Kammergericht:
Urteil vom 22. Januar 2004
Aktenzeichen: 8 U 170/03

(KG: Urteil v. 22.01.2004, Az.: 8 U 170/03)

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 22. Januar 2003 verkündete Urteil der Zivilkammer 99 des Landgerichts Berlin wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10 % abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Berufung der Beklagten richtet sich gegen das am 22. Januar 2003 verkündete Urteil der Zivilkammer 99 des Landgerichts Berlin, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird.

Die Beklagte trägt zur Begründung der Berufung vor:

Das Landgericht sei unzutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte zur Gründung einer neuen Aktiengesellschaft oder jedenfalls zur Ausstattung einer bestehenden Aktiengesellschaft mit einem Grundkapital von 100 Mio. DM aufgrund der Vereinbarung vom 17. Februar 2002 wirksam verpflichtet worden sei. Denn die Vereinbarung sei als Vorvertrag zur Errichtung einer Aktiengesellschaft mangels Einhaltung der notariellen Form nichtig. Entgegen der Annahme der Klägerin und des Landgerichts liege ein Vorvertrag nicht nur vor, wenn sich die Vertragsparteien verpflichten gemeinsam eine Aktiengesellschaft zu gründen, sondern auch wenn einer oder mehrere Gründer sich gegenüber einem Dritten zur Gründung verpflichten. Ein solcher Vorgründungsvertrag bedürfe der notariellen Form, wenn er zu einem klagbaren Anspruch auf Beteiligung an einer Aktiengesellschaft führen solle. Der Vertrag vom 17. Februar 2000 enthalte alle erforderlichen Einzelheiten, so dass auf die Errichtung der Aktiengesellschaft hätte geklagt werden können. Denn es sei die Gesellschaftsform (Aktiengesellschaft) bestimmt, das Grundkapital von 100 Mio. DM sei festgelegt und darüber hinaus seien auch der Unternehmensgegenstand (Erwerb und Betrieb von ertragsstarken Bestandteilen des Unternehmensverbundes, zu dem auch das Betriebsvermögen der "D G" M gehört, als Betreibergesellschaft) und sogar die Beteiligung der Klägerin mit 4 % oder 4,0 Mio. DM bestimmt. Aber selbst wenn der Vorgründungsvertrag nicht alle Essentialia enthalten würde, so sei die Vereinbarung bereits wegen nicht hinreichender Bestimmtheit unwirksam.

Das Landgericht habe die Regelung in Ziff. 5.2 der Vereinbarung unzutreffend ausgelegt. So ergebe sich aus den vorgelegten Entwürfen der Vereinbarung mit den handschriftlichen Anmerkungen, dass diese Regelung Gegenstand umfangreicher Verhandlungen gewesen sei. Entgegen der Annahme des Landgerichts sei die Beteiligung von 4,7 % nicht mit dem Betrag von 4,7 Mio. DM gleichzusetzen. Die Beteiligung hätte nach oben hin mit dem Betrag von 4,7 Mio. DM gedeckelt sein sollen. Wenn die Beteiligung einen Wert von mehr als 4,7 Mio. DM ausmachen würde, wäre der Prozentsatz entsprechend geringer ausgefallen. Inhalt der Regelung in Ziff. 5.2 sei es gerade, die Klägerin entweder mit 4,7 % an einer mit einem Grundkapital von 100 Mio. DM ausgerüsteten neuen Aktiengesellschaft oder aber an einer Aktiengesellschaft mit geringerem oder höherem Grundkapital in einer wertmäßigen Höhe von 4,7 Mio. DM zu beteiligen. Davon sei auch die Klägerin ausgegangen. Die Möglichkeit, auch eine nicht neu gegründete Aktiengesellschaft, sondern eine bereits bestehende Aktiengesellschaft als Betreibergesellschaft zu nutzen, sei von der Beklagten auch schon vor Abschluss der Vereinbarung angedacht worden. Dazu sei es dann auch gekommen, ohne dass dies die Klägerin moniert habe. So sei der Klägerin mit Schreiben vom 02. März 2001 die Beteiligung an der S E mit einem Grundkapital von 36 Mio. DM angeboten worden. Nach den Börsenkursen habe der Wert der angebotenen Aktien 4.262.400,00 Euro entsprochen. Am 19. März 2002 habe die Beklagte dann die Übertragung eines Aktienpaketes von 11,11 % angeboten, welche einen Gesamtwert von 2.431.756,80 Euro gehabt hätten. Daher sei ein Schaden der Klägerin nicht zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

1. unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen;

2. im Falle der eigenen Sachentscheidung durch das Berufungsgericht abändernd die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin erwidert:

Entgegen der Ansicht der Beklagten sei die Vereinbarung vom 17.Februar 2000 nicht formbedürftig, weil sie keinen beurkundungspflichtigen Vorgründungsvertrag enthalte. Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, ihr, der Klägerin, eine Unternehmensbeteiligung an der M in bestimmter Höhe einzuräumen. Diese Beteiligung hätte unmittelbar nach erfolgter Einigung zwischen der Beklagten und dem Insolvenzverwalter der S eingeräumt werden sollen. Hieraus folge, dass die Beklagte nicht etwa verpflichtet gewesen sei, eine M ohne oder unter Mitwirkung der Klägerin zu gründen, sondern der Klägerin im Nachhinein eine Beteiligung daran einzuräumen. Die Einordnung von Haupt- und Ergänzungsvereinbarung als Austauschvertrag und nicht als Vorgründungsvertrag ergebe sich zudem auch aus dem Hintergrund des Zustandekommens dieser Vereinbarungen. So habe die Beklagte in den Musical- Markt einsteigen wollen und zu diesem Zwecke die Vermögenswerte der S übernehmen wollen. Der Insolvenzverwalter der S habe seine Entscheidung darüber, ob er die Vermögenswerte an die Beklagte oder den weiteren Interessenten, nämlich den niederländischen Musical- Veranstalter v, veräußere, davon abhängig gemacht, mit wem die Klägerin eine Einigung über die Anmietung des Musical- Theaters erziele. Beiden Interessenten gegenüber habe die Klägerin deutlich gemacht, dass nur derjenige, der die ausstehenden Mietforderungen bar begleiche, als Mieter in frage komme. Hierzu sei nur die Beklagte, nicht jedoch das niederländische Unternehmen, bereit gewesen. Allein deswegen habe die Beklagte den Zuschlag für die Anmietung erhalten. Erst im Zuge der Besprechung am 18. Januar 2000 habe der Vorstandsvorsitzende der Beklagten als Gegenleistung für einen Mietvertragsabschluss an Stelle der ursprünglich versprochenen Barzahlung Aktien angeboten. Die Beklagte habe dann mit Schreiben vom 15. Februar 2000 die Einräumung einer unentgeltliche geringeren Beteiligung von 3 % an der Betreibergesellschaft angeboten, später habe man sich dann auf 4,7 % geeinigt.

Soweit die Beklagte der Ansicht sei, die Beklagte habe entweder 4,7 % der Aktien an einer mit einem Grundkapital von 100 Mio. DM ausgestatteten Aktiengesellschaft oder aber im Falle einer Aktiengesellschaft mit abweichendem Grundkapital Aktien in Höhe eines Börsenwertes von 4,7 Mio. DM zu übertragen, so treffe dies nicht zu. Vielmehr habe die Beklagte kein Wahlrecht, sondern sei verpflichtet, Aktien im Werte vom 4 Mio. DM an einer mit einem Grundkapital von 100 Mio. DM ausgestatteten Aktiengesellschaft zu übertragen.

Die von der Beklagten unterbreiteten Angebote seien nicht vertragsgerecht gewesen.

Die Klägerin hat den im Wege der Zwischenfeststellungsklage zunächst angekündigten Antrag, festzustellen, dass sich die Beklagte im Verzug mit der Annahme der von der Klägerin angebotenen Abtretung sämtlicher bis zum 17. Februar 2000 aufgelaufenen Mietzins- und Nebenkostenforderungen der Klägerin gegen die "D" M aus dem Mietvertrag zwischen der Klägerin und der "D" M vom 09. Juni 1996 befindet, zurückgenommen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagte hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Beklagte zu Recht zum Schadensersatz wegen Nichterfüllung der Hauptvereinbarung vom 17. Februar 2000 in der Fassung der Ergänzungsvereinbarung vom 15. August 2000 verurteilt (§§ 437,440 Abs. 1, 326 Abs. 1 Satz 2 BGB).

1.

Die Hauptvereinbarung vom 17. Februar 2000 ist € entgegen der Ansicht der Beklagten € nicht gemäß § 23 AktG in Verbindung mit § 125 BGB nichtig. Die Vereinbarung ist formlos wirksam, weil darin kein die Gründung einer Aktiengesellschaft betreffender Vorvertrag enthalten ist.

a)

Nach nahezu einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur bedarf der Abschluss eines Vorvertrages oder Vorgründungsvertrages, mit dem sich die künftigen Gründer zur Gründung einer Aktiengesellschaft verpflichten, wegen der Warnfunktion des § 23 AktG der notariellen Form (Hüffer, Aktiengesetz, 5. Auflage, § 23 AktG, Rdnr.14; Pentz in Münchener Kommentar Aktiengesetz, 2. Auflage, § 41 AktG, Rndr.14; Kraft in Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, 2. Auflage, § 41 AktG, Rdnr.11; Geßler/Hefermehl/Eckart/Kropff, Aktiengesetz, Band I, 1984, § 19 AktG, Rdnr.42). Der Formverstoß führt zur Nichtigkeit des Vertrages (§ 125 BGB). Hingegen sind einzelne schuldrechtliche Verpflichtungen für den Fall, dass es zu der Gründung der Gesellschaft kommt, formfrei wirksam (Hefermehl, u.a., a.a.O., § 29 AktG, Rdnr.42; vgl. auch BGH WM 1969,291 = BB 1969,772; RGZ 130, 73). Die Hauptvereinbarung vom 17. Februar 2000 in der Fassung der Ergänzungsvereinbarung vom 15. August 2000 ist nicht als Vorgründungsvertrag einer Aktiengesellschaft anzusehen. Zunächst ist entscheidend, dass die Klägerin selbst nicht Gründerin der Aktiengesellschaft sein sollte. Die Parteien schlossen vielmehr einen schuldrechtlichen Vertrag, mit dem die Beklagte sich verpflichtete, der Klägerin nach Gründung einer mit einem Grundkapital von 100 Mio. DM ausgestatteten Aktiengesellschaft hieran eine Beteiligung in bestimmter Höhe einzuräumen. Ein solcher schuldrechtlicher Vertrag bedarf nicht der notariellen Form.

b)

Der in der Vereinbarung vom 17. Februar 2000 festgelegte Zweck und die Gesamtheit der Regelung haben von ihrem Inhalt her nicht den Abschluss eines Vorgründungsvertrages zum Gegenstand. Vielmehr handelt es sich nach dem Wortlaut des § 5 Ziff. 5.2 um eine Vereinbarung, mit der die Klägerin einen Ausgleich für Forderungen in Höhe von 4,7 Mio. DM aus dem Mietvertrag mit der M erhalten sollte.

Anlass der Vereinbarung war, dass die Beklagte mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter der S über den Erwerb von ertragsstarken Bestandteilen des Unternehmensverbundes verhandelte. Unstreitig ist auch, dass die Entscheidung des Insolvenzverwalters über die Veräußerung maßgeblich davon mitbeeinflusst wurde, welcher Bieter mit der Klägerin eine Einigung über die Anmietung des Musical- Theaters erzielen würde. Dies findet mittelbar auch seinen Niederschlag in § 1, in dem der Zweck der Vereinbarung festgelegt wird. Danach erklärte sich die Klägerin bereit, die Beklagte bei ihren Verhandlungen mit dem Insolvenzverwalter zu unterstützen. Die Klägerin verpflichtete sich ferner, unmittelbar nach Zustandekommen einer Einigung zwischen der Beklagten und dem Insolvenzverwalter einen Mietvertrag mit der Beklagten bzw. der Betreibergesellschaft abzuschließen (§§ 2,3 der Vereinbarung). Da die Klägerin den Abschluss des Mietvorvertrages bzw. künftigen Mietvertrages jedoch an die Bedingung knüpfte, dass der neue zukünftige Mieter auch einen Ausgleich der Mietrückstände garantierte, vereinbarten die Parteien in § 5, dass die Klägerin eine Beteiligung an der M einzuräumen ist. Nach § 1 Ziff.1.2 der Vereinbarung haben die Parteien vorausgesetzt, dass die Beklagte eine Betreibergesellschaft € nämlich die M € gründet, die mit einem Stammkapital von 100 Mio. DM ausgestattet ist. In Ziff.5.2 hat sich dann die Beklagte verpflichtet, der Klägerin an dieser (zuvor bereits gegründeten) M eine Beteiligung in einer bestimmten Höhe einzuräumen. Dies entspricht auch der Formulierung in der Ergänzungsvereinbarung, in der von einer "einzuräumenden Beteiligung" die Rede ist. Dies stellt selbst aber keine Verpflichtung der Beklagten gegenüber der Klägerin dar, eine solche Aktiengesellschaft zu begründen. Vielmehr haben die Parteien aufgrund beiderseitigen Interessenlagen vertragliche Vereinbarungen getroffen, die das Entstehen einer Aktiengesellschaft sicher voraussetzen, ohne aber selbst eine Verpflichtung zur Gründung zu schaffen (vgl. RG, a.a.O., Seite 75 für GmbH). Die Einräumung der Beteiligung stellt einen Ausgleich für die der Klägerin gegen die M zustehenden Forderungen aus dem Mietvertrag in Höhe von 4,7 Mio. DM (Mietrückstände und verauslagte Ausbaukosten) dar und ist zugleich die Gegenleistung für den Abschluss des Mietvorvertrages bzw. künftigen Mietvertrages. Insoweit hat das Landgericht auch das Schreiben des Vorstandsvorsitzenden der Beklagten vom 15. Februar 2000 zutreffend gewürdigt, wonach die einzuräumende Gesellschaftsbeteiligung als "Ersatz für die entgangenen Mieten" geleistet werden sollte. Auch die zunächst vereinbarte Höhe der Beteiligung von 4,7 Mio. DM bzw. 4,7 % des Grundkapitals spricht dafür, dass für die Klägerin ein Ausgleich für die Mietforderung geschaffen werden sollte. Solche im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Vereinbarungen unterliegen nicht dem Formerfordernis des § 23 AktG. Denn sie sind schon vom Charakter her kein eigentlicher Gründungsvorvertrag (vgl. RG, a.a.O.).

Aus der von der Beklagten in Bezug genommene Entscheidung des BGH vom 21. September 1987 (WM 1988, 163) ergibt sich für den vorliegenden Fall nichts anderes. Denn in diesem Fall ging es von vornherein darum, dass die Vertragspartner (die Eheleute Dr. G.) gemeinsam mit dem dortigen Beklagten zu 1) eine GmbH gründen wollten. Der dortige Beklagte zu 1) war gerade nicht verpflichtet, worauf die Klägerin zutreffend hinweist, zunächst eine GmbH zu gründen und dann den Eheleuten Dr. G. daran eine Beteiligung einzuräumen. Auch in dieser Entscheidung geht der BGH davon aus, dass ein Versprechen eines Vertragspartners, für den Fall, dass dieser eine GmbH gründen würde, einen anderen an dieser GmbH zu beteiligen, grundsätzlich formfrei ist (BGH, a.a.O., Seite 164 rechte Spalte oben). Der BGH hat hier ausgeführt, dass ein solches formfreies Versprechen in dem dortigen Falle deswegen ausscheidet, weil eine Gründung der GmbH ohne die Eheleute Dr. ... von Anfang an nicht in Betracht gezogen worden sei und es daher von vornherein an einem Objekt fehle, auf dass sich ein solches Versprechen hätte beziehen können (BGH, a.a.O.). In dem vorliegenden Fall sollte die M ohne Einbeziehung der Klägerin gegründet werden und der Klägerin erst danach eine Beteiligung eingeräumt werden.

Soweit die Beklagte mit der Berufung geltend macht, dass das Landgericht unzutreffend davon ausgegangen sei, dass eine Formbedürftigkeit nur anzunehmen sei, wenn beide Parteien sich als Gründer einer zukünftigen Aktiengesellschaft verpflichten, jedoch das Formerfordernis gerade dann Bedeutung hat, wenn sich einer oder mehrere Gründer gegenüber Dritten verpflichten, kommt es darauf für die Entscheidung nicht an. Zwar kann der Vorgründungsvertrag auch Personen umfassen, die nicht Gründer werden sollen. Die Frage der Formbedürftigkeit richtet sich aber ausschließlich nach dem Inhalt der Vereinbarung (Kraft, a.a.O., § 41 AktG, Rdnr.13). Vorliegend handelt es sich aus den dargelegten Gründen gerade nicht um einen Vorgründungsvertrag, so dass diese Frage sich hier nicht stellt. Aus diesem Grunde sind auch die Ausführungen der Beklagten zur inhaltlichen Bestimmtheit des Vertrages und sich daraus ergebener Konsequenzen für die Entscheidung letztlich ohne Belang. Allerdings spricht der Umstand, dass in der Vereinbarung bereits die Gründer der beabsichtigten Betreibergesellschaft nicht ersichtlich sind, gerade dagegen, dass der Vertrag als Vorgründungsvertrag einzuordnen wäre, worauf die Klägerin zutreffend hinweist.

2.

Das Landgericht hat die Regelung in § 5 Ziff.5.2 zutreffend auch dahingehend ausgelegt, dass die Beklagte die Einräumung einer Beteiligung in Höhe von 4 % an einer mit einem Grundkapital von 100 Mio. DM ausgestatteten Aktiengesellschaft schuldete. So ist in § 1 Ziff.1.2. geregelt, dass die Betreibergesellschaft mit einem "Stammkapital von 100 Mio. DM ausgestattet ist". Hinsichtlich des gewählten Begriffes Stammkapital hat das Landgericht ausgeführt, dass es sich insoweit um eine von beiden Parteien verwendete unbeachtliche Falschbezeichnung handelt. Denn unstreitig war die Übertragung der Beteiligung an einer Aktiengesellschaft angestrebt. Der aus dem GmbH-Recht stammende Begriff des Stammkapitals entspricht dem im Aktienrecht verwendete Begriff "Grundkapital", gemeint ist in beiden Fällen die Kapitalausstattung der Gesellschaft. Die Beklagte ist diesen Ausführungen mit der Berufung auch nicht mehr entgegentreten. Wenn aber in § 1 Ziff.1.2. das Grundkapital mit 100 Mio. DM vorausgesetzt wird, so kann die Regelung in § 5 Ziff.5.2. nur dahin ausgelegt werden, dass die Beteiligung von 4,7 % dem Betrag von 4,7 Mio. DM gleichzusetzen ist (später durch die Ergänzungsvereinbarung herabgesetzt auf 4,0 % bzw. 4,0 Mio. DM). In § 5 Ziff.5.2 ist von der "Beteiligung an der M" die Rede, für die gerade das Grundkapital mit 100 Mio. DM vorausgesetzt war. Wenn es dann weiter heißt, dass die Beteiligung "in Höhe von voll stimmberechtigten Kapitalanteilen von 4,7 %" erfolgen soll, so kann dies nur bedeuten, dass 4,7 % des Grundkapitals von 100 Mio. DM (= 100%) gemeint ist, was wiederum einem Wert von 4,7 Mio. DM entspricht. Das Schreiben des Vorstandsvorsitzenden der Beklagten vom 15. Februar 2000 deutet darauf hin, worauf das Landgericht zutreffend hinweist, dass die Beklagte ebenso angenommen hat, dass der seinerzeit angebotenen Anteil von 3 % des Grundkapitals auch dem Betrag von 3 Mio. DM entsprechen würde. Offenbar ist auch die Beklagte von einer solchen Gleichsetzung ausgegangen ist. Für diese Auslegung spricht auch die Formulierung "voll stimmberechtigte Kapitalanteile". Denn wenn man darunter die Stimmberechtigung nach § 12 AktG versteht, so kann hier nur auf das Grundkapital und nicht den Börsenwert abgestellt werden. Das volle Stimmrecht gewährt nach § 12 AktG nur jede Aktie. Der Umfang des Stimmrechts, die sogenannte Stimmkraft, richtet sich gemäß § 134 Abs.1 Satz 1 AktG in der Regel nach der Höhe der Kapitalbeteiligung. Die Kapitalbeteiligung errechnet sich bei Nennbetragsaktien aus dem Verhältnis des Aktiennennbetrages zum Nennbetrag des Grundkapitals, während die Stückaktien einer Gesellschaft am Grundkapital jeweils im gleichem Umfang beteiligt sind (Heider in Münchener Kommentar zum AktG, a.a.O., § 12 AktG, Rndr.7).

Soweit die Beklagte sich darauf beruft, dass in einem ersten Entwurf die Kapitalbeteiligung von "bis zu 4,7 %" aufgenommen worden sei und dies dafür spreche, dass nur der Börsenwert von 4,7 Mio. DM maßgeblich sei, kann dem nicht gefolgt werden. Zum einem kommt es letztlich auf den von beiden Parteien in der Endfassung unterzeichneten Vertrag, der eine solche Einschränkung nicht enthält, an. Zum anderen spricht die Streichung sogar eher gegen die Darstellung der Beklagten, nämlich, dass damit die konkrete Beteiligung am Grundkapital vereinbart werden sollte.

3.

Die von der Beklagten mit Schreiben vom 02. März 2001 und 19. März 2001 unterbreiteten Angebote zur Übertragung der Gesellschaftsanteile entsprachen € entgegen der Ansicht der Beklagten € nicht den vertraglichen Vereinbarungen. Da die Einräumung einer Beteiligung von 4,7 % (später auf 4 % herabgesetzt) an einer mit einem Grundkapital von 100 Mio. DM ausgestatteten Aktiengesellschaft geschuldet war, konnte die Beklagte diese Verpflichtung nicht dadurch erfüllen, indem sie eine Beteiligung an einer Aktiengesellschaft mit einem Grundkapital von 36 Mio. DM anbot. Auch das Angebot zur Übernahme von 11,11 % war nicht vertragsgemäß. Denn dies entsprach nicht dem geschuldeten wirtschaftlichen Gegenwert. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts verwiesen. Diese Ausführungen hat die Beklagte mit der Berufung auch nicht angegriffen. Das Angebot war auch deswegen der geschuldeten Leistung nicht immanent, weil die Beklagte die Übertragung der Beteiligung von 11,11 % an weitere Bedingungen geknüpft hat. So sollte die Klägerin verpflichtet sein, die Aktien 12 Monate lang nicht zu verwerten und der Beklagten das Recht gewähren, diese innerhalb der Frist zu einem Betrag von 4 Mio. DM zu erwerben oder an einen Dritten zu übertragen.

4.

Die Klägerin hat mit Schreiben vom 29. April 2002 die Leistung der Beklagten angemahnt und der Beklagten mit Schreiben vom 16. Mai 2002 eine Nachfrist mit Ablehnungsandrohung gesetzt. Die Beklagte ist dem nicht nachgekommen, so dass sie zum Schadensersatz wegen Nichterfüllung gemäß § 326 BGB verpflichtet ist. Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte darauf, dass die Mahnung und die Fristsetzungen der Klägerin ins Leere gegangen seien, weil die Klägerin mit ihren Schreiben den Nachweis der Gründung der Aktiengesellschaft angemahnt habe. Dies trifft nämlich nicht zu, vielmehr hat die Klägerin in dem Schreiben vom 29. April 2002 die Beklagte unmissverständlich aufgefordert, "der vertraglichen Verpflichtung auf Einräumung der vereinbarten Beteiligung nachzukommen", wobei die Klägerin die Einräumung der Beteiligung an einer neu gegründeten M mit einem Grundkapital von 100 Mio. DM oder eine solche an der S mit einem zuvor auf 100 Mio. DM erhöhten Grundkapital verlangte. Damit hat die Klägerin die geschuldete Leistung angemahnt und die Beklagte in Verzug gesetzt. Die Nachfristsetzung mit Schreiben vom 16. Mai 2002 war auch auf diese Leistung gerichtet.

Als Schadensersatz ist das positive Interesse zu ersetzen. Der Schaden besteht in der Differenz zwischen der Vermögenslage, die eingetreten wäre, wenn der Schuldner ordnungsgemäß erfüllt hätte und der durch Nichterfüllung tatsächlich entstandenen Vermögenslage (Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Auflage, § 325 BGB, Rdnr.14; BGH NJW 1998, 2901). Bei ordnungsgemäßer Erfüllung hätte die Klägerin eine Beteiligung am Grundkapital von 4 Mio. DM erhalten. Da die Beklagte nach der Ergänzungsvereinbarung eine Beteiligung an einer zuvor neu gegründeten Aktiengesellschaft hätte einräumen müssen, wäre die Beteiligung zum Zeitpunkt der Übertragung auch 4 Mio. DM wert gewesen. Daher steht der Klägerin ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 4 Mio. DM zu.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 291,288 Abs. 2 BGB.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 97,92 Abs. 2 Nr.1, 269 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision zum Bundesgerichtshof wird nicht zugelassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 1 Ziff.1 und 2 ZPO).






KG:
Urteil v. 22.01.2004
Az: 8 U 170/03


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