Bundespatentgericht:
Beschluss vom 21. Juli 2009
Aktenzeichen: 24 W (pat) 96/07
(BPatG: Beschluss v. 21.07.2009, Az.: 24 W (pat) 96/07)
Tenor
Auf die Beschwerde der Markeninhaberin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 11 IR des Deutschen Patentund Markenamts vom 27. Juli 2006 und vom 23. Oktober 2007 aufgehoben.
Gründe
I.
Die unter der Nummer 841 976 international registrierte Marke (Wortmarke)
BRIXTON beansprucht für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Schutz für folgende Waren:
"07 Machinesoutils; outils electriques et outils de jardinage electriques, presseagrumes electriques; mixeurs, mixeurs electriques, robots menagers, ouvreboîtes electriques, centrifugeuses, couteaux electriques.
08 Outils et outils de jardinage, non compris dans d'autres classes; tondeuses non comprises dans d'autres classes; appareils de rasage; necessaires de manucure electriques, necessaires electriques pour le soin des cheveux, non compris dans d'autres classes, appareils electriques pour le soin des pieds et des mains; fers à friser electriques.
09 Fers à repasser electriques, fers à repasser à vapeur electriques.
11 Appareils de cuisson, de refrigeration, de sechage, de ventilation, de distribution d'eau; sèchecheveux; percolateurs à cafe, machines à faire des toasts, appareils de cuisson à microondes, fours; plaques chauffantes electriques, bouilloires electriques, coquetières electriques, bouilloires à riz electriques, friteuses electriques; gaufriers electriques, appareils electriques à croquemonsieur, plaques pour grils (appareils de cuisson), grillepain, appareils de climatisation; radiateurs electriques, poêles electriques, ventilateurs electriques, vaporisateurs faciaux (saunas), bains de pieds electriques.
21 Ustensiles et recipients pour le menage ou la cuisine, non compris dans d'autres classes; brosses à dents electriques; brosses à cheveux electriques, mixeurs à main."
Mit Beschlüssen vom 27. Juli 2006 und vom 23. Oktober 2007, von denen letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat die Markenstelle für Klasse 11 IR des Deutschen Patentund Markenamts (DPMA) der IR-Marke 841 976 den Schutz in Deutschland wegen eines bestehenden Freihaltebedürfnisses verweigert (§§ 107, 113, 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG; Art. 5 Abs. 1 MMA i. V. m. Art. 6quinquies Abschnitt B Nr. 2 PVÜ). Die Schutzverweigerung wird im Wesentlichen damit begründet, dass die Schutz suchende IR-Marke sich als Angabe der geografischen Herkunft der beanspruchten Waren eigne und daher im Allgemeininteresse freihaltebedürftig sei. Unbestritten handele es sich bei "BRIXTON" um den Namen eines Stadtteils im Londoner Stadtbezirk Lambeth. Bei geografischen Angaben komme es für die Frage der Freihaltebedürftigkeit nicht nur auf die aktuellen Gegebenheiten an. Geografische Angaben würden bereits dann einem Eintragungsverbot unterliegen, wenn vernünftigerweise nicht auszuschließen sei, dass diese Angaben als Herkunftsbezeichnung herangezogen würden. Insbesondere bei Namen von Großstädten und deren Stadtteilen bestehe grundsätzlich eine Vermutung dafür, dass sie als geografische Herkunftsangabe zur freien Verwendung für Waren benötigt würden. Aufgrund der im Stadtbezirk ansässigen Geschäftsbetriebe und wegen eines dort bekannten Marktes sei nicht ausgeschlossen, dass "BRIXTON" als geografische Herkunftsangabe verstanden werde.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Inhaberin der Schutz suchenden Marke. Zur Begründung trägt sie vor, die Markenstelle habe zwar die bekannte Rechtsprechung richtig dargestellt, jedoch hieraus die falschen Schlüsse gezogen. Bei der Bezeichnung "BRIXTON" sei vernünftigerweise nicht zu erwarten, dass diese künftig als Angabe zur Bezeichnung der geografischen Herkunft der beanspruchten Waren herangezogen werde. Es sei bereits fraglich, ob die beteiligten Verkehrskreise die vorliegende Marke überhaupt mit dem Namen eines Londoner Stadtteils in Verbindung brächten. Bei dem Stadtteil "Brixton" handele es sich zudem um einen Ort, der nicht dazu geeignet sei, Sitz eines entsprechenden Herstellungoder Vertriebsunternehmens von Waren der Klassen 7, 8, 9, 11 und 21 zu sein. Die Markenstelle habe nicht dargelegt, woraus sich konkrete Anknüpfungspunkte, aus denen sich eine Verbindung zu den einschlägigen Warengruppen herstellen ließe, ergeben könnten. Der Stadtteil sei ungewöhnlich dicht besiedelt und grenze unmittelbar an die Innenstadt von London. Das Wort "BRIXTON" sei zudem ein in der britischen Bevölkerung häufig vorkommender Name. Die Marke "BRIXTON" verfüge demzufolge auch über die erforderliche Unterscheidungskraft. Ferner gebe es viele im deutschen Markenregister oder anderen Registern eingetragene Kennzeichen, die Städte oder Stadtteile Londons oder andere Großstädte Englands bezeichneten, die zudem bekannter als "BRIXTON" seien. In Registern zu finden seien z. B. die Marken "SOHO", "KINGSTON", "GREENWICH", "RICHMOND", "KENSINGTON", "SHEFFIELD", "BRISTOL" und "BRADFORD".
Die Markeninhaberin beantragt (sinngemäß), die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Inhaberin der Schutz suchenden Marke ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Die international registrierte Marke unterliegt in Bezug auf die mit ihr beanspruchten Waren keinem Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 MarkenG. Insbesondere handelt es sich bei der Marke um keine freihaltebedürftige Angabe im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Die zuständige Markenstelle hat der Marke "BRIXTON" daher zu Unrecht den Schutz für die Bundesrepublik Deutschland verweigert.
Der Markenstelle ist allerdings insoweit zuzustimmen, als nach der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 3 Abs. 1 Buchstabe c der Ersten Richtlinie des Rates der EG Nr. 89/104 (nunmehr Richtlinie 2008/95/EG) zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Marken (Markenrichtlinie), der durch § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG umgesetzt worden ist, für eine geografische Bezeichnung der Schutz als Marke auch dann ausgeschlossen sein kann, wenn deren Benutzung als geografische Herkunftsangabe für die beanspruchten Waren noch nicht beobachtet worden ist; ein Schutzhindernis besteht nämlich auch dann, wenn eine entsprechende geografische Angabe einen Ort bezeichnet, bei dem zumindest für die Zukunft vernünftigerweise zu erwarten ist, dass er von den beteiligten Verkehrskreisen mit der betreffenden Warengruppe in Verbindung gebracht wird (EuGH GRUR 1999, 723, 725 (Nr. 29 ff.) "Chiemsee"; vgl. auch BGH GRUR 2003, 882, 883 "Lichtenstein"). Sofern die Verwendung einer Angabe als geografische Herkunftsangabe -wie vorliegend -bei den konkret mit einer Marke beanspruchten Waren noch nicht bekannt ist, bedarf es zur Annahme eines Freihaltebedürfnisses einer Prognoseentscheidung zu deren künftigen Verwendung. Diese Prognoseentscheidung darf allerdings nicht nur auf theoretischen Erwägungen beruhen (BGH GRUR 2003, 882, 883 "Lichtenstein"; GRUR 2009, 994, 995 (Nr. 15) "Vierlinden"). Bei dieser Prüfung ist einerseits von Belang, inwieweit den beteiligten Verkehrskreisen die betreffende Bezeichnung bekannt ist, und andererseits, welche Eigenschaften der bezeichnete Ort und die betreffende Art von Waren haben (vgl. EuG GRUR Int. 2006, 47, 49 (Nr. 38) "CLOPPENBURG"; BGH GRUR 2009, 994, 995 (Nr. 14) "Vierlinden").
Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass den deutschen Verkehrkreisen die Bezeichnung "BRIXTON" als mögliche Herkunftsangabe und die Eigenschaften der gegebenenfalls so bezeichneten Orte weitgehend unbekannt sind. Der Senat hat in den ihm zugänglichen gebundenen, deutschsprachigen Lexika nach dem Stichwort "Brixton" recherchiert, wobei es ihm nicht möglich war, in diesen Werken einen Nachweis zu finden (vgl. BROCKHAUS, Enzyklopädie in 30 Bänden, 21. Aufl., Band 4, BHAS -BUCH, Mannheim 2006; DIE ZEIT, Das Lexikon in 20 Bänden, Band 2, Bas -Chaq, Hamburg 2005; BERTELSMANN LEXIKON in 15 Bänden, Band 2, Aust -Bros, Gütersloh 1984; MEYERS Enzyklopädisches Lexikon in 25 Bänden, Band 4, Bes -Buc, korrigierter Nachdruck, Mannheim 1984). Dem entspricht, dass die Markenstelle die Information, dass mit "Brixton" ein Stadtteil im Londoner Stadtbezirk Lambeth, eine Station der Londoner U-Bahn oder eine kleine Ortschaft in Neuseeland bezeichnet sein können, Quellen aus dem Internet entnommen hat. Der äußerst geringe Bekanntheitsgrad dieser Bedeutungen innerhalb der relevanten, inländischen Verkehrskreise wird zusätzlich durch den Umstand belegt, dass alle näheren Erkenntnisse zum Begriff "Brixton" ausschließlich englischen Internetseiten, insbesondere der Website "http://en.wikipedia.org/wiki/Brixton", entnommen sind. Soweit die Markenstelle detaillierte Informationen aus dem Internet zum Stichwort "Brixton" in deutscher Sprache nachgewiesen hat, rührt dies offensichtlich nur daher, dass sich die Markenstelle der von der Suchmaschine ... angebotenen Möglichkeit einer maschinellen Übersetzung ins Deutsche bedient hat.
Unabhängig von der Tatsache, dass der Begriff "Brixton" innerhalb der inländischen Verkehrskreise so gut wie unbekannt ist, erweist sich auch der Einwand der Inhaberin der Schutz suchenden Marke als zutreffend, dass aufgrund der Eigenschaften eines Ortes "Brixton" und der Besonderheiten der vorliegend beanspruchten Waren vernünftigerweise nicht mit einer Verwendung des Wortes "Brixton" zur Bezeichnung einer geografischen Herkunft zu rechnen ist. Sowohl die Inhaberin der Schutz suchenden Marke als auch die Markenstelle sind zutreffend davon ausgegangen, dass von den drei oben genannten, möglichen Bedeutungen des Wortes "Brixton" in erster Linie der Name eines Stadtteils im Londoner Stadtbezirk Lambeth als entscheidungsrelevant zu Grunde zu legen ist. Die Inhaberin der Schutz suchenden Marke hat hierzu überzeugend ausgeführt, dass es sich bei "Brixton" um ein Gebiet im Süden des Stadtzentrums von London handelt, das weder gegenwärtig als geografischer Herkunftshinweis für Waren der Klassen 7, 8, 9, 11 und 21, insbesondere elektrisch betriebener Geräte, benutzt wird noch vernünftigerweise -wegen des besonderen Zuschnitts dieses Stadtteils -eine solche Verwendung für die Zukunft prognostiziert werden kann. Eine vom Senat im Internet ergänzend durchgeführte Recherche hat bestätigt, dass der Londoner Stadtteil Brixton ein Areal ist, das weit überwiegend von Wohnbebauung geprägt wird und das sich insbesondere durch eine ungewöhnlich hohe Bevölkerungsdichte auszeichnet. Der Stadtteil hat zudem den Charakter einer multiethnischen Gemeinschaft, wobei 24 % der Bevölkerung afrikanischer oder karibischer Abstammung sind (vgl. im Internet unter: http://en.wikipedia.org/wiki/Brixton).
Die Markenstelle hat zwar zutreffend auf das im Stadtteil Brixton ansässige Einzelhandelsgewerbe und den täglich im Zentrum stattfindenden "Brixton Market" hingewiesen, jedoch deren Bedeutung für die Feststellung eines Freihaltebedürfnisses nicht zutreffend eingeschätzt. Nicht richtig ist bereits die Überlegung, dass ein Ort, an dem elektrisch betriebene Geräte von Händlern zum Kauf angeboten werden, als Bezeichnung der geografischen Herkunft dieser Geräte von Bedeutung sein könnte. Darüber hinaus ist der "Brixton Market" lediglich ein lokaler Markt, der durch sein Angebot gerade die kulturelle Vielfalt der im Stadtteil Brixton ansässigen "Communities" mit Migrationshintergrund widerspiegelt. Neben indischen und vietnamesischen Supermärkten sowie südamerikanischen Metzgereien in seiner unmittelbaren Umgebung zeichnet sich der "Brixton Market" vor allem dadurch aus, dass in vielen dort betriebenen Geschäften und Ständen afrokaribische Produkte angeboten werden (vgl. wiederum im Internet unter: http://en.wikipedia.org/wiki/Brixton). Auch unter Berücksichtigung dieser Gegebenheiten liegt es ersichtlich fern, die beteiligten Verkehrskreise würden die vorliegende Marke "BRIXTON" mit dem Sitz eines entsprechenden Herstellungsbetriebs von Waren der Klassen 7, 8, 9, 11 und 21, insbesondere von elektrisch betriebenen Geräten, in Verbindung zu bringen. Die angefochtenen Entscheidungen der Markenstelle, in denen diese im Allgemeininteresse von einem Freihaltebedürfnis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ausgeht, beruhen damit im oben genannten Sinne lediglich auf rein theoretischen Erwägungen, die eine Schutzverweigerung für die Schutz suchende Marke "BRIXTON" nicht rechtfertigen können.
Zugleich kann ausgeschlossen werden, dass der Schutz suchenden Marke jegliche Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG fehlt. Da die Marke "BRIXTON" nach den tatsächlichen Feststellungen nicht als geografische Herkunftsangabe dienen kann und auch im Übrigen keine erkennbaren Bedeutungsinhalte aufweist, kann ihr auch ein Mindestmaß an Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden.
Hacker Kober-Dehm Eisenrauch Richterin Dr. Kober-Dehm ist wegen Abordnung zum Bundesgerichtshof an der Unterschrift gehindert.
Hacker Cl
BPatG:
Beschluss v. 21.07.2009
Az: 24 W (pat) 96/07
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