Oberlandesgericht Köln:
Beschluss vom 14. Oktober 1998
Aktenzeichen: 17 W 262/98
(OLG Köln: Beschluss v. 14.10.1998, Az.: 17 W 262/98)
1. Das selbständige Beweisverfahren und der nachfolgende Hauptsacheprozeß gehören bei Identität der Parteien und des Streitgegenstandes gebührenrechtlich gemäß § 37 Nr. 3 BRAGO zu demselben Rechtszug, so daß gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 BRAGO die Gebühren insgesamt nur einmal anfallen.
2. Der Senat hält auch unter Berücksichtigung der abweichenden Rechtsprechung verschiedener Gerichte daran fest, daß die Notwendigkeit eines Anwaltswechsels im Sinne von § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO nur da anzuerkennen ist, wo die Partei durch Umstände, auf die sie keinen Einfluß hat, gezwungen ist, sich eines anderen Anwaltes zu bedienen. Als notwendig ist der Anwaltswechsel nur dann anzuerkennen, wenn er auf Umständen beruht, die vom Willen des Anwalts unabhängig sind, wie dies etwa der Fall ist, wenn die Berufsausübung infolge Erkrankung unmöglich ist.
Tenor
Unter Zurückweisung der weitergehenden sofortigen Beschwerde wird der angefochtene Beschluß teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:Die aufgrund des vor dem Landgericht Köln abgeschlossenen Vergleichs vom 19. Dezember 1997 - 4 O 92/97 - von der Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten werden auf 5.903,55 DM nebst 4% Zinsen seit dem 14. Januar 1998 festgesetzt. Die weitergehenden Fest-setzungsanträge beider Parteien werden zurückgewiesen. Die Kosten des Erinnerungs- und Beschwerdeverfahrens werden der Beklagten auferlegt.
Gründe
Die sofortige Beschwerde ist ganz überwiegend begründet. Sie führt zur Erhöhung des zugunsten der Klägerin festgesetzten Erstattungsbetrages um 736,77 DM auf 5.903,55 DM.
Der Rechtspfleger hat fälschlich die Mehrkosten, die dadurch entstanden sind, daß die Beklagte in den selbständigen Beweisverfahren durch einen anderen Anwalt vertreten wurde als im Hauptverfahren, als erstattungsfähig behandelt.
Es ist bereits zweifelhaft, ob der Beklagten überhaupt (berechtigte) Mehrkosten entstanden sind. Der Vortrag der Beklagten läßt offen, ob es ihre Entscheidung war, sich im Rechtsstreit durch den Stiefsohn ihres früheren Verfahrensbevollmächtigten vertreten zu lassen, oder ob dieser, weil er Rechtsanwalt Dr. W. aus Gesundheitsgründen häufig vertrat, das Mandat im doppelten Sinn des Wortes "übernahm". Sollte letzteres der Fall gewesen sein, so dürfte aus Sicht der Beklagten eine Fortführung des Mandats vorgelegen haben, die es nicht rechtfertigt, daß ihr gegenüber anders abgerechnet wird, als dies dann berechtigt gewesen wäre, wenn der Prozeßbevollmächtigte weiterhin als Vertreter von Dr. W. aufgetreten wäre. Da die selbständigen Beweisverfahren und der Rechtsstreit zu demselben Rechtszug gehören (§ 37 Nr. 3 BRAGO), können gemäß § 13 Abs. 2 BRAGO die Gebühren insgesamt nur einmal anfallen. Wäre das Mandat von Rechtsanwalt Dr. W. fortgeführt worden und hätte er sich, soweit er verhindert war, durch den Prozeßbevollmächtigten der Beklagten vertreten lassen, so hätte er aus seiner Tätigkeit in den Beweisverfahren nur in dem Umfang zusätzliche Ansprüche herleiten können, in dem die angefallenen Gebühren im Rechtsstreit nicht erneut zur Entstehung gelangten. Hat der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten auf die unterschiedlichen Gebührenfolgen einer Tätigkeit für Dr. W. und einer eigenständigen Mandatsübernahme nicht hingewiesen, so dürfte er keinen Anspruch auf die Mehrkosten haben, die sich daraus ergeben, daß ihm unmittelbar ein Mandat erteilt wurde.
Sollte die Beklagte ihren Prozeßvertreter in Kenntnis der hiermit verbundenen Rechtsfolgen gewechselt haben und sollte er dementsprechend Anspruch auf die angemeldeten Gebühren haben, so sind die durch den Anwaltswechsel entstandenen Mehrkosten jedenfalls nicht zu erstatten, denn sie waren nicht notwendig im Sinne des § 91 ZPO. Nach § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO sind die Kosten mehrerer Rechtsanwälte "nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwaltes nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten mußte". Wünschte die Beklagte einen Anwaltswechsel, so sind die ihr entstandenen Mehrkosten nicht erstattungsfähig, denn es ist von der Beklagten nichts dafür vorgetragen, daß die Krankheit von Rechtsanwalt Dr. W. die Notwendigkeit eines Anwaltswechsels begründete. Die Frage, ob es im Einzelfall zumutbar ist, die Fortführung des Mandats einem erkrankten Anwalt zu überlassen, ist hier letztlich nicht zu entscheiden, denn Gründe, die eine Fortführung des Mandats für die Beklagte unzumutbar erscheinen lassen könnten, hat diese nicht mitgeteilt. Da die Zulassung von Rechtsawalt Dr. W. als Anwalt fortbestand, mußte er für den Fall der Verhinderung für eine Vertretung sorgen und gegebenenfalls einen Vertreter amtlich bestellen lassen. Die Beklagte trägt selbst vor, daß diese schon im Beweisverfahren gelegentlich erforderlich gewordene Vertretung vom Stiefsohn des Rechtsanwalts Dr. W., dem späteren Prozeßbevollmächtigten der Beklagten, übernommen worden ist. Es spricht viel dafür, daß dieser spätere Prozeßbevollmächtigte eine entsprechende Vertretungstätigkeit bis zum Tod von Rechtsanwalt Dr. W. weiterhin wahrnahm. Aber auch wenn jemand anders als Vertreter tätig geworden sein sollte, kann es erstattungsrechtlich nicht zum Nachteil der Klägerin sein, daß die Beklagte ihre Vertretung nicht weiterhin Rechtsanwalt Dr. W. überließ, sondern dem Anwalt ein Mandat erteilte, der als Vertreter von Rechtsanwalt Dr. W. für sie tätig geworden war.
Der Senat hat bereits in einer Entscheidung vom 25. August 1995 (17 W 130/94) grundsätzlich zu den Streitfragen Stellung genommen, die sich in Fällen der vorliegenden Art stellen und hierzu ausgeführt:
"Der Senat hält auch unter Berücksichtigung der abweichenden Rechtsprechung verschiedener Gerichte (vgl. OLG Hamburg JurBüro 1993, 351; OLG Frankfurt JurBüro 1986, 453, AnwBl 1985, 38 und 1968, 232; OLG Düsseldorf MDR 1979, 147; OLG München MDR 1970, 517) daran fest, daß die Notwendigkeit eines Anwaltswechsels im Sinne von § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO nur da anzuerkennen ist, wo die Partei durch Umstände, auf die sie keinen Einfluß hat, gezwungen ist, sich eines anderen Anwaltes zu bedienen ... Als notwendig ist der Anwaltswechsel nur dann anzuerkennen, wenn er auf Umständen beruht, die vom Willen des Anwalts unabhängig sind, wie dies etwa der Fall ist, wenn die Berufsausübung infolge einer Erkrankung unmöglich wird (Senat JurBüro 1974, 471 (475); KG JW 1934, 2170 und Stein/Jonas, ZPO 21. Aufl., § 91 Rn. 105 a und b mit weiteren Nachweisen)." Diese Ausführungen sind mit Rücksicht auf die hier gegebene Konstellation dahingehend zu präzisieren oder zu ergänzen, daß nur dann, wenn der Anwalt infolge der Erkrankung seine Berufsausübung tatsächlich aufgibt, ein Anwaltswechsel notwendig ist. Sieht ein Anwalt trotz einer sich zunehmend verschlimmernden Erkrankung hingegen keinen Anlaß, seine Zulassung aufzugeben, so kann auch nicht von einer Unmöglichkeit der Berufsausübung ausgegangen werden. Hält der Anwalt an seiner Zulassung fest, so wird eine Partei nur dann, wenn die Erkrankung die Fortsetzung des Mandats aus ihrer Sicht unzumutbar macht, Anlaß zu einem Anwaltswechsel haben. Für eine solche Unzumutbarkeit ist hier nichts vorgetragen oder sonst ersichtlich.
Zur Höhe der hier auszugleichenden Kosten ist folgendes klarzustellen: Die Überprüfung des angefochtenen Beschlusses kann sich nicht darauf beschränken, die Richtigkeit der Kostenfestsetzung allein hinsichtlich der auf seiten der Beklagten in den Beweisverfahren angefallenen Prozeßgebühren zu überprüfen. Gegenstand des Kostenfestsetzungsverfahrens, auch der Ausgleichung nach § 106 ZPO, ist nicht die Ermittlung einzelner Berechnungselemente, sondern stets die "des zu erstattenden Betrages" (§ 103 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Deshalb ist auf eine Erinnerung, die nach der bestehenden Gesetzeslage keiner Begründung bedarf, die Kostenfestsetzung grundsätzlich in allen ihren Teilen darauf zu überprüfen, ob - unabhängig von einer nur als Anregung zu verstehenden Rechtsbehelfsbegründung - der Erinnerungsführer zu Unrecht beschwert ist durch Belastung mit gegnerischen Kosten oder durch versagte Erstattung eigener Kosten. Diese Prüfung ist nur begrenzt durch die Bindungswirkung der Kostengrundentscheidung und durch den betragsmäßigen Rahmen, in dem ein Erinnerungsführer im Einzelfall die Kostenfestsetzung - zwecks Ersparnis neuer Kosten oder aus sonstigen Gründen - angefochten hat. Eine solche Beschränkung liegt hier vor. Im Ergebnis strebt die Klägerin eine Herabsetzung der erstattungsfähigen Kosten der Beklagten um 2.035,50 DM (1.770 DM zuzüglich Mehrwertsteuer) an, was unter Berücksichtigung der Kostengrundentscheidung zur Erhöhung ihres eigenen Erstattungsanspruchs von 753,14 DM führen würde (37% von 2.035,50 DM). In diesem Rahmen ist der Beschluß zu überprüfen.
Obwohl die Angriffe der Klägerin gegen die Berücksichtigung der 2.035,50 DM berechtigt sind - wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt -, hat die sofortige Beschwerde nicht in voller Höhe Erfolg, weil der angefochtene Beschluß in weiteren Punkten fehlerhaft ist. Die Klägervertreter haben ihrerseits zu Unrecht für die beiden Beweisverfahren und den Rechtsstreit jeweils eine Auslagenpauschale von 40 DM in Rechnung gestellt. Da die Beweisverfahren zum Rechtszug gehören (§ 37 Nr. 3 BRAGO) und daher von einer einzigen Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinn auszugehen ist (vgl. § 13 Abs. 2 BRAGO), kann auch die Auslagenpauschale insgesamt nur einmal liquidiert werden (vgl.z.B. Hartmann, Kostengesetze, 27. Aufl., § 13 Rn. 20).
Aber auch auf seiten der Beklagten ist eine entsprechende Korrektur vorzunehmen. Wäre im Rechtsstreit weiterhin Rechtsanwalt Dr. W. als Prozeßbevollmächtigter tätig geworden, so hätte er nur eine Auslagenpauschalen von 40 DM berechnen dürfen. Da die Beklagte nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, führt dies auf ihrer Seite zu einer (weiteren) Kürzung der erstattungsfähigen Kosten um 92 DM (80 DM zuzüglich Mehrwertsteuer). Im Ergebnis ist dementsprechend auf seiten der Klägerin von erstattungsfähigen Kosten von 7.676,40 DM (statt 7.756,40 DM) auszugehen und auf seiten der Beklagten von solchen in Höhe von 8.441,00 DM (statt 10.568,50 DM). Unter Berücksichtigung der Kostenquote ergibt sich zugunsten der Klägerin ein Erstattungsanpruch von 1.712,96 DM (7.676,40 DM eigene Kosten abzüglich 5.963,44 DM, nämlich abzüglich der von ihr zu tragenden 37% der Gesamtkosten von 16.117,40 DM). Dieser Anspruch erhöht sich aufgrund der zusätzlich auszugleichenden Gerichtskosten (insoweit wird auf die angefochten Entscheidung Bezug genommen) auf 5.903,55 DM.
Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten beruht
auf § 91 in Verb. mit dem Rechtsgedanken des § 92 Abs. 2 ZPO
Die Entscheidung über die Gerichtskosten auf § 97 Abs. 1 ZPO
in Verbindung mit KV-GKG 1906.
Streitwert des Erinnerungs- und Beschwerdeverfahrens insgesamt: 753,14 DM
Streitwert für die Berechnung der gerichtlichen Beschwerdegebühr 16,37 DM
OLG Köln:
Beschluss v. 14.10.1998
Az: 17 W 262/98
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