Bundespatentgericht:
Beschluss vom 22. Juli 2009
Aktenzeichen: 35 W (pat) 465/07

(BPatG: Beschluss v. 22.07.2009, Az.: 35 W (pat) 465/07)

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Deutschen Patentund Markenamtes -Gebrauchsmusterabteilung II -vom 20. September 2007 aufgehoben.

II. Die Unwirksamkeit des Gebrauchsmusters Nr. 299 07 721 wird festgestellt, soweit es über den Schutzanspruch 12, eingereicht mit Schriftsatz vom 5. Mai 2008 hinausgeht.

III. Die Kosten des Löschungsverfahrens in erster Instanz trägt zu 7/8 der Antragsgegner und zu 1/8 die Antragstellerin.

IV. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt zu 3/4 der Antragsgegner und zu 1/4 die Antragstellerin.

Gründe

I.

Gegen das unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 17.03.1999 (DE 199 12 012) am 03.05.1999 angemeldete und am 22.07.1999 eingetragene Gebrauchsmuster 299 07 721 war am 08.02.2006 Löschung beantragt worden. Mit Beschluss vom 30.10.2007 hat die Gebrauchsmusterabteilung II des Deutschen Patentund Markenamtes das Gebrauchsmuster teilgelöscht, soweit es über den Anspruch 7, die Ansprüche 8 bis 11, soweit auf Anspruch 7 rückbezogen, sowie über den Anspruch 12 hinausgeht (Az: Lö I 30/06).

Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 04.12.2007 eingelegte Beschwerde der Beschwerdeführerin (Antragstellerin). Sie beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und festzustellen, dass das Gebrauchsmuster in vollem Umfang unwirksam ist. Bezüglich des Rechtsschutzinteresses verweist die Antragstellerin auf den anhängigen Verletzungsstreit.

Der Antragsgegner beantragt, die Beschwerde und den Feststellungsantrag der Antragstellerin im Umfang der Schutzansprüche 1 bis 10 nach Hauptantrag, hilfsweise nach den Hilfsanträgen 1 bis 3, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 22.07.09, andernfalls hilfsweise im Umfang des Schutzanspruchs 12, eingereicht mit Schriftsatz vom 5. Mai 2008, zurückzuweisen.

Der Antragsgegner regt im Übrigen an, die Rechtsbeschwerde zu der Frage zuzulassen, inwieweit die Bezeichnung eines Gegenstandes, der Merkmale mitumfasst, die sich nicht in den Ansprüchen widerspiegeln, Auswirkungen auf die Frage hat, welche Druckschriften für die Neuheitsprüfung heranzuziehen sind.

Dem Beschwerdeverfahren liegt gemäß Hauptantrag des Antragsgegners die Fassung der Schutzansprüche mit folgendem Wortlaut zugrunde:

1.

Notablaufvorrichtung für eine mit Wasserabläufen entwässerte Fläche (1), insbesondere Flachdach, mit einer Ablauföffnung (6), mit einer die Höhe eines Wasseranstaugrenzwertes (H) zu der Fläche (1) bestimmenden Anstaueinrichtung (7) und mit einem mit der Ablauföffnung (6) in Verbindung stehenden vertikalen Ablaufrohr (2), dadurch gekennzeichnet, dass in Strömungsrichtung der Ablauföffnung (6) ein Behälter (8) vorgeschaltet ist, der zur ebenen Fläche (1) hin mit einem unmittelbar auf der Fläche (1) montierbaren Boden (11) abgeschlossen ist, und der eine Seitenwandung (9) aufweist, die bis zu einer Höhe, die kleiner als die Höhe der Seitenwandung (9) ist, wenigstens eine Einlauföffnung (15) aufweist und oberhalb der Einlauföffnung (15) mit einer Deckelwandung (10) einen luftdicht abgeschlossenen Raum bildet, und dass die Anstaueinrichtung (7) innerhalb des Behälters (8) angeordnet ist.

2.

Notablaufvorrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass sich die Einlauföffnung (15) bis in den Bereich der Höhe der Anstaueinrichtung (7) erstreckt.

3.

Notablaufvorrichtung nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, dass sich die Einlauföffnung (15) bis in die oder unterhalb der Höhe der Anstaueinrichtung (7) erstreckt.

4.

Notablaufvorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass sich die Einlauföffnung (15) andererseits bis zum unteren Rand der Seitenwandung (9) erstreckt.

5.

Notablaufvorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass die Einlauföffnung (15) durch eine Vielzahl von Schlitzen (16) gebildet ist.

6.

Notablaufvorrichtung nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, dass die Schlitze (16) vertikal gerichtet sind.

7.

Notablaufvorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, dass die Anstaueinrichtung (7) durch den Rand eines Rohrstücks (4) gebildet ist.

8.

Notablaufvorrichtung nach Anspruch 7, dadurch gekennzeichnet, dass das Rohrstück (4) unmittelbar in das vertikale Ablaufrohr (2) mündet.

9.

Notablaufvorrichtung nach Anspruch 7 oder 8, dadurch gekennzeichnet, dass der Rand (7) der Ablauföffnung (6) trichterförmig aufgeweitet ist.

10.

Notablaufvorrichtung nach Anspruch 9, dadurch gekennzeichnet, dass die Ablauföffnung (6) eine nach radial bis zur Horizontalen umgebogenen Rand (7) aufweist.

Nach Hilfsantrag 1 lauten die Schutzansprüche:

1.

Notablaufvorrichtung für eine mit Wasserabläufen entwässerte Fläche (1), insbesondere Flachdach, mit einer Ablauföffnung (6), mit einer die Höhe eines Wasseranstaugrenzwertes (H) zu der Fläche (1) bestimmenden Anstaueinrichtung (7) und mit einem mit der Ablauföffnung (6) in Verbindung stehenden vertikalen Ablaufrohr (2), dadurch gekennzeichnet, dass in Strömungsrichtung der Ablauföffnung (6) ein Behälter (8) vorgeschaltet ist, der zur ebenen Fläche (1) hin mit einem Boden (11) abgeschlossen ist, der eine Seitenwandung (9) aufweist, die bis zu einer Höhe, die kleiner als die Höhe der Seitenwandung (9) ist, wenigstens eine Einlauföffnung (15) aufweist und oberhalb der Einlauföffnung (15) mit einer Deckelwandung (10) einen luftdicht abgeschlossenen Raum bildet, und dessen Boden (11) zur Befestigung des Behälters (8) auf der Fläche (1) ausgebildet ist, und dass die Anstaueinrichtung (7) innerhalb des Behälters (8) angeordnet ist.

2.

Notablaufvorrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass sich die Einlauföffnung (15) bis in den Bereich der Höhe der Anstaueinrichtung (7) erstreckt.

3.

Notablaufvorrichtung nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, dass sich die Einlauföffnung (15) bis in die oder unterhalb der Höhe der Anstaueinrichtung (7) erstreckt.

4.

Notablaufvorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass sich die Einlauföffnung (15) andererseits bis zum unteren Rand der Seitenwandung (9) erstreckt.

5.

Notablaufvorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass die Einlauföffnung (15) durch eine Vielzahl von Schlitzen (16) gebildet ist.

6.

Notablaufvorrichtung nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, dass die Schlitze (16) vertikal gerichtet sind.

7.

Notablaufvorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, dass die Anstaueinrichtung (7) durch den Rand eines Rohrstücks (4) gebildet ist.

8.

Notablaufvorrichtung nach Anspruch 7, dadurch gekennzeichnet, dass das Rohrstück (4) unmittelbar in das vertikale Ablaufrohr (2) mündet.

9.

Notablaufvorrichtung nach Anspruch 7 oder 8, dadurch gekennzeichnet, dass der Rand (7) der Ablauföffnung (6) trichterförmig aufgeweitet ist.

10.

Notablaufvorrichtung nach Anspruch 9, dadurch gekennzeichnet, dass die Ablauföffnung (6) eine nach radial bis zur Horizontalen umgebogenen Rand (7) aufweist.

Nach Hilfsantrag 2 lauten die Schutzansprüche:

1.

Notablaufvorrichtung für eine mit Wasserabläufen entwässerte Fläche (1), insbesondere Flachdach, mit einer Ablauföffnung (6), mit einer die Höhe eines Wasseranstaugrenzwertes (H) zu der Fläche (1) bestimmenden Anstaueinrichtung (7) und mit einem mit der Ablauföffnung (6) in Verbindung stehenden vertikalen Ablaufrohr (2), dadurch gekennzeichnet, dass in Strömungsrichtung der Ablauföffnung (6) ein Behälter (8) vorgeschaltet ist, der zur ebenen Fläche (1) hin mit einem unmittelbar auf der Fläche (1) montierbaren Boden (11) abgeschlossen ist, und der eine Seitenwandung (9) aufweist, die bis zu einer Höhe, die kleiner als die Höhe der Seitenwandung (9) ist, wenigstens eine Einlauföffnung (15) aufweist und oberhalb der Einlauföffnung (15) mit einer Deckelwandung (10) einen luftdicht abgeschlossenen Raum bildet, in dem sich nach dem Verschließen der Einlauföffnung (15)

durch das angestaute Wasser durch die Befüllung des vertikalen Ablaufrohrs (2) ein Unterdruck ausbildet, und dass die Anstaueinrichtung (7) innerhalb des Behälters (8) angeordnet ist.

2.

Notablaufvorrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass sich die Einlauföffnung (15) bis in den Bereich der Höhe der Anstaueinrichtung (7) erstreckt.

3.

Notablaufvorrichtung nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, dass sich die Einlauföffnung (15) bis in die oder unterhalb der Höhe der Anstaueinrichtung (7) erstreckt.

4.

Notablaufvorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass sich die Einlauföffnung (15) andererseits bis zum unteren Rand der Seitenwandung (9) erstreckt.

5.

Notablaufvorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass die Einlauföffnung (15) durch eine Vielzahl von Schlitzen (16) gebildet ist.

6.

Notablaufvorrichtung nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, dass die Schlitze (16) vertikal gerichtet sind.

7.

Notablaufvorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, dass die Anstaueinrichtung (7) durch den Rand eines Rohrstücks (4) gebildet ist.

8.

Notablaufvorrichtung nach Anspruch 7, dadurch gekennzeichnet, dass das Rohrstück (4) unmittelbar in das vertikale Ablaufrohr (2) mündet.

9.

Notablaufvorrichtung nach Anspruch 7 oder 8, dadurch gekennzeichnet, dass der Rand (7) der Ablauföffnung (6) trichterförmig aufgeweitet ist.

10.

Notablaufvorrichtung nach Anspruch 9, dadurch gekennzeichnet, dass die Ablauföffnung (6) eine nach radial bis zur Horizontalen umgebogenen Rand (7) aufweist.

Nach Hilfsantrag 3 lauten die Schutzansprüche:

1.

Notablaufvorrichtung für eine mit Wasserabläufen entwässerte Fläche (1), insbesondere Flachdach, mit einer Ablauföffnung (6), mit einer die Höhe eines Wasseranstaugrenzwertes (H) zu der Fläche (1) bestimmenden Anstaueinrichtung (7) und mit einem mit der Ablauföffnung (6) in Verbindung stehenden vertikalen Ablaufrohr (2), dadurch gekennzeichnet, dass in Strömungsrichtung der Ablauföffnung (6) ein Behälter (8) vorgeschaltet ist, der zur ebenen Fläche (1) hin mit einem unmittelbar auf der Fläche (1) montierbaren Boden (11) abgeschlossen ist, und der eine Seitenwandung (9) aufweist, die bis zu einer Höhe, die kleiner als die Höhe der Seitenwandung (9) ist, wenigstens eine Einlauföffnung (15) aufweist und oberhalb der Einlauföffnung (15) mit einer Deckelwandung (10) einen luftdicht abgeschlossenen Raum bildet, in dem sich nach dem Verschließen der Einlauföffnung (15) durch das angestaute Wasser durch die Befüllung des vertikalen Ablaufrohrs (2) ein Unterdruck ausbildet, dass der Boden (11) des Behälters (8) zur Befestigung des Behälters (8) auf der Fläche (1) ausgebildet ist, und dass die Anstaueinrichtung (7) innerhalb des Behälters (8) angeordnet ist.

2.

Notablaufvorrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass sich die Einlauföffnung (15) bis in den Bereich der Höhe der Anstaueinrichtung (7) erstreckt.

3.

Notablaufvorrichtung nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, dass sich die Einlauföffnung (15) bis in die oder unterhalb der Höhe der Anstaueinrichtung (7) erstreckt.

4.

Notablaufvorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass sich die Einlauföffnung (15) andererseits bis zum unteren Rand der Seitenwandung (9) erstreckt.

5.

Notablaufvorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass die Einlauföffnung (15) durch eine Vielzahl von Schlitzen (16) gebildet ist.

6.

Notablaufvorrichtung nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, dass die Schlitze (16) vertikal gerichtet sind.

7.

Notablaufvorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, dass die Anstaueinrichtung (7) durch den Rand eines Rohrstücks (4) gebildet ist.

8.

Notablaufvorrichtung nach Anspruch 7, dadurch gekennzeichnet, dass das Rohrstück (4) unmittelbar in das vertikale Ablaufrohr (2) mündet.

9.

Notablaufvorrichtung nach Anspruch 7 oder 8, dadurch gekennzeichnet, dass der Rand (7) der Ablauföffnung (6) trichterförmig aufgeweitet ist.

10.

Notablaufvorrichtung nach Anspruch 9, dadurch gekennzeichnet, dass die Ablauföffnung (6) eine nach radial bis zur Horizontalen umgebogenen Rand (7) aufweist.

Der einzig verbleibende Schutzanspruch 12, mit welchem das Gebrauchsmuster äußerst hilfsweise verteidigt wird, hat -nach Ergänzung der durch die Rückbeziehungen auf Anspruch 1 und Anspruch 11 mitumfassten Merkmale -folgenden Wortlaut:

Notablaufvorrichtung für eine mit Wasserabläufen entwässerte Fläche (1), insbesondere Flachdach, mit einer Ablauföffnung (6), mit einer die Höhe eines Wasseranstaugrenzwertes (H) zu der Fläche (1) bestimmenden Anstaueinrichtung (7) und mit einem mit der Ablauföffnung (6) in Verbindung stehenden vertikalen Ablaufrohr (2), wobei in Strömungsrichtung der Ablauföffnung (6) ein Behälter (8) vorgeschaltet ist, der zur ebenen Fläche (1) hin mit einem Boden (11) abgeschlossen ist, und der eine Seitenwandung (9) aufweist, die bis zu einer Höhe, die kleiner als die Höhe der Seitenwandung (9) ist, wenigstens eine Einlauföffnung (15) aufweist und oberhalb der Einlauföffnung (15) mit einer Deckelwandung (10) einen luftdicht abgeschlossenen Raum bildet, wobei sich die Anstaueinrichtung (7) außerhalb des Behälters (8) befindet, dadurch gekennzeichnet, dass die Anstaueinrichtung als sich über die Fläche (1) erhebende Stufe (7) vor oder in einem horizontalen Ablaufrohr (21) ausgebildet ist, das in das vertikale Ablaufrohr (2) übergeht.

Die Antragstellerin stützt sich in ihrer Begründung u. a. auf einen Stand der Technik nach der DE 91 06 459 U1 (D20), welcher den Gegenstand des Streitgebrauchsmusters neuheitsschädlich vorwegnehme sowie auf die Entgegenhaltungen GB 22 85 460 A (D3) und DE 27 25 468 A1 (D7), die in einer Zusammenschau den Gegenstand des Schutzanspruchs 1 für den zuständigen Fachmann nahelegten.

Dem widerspricht der Antragsgegner und führt aus, dass die Gegenstände der angegriffenen Schutzansprüche gegenüber dem aufgezeigten Stand der Technik neu seien und auch auf einem erfinderischen Schritt beruhten.

Zum weiteren Vorbringen der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und auch überwiegend begründet, da der Gegenstand des angegriffenen Gebrauchsmusters sowohl nach Hauptantrag als auch nach den Hilfsanträgen gemäß §§ 1 bis 3 GebrMG nicht schutzfähig ist. Hinsichtlich des im Übrigen hilfsweise verteidigten Schutzanspruchs 12, eingereicht am 5. Mai 2008, ist sie unbegründet.

1.

Als zuständigen Fachmann für den Bereich der streitgegenständlichen Notablaufvorrichtung sieht der Senat einen mit der Planung von Dachentwässerungen vertrauten Bauingenieur an.

2.

Die nach Hauptund Hilfsanträgen geltenden Fassungen des jeweiligen Schutzanspruchs 1 sind zulässig. Die jeweils hinzugenommenen Merkmale finden sich zwar nicht unmittelbar in den eingetragenen Schutzansprüchen. Sie sind jedoch für den Fachmann ohne weiteres aus dem Gesamt-Offenbarungsgehalt der Gebrauchsmusterschrift als zu der beanspruchten Erfindung gehörig entnehmbar. So ist die Montierbarkeit des Behälterbodens bzw. dessen Ausbildung zur Befestigung des Behälters (8) auf der Fläche (1) im ersten vollständigen Absatz der Seite 4 der GM-Schrift beschrieben, wobei der Senat keine Bedenken gegen die jeweilige textliche Abweichung in den Ansprüchen nach Hauptund betreffenden Hilfsanträgen hat. Ebenso ist das Merkmal der innerhalb des Behälters angeordneten Anstaueinrichtung ohne weiteres den Ausführungsbeispielen gemäß den Figuren 1 bis 4 zu entnehmen.

Schließlich beschreibt die in Hilfsantrag 2 und 3 aufgenommene Wirkungsangabe zur Ausbildung eines Unterdrucks in zulässiger Weise die Funktion der mit den gegenständlichen Merkmalen umschriebenen Anordnung.

3.

Gegenstand des Streit-Gebrauchsmusters ist -unbeschadet der unterschiedlichen Ausgestaltungen nach den geltenden Hauptund Hilfsanträgen -eine Notablaufvorrichtung für eine mit Wasserabläufen entwässerte Fläche, beispielsweise ein Flachdach. Eine derartige Vorrichtung muss in der Lage sein, bei Wassermengen, die von der üblicherweise vorhandenen "normalen" Entwässerung nicht mehr bewältigt werden (Starkregen und/oder Verlegen der anderen Abläufe durch Laub etc.) das Wasser zuverlässig über einen Notweg, also unabhängig vom normalen Entwässerungssystem, abzuleiten. Lediglich insoweit kann der diesbezüglichen Argumentation des Antragsgegners gefolgt werden, wonach der Begriff "Notablauf" funktionsmäßig das Vorhandensein eines "normalen" Entwässerungssystems (in Form weiterer, "normaler" Wasserabläufe) impliziert. Diese Implikation ist jedoch im angegriffenen Schutzanspruch bereits in Form der Zweckangabe "für eine mit Wasserabläufen entwässerte Fläche" aufgeführt, so dass schon von daher der Fachmann keine Veranlassung hat, eine weitergehende Interpretation in den Begriff "Notablauf" hineinzulegen als dessen explizit angegebene körperlichräumlichen Merkmale, die seine Funktion als Notablauf im o. a. Sinne sicherstellen. Dazu zählen insbesondere Elemente, die eine bestimmte Anstauhöhe des Wasserspiegels bewirken, ab welcher der Ablauf in Funktion tritt (Anstaueinrichtung 7) sowie Maßnahmen zum Erzielen einer gegenüber einem sog. Freispiegelablauf wesentlich höheren Abführleistung durch Erzeugen eines Unterdrucks (der Ablauföffnung 6 vorgeschalteter Behälter 8 mit Boden, Seitenwandung 9 mit darin angeordneter Einlauföffnung 15 und Deckel 10). Entgegen den weitergehenden Ausführungen des Antragsgegners steht nach Überzeugung des Senats daher eine aus dem Stand der Technik bekannte Ablaufvorrichtung bereits dann dem Gegenstand des Anspruchs 1 neuheitsschädlich entgegen, wenn sie sämtliche dieser gegenständlichen Merkmale aufweist, also für sich mit der Notablaufvorrichtung nach dem Streit-Gebrauchsmuster als solcher identisch übereinstimmt. Denn sie ist aufgrund der übereinstimmenden gegenständlichen Merkmale objektiv für den angegebenen Verwendungszweck geeignet.

Erwägungen hinsichtlich einer übereinstimmenden Aufgabenstellung, der zutreffenden "Gattung" einer Entgegenhaltung oder deren Relevanz für ein bestimmtes Fachgebiet oder weitere derartige Überlegungen des Fachmanns haben bei der Neuheitsbetrachtung keinen Raum; solche wären vielmehr alleine zur Beurteilung des Vorliegens eines erfinderischen Schrittes von Bedeutung. Hätte im Übrigen mit dem Streit-Gebrauchsmuster ein System unter Schutz gestellt werden sollen, welches i. S. der Argumentation des Antragsgegners aus Normalund Notablaufvorrichtungen besteht, so hätte dies dadurch im Schutzanspruch zum Ausdruck kommen müssen, dass dieser eben auf ein Entwässerungssystem und nicht eine Notablaufvorrichtung (als solche) gerichtet wäre. Unter dieser Prämisse steht dem Gegenstand des Schutzanspruchs 1 nach Hauptantrag und den Hilfsanträgen 1 bis 3, wie nachfolgend im Einzelnen begründet, die Wasserablaufvorrichtung nach der DE 91 06 459 U1 (D20) neuheitsschädlich entgegen.

4.1 Zum Hauptantrag Wie insbesondere der Fig. 9 der D20 i. V. m. der zugehörigen Figurenbeschreibung zu entnehmen ist, weist der dort dargestellte Ablauf eine Ablauföffnung (Pos. 5) sowie eine Anstaueinrichtung (Staurohr 8) auf, welche zwangsläufig die Höhe eines Wasseranstaugrenzwertes zu der umgebenden Fläche (93) bestimmt. Ferner steht dort ein vertikales Ablaufrohr (6) mit der Ablauföffnung (5) in Verbindung. Weiter ist dort in Strömungsrichtung der Ablauföffnung (5) ein Behälter (bestehend aus Ring 2, Deckel 3 und Bodenteil 4) vorgeschaltet, der eine Seitenwandung (2) aufweist, die ihrerseits eine Einlauföffnung (Ende des Drainagerohres 95 bzw. Öffnung links unterhalb der Bezugslinie zu 4) kleiner als die Höhe der Seitenwandung aufweist. Auch ist der Boden (4), beispielsweise über den umlaufenden Auflagerand (13) unmittelbar auf der Fläche (93) montierbar. Weiterhin bildet der aus Ring (2), Deckel (3) und Bodenteil (4) bestehende Behälter oberhalb der Einlauföffnung mit seiner Deckelwandung (3) einen luftdicht abgeschlossenen Raum. Dass die Anstaueinrichtung (8) schließlich innerhalb des Behälters angeordnet ist, ist aus der Fig. 9 unmittelbar evident.

Soweit der Antragsgegner diese Merkmalsübereinstimmung zumindest bezüglich des vorletzten Merkmals mit dem Argument bestreitet, der aus Ring (2), Deckel (3) und Bodenteil (4) bestehende Behälter sei wegen seiner bloßen Zusammenfügung aus Einzelteilen ohne besondere Abdichtungsmaßnahmen nicht luftdicht und könne deshalb keinen luftdicht abgeschlossenen Raum bilden, so geht dies nach Auffassung des Senats deswegen fehl, weil es auf eine absolute Dichtigkeit hier nicht ankommt und eine solche auch vom Anspruchswortlaut nicht gefordert ist. Vielmehr ist es für die angestrebte Wirkung hinreichend, wenn eine evtl. verbleibende Leckrate durch die nicht gänzlich abgedichteten Stoßfugen klein ist gegenüber dem mit dem Wasserstrom abgeführten Luftvolumen. Diese Voraussetzung ist offensichtlich schon dadurch gegeben, dass die Verbindung des Deckels (3) mit dem Wandteil (Ring 2) deutlich erkennbar mit einer Ringnut in Form einer Nut-Feder-Verbindung ausgeführt ist, was eine erheblich bessere Abdichtung ergibt als ein bloßes Aufliegen des Deckels. Auch spielt die relativ große Höhe des Behälters, die nach den Ausführungen des Antragsgegners die Unterdruckfunktion dieser Ablaufvorrichtung in Frage stelle, schon deswegen keine Rolle, weil einerseits der angegriffene Schutzanspruch zur Bemessung dieser Größe nichts aussagt und andererseits bei der in Bezug genommenen Darstellung nach Fig. 9 der D20 lediglich beispielhaft, aber nicht zwingend, die Seitenwandung des Behälters aus mehreren Ringen (2) aufgebaut ist, deren Höhe im Übrigen ebenfalls nicht zahlenmäßig festgelegt ist. Damit weist das Ausführungsbeispiel nach Fig. 9 der D20 sämtliche Merkmale des angegriffenen Patentanspruchs 1 auf. Zwangsläufig folgt aus diesem identischen Aufbau aber auch eine mit dem Patentgegenstand übereinstimmende Funktion dieser Ablaufvorrichtung, nämlich eine nach Erreichen einer bestimmten (durch das höhenverstellbare Staurohr 8 einstellbaren) Anstauhöhe H einsetzende Saugwirkung aufgrund des sich einstellenden Unterdrucks durch Einströmen des Wassers in das Ablaufrohr und Mitreißen von Luft aus dem praktisch luftdicht abgeschlossenen Raum, was zu der angestrebten beschleunigten Wasserabführung von der umgebenden Fläche führt.

4.2 Zum Hilfsantrag 1 Vom Merkmalsumfang des Schutzanspruchs 1 nach Hauptantrag unterscheidet sich derjenige gemäß Hilfsantrag 1 einmal durch die Modifizierung des Merkmals der Montierbarkeit des Behälterbodens dahingehend, dass dieser nunmehr "zur Befestigung des Behälters (8) auf der Fläche (1) ausgebildet ist". Der Senat sieht in dieser Formulierung jedoch lediglich eine gleichbedeutende Umschreibung des betreffenden Merkmals gemäß Hauptantrag, wonach der Boden unmittelbar auf der Fläche montierbar sein soll. Jedenfalls ist der Boden auch bei der Vorrichtung nach der D20, wiederum beispielsweise über den umlaufenden Auflagerand (13), zur Befestigung des Behälters auf der Fläche ausgebildet, wie auch die Figurenbeschreibung explizit ausführt (s. dort Seite 6, Zeilen 9 bis 12). Da die weiteren Merkmale des Schutzanspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 mit denjenigen gemäß Hauptantrag identisch übereinstimmen, ist die Schutzfähigkeit ebenso übereinstimmend zu beurteilen. Auch der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 ist demnach gegenüber dem Stand der Technik nach der D20 nicht neu.

4.3 Zum Hilfsantrag 2 Der Merkmalsumfang des Schutzanspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 entspricht identisch demjenigen gemäß Hauptantrag unter Hinzunahme des funktionellen Merkmals bezüglich des luftdicht abgeschlossenen Raums, nämlich "in dem sich nach dem Verschließen der Einlauföffnung (15) durch das angestaute Wasser durch die Befüllung des vertikalen Ablaufrohrs (2) ein Unterdruck ausbildet". Unbeschadet des Umstandes, dass diese Funktionsangabe nicht geeignet ist, den Gegenstand des Anspruchs 1 räumlichkörperlich von dem der Druckschrift D20 zu unterscheiden, und somit dessen Neuheit nicht stützen kann, hat zwangsweise auch der Ablauf nach Fig. 9 der D20 diese Wirkung. Wenn sich eine derartige Unterdruckbildung nämlich bei der streitgegenständlichen Notablaufvorrichtung ausbildet, dann aufgrund der konkreten gegenständlichen Anordnung des luftdicht abgeschlossenem Raums mit der Anstauvorrichtung. Eine identische Anordnung weist aber, wie oben zum Hauptantrag ausgeführt, auch der Ablauf nach der D20 auf. Mithin ist auch der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 gegenüber dem Stand der Technik nach der D20 nicht neu.

4.4 Zum Hilfsantrag 3 Schutzanspruch 1 nach Hilfsantrag 3 umfasst eine Kombination der Merkmale aus dem jeweiligen Anspruch 1 gemäß den Hilfsanträgen 1 und 2. Da deren Gegenstände, wie oben unter Punkt 2.2 und 2.3 ausgeführt, gegenüber der Ablaufvorrichtung nach der D20 nicht neu sind, kann auch deren Kombination zu keinem neuen Gegenstand führen. Der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 nach Hilfsantrag 3 ist daher gegenüber dem Stand der Technik nach der D20 ebenfalls nicht neu.

4.5 Zum verbleibenden Hilfsantrag Der Schutzanspruch 12, eingereicht mit Schriftsatz vom 5. Mai 2008, mit welchem das Streit-Gebrauchsmuster äußerst hilfsweise verteidigt wird, betrifft eine alternative Ausführungsform der beanspruchten Notablaufvorrichtung in der Fassung, wie sie mit dem angefochtenen Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung II des Deutschen Patentund Markenamtes als schutzfähig erkannt wurde. Sie unterscheidet sich von dem dort in Bezug genommenen Schutzanspruch 1 (entsprechend dem eingetragenen Schutzanspruch 7) durch die Merkmale, dass "sich die Anstaueinrichtung (7) außerhalb des Behälters (8) befindet und die Anstaueinrichtung als sich über die Fläche (1) erhebende Stufe (7) vor oder in einem horizontalen Ablaufrohr (21) ausgebildet ist, das in das vertikale Ablaufrohr (2) übergeht".

Da nach Überzeugung des Senats keine der zum Stand der Technik aufgezeigten Druckschriften eine derartige Ausgestaltung zeigt und hiervon auch keine Anregung in diese Richtung ausgeht, ist der Gegenstand des Schutzanspruchs 12, in seiner Rückbeziehung auf die Ansprüche 1 und 11 neu und beruht auch auf einem erfinderischen Schritt. Die Beschwerde und der Feststellungsantrag der Antragstellerin waren somit im übrigen Umfang zurückzuweisen.

5.

Da der Senat der Auffassung des Antragsgegners, die anspruchsgemäßen Bezeichnung "Notablaufvorrichtung" umfasse auch maßgebliche Merkmale, die sich in den Ansprüchen nicht widerspiegeln, nicht zu folgen vermag, bestand auch keine Veranlassung die Rechtsbeschwerde zu der Rechtsfrage zuzulassen, inwiefern sich dieser Umstand darauf auswirken kann, welche Druckschriften für die Neuheitsprüfung heranzuziehen sind.

6.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 18 Abs. 2 GebrMG in Verbindung mit § 84 Abs. 2 PatG, §§ 91 ff. ZPO, und berücksichtigt das jeweilige Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten in den beiden Rechtszügen des Löschungsverfahrens. Dass die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert, ist nicht ersichtlich.

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BPatG:
Beschluss v. 22.07.2009
Az: 35 W (pat) 465/07


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