Bundespatentgericht:
Beschluss vom 27. Oktober 2004
Aktenzeichen: 28 W (pat) 64/04

(BPatG: Beschluss v. 27.10.2004, Az.: 28 W (pat) 64/04)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 31 vom 15. Dezember 2003 aufgehoben.

Gründe

I.

Angemeldet zur Eintragung in das Markenregister ist das Wort Orangerieund zwar ursprünglich als Kennzeichnung für die Waren

"lebende Pflanzen und natürliche Blumen, insbesondere Rosen und Rosenpflanzen; Vermehrungsgut von Pflanzen".

Die Markenstelle für Klasse 31 hat die Anmeldung als freihaltungsbedürftige beschreibende Angabe gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die angemeldete Wortmarke beschreibe die beanspruchten Waren lediglich dahingehend, dass diese in einem als Orangerie bezeichneten Gewächshaus, das traditionsgemäß der Zucht und Pflege von Zierpflanzen diene, angepflanzt und gezüchtet würden, wo sie vor Frost geschützt seien. Mittlerweile würden nämlich Gewächshäuser und Wintergärten, an alte Tradition und an den Baustil anknüpfend, auch als Orangerien bezeichnet. Zumindest Fachleute, aber auch Laien würden den Sinngehalt erkennen, so dass das Wort zur freien Verwendung für alle Pflanzenzüchter benötigt werde.

Mit der hiergegen gerichteten Beschwerde verfolgt die Anmelderin unter Beschränkung des Warenverzeichnisses auf "Rosen und Rosenpflanzen; Vermehrungsgut von Rosen" ihr Begehren auf Eintragung weiter und macht geltend, dass die angemeldete Marke keine unmittelbare Beschreibung der beanspruchten Waren enthalte, insbesondere kein Wesensmerkmal der Ware anspreche, selbst wenn der Verkehr das Markenwort als Synonym für "Gewächshaus" verstehe. Dementsprechend könne weder ein Freihaltungsbedürfnis noch ein Mangel der Unterscheidungskraft festgestellt werden.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die gemäß § 165 Abs. 4 MarkenG zulässige Beschwerde ist begründet. Der begehrten Eintragung in das Markenregister steht weder das Eintragungshindernis des Freihaltebedürfnisses (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG) noch das der fehlenden Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) entgegen.

1. An der angemeldeten Marke besteht in Bezug auf die beanspruchten Waren kein Freihaltebedürfnis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, denn es ist nicht ersichtlich, dass sie als konkrete Angabe über wesentliche Eigenschaften der unter dieser Marke angebotenen Waren dienen könnte und deswegen für die Mitbewerber der Anmelderin freigehalten werden müsste.

Um eine Marke von der Eintragung auszuschließen - auf die nach § 33 Abs. 2 S. 2 MarkenG ein Anspruch besteht, so dass Zweifel letztlich zugunsten der Anmeldung zu werten sind - bedarf es konkreter Anhaltspunkte dafür, dass sich eine Bezeichnung ausschließlich und unzweideutig zur Beschreibung der Waren eignet. Die bloße Vermutung oder Möglichkeit, dass eine Marke in einem bestimmten Sinn verstanden wird und sich daraus ein warenbeschreibender Bezug ergeben könnte, genügt nicht.

Im vorliegenden Fall konnte hinsichtlich der hier streitigen Waren ein beschreibender Gebrauch des beanspruchten Markenwortes im Inland nicht belegt werden.

Bereits die von der Markenstelle zugrunde gelegte Bedeutung des Begriffs "orangerie" als "Gewächshaus" ist nicht zwingend. In Lexika wird neben der Bedeutung für ein "Gewächshaus in Parkanlagen des 18./19. Jh. zum Überwintern von exotischen Gewächsen" (vgl. Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache Band 6 (1999), S. 2811; Duden, Das große Fremdwörterbuch, 3. Aufl. 2003, S. 964) als weitere Bedeutung "Garten mit Apfelsinenbäumen (bes. bei Lustschlössern)" angegeben (vgl. Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 7. Aufl. 2002, S. 944; Wahrig, Fremdwörterlexikon, 1999, S. 660). Ein "Glashaus-Zentrum Nord" wirbt im Internet (www.glashauszentrum.de/) mit der Unterzeile "Wir sind seit 25 Jahren Ihr Partner für Gewächshaus, Wintergarten, Pavillon, Orangerie und Vordächer" - also offenbar etwas anderes als Gewächshaus - und verweist im weiteren Text auf die Wurzeln der Orangerie im 17. Jh., in denen "kleine Landschaften unter Glas" entstanden, "die auch als Treffpunkt genutzt wurden. Im Vergleich zum Pavillon oder zur Pagode gibt die Orangerie räumlich und gestalterisch weiteren Freiraum um die eigenen Ideen umzusetzen. ..." Auch wenn eine "Orangerie" ursprünglich zum Überwintern von nicht frostfesten oder empfindlichen Pflanzen diente, so ist der Begriff heutzutage nur noch bekannt für die meistens in barocke Schlossanlagen integrierten ortsfesten Häuser, die neben der Überwinterung von exotischen Pflanzen weiteren - meist gesellschaftlichen - Zwecken dienten (vgl. Brockhaus, Enzyklopädie, 20. Aufl. Band 16 (1998), S. 269) und heute neben Kultureinrichtungen auch Restaurationsbetriebe beherbergen (vgl. in diesem Zusammenhang die Entscheidung des BPatG, 24. Senat, Az.: 24 W (pat) 50/02 vom 14. Januar 2003 - Orangerie als freihaltungsbedürftige Angabe für die Dienstleistung "Verpflegung von Gästen"). Ihre Funktion als Gewächshaus spielt dabei nur noch eine untergeordnete Rolle, zumal für den gewerblichen Einsatz die Unterhaltskosten nicht konkurrenzfähig sein dürften. Jedenfalls lässt sich nicht ermitteln, dass gerade Orangerien für die Pflege und Aufzucht von Rosenpflanzen und Vermehrungsgut für Rosen bestimmt oder besonders geeignet sind oder dementsprechend verwendet werden, zumal Rosen als Freilandpflanzen grundsätzlich Frost vertragen und Vermehrungsgut ebenfalls im Freiland gehalten wird.

Das Verkehrsverständnis der Marke im Sinne von "Gewächshaus" lässt sich auch nicht daraus herleiten, dass von einigen Firmen unter der Bezeichnung "Orangerie" Wintergärten angeboten werden. Diese sind nicht in erster Linie als Gewächshaus gedacht, sondern als zusätzlicher Aufenthaltsraum unter Umständen mit der Möglichkeit, empfindliche Pflanzen überwintern zu lassen, wobei auch hier auf übermäßige Wärme oder Sonneneinstrahlung geachtet werden muss. Zur Andeutung des Flairs solcher Wintergärten greift man offenbar gerne auf die vorliegend beanspruchte Bezeichnung zurück. Doch selbst in diesem Kontext lässt sich nicht feststellen, dass zwischen den noch beanspruchten Waren und dem Markenwort ein sachlicher Zusammenhang besteht. Dem Käufer einer entsprechend gekennzeichneten Rosenpflanze könnte das Wort "Orangerie" allenfalls den Hinweis vermitteln, dass sie aus einem solchen Glashaus stammt oder für eine solche geeignet ist. Hierbei handelt es sich aber eher um eine vage Vermutung, die nicht durch entsprechende Verwendungsbeispiele belegt werden kann, zumal auch Wörterbücher und Fachlexika keinen entsprechenden Eintrag für Rosen aufweisen und die meisten Verbraucher über keine Orangerie im heutigen Sinne verfügen und daher kaum mit dem Begriff die Vorstellung verbinden, eine aus einer Orangerie stammende Rose habe besondere Eigenschaften gegenüber der Pflege in einem Gewächshaus. In gleicher Weise enthalten die von der Markenstelle herangezogenen Belege ebenfalls keine unmittelbar beschreibende Verwendung des als Marke beanspruchten Wortes für die betroffenen Waren. Ein Freihaltungsbedürfnis scheidet unter diesen Umständen aus, zumal auch zweifelhaft ist, ob ein beschreibender Sinngehalt vom Verkehr überhaupt erkannt wird, nachdem andere Fachwörter zur Verfügung stehen. Dass sich der mögliche warenbeschreibende Sinn einer Marke aber erst nach mehreren Überlegungen und gedanklichen Konstruktionen erschließt, genügt nicht den Erfordernissen einer unzweideutigen und unmittelbar beschreibenden Angabe, zumal diese nicht als Fachwort nachweisbar ist.

2. Für eine Verneinung der Unterscheidungskraft fehlt es ebenfalls an entsprechenden Feststellungen, zumal jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft ausreicht, um das Schutzhindernis zu überwinden. Kann einer Wortmarke kein für die fraglichen Waren im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsgehalt zugeordnet werden und handelt es sich auch sonst nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen Sprache, das vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, gibt es keinen Anhalt dafür, dass ihr die Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt.

Im vorliegenden Fall ist bereits zweifelhaft, ob die beteiligten Verkehrskreise die Marke überhaupt auf die Ware beziehen oder sie eher für einen Fantasiebegriff halten. Aber selbst dann ergibt sich im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren kein so klarer Sinngehalt, der die Annahme rechtfertigt, die Bezeichnung werde nicht als Betriebshinweis verstanden.

Nach alledem musste die Beschwerde der Anmelderin Erfolg haben.

Stoppel Schwarz-Angele Paetzold Pü






BPatG:
Beschluss v. 27.10.2004
Az: 28 W (pat) 64/04


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