Verwaltungsgericht Köln:
Beschluss vom 8. September 2009
Aktenzeichen: 21 L 1107/09

(VG Köln: Beschluss v. 08.09.2009, Az.: 21 L 1107/09)

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 405.600,00 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag der Antragstellerin,

die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 24. Juli 2009 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 06. Juli 2009 anzuordnen,

ist zulässig, aber unbegründet.

Nach § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 137 Abs. 1 TKG haben Widerspruch und Klage gegen telekommunikationsrechtliche Entscheidungen der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen (Bundesnetzagentur(BNetzA) keine aufschiebende Wirkung. Das Gericht kann jedoch gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs anordnen. Bei seiner Entscheidung hat das Gericht das öffentliche Vollziehungs- und das private Aussetzungsinteresse gegeneinander abzuwägen und dabei die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Das private Interesse überwiegt in der Regel dann, wenn der Bescheid offensichtlich rechtswidrig ist, denn dann liegt dessen sofortiger Vollzug nicht im öffentlichen Interesse. Dagegen überwiegt regelmäßig ein öffentliches Interesse, wenn sich der Widerspruch/die Klage wegen offensichtlicher Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides als aussichtslos erweist und die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse geboten erscheint. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht sinnvoll abschätzen (etwa weil dort schwierige Rechtsfragen zu klären wären), ist eine Abwägung zwischen dem privaten Interesse an der aufschiebenden Wirkung und dem allgemeinen öffentlichen Interesse bzw. dem privaten Interesse sonstiger Beteiligter am Vollzug vorzunehmen. Im Rahmen dieser Abwägung ist auch eine gesetzgeberische Grundentscheidung (für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung) in den Blick zu nehmen,

vgl. BVerwG, Beschluss vom 15.04.1999 - 4 VR 18.98, 4 A 45.98 -, NVwZ-RR 1999, 554 (556); OVG NRW, Beschluss vom 24.02.1989 - 12 B 2166/88 -, NJW 1989, 2770 und Beschluss vom 17.03.1994 - 15 B 3022/93 -, NVwZ-RR 1994, 617.

Die Erfolgsaussichten des Widerspruchs der Antragstellerin und einer ggf. nachfolgenden Klage sind offen. Die damit notwendige Interessenabwägung geht zu Lasten der Antragstellerin aus.

Die angegriffene Verfügung der Antragsgegnerin vom 06. Juli 2009 ist nicht offensichtlich rechtswidrig; vielmehr spricht ausgehend von der derzeit bestehenden Sach- und Rechtslage viel für ihre Rechtmäßigkeit.

Die Anordnung, die technischen Voraussetzungen zur Umsetzung der Verpflichtung aus § 113a TKG unverzüglich zu schaffen, ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Insbesondere ist sie hinreichend bestimmt. Zweifel hieran könnten zwar in der Hinsicht bestehen, dass in der Anordnung die einzelnen Schritte, die zur Schaffung der technischen Voraussetzungen notwendig sind, im Einzelnen nicht benannt werden und auch die Verwendung des Wortes „unverzüglich" in zeitlicher Hinsicht zu unbestimmt sein könnte. Betrachtet man jedoch die Anordnung in ihrer Gesamtheit, so können diese Zweifel durch eine interessengerechte Auslegung ausgeräumt werden.

Inhaltlich hinreichende Bestimmtheit im Sinne des § 37 VwVfG setzt voraus, dass insbesondere für den Adressaten des Verwaltungsakts die von der Behörde getroffene Regelung so vollständig klar und unzweideutig erkennbar ist, dass er sein Verhalten danach richten kann. Es reicht aus, wenn sich die Regelung aus dem gesamten Inhalt des Bescheids, insbesondere seiner Begründung, sowie den weiteren, den Beteiligten bekannten oder ohne weiteres erkennbaren Umständen unzweifelhaft erkennen lässt. Im Einzelnen richten sich die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden und mit dem Verwaltungsakt umzusetzenden materiellen Rechts,

vgl. BVerwG, Urteil vom 03. Dezember 2003 - 6 C 20.02 -, BVerwGE 119, 282 m.w.N..

§ 37 Abs. 1 VwVfG schließt auch die Möglichkeit von Teilregelungen nicht aus. So können Verwaltungsakte, die zunächst nur das Ziel der dem Betroffenen auferlegten Verpflichtung festlegen und bezüglich des Weges, d.h. der zur Verwirklichung dieses Zieles zu treffenden Maßnahmen, keine Angaben enthalten, dem Bestimmtheitserfordernis genügen. Eine Konkretisierung hinsichtlich des Mittels kann erforderlichenfalls durch weitere Verwaltungsakte erfolgen,

vgl. BVerwG, Urteil vom 05. November 1968 - 1 C 29.67 -, BVerwGE 31, 15 18); Urteil vom 25. Februar 1992 - 1 C 7.90 -, BVerwGE 90, 53 ff..

Gemessen an diesen Voraussetzungen genügt die vorliegende Anordnung dem Bestimmtheitserfordernis. In ihr wird für die Antragstellerin zweifelsfrei das Ziel festgelegt, nämlich die technischen Voraussetzungen für die Vorratsdatenspeicherung zu schaffen. Ob sie das vorgegebene Ziel erfüllt hat, ist ohne weiteres daran messbar, ob sie eine den gesetzlichen Voraussetzungen entsprechende Datenspeicherung vornehmen kann. Im Übrigen ist der Antragstellerin auch bekannt, wie sie die angeordnete Zielvorgabe erfüllen kann, denn sie legt in ihrer Antragsschrift im Rahmen der mit der Vorratsdatenspeicherung für sie verbundenen finanziellen Belastungen umfänglich dar, welche technischen und sachlichen Voraussetzungen für die Vorratsdatenspeicherung erforderlich sind.

Auch die zeitliche Bestimmung „unverzüglich" ist als hinreichend bestimmt zu werten. Die Antragsgegnerin macht in der Beschlussbegründung deutlich, dass „unverzüglich" als „ohne schuldhaftes Zögern" nach dem Rechtsgedanken des § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB zu verstehen ist. Die Verwendung dieses Begriffs bleibt damit zwar auslegungsbedürftig; gleichzeitig ist dieser Begriff aber unter Berücksichtigung des Gesamtregelungsgehalts des streitgegenständlichen Bescheides auslegungsfähig. Denn es besteht hinsichtlich dieser Zeitbestimmung eine deutliche Verbindung im Sinne eines Stufenverhältnisses zu der weiteren Aufforderung der Antragsgegnerin, ihr binnen 6 Wochen nach Zugang der Verfügung ein Gesamtkonzept vorzulegen, aus dem insbesondere hervorgeht, bis wann die technischen Voraussetzungen zur Umsetzung der Verpflichtung aus § 113a TKG aus fachlicher Sicht bei der Antragstellerin voraussichtlich geschaffen sein werden. Diese Verbindung zwischen der generellen Aufforderung, die technischen Voraussetzungen für die Vorratsdatenspeicherung „unverzüglich" zu schaffen, und der zusätzlichen Aufforderung, zu diesem Zweck zunächst ein Gesamtkonzept vorzulegen, wird in den Gründen des Beschlusses nachvollziehbar dargelegt. Denn die Schaffung der Voraussetzungen setzt nach zutreffender Ansicht der Antragsgegnerin eine Planung und ein Gesamtkonzept voraus, das erarbeitet werden muss und dementsprechend Zeit erfordert.

Liegt der Antragsgegnerin dieses Gesamtkonzept vor, so wird auf der zweiten Stufe des Verfahrens bestimmbar sein, bis wann die Antragstellerin ihren gesetzlichen Verpflichtungen zur Vorratsdatenspeicherung nachkommen kann und muss, um dem Erfordernis der Unverzüglichkeit zu genügen. Dass in der hier streitgegenständlichen Verfügung hierfür eine konkrete, datumsmäßig bestimmte Frist noch nicht gesetzt wurde, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt unschädlich, da die Antragsgegnerin ihre Anordnung zur Schaffung der technischen Voraussetzungen auch noch nicht mit einer Androhung von Zwangsmitteln versehen hat. Es versteht sich von selbst, dass eine darauf bezogene spätere Androhung von Zwangsmitteln eine eindeutige Fristbestimmung enthalten muss.

Rechtsgrundlage für die in Ziffer 1 der Anordnung vom 06. Juli 2009 gegenüber der Antragstellerin ausgesprochene Aufforderung, die technischen Voraussetzungen zur Umsetzung der Verpflichtungen aus § 113a TKG unverzüglich zu schaffen, ist § 115 Abs. 1 Satz 1 TKG. Nach dieser Vorschrift kann die Bundesnetzagentur Anordnungen und andere Maßnahmen treffen, um die Einhaltung der Vorschriften des Teils 7 und der auf Grund dieses Teils ergangenen Rechtsverordnungen sowie der jeweils anzuwendenden Technischen Richtlinien sicherzustellen.

Die Voraussetzungen des § 115 Abs. 1 TKG sind - derzeit - erfüllt.

Die Antragstellerin kommt ihren Verpflichtungen aus § 113 a TKG nicht nach, § 113a TKG ist Bestandteil des 7. Teils des TKG und damit vom Regelungsgehalt des § 115 TKG umfasst.

Nach § 113 a Abs. 1 Satz 1 TKG ist derjenige, der öffentlich zugängliche Telekommunikationsdienste für Endnutzer erbringt, verpflichtet, von ihm bei der Nutzung seines Dienstes erzeugte oder verarbeitete Verkehrsdaten nach Maßgabe der Absätze 2 bis 5 sechs Monate im Inland oder in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zu speichern. Die Antragstellerin erbringt öffentlich zugängliche Telekommunikationsdienste für Endnutzer und ist daher nach § 113a TKG grundsätzlich verpflichtet, Verkehrsdaten nach Maßgabe dieser Norm zu speichern. Dieser Speicherungspflicht kommt die Antragstellerin unstreitig nicht nach. Sie hat seit dem 01. Januar 2009 mehrere auf § 113 TKG gestützte Auskunftsersuchen von zuständigen Stellen mit der Begründung zurückgewiesen, sie speichere wegen der Verfassungswidrigkeit des § 113a TKG keine Daten nach § 113a TKG.

Die Verpflichtungen aus § 113a TKG sind rechtswirksam. Sie sind nicht durch die Eilentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 11. März 2008, 01. September 2008 und 28. Oktober 2008 - 1 BvR 256/08 - einstweilen außer Kraft gesetzt worden. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar in diesen Verfahren eine einstweilige Anordnung nach § 32 BVerfGG getroffen. Dies geschah jedoch nur in der Weise, dass die Pflicht zur Übermittlung der gespeicherten Daten (§ 113b TKG) einstweilen auf bestimmte Anlässe der Strafverfolgung (Katalogstraftaten) beschränkt wurde. Die Pflicht zur Vorratsdatenspeicherung selbst, um die es vorliegend allein geht, wurde dagegen ausdrücklich nicht vorläufig außer Kraft gesetzt,

BVerfG, Beschluss vom 11. März 2008 - 1 BvR 256/08 -, juris Rn. 146 ff.

Durch die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts in den Verfahren nach § 32 BVerfGG wird die Pflicht der Antragstellerin zur Speicherung der Daten gemäß § 113a TKG mithin nicht berührt. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass sich das Bundesverfassungsgericht insbesondere in seinem Beschluss vom 28. Oktober 2008 auch unter Berücksichtigung der nach deutschem Recht vorgesehenen Kostentragungspflicht zu Lasten der Anbieter von Telekommunikationsdiensten gegen eine Aussetzung der Speicherungspflicht entschieden hat,

BVerfG, Beschluss vom 28. Oktober 2008 - 1 BvR 256/08-, juris Rn. 79 ff.

In diesem Beschluss führt das Bundesverfassungsgericht im Wesentlichen aus, dass auch die mit der Speicherungspflicht verbundenen Kosten es nicht gebieten, für die unter § 150 Abs. 12b Satz 2 TKG fallenden Diensteanbieter die Speicherungspflicht des § 113a TKG generell auszusetzen oder die Übergangsregelung zu verlängern. Die Nachteile, die sich ergäben, wenn die Übergangsregelung wie gesetzlich vorgesehen ausläuft, sich im Hauptsacheverfahren die Speicherungspflicht nach § 113a TKG aber als verfassungswidrig erweisen sollte, überwögen nicht die Nachteile, die einträten, wenn die Übergangsregelung im Wege einer einstweiligen Anordnung verlängert würde, sich die Speicherungspflicht aber als verfassungsgemäß herausstellte.

Die von der Antragstellerin angeführten Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Berlin in Verfahren nach § 123 VwGO führen ebenfalls nicht dazu, dass die Verpflichtungen nach § 113 a Abs. 2 bis 5 TKG vorläufig ausgesetzt sind. Insoweit ist festzuhalten, dass die diesbezüglichen Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Berlin rechtliche Auswirkungen nur im Verhältnis zu den dortigen Antragstellern haben können. Im Verhältnis zur Antragstellerin des vorliegenden Verfahrens entfalten diese Entscheidungen keine rechtliche Bindungswirkung. Die in der Anordnung vom 06. Juli 2009 gegenüber der Antragstellerin weiter ausgesprochene Aufforderung „spätestens sechs Wochen nach Zustellung dieses Bescheides ein Umsetzungskonzept vorzulegen aus dem insbesondere hervorgeht, bis wann die technischen Voraussetzungen zur Umsetzung der Verpflichtungen aus § 113a TKG aus fachlicher Sicht in der HanseNet Telekommunikations GmbH voraussichtlich geschaffen sein werden" findet eine Rechtsgrundlage in § 115 Abs. 1 Satz 2 TKG.

Hiernach muss derjenige, der - wie vorliegend die Antragstellerin - nach § 115 Absatz 1 Satz 1 TKG im Wege einer Anordnung oder anderen Maßnahme zur Einhaltung der Vorschriften des Teils 7 des Gesetzes verpflichtetet wurde, auf Anforderung der Bundesnetzagentur die hierzu erforderlichen Auskünfte erteilen. Die Antragsgegnerin stützt die in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides ausgesprochene Aufforderung, ein Umsetzungskonzept vorzulegen, zwar nicht ausdrücklich auf Satz 2 der Vorschrift, sondern zieht hierfür ebenfalls § 115 Abs. 1 Satz 1 TKG als Ermächtigungsgrundlage heran. Dies ist jedoch unschädlich, weil beide Vorschriften auf das gleiche Ziel gerichtet und an gleiche Voraussetzungen geknüpft sind.

Es sind auch keine sonstigen Rechtsfehler zu erkennen. Insbesondere hat die Antragsgegnerin - anders als in der vorangehenden Anordnung vom 27. Januar 2009 - das ihr im Rahmen des § 115 Abs. 1 TKG zustehende Entschließungs- und Auswahlermessen fehlerfrei ausgeübt.

So hat sie nachvollziehbar dargelegt, dass die von ihr in Ziffer 1 getroffenen Maßnahmen geeignet sind, das Ergebnis - die Durchsetzung der Speicherpflicht nach § 113a TKG - zu erreichen. Im Rahmen dieser Auseinandersetzung wird auch darauf eingegangen, dass die Einleitung eines Bußgeldverfahrens allein nicht geeignet ist, die Einrichtung technischer Infrastruktur zu erzwingen. Damit hat die Antragsgegnerin ihr Entschließungsermessen fehlerfrei ausgeübt.

Auch die Darlegungen zur Erforderlichkeit der getroffenen Anordnung sind rechtlich nicht zu beanstanden. Denn die Antragsgegnerin führt hierzu auch nachvollziehbar aus, dass sich die Antragstellerin beharrlich weigert, der Verpflichtung aus § 113a TKG nachzukommen, was für die Arbeit der in § 113b TKG genannten zuständigen Stellen nicht hinnehmbar sei. Insbesondere die Strafverfolgungsbehörden seien auf die Mitwirkung der nach § 113a TKG Verpflichteten angewiesen. Ausnahmen sehe weder die nationale Regelung noch die dieser zugrunde liegenden EU-Richtlinie vor. Schließlich sind auch die Erwägungen der Antragsgegnerin zur Angemessenheit - Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne - nicht als ermessensfehlerhaft zu beanstanden.

Entgegen der Ansicht der Antragstellerin lassen diese Erwägungen auch keine Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vermissen. Denn indem die Antragsgegnerin die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts teilweise wörtlich übernimmt, macht sie sich diese Ausführungen zu eigen und stellt deutlich heraus, dass das Bundesverfassungsgericht sich nicht gehalten sah, den hier in Rede stehenden § 113a TKG - anders als § 113b TKG - auch unter Berücksichtigung der mit der Speicherungspflicht verbundenen Kostentragungspflicht der Telekommunikationsanbieter generell auszusetzen oder die Übergangsregelung zu verlängern. Die Annahme, dass vor diesem Hintergrund der bloße Hinweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Berlin vom 17. Oktober 2008 nicht geeignet ist, von der Pflicht zur Vorratsdatenspeicherung ausgenommen zu werden, ist nicht ermessensfehlerhaft.

Darüber hinaus hat die Antragsgegnerin auch berücksichtigt, ob und inwieweit es zu Wettbewerbsverzerrungen durch den streitgegenständlichen Bescheid vor dem Hintergrund kommen könnte, dass - derzeit - möglicherweise nicht alle Telekommunikationsunternehmen ihrer Speicherpflicht nachkommen und einige Unternehmen in Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht Berlin erfolgreich um vorläufigen Rechtsschutz ersucht haben. In diesem Zusammenhang hat die Antragsgegnerin umgekehrt darauf abgestellt, dass andere Mitbewerber der Antragstellerin am Markt ihrer Speicherungsverpflichtung nach § 113a TKG nachkommen. In diesem Zusammenhang macht sie sich - durch Zitierung - die Argumentation des Bundesverfassungsgerichts zu eigen, nach der eine Verlängerung der Übergangsfrist diejenigen Anbieter benachteiligte, die im Blick auf die Gesetzeslage bereits entsprechende Investitionen getätigt haben, und eine diesbezügliche einstweilige Anordnung Wettbewerbsverzerrungen zur Folge haben könnte. Damit hat sie den Umstand möglicher Wettbewerbsverzerrungen durch unterschiedliche Behandlung der konkurrierenden Telekommunikationsunternehmen zum Gegenstand ihrer Erwägungen gemacht, wobei sich die von ihr getroffene Gewichtung auch deswegen nicht als ermessensfehlerhaft erweist, weil sie auch darauf hinweist, dass sie gegen alle anders lautenden Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Berlin Beschwerde eingelegt hat. Damit kann ihr nicht entgegengehalten werden, dass sie die dadurch eingetretenen möglichen Wettbewerbsverzerrungen „klaglos" hinnimmt und einzelne Unternehmen - im Gegensatz zu anderen - stärker belastet.

Auch die in Ziffer 2 der streitgegenständlichen Anordnung enthaltene Zwangsgeldandrohung für den Fall, dass die Antragstellerin die Frist zur Vorlage des Umsetzungskonzepts verstreichen lässt, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Befugnis der Antragsgegnerin zur Androhung des Zwangsgeldes ergibt sich aus § 115 Abs. 2 TKG in Verbindung mit §§ 7, 13 VwVG. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 VwVG kann der Pflichtige bei einer Handlung, die durch einen anderen nicht vorgenommen werden kann und nur vom Willen des Pflichtigen abhängt, zur Vornahme der Handlung durch ein Zwangsgeld angehalten werden. Die gesetzliche Verpflichtung der Antragstellerin aus § 113a TKG setzt konzeptionelle und planerische Vorarbeiten zwingend voraus, die nur von der Antragstellerin vorgenommen werden können und die nur vom Willen der für das Unternehmen handelnden Personen abhängen. Die Festsetzung eines Zwangsgeldes zur Durchsetzung der Verpflichtungen aus § 113a TKG sieht § 115 Abs. 2 Nr. 1 TKG ausdrücklich vor. Das der Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang zustehende Ermessen wurde fehlerfrei ausgeübt.

Spricht damit insgesamt auch viel dafür, dass die streitgegenständliche Anordnung auf der Grundlage des § 115 Abs. 1 i.V.m. § 113 a TKG rechtlich nicht zu beanstanden sein wird, so sind die Erfolgsaussichten des Widerspruchs der Antragstellerin und einer ggf. nachfolgenden Klage gleichwohl als offen anzusehen. Dies folgt daraus, dass die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Verpflichtung zur Vorratsdatenspeicherung derzeit noch Gegenstand von Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht (1 BvR 256/08, 1 BvR 263/08 und 1 BvR 586/08) ist und in diesen Verfahren zu überprüfen sein wird, „ob und unter welchen Voraussetzungen eine anlasslose, umfassende und zu den in § 113b TKG vorgesehenen Zwecken erfolgende Vorratsspeicherung von sensiblen Daten, deren Erhebung durch staatliche Stellen in Art. 10 GG eingreift, ... mit dem Grundgesetz vereinbar ist",

BVerfG, Beschluss vom 11.03.2008 - 1 BvR 256/08, Rdnr. 138.

Es kann derzeit nicht ausgeschlossen werden, dass sich in diesen Verfahren - ganz oder teilweise - die Verfassungswidrigkeit des § 113 a TKG, der maßgebliche Grundlage der hier streitigen Verfügung des Antragsgegners ist, erweisen und die Verfügung aus diesem Grunde aufzuheben sein wird.

Eine vertiefte verfassungsrechtliche Prüfung durch das erkennende Gericht würde den Rahmen des vorliegenden summarischen Verfahrens bei Weitem überschreiten und im Übrigen auch die Unwägbarkeit bezüglich des Ausgangs der Verfassungsbeschwerdeverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht nicht beseitigen können. Dem Gericht drängt sich die Verfassungswidrigkeit des § 113 a TKG auch nicht in einer Weise auf, dass bereits jetzt absehbar wäre, dass es einen Rechtsstreit zur Hauptsache gem. Art. 100 GG auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen hätte.

Die bei dieser Sachlage erforderliche Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse daran, dass die Antragstellerin ihre bestehende gesetzliche Pflicht zur Vorratsdatenspeicherung erfüllt, und dem privaten Interesse der Antragstellerin daran, vorerst die dafür erforderlichen Investitionen nicht tätigen zu müssen, fällt zu Lasten der Antragstellerin aus. Es liegen keine Umstände vor, die ein Abweichen von der Regelanordnung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 137 Abs. 1 TKG, der zufolge Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen der Antragsgegnerin keine aufschiebende Wirkungen haben, erforderlich machen würden. Der Gesetzgeber hat mit der Vorschrift des § 137 Abs. 1 TKG zum Ausdruck gebracht, dass bei Entscheidungen der Bundesnetzagentur grundsätzlich ein vorrangiges Interesse an der sofortigen Vollziehung besteht. Ein überwiegendes Aussetzungsinteresse der Antragstellerin ist vorliegend nicht ersichtlich. Insbesondere hat die Antragstellerin nicht hinreichend dargelegt, dass ihr durch die vorliegende Anordnung schwere und unzumutbare Nachteile entstünden, wenn die aufschiebende Wirkung nicht angeordnet wird.

Würde sich im Hauptsacheverfahren die Speicherungspflicht nach § 113a TKG als nicht verfassungsgemäß erweisen, so wären die finanziellen Aufwendungen, die die Antragstellerin für die Einrichtung der technischen Voraussetzungen für die Vorratsdatenspeicherung aufbringen musste, nutzlos, wobei allerdings im Rahmen der Abwägung nur solche Aufwendungen Berücksichtigung finden können, die durch die vorliegende Anordnung bedingt sind. Im Hinblick darauf sind schon die Angaben der Antragstellerin zu ihren wirtschaftlichen Nachteilen nicht frei von Ungereimtheiten bzw. Widersprüchen, so dass es dem Gericht schon nicht möglich ist, den denkbaren wirtschaftlichen Schaden zuverlässig zu beurteilen.

Nach ihren Angaben in der Antragsschrift belaufen sich die Kosten für die Einrichtung der notwendigen technischen Voraussetzungen zur Erfüllung der Vorratsdatenspeicherungsverpflichtung insgesamt auf ca. 000.000 Euro, zu denen die Antragstellerin jährliche Personalkosten in Höhe von ca. 00.000 Euro für den zusätzlichen Aufgabenbereich der Vorratsdatenspeicherung hinzurechnet. Aus der der Antragsschrift beigefügten eidesstattlichen Versicherung ihres Direktors „H. B. & Q. „ vom 29. Januar 2009 ergibt sich allerdings, dass die Antragstellerin einen erheblichen Teil dieser Investitionen ohnehin schon aufgewendet hat, so dass der von ihr in der Antragschrift bezeichnete Gesamtkostenaufwand nicht in voller Höhe ursächlich auf den streitgegenständlichen Bescheid zurückzuführen ist. Im vorletzten Absatz der genannten eidesstattlichen Versicherung wird dazu nämlich ausgeführt, dass die Antragstellerin zunächst damit begonnen hatte, die technischen Voraussetzungen für die Vorratsdatenspeicherung zu schaffen, die technische Umsetzung sodann aber aufgrund der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung und der von ihr angenommenen Verfassungswidrigkeit der zugrunde liegenden gesetzlichen Bestimmungen eingestellt worden sei. Die Durchführung der noch ausstehenden technischen Maßnahmen würde hiernach (nur) noch Kosten in Höhe von 000.000 Euro verursachen.

Aber selbst wenn von einem Betrag von 000.000 Euro auszugehen wäre, ist nicht dargetan oder sonst ersichtlich, dass die Antragstellerin durch diese - möglicherweise nutzlosen - Aufwendungen in ihren Wettbewerbsmöglichkeiten oder gar in ihrer wirtschaftlichen Existenz nachhaltig beeinträchtigt bzw. gefährdet wäre. Insoweit kommt es auch nicht entscheidend darauf an, ob die Antragstellerin bei einem Vollzug der Regelung und einem späteren rechtskräftigen Obsiegen im Hauptsacheverfahren nach geltendem Recht Schadensersatz verlangen oder anderweitigen Ersatz, z.B. durch die Überwälzung der Kosten auf ihre Kunden erlangen könnte.

Den nicht eindeutig dargelegten finanziellen Belastungen der Antragstellerin stehen gewichtige Gemeinwohlinteressen an einer effektiven Strafverfolgung gegenüber. Kommt die Antragstellerin ihren derzeit bestehenden und rechtswirksamen Verpflichtungen zur Vorratsdatenspeicherung aus § 113 a TKG nicht nach, stehen Daten zur Aufgabenerfüllung im Bereich der Strafverfolgung, der Gefahrenabwehr und des Verfassungsschutzes nicht bereit. Erweist sich die Regelung des § 113a TKG später als verfassungsgemäß, so kann der Nichtvollzug der Vorratsdatenspeicherung zu erheblichen Nachteilen für die Allgemeinheit führen. Denn dann unterblieben verfassungsrechtlich zulässige Datenspeicherungen, wodurch sich unter Umständen erhebliche Gefahren verwirklichen können, die mit Hilfe der erhobenen Daten womöglich rechtzeitig hätten abgewehrt werden können. Damit würde nicht nur verhindert, dass bereits eingetretene Rechtsverletzungen aufgeklärt und sanktioniert werden können, sondern auch eine effektive Gefahrenabwehr erschwert. Dieser Nachteil wiegt auch deswegen besonders schwer, weil dadurch nicht nur nationale Interessen der Bundesrepublik Deutschland berührt werden, sondern auch die mit der „Richtlinie 2006/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über die Vorratsspeicherung von Daten, die bei der Bereitstellung öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste oder öffentlicher Kommunikationsnetze erzeugt oder verarbeitet werden" beabsichtigte Harmonisierung der Einführung und Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung in den Mitgliedstaaten der EU - zumindest teilweise - konterkariert würde, wenn hingenommen würde, dass einzelne Unternehmen der Verpflichtung zur Vorratsdatenspeicherung vorerst nicht nachkommen.

Diesen gewichtigen Gemeinwohlinteressen kann die Antragstellerin auch nicht den Umstand entgegensetzen, dass gegen die vermeintlich strafrechtlich verantwortlichen Personen in ihrem Hause die Einleitung eines Strafverfahrens angedroht wurde, das seine Wurzeln ebenfalls in der streitigen Vorratsdatenspeicherungspflicht bzw. dem Verstoß hiergegen hat. Denn ob es zu einem solchen Strafverfahren kommen wird, liegt allein im Verantwortungsbereich der handelnden Personen und hat mit dem vorliegenden Verfahren unmittelbar nichts zu tun.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG. Die Antragstellerin hat in ihrer Antragsschrift unter Ziffer III. ihr wirtschaftliches Interesse am Ausgang des vorliegenden Verfahrens in dieser Höhe beziffert.






VG Köln:
Beschluss v. 08.09.2009
Az: 21 L 1107/09


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/6d846522abe2/VG-Koeln_Beschluss_vom_8-September-2009_Az_21-L-1107-09




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