mindestens 80 Mandaten durchschnittlicher Bedeutung aus dem betreffenden Fachgebiet entsprächen.

Auch soweit es die gerichtlichen Verfahren betreffe, habe der Beschwerdeführer den Nachweis besonderer praktischer Erfahrungen nicht erbracht. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs komme dem Umstand, innerhalb welchen Zeitraums der Anwalt die Regelzahl der Fälle bearbeitet habe, Bedeutung zu, da von besonderen Erfahrungen dann nicht mehr gesprochen werden könne, wenn sich die Zahl zeitlich so verteile, dass sie den Durchschnitt der Mandate nicht erheblich übersteige, die von sämtlichen Kollegen in den betreffenden Jahren auf diesem Gebiet wahrgenommen worden seien. Der Nachweis von insgesamt lediglich 43 gerichtlichen Verfahren in den Jahren 1982 bis 1997 könne daher nicht als Beleg besonderer praktischer Erfahrungen im Sinne des § 9 Abs. 1 Buchstabe a RAFachBezG angesehen werden.

Mit den von ihm eingereichten Bescheinigungen verschiedener Verwaltungsbehörden habe der Beschwerdeführer überdies nicht die Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 RAFachBezG erfüllt. Aus den Bescheinigungen ergebe sich zwar ohne Zweifel, dass er den Jahren 1992 bis 1995 einen überdurchschnittlichen Schwerpunkt seiner Tätigkeit auf dem Gebiet des Vermögensgesetzes gehabt habe. § 9 RAFachBezG setze jedoch voraus, dass der Rechtsanwalt seine Tätigkeit selbständig ausgeübt habe. Daran fehle es vorliegend, da der Beschwerdeführer nach den eingereichten Unterlagen zwar keinen direkten Weisungen unterlegen habe, jedoch “behörden- intern" tätig gewesen sei. Er sei daher weder im eigenen Namen noch unter eigener Verantwortung mit eigenem Haftungsrisiko im Außenverhältnis tätig gewesen.

Die sofortige Beschwerde gegen seine Entscheidung (§ 223 Abs. 3 BRAO) ließ der Anwaltsgerichtshof nicht zu, da er nicht über Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung entschieden habe.

2. Gegen den vorgenannten Beschluss des Anwaltsgerichtshofs Berlin richtet sich die am 6. Juli 1998 erhobene Verfassungsbeschwerde, mit der der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 7, Art. 15 Abs. 1 und Abs. 5 Satz 2 sowie Art. 18 der Verfassung von Berlin (VvB) rügt.

Die Nichtzulassung der sofortigen Beschwerde verletze seinen in Art. 15 Abs. 5 Satz 2 VvB gewährleisteten Anspruch auf den gesetzlichen Richter. Soweit der Anwaltsgerichtshof - in Übereinstimmung mit dem angefochtenen Bescheid - davon ausgegangen sei, dass die vom Beschwerdeführer eingereichten Unterlagen zum Nachweis besonderer praktischer Erfahrungen nicht ausreichend seien, habe er in Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht berücksichtigt, dass der zuständige Ausschuss der Beteiligten zu 2. den Beschwerdeführer zu einem Fachgespräch nach § 10 RAFachBezG hätte laden müssen. Ein derartiges Fachgespräch diene nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung dazu, dem Ausschuss eine ergänzende Beurteilungsgrundlage dann zu liefern, wenn die schriftlichen Unterlagen für den Nachweis besonderer praktischer Erfahrungen nicht ganz genügten, es jedoch möglich erscheine, deren Mängel durch einen positiven Eindruck im Fachgespräch auszugleichen. Um dem Grundrechtsschutz des Beschwerdeführers Geltung zu verschaffen, hätte daher zwingend ein Fachgespräch durchgeführt werden müssen. Die Anberaumung eines derartigen Fachgesprächs sei, da dem zuständigen Ausschuss insofern kein Beurteilungsspielraum zustehe, in vollem Umfang gerichtlich überprüfbar. Da der Anwaltsgerichtshof von der diesbezüglichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abgewichen sei, sei er zur Zulassung der sofortigen Beschwerde verpflichtet gewesen. Diese “Vorlagepflicht" habe er willkürlich verletzt.

Die angegriffene Entscheidung beruhe zudem auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs. Der Sachvortrag des Beschwerdeführers, der noch mit Schriftsatz vom 5. Dezember 1997 auf seine Bereitschaft zur Vorlage von Handakten hingewiesen und zu deren Inhalt ausführlich Stellung genommen habe, sei offensichtlich nicht zur Kenntnis genommen worden. Soweit der Rechtsanwalt - wie vorliegend - vortrage und darlege, welche Mandate er bearbeitet habe, sei es Sache des Anwaltsgerichtshofs zu beurteilen, ob diese mindestens 80 Mandaten durchschnittlicher Bedeutung entsprächen. Ein weitergehender Vortrag und Nachweis könne vom antragstellenden Rechtsanwalt nicht verlangt werden. Soweit der Anwaltsgerichtshof in Bezug auf die gerichtlichen Verfahren die vom Beschwerdeführer im Bereich des Vermögensgesetzes bearbeiteten Fälle als unbeachtlich angesehen habe., sei es schlechterdings nicht vertretbar, diese völlig unberücksichtigt zu lassen. Der Beschwerdeführer sei nicht als abhängig Beschäftigter bei den Ämtern zur Regelung offener Vermögensfragen tätig gewesen, sondern als selbständiger Rechtsanwalt aufgrund entsprechender Honorarvereinbarungen.

Die gerichtliche Überprüfung habe sich überdies darauf zu erstrecken, ob die Beteiligte zu 2. vor Ablehnung des Antrages den Sachverhalt vollständig aufgeklärt habe. Da eine derartige Aufklärung vorliegend offensichtlich nicht stattgefunden habe und dem Beschwerdeführer keine Gelegenheit zur abschließenden Ergänzung seines Sachvortrags gegeben worden sei, verletze die angegriffene Entscheidung auch das in Art. 18 Satz 1 VvB gewährleistete Recht auf Arbeit. Durch die unzureichende Aufklärung des Sachverhalts sei der Beschwerdeführer zudem in seinem in Art. 7 VvB enthaltenen Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit verletzt.

3. Gemäß § 53 Abs. 1 VerfGHG ist den Beteiligten zu 1. und 2. Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.

4. Die Richterin Bellinger ist gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 VerfGHG von der Ausübung ihres Richteramtes ausgeschlossen.

II.

Die Verfassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.

1. Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung des Rechts auf Arbeit aus Art. 18 Satz 1 VvB rügt, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig. Art. 18 VvB enthält, wie sich aus den Formulierungen in den nachfolgenden Sätzen 2 und 3 ergibt, lediglich eine Staatszielbestimmung, begründet jedoch keine einklagbaren Individualansprüche. Art. 18 Satz 1 VvB gewährt dem Beschwerdeführer mithin kein im Wege der Verfassungsbeschwerde rügefähiges subjektives Recht im Sinne des § 49 Abs. 1 VerfGHG (Beschluss vom 20. August 1997 - VerfGH 101/96 - LVerfGE 7, 3 < 8

>).

2. Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde im übrigen steht nicht entgegen, dass die angegriffene Entscheidung auf der Anwendung der §§ 3, 9 RAFachBezG und damit auf Bundesrecht beruht. Denn die in der Verfassung von Berlin gewährleisteten Grundrechte sind auch in diesem Bereich in den Grenzen der Art. 142, 31 GG, soweit sie in inhaltlicher Übereinstimmung mit den Grundrechten des Grundgesetzes stehen, von der rechtsprechenden Gewalt des Landes Berlin zu beachten und dem Schutz durch den Verfassungsgerichtshof anvertraut (st. Rspr.; u.a. Beschluss vom 2. Dezember 1993 - VerfGH 89/93 - LVerfGE 1, 169 < 179 ff. >; Beschluss vom 6. Oktober 1998 - VerfGH 32/98 - NJW 1999, 47). Diese Voraussetzung ist bei den von dem Beschwerdeführer als verletzt gerügten Art. 15 Abs. 5 Satz 2 VvB (vgl. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG), Art. 15 Abs. 1 VvB (vgl. Art. 103 Abs. 1 GG) und Art. 7 VvB (vgl. Art. 2 Abs. 1 GG) erfüllt. Ob das Beschwerdevorbringen insoweit, insbesondere hinsichtlich der Rüge einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, in vollem Umfang den Anforderungen der §§ 49 Abs. 1, 50 VerfGHG genügt, d.h. ob jeweils ein Sachverhalt aufgezeigt ist, aus dem sich mit hinreichender Deutlichkeit die Möglichkeit eines Grundrechtsverstoßes ergibt, kann im Ergebnis dahinstehen. Denn die Verfassungsbeschwerde kann jedenfalls in der Sache keinen Erfolg haben.

3. Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet. Die mit ihr angegriffene Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs hält einer verfassungsrechtlichen Prüfung stand.

a) Der in Art. 15 Abs. 5 Satz 2 VvB gewährleistete Anspruch des Beschwerdeführers auf den gesetzlichen Richter wird durch den Beschluss nicht verletzt.

Es ist nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofs, Entscheidungen der Gerichte in jeder Hinsicht auf die Richtigkeit der getroffenen tatsächlichen Feststellungen, der Auslegung der Gesetze und ihrer Anwendung auf den konkreten Fall zu kontrollieren. Die Gestaltung des Verfahrens, die Feststellung und Würdigung des Sachverhalts, die Auslegung des einfachen Rechts und seine Anwendung auf den Einzelfall sind Sache der dafür allgemein zuständigen Gerichte und insoweit der Nachprüfung durch den Verfassungsgerichtshof entzogen (st. Rspr.; vgl. Beschluss vom 30. Juni 1992 - VerfGH 9/92 - LVerfGE 1, 7 < 8 f.

>). Im Verfassungsbeschwerdeverfahren ist nur zu prüfen, ob das Gericht in der Verfassung von Berlin enthaltene Rechte des Beschwerdeführers verletzt hat. Für die Annahme eines Verstoßes gegen Art. 15 Abs. 5 Satz 2 VvB reicht mithin nicht jede fehlerhafte Anwendung oder Nichtbeachtung einer einfachgesetzlichen Verfahrensvorschrift aus. Die Grenze zur Verfassungswidrigkeit ist vielmehr erst dann überschritten, wenn die fehlerhafte Auslegung und Anwendung einfachgesetzlicher Vorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit willkürlich ist (Beschluss vom 6. Oktober 1998 - VerfGH 26, 26 A/98 - LVerfGE 9, 59 < 64 >; vgl. zum Bundesrecht BVerfGE 87, 282 <284 f.> m. w.N.). Dies ist insbesondere der Fall, wenn die die Zuständigkeitsverletzung begründende gerichtliche Entscheidung nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (vgl. BVerfGE 82, 159 <194>) oder wenn das Gericht Bedeutung und Tragweite des Art. 15 Abs. 5 Satz 2 VvB grundlegend verkennt (vgl. BVerfGE 87, 282 <285>; 82, 286 <299>).

Bei Anwendung dieser Grundsätze hält der angegriffene Beschluss den Angriffen der Verfassungsbeschwerde stand. Dabei kann offenbleiben, ob Art. 15 Abs. 5 Satz 2 VvB, ähnlich wie bei der Verletzung einer Vorlagepflicht (vgl. z.B. § 541 Abs. 1 ZPO, § 121 Abs. 2 GVG, Art. 100 Abs. 1 und 2 GG), auch Schutz gegen die Nichtzulassung eines Rechtsmittels - hier: der sofortigen Beschwerde zum Bundesgerichtshof nach § 223 Abs. 3 BRAO - bietet (zur Revisionszulassung offengelassen in BVerfGE 67, 90 <95>; vgl. auch BVerfGE 19, 323 <328>)., Denn die Grenze zur Willkür ist nicht überschritten.

Nach § 223 Abs. 3 Satz 2 BRAO darf der Anwaltsgerichtshof die sofortige Beschwerde nur zulassen, wenn er über Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung entschieden hat. Grundsätzlich bedeutsam sind Rechtsfragen, die - über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus - von allgemeiner Tragweite sind, die wesentliche Bedeutung für die einheitliche Auslegung und Anwendung oder für die Fortbildung des Rechts haben und die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung noch nicht geklärt sind (vgl. Feuerich/Braun, Bundesrechtsanwaltsordnung, 5. Aufl. 2000, § 223 Rdnr. 49 f.; Kopp/Schenke, VwG0, 12. Aufl. 2000, § 132 Rdnr. 9 f. zu § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwG0). Unabhängig davon, ob eine derartige grundsätzliche Bedeutung auch Rechtsfragen zukommen kann, die - wie vorliegend - auslaufendes Recht betreffen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 1995 - 6 B 35/95 - NVwZ-RR 1996, 712), ist die Annahme des Anwaltsgerichtshofs, die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der sofortigen Beschwerde lägen nicht vor, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der angegriffene Beschluss stellt entscheidungstragend darauf ab, dass der Beschwerdeführer den erforderlichen Nachweis der besonderen praktischen Erfahrungen im Sinne der §§ 3, 9 RAFachBezG nicht erbracht habe, da Angaben zu Bedeutung und Umfang der aufgeführten verwaltungsrechtlichen Verfahren fehlten, der Nachweis von lediglich 43 gerichtlichen Verfahren in den Jahren 1982 bis 1997 nicht als Beleg besonderer praktischer Erfahrungen angesehen werden könne und die durch die eingereichten behördlichen Bescheinigungen nachgewiesene Beratertätigkeit des Beschwerdeführers nicht die Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 RAFachBezG erfülle. Grundsätzlich bedeutsame, über den Einzelfall hinausreichende Rechtsfragen liegen dieser Einschätzung nicht zugrunde.

Dies gilt auch, soweit der Beschwerdeführer eine gesetzliche “Vorlagepflicht" aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Inhalt und Zweck eines Fachgesprächs nach § 10 RAFachBezG herleitet. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist das Fachgespräch allein Ausnahmefällen vorbehalten. Es dient dazu, dem zuständigen Fachausschuss eine ergänzende Beurteilungsgrundlage dann zu bieten, wenn die schriftlichen Unterlagen für den Regelnachweis nicht ganz genügen, es jedoch möglich erscheint, deren Mangel durch einen positiven Eindruck im Fachgespräch auszugleichen (BGH, Beschluss vom 18. November 1996- AnwZ (B) 29/96 - BRAK-Mitt. 1997, 128 <130> = NJW 1997, 1307 <1308>; Beschluss vom 29. September 1997 - AnwZ (B) 33/97 - BRAK- Mitt. 1997, 255 <256> = NJW-RR 1998, 635 <636>). Das Fachgespräch soll mithin nur ergänzende Informationen über die besonderen - theoretischen oder praktischen - Kenntnisse im Fachgebiet vermitteln. Es dient dagegen nicht der Verfahrenserleichterung und kann das in §§ 8, 9 RAFachBezG vorgesehene schriftliche Nachweisverfahren nicht ersetzen (vgl. Seltner, Der Fachanwalt für Verwaltungsrecht, AnwBl. 1994, 3 <11>). Nur soweit sich der Ausschuss aufgrund der schriftlichen Unterlagen noch nicht zu einer abschließenden Entscheidung im positiven oder negativen Sinne in der Lage sieht, kann es ausnahmsweise eine ergänzende Beurteilungsgrundlage liefern (BGH, Beschluss vom 11. Juli 1994 - AnwZ (B) 3/94 - BRAK-Mitt. 1994, 241 = NJW 1995, 1424 <1425>). Angesichts dieser in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärten Ausnahmefunktion des Fachgesprächs kann die von den in dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgestellten Rechtsgrundsätzen nicht abweichende Auffassung des Anwaltsgerichtshofs, die Beteiligte zu 2. habe den Antrag bereits aufgrund der eingereichten Unterlagen ablehnen dürfen, ohne dass es insofern - in Bezug auf die Durchführung eines Fachgesprächs - der Klärung einer die Zulassung der sofortigen Beschwerde rechtfertigenden Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung bedurfte, nicht als willkürlich angesehen werden.

b) Auch die Rüge des Beschwerdeführers, die angegriffene Entscheidung beruhe auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs, ist unbegründet.

Der in Art. 15 Abs. 1 VvB in Übereinstimmung mit Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistete Anspruch auf rechtliches Gehör gibt zunächst jedem an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten das Recht, sich vor einer gerichtlichen Entscheidung zu den zugrunde liegenden Tatsachen und zur Rechtslage zu äußern (vgl. zum Bundesrecht BVerfGE 83, 24 <35> m. w. N.). Dazu hatte der Beschwerdeführer im Verlauf des anwaltsgerichtlichen Verfahrens hinreichend Gelegenheit. Insbesondere hatte er ausreichend Gelegenheit, die nach dem Verlauf des Zulassungsverfahrens und dem ablehnenden Bescheid der Beteiligten zu 2. zum Nachweis der besonderen praktischen Erfahrungen möglicherweise erforderlichen weiteren Unterlagen einzureichen und seine bisherigen Angaben zu ergänzen, ohne dass es hierfür eines ausdrücklichen richterlichen Hinweises zur Vorlage von Handakten bedurft hätte.

Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet das Gericht zudem, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in seine Erwägungen einzubeziehen (st. Rspr.; vgl. u.a. Beschluss vom 16. November 1995 - VerfGH 48/94 - LVerfGE 3, 113 <116>). Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht dieser Pflicht nachgekommen ist. Ein Verstoß gegen die Berücksichtigungspflicht ist demnach nur dann anzunehmen, wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen wurde (Beschluss vom 18. Juni 1998 - VerfGH 97/97 - JR 1999, 234 <235>; vgl. zum Bundesrecht BVerfGE 86, 133 <146>). Ein derartiger Fall ist vorliegend nicht feststellbar. Der Anwaltsgerichtshof hat vielmehr die mit Schriftsatz vom 5. Dezember 1997 vom Beschwerdeführer überreichte aktualisierte Fallliste ausdrücklich in seine Entscheidung einbezogen. Nichts spricht dafür, dass er den übrigen Vortrag des Beschwerdeführers zum Inhalt einzelner exemplarisch aufgeführter Handakten nicht zur Kenntnis genommen hat. Da Art. 15 Abs. 1 VvB keinen Anspruch darauf begründet, dass sich das Gericht in den schriftlichen Entscheidungsgründen mit jedem Einzelvorbringen auseinandersetzt (vgl. Beschluss vom 12. Dezember 1996 - VerfGH 38/96 - LVerfGE 5, 58 < 62 >), kann unter diesen Umständen keine Rede davon sein, dass Ausführungen des Beschwerdeführers weder zur Kenntnis genommen noch in Erwägung gezogen worden sind.

Soweit der Beschwerdeführer eine Gehörsverletzung mit Blick auf die Auffassung des Anwaltsgerichtshofs rügt, hinsichtlich der außergerichtlichen und gerichtlichen Verfahren seien die erforderlichen besonderen praktischen Erfahrungen nicht nachgewiesen, wendet er sich der Sache nach gegen die rechtliche Würdigung seines Vorbringens durch den angegriffenen Beschluss. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist damit nicht dargetan. Aus Art. 15 Abs. 1 VvB ergibt sich keine Verpflichtung der Gerichte, der von einer Partei vertretenen Rechtsansicht zu folgen (vgl. zu Art. 103 Abs. 1 GG: BVerfGE 64, 1 <12>; 80, 269 <286>; 87, 1 <33>). Ob das einfache Recht in jeder Hinsicht richtig angewandt worden ist, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen. Selbst wenn sich insoweit Bedenken ergäben, würde dies nicht zu einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör führen (vgl. BVerfGE 67, 90 <95>; 70, 288 <294>).

c) Die Rüge einer Verletzung des Art. 7 VvB kann der Verfassungsbeschwerde ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen.

Als in Subsidiarität zu den anderen Freiheitsrechten stehendes Auffanggrundrecht schützt Art. 7 VvB - ebenso wie Art. 2 Abs. 1 GG - die allgemeine Handlungsfreiheit (Beschluss vom 13. August 1996 - VerfGH 29/96 - LVerfGE 5, 10 <12>). Soweit der Schutzbereich eines spezielleren Freiheitsgrundrechts nicht beeinträchtigt ist, kann sich der Einzelne bei Eingriffen der öffentlichen Gewalt in seine Freiheit auf Art. 7 VvB berufen (vgl. zum Bundesrecht BVerfGE 6, 32 <37>). Es kann hier offen bleiben, ob der Beschwerdeführer sich für seine Berufsausübungsfreiheit auf Art. 17 VvB berufen kann. Selbst wenn dies verneint würde, wäre jedenfalls durch das Recht auf Entfaltung der Persönlichkeit in Art. 7 VvB auch die Berufsausübungsfreiheit mitgeschützt (vgl. Beschluss vom 27. Januar 1999 - VerfGH 89/98 - JR 2000, 278, 281). Schafft der Gesetzgeber die staatliche Anerkennung einer beruflichen Qualifikation, so wirkt sich die Verweigerung dieser Anerkennung zumindest als Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit aus.

Art. 7 VvB schützt die allgemeine Handlungsfreiheit indes nur im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung. Dazu zählen auch die Vorschriften des Gesetzes über Fachanwaltsbezeichnungen, die mit Blick auf den Schutz des rechtssuchenden Publikums verfassungsrechtlich grundsätzlich unbedenklich sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Februar 1998 - 1 BvR 2124/95 - NJW-RR 1998, 1001 <1002> = AnwBl. 1998, 277). Die sich daraus ergebenden Einschränkungen der allgemeinen Handlungsfreiheit unterliegen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, soweit sie den Grundentscheidungen der Verfassung entsprechen. Auslegung und Anwendung der einfachgesetzlichen Vorschriften ist dabei Sache der dafür allgemein zuständigen Gerichte und der Nachprüfung durch den Verfassungsgerichtshof entzogen. Art. 7 VvB ist erst dann verletzt, wenn die gesetzlichen Regelungen in einer mit der Verfassung nicht zu vereinbarenden Weise ausgelegt und angewandt werden. Dies ist insbesondere der Fall, wenn Auslegungsfehler sichtbar werden, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung und dem Schutzbereich des Grundrechts beruhen (vgl. zum Bundesrecht BVerfGE 18, 85 <92 f.>; 80, 286 <296>; 85, 248 <257 f.>) oder die Auslegung und Anwendung die grundrechtliche Freiheit im Einzelfall unverhältnismäßig einschränken (vgl. BVerfGE 92, 191 <196>).

Gemessen an diesen Maßstäben begegnet der angegriffene Beschluss keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Bestimmungen des Gesetzes über Fachanwaltsbezeichnungen haben die Feststellung der von dem Bewerber nachzuweisenden Kenntnisse und Erfahrungen zwar in hohem Maße formalisiert. Der Nachweis besonderer praktischer Erfahrungen wird nach § 9 RAFachBezG im Regelfall allein dadurch erbracht, dass der Bewerber die dort geforderte Zahl von Fällen konkret benennt, diese aus verschiedenen Gebieten stammen und mindestens ein Drittel davon gerichtliche Verfahren betreffen. Die aufgeführten Fallzahlen dürfen dabei jedoch nicht schematisch gehandhabt werden, vielmehr ist die Bedeutung der einzelnen Fälle sowie der Zeitraum, in dem diese bearbeitet wurden, mit zu berücksichtigen (vgl. BT-Drucks. 12/1710, Amtl. Begründung zu § 9, S. 8; BGH, NJW 1997, 1307 <1308>). Erforderlich ist insoweit eine inhaltliche Bewertung und Gewichtung der vom Antragsteller vorgelegten Nachweise und Unterlagen, aus denen sich in nachprüfbarer Weise die besondere Qualifikation ergeben muss (vgl. BT-Drucks. 12/1710, Amtl. Begründung zu § 7, S. 7; Sellner, AnwBl. 1994, 3 <6, 10>). Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist es danach nicht zu beanstanden, dass sich der Anwaltsgerichtshof in der angegriffenen Entscheidung nicht allein auf eine schematische Kontrolle der vom Beschwerdeführer nach § 9 Abs. 1 Buchstabe a RAFachBezG eingereichten Falllisten beschränkt hat. Soweit er hinsichtlich der angeführten außergerichtlichen Verfahren nähere Angaben zu Bedeutung und Umfang der diesbezüglichen anwaltlichen Tätigkeit vermisst hat, kann im Ergebnis dahinstehen, ob insofern, wie vom zuständigen Fachausschuss der Beteiligten zu 2. angefordert, die Vorlage von Handakten verlangt werden konnte (vgl. zur Neuregelung in § 6 Abs. 3 FAO: Feuerich/Braun, a.a.0., § 6 Rdnr. 3) oder ob der entsprechende Nachweis auch auf andere Weise hätte geführt werden können. Denn der angegriffene Beschluss stellt überdies entscheidungstragend darauf ab, dass mit den für den Zeitraum 1982 bis 1997 angeführten insgesamt 43 gerichtlichen Verfahren der vom Gesetz in § 9 Abs. 1 Buchstabe a RAFachBezG für die forensische Tätigkeit im betreffenden Fachgebiet geforderte Nachweis besonderer praktischer Erfahrungen nicht erbracht sei. Der Anwaltsgerichtshof hat insofern - unter Berücksichtigung der vom Beschwerdeführer vorgelegten aktualisierten Fallliste - im einzelnen geprüft, ob die benannten gerichtlichen Verfahren in ihrer Gesamtheit geeignet sind, die erforderlichen besonderen Erfahrungen zu vermitteln. Die seiner Bewertung zugrunde liegende Annahme, von besonderen Erfahrungen könne nur dann die Rede sein, wenn die Zahl der jährlich bearbeiteten Fälle die durchschnittlich von einem Rechtsanwalt auf dem betreffenden Fachgebiet übernommenen Mandate nennenswert übersteige (vgl. § 2 Abs. 1 RAFachBezG; BGH, NJW 1997, 1307 <1308>), zu berücksichtigen sei daher auch, innerhalb welchen Zeitraums der Anwalt die Regelzahl der Fälle bearbeitet habe, weist keine Verkennung verfassungsrechtlicher Maßstäbe auf. Auch die Anwendung im Einzelfall kann angesichts der Tatsache, dass sich von den 39 mit Aktenzeichen versehenen Verfahren 10 auf die Zeit von 1982 bis 1990 und 29 - zum Teil Rechtsmittel- und Eilverfahren gesondert aufführende - Verfahren auf einen Zeitraum von sieben Jahren, von 1991 bis 1997, erstrecken, verfassungsrechtlich nicht als unvertretbar angesehen werden. Eine weitergehende Prüfung ist dem Verfassungsgerichtshof verwehrt.

Soweit der Beschwerdeführer insbesondere mit Blick auf die gerichtlichen Verfahren auf seine Beratertätigkeit auf dem Gebiet des Vermögensgesetzes verweist, hat der Anwaltsgerichtshof ausdrücklich geprüft, ob die Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift des § 9 Abs. 2 RAFachBezG vorliegen. Seine Annahme, § 9 RAFachBezG setze eine typisch anwaltlicher Tätigkeit entsprechende selbständige Bearbeitung der Fälle voraus (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Juni 1999 - AnwZ (B) 81/98 - NVwZ 1999, 1256 <1257> = AnwBl. 1999, 563), hält sich im Rahmen zulässiger richterlicher Auslegung und überschreitet auch hinsichtlich der Anwendung im Einzelfall nicht die verfassungsrechtlich gesetzten Grenzen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 33, 34 VerfGHG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.






VerfGH des Landes Berlin:
Beschluss v. 22.03.2001
Az: 57/98


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