Landesarbeitsgericht Hamm:
Beschluss vom 10. Februar 2012
Aktenzeichen: 10 TaBV 59/11
(LAG Hamm: Beschluss v. 10.02.2012, Az.: 10 TaBV 59/11)
Tenor
Auf die Beschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 20.07.2011 - 1 BV 1/11 - abgeändert.
Der Arbeitgeberin wird aufgegeben, es zu unterlassen, Personen Zugang zu Arbeitsplatzrechnern (PCs) im Betrieb der Arbeitgeberin zu gewähren, die nicht Benutzer mit eigener Zugangskennung sind und die kein persönliches Passwort zugeteilt erhielten.
Der Arbeitgeberin wird ferner aufgegeben, es zu unterlassen, Personen unter Verwendung eines PC-Passwortes einer anderen bei der Arbeitgeberin beschäftigten Person Zugang zu einem Arbeitsplatzrechner (PC) im Betrieb der Arbeitgeberin zu gewähren.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
Im vorliegenden Verfahren nimmt der Betriebsrat die Arbeitgeberin auf Unterlassung in Anspruch.
Die Arbeitgeberin, ein Betrieb der Abfallentsorgung im Märkischen Kreis, beschäftigt mehr als 100 Arbeitnehmer. In ihrem Betrieb ist der antragstellende Betriebsrat gewählt, der aus sieben Personen besteht.
Am 30.11.2044 schlossen die Beteiligten eine Rahmenbetriebsvereinbarung über Planung, Einführung, Anwendung und Erweiterung/Änderung von Systemen der Informations- und Kommunikationstechnik - RBV-IKT - (Bl. 74 ff. d. A.) sowie eine Betriebsvereinbarung über den Einsatz von Systemen der individuellen Datenverarbeitung BV ID (Bl. 3 ff. d. A.).
In § 4 Abs. 3 BV ID ist folgendes geregelt:
"Rechtmäßige Zugriffsberechtigte haben eine Verpflichtungserklärung gem. Anlage 3 zu unterschreiben."
In der Anlage 3 zu § 4 Abs. 3 BV ID heißt es unter anderem:
"1.3. Passwörter
Jeder Benutzer verfügt über eine eigene Zugangskennung und ein persönliches Passwort.
Da jeder PC ein personenbezogenes Arbeitsmittel darstellt, hat der verantwortliche Nutzer stets dafür Sorge zu tragen, dass sein PC über ein Passwort hinreichend geschützt ist. Dies gilt auch für das Passwort des Bildschirmschoners, das eine unberechtigte Nutzung nach dem Einschalten des Rechners bzw. bei kurzer Abwesenheit verhindert. Persönliche Passwörter unterliegen dem Datenschutz und dürfen nicht weitergegeben werden."
Nach § 7 BV ID vom 30.11.2004 stellt die Arbeitgeberin durch technische und organisatorische Maßnahmen die Einhaltung dieser Betriebsvereinbarung sicher.
Am 10./11.08.2010 führten Praktikanten der Firma L1 GmbH im Betrieb der Arbeitgeberin Arbeiten an Personalcomputern durch. Der Arbeitsauftrag erfolgte aufgrund eines Dienstleistungsvertrages zwischen der Firma L1 GmbH und der A1 O1 GmbH, deren Geschäftsführerin zugleich Geschäftsführerin der Arbeitgeberin des vorliegenden Verfahrens ist. Die Fa. L1 GmbH ist ihrerseits Gesellschafterin der A1 O1 GmbH. Bei den durchzuführenden Arbeiten ging es um eine Nacherfassung von Daten aus der Buchhaltung, die die Gesellschafterin der A1 O1 GmbH & Co. KG, die Firma L1 GmbH, für eine Ergebnislösung benötigte. Dabei wurden Daten aus Rechnungen in ein Excel-Programm eingesetzt.
Die Praktikantin G3 wurde unstreitig am PC-Arbeitsplatz der Mitarbeiterin T1 eingesetzt. Dieser Arbeitsplatz der Mitarbeiterin T1, die am 10./11.08.2010 urlaubsabwesend war, befindet sich im Lager der Arbeitgeberin. Um der Praktikantin G3 die Arbeiten am PC-Arbeitsplatz der Mitarbeiterin T1 zu ermöglichen, tippte eine Mitarbeiterin der Arbeitgeberin, die kaufmännische Leiterin S4, das ihr bekannte Passwort der Mitarbeiterin T1 in den PC ein, damit der PC der Praktikantin G3 zur Verfügung stand.
Der Praktikant C1 wurde auf dem Arbeitsplatz der Arbeitnehmerin G2 eingesetzt, die ebenfalls am 10./11.08.2010 ganztägig abwesend war. Dieser Arbeitsplatz befindet sich im Bereich Einkauf/Verwaltung. Unter welchem Passwort, dem eines sogenannten Medien-PCs oder unter dem Passwort der Mitarbeiterin G2, dem Praktikanten C1 die Arbeiten am PC-Arbeitsplatz der Mitarbeiterin G2 ermöglicht wurde, ist zwischen den Beteiligten streitig.
Die Beteiligten streiten ferner darüber, in welchem Umfang insbesondere die Praktikantin G3 Zugang auf verschiedene Laufwerke hatte und welche personenbezogenen Daten diese Laufwerke enthielten.
Mit Schreiben vom 13.08.2010 informierte die Arbeitgeberin den Betriebsrat über den Einsatz der beiden Praktikanten wie folgt:
"Wir möchten Sie hiermit informieren, dass in der Kalenderwoche 32 geplantermaßen vom 10.08. bis maximal 13.08.2010 zwei Praktikanten in den Räumen der A1 damit beschäftigt seien werden, Buchhaltungsdaten der A1 O1 GmbH zu ergänzen…"
"Bei der vorgenannten Tätigkeit handelt es sich um eine reine Nacherfassung von Daten aus der Buchhaltung, die der Gesellschafter der A1 O1 GmbH & Co. KG bzw. A1 für eine Ergebnislösung benötigt…"
Mit Schreiben vom 13.08.2010 rügte der Betriebsrat daraufhin den Einsatz betriebsfremder Praktikanten im Betrieb der Arbeitgeberin.
Die Arbeitgeberin teilte daraufhin mit Schreiben vom 19.08.2010 (Bl. 154 d. A.) folgendes mit:
"Auf Ihr o. g. Schreiben teilen wird Ihnen mit, dass es sich bei den vermeintlichen A1-Mitarbeitern um zwei Praktikanten, Frau A. G3 und Herrn Chr. C1, gehandelt hat, die bei unserer Gesellschafterin M1 - Beteiligungsgesellschaft mbH & Co KG tätig sind.
Die Praktikanten waren am 10. und 11. August d. J. mit der reinen Nacherfassung von Daten aus der Buchhaltung beschäftigt.
Auf Daten von A1-Mitarbeitern bestand weder ein Zugriff noch war dies Gegenstand der Tätigkeiten."
Mit Schreiben vom 02.09.2010 erbat der Betriebsrat daraufhin weitere Aufklärung. Die Arbeitgeberin teilte daraufhin mit Schreiben vom 04.10.2010 (Bl. 39 f. d. A.) unter anderem folgendes mit:
"Wir haben hinreichend dargelegt, dass die beiden Praktikanten keinerlei Zugriff auf mitarbeiterbezogene Daten hatten und darüber hinaus ihnen nur die für ihren Auftrag erforderlichen Daten zugänglich gemacht wurden. Den Auftragsumfang haben wir ebenfalls genannt. Dass der Datenzugriff nur durch ein isoliertes, also nur mit besonderer Zugriffssteuerung versehenes, Laufwerk geschehen konnte, hat die Sicherheit noch deutlich erhöht. Ebenso ist es eine die Sicherheit grundsätzlich erhöhende Maßnahme, wenn diesen Personen nicht einmal ein Benutzerkonto mit einem eigenen Passwort eingerichtet wurde.
Auch wir sehen vor diesem Hintergrund eine weitere Korrespondenz als nicht mehr erforderlich an:"
Der Betriebsrat leitete daraufhin am 17.01.2011 das vorliegende Beschlussverfahren beim Arbeitsgericht ein.
Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, die Arbeitgeberin habe sich durch den Einsatz der Praktikanten am 10./11.08.2010 mitbestimmungswidrig verhalten. Insbesondere habe er gegen § 4 Abs. 3 BV ID vom 30.11.2004 in Verbindung mit der Verpflichtungserklärung verstoßen, indem von der Arbeitgeberin Passwörter von Mitarbeitern der Arbeitgeberin an betriebsfremde Praktikanten weitergegeben worden seien. Außerbetriebliche Praktikanten hätten mit Passwörtern von Mitarbeitern der Arbeitgeberin Arbeiten verrichtet. Die Praktikanten hätten damit Zugriff zu geschützten Daten erhalten, mindestens hätten sie die Möglichkeit des Zugriffs gehabt. Externen Personen dürfe kein Zugriff auf PCs von Arbeitnehmern der Arbeitgeberin eröffnet werden.
Wegen der Befürchtung weiterer Verstöße müsse dem Verhalten der Arbeitgeberin mit dem vorliegenden Beschlussverfahren entgegengewirkt werden.
Der Betriebsrat hat beantragt,
der Arbeitgeberin, der Beteiligten zu 2.) aufzugeben, es zu unterlassen, Personen Zugang zu Arbeitsplatzrechnern (PCs) im Betrieb der Beteiligten zu gewähren, die nicht Benutzer mit eigener Zugangskennung sind und die kein persönliches Passwort zugeteilt erhielten,
der Arbeitgeberin, der Beteiligten zu 2.) aufzugeben, es zu unterlassen, Personen unter Verwendung eines PC-Passwortes einer anderen bei der Beteiligten zu 2.) beschäftigten Person Zugang zu einem Arbeitsplatzrechner (PC) im Betrieb der Beteiligten zu 2.) zu gewähren, hilfsweise, festzustellen, dass der Einsatz der Praktikantin A. G3 und des Praktikanten Chr. C1 am 10. und 11. August 2010 unter Verstoß gegen die zwischen den Betriebsparteien abgeschlossene "Betriebsvereinbarung über den Einsatz von Systemen der individuellen Datenverarbeitung" erfolgte, weil den genannten Praktikanten jeweils Zugang zu einem Arbeitsplatzrechner (PC) im Betrieb der Beteiligten zu 2.) gewährt wurde ohne dass die Praktikanten über eine eigene Zugangskennung und ein persönliches Passwort verfügten und damit nicht rechtmäßige Zugriffsberechtigte waren.
Die Arbeitgeberin hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, die Anträge seien zu unbestimmt. Es fehle auch an einem entsprechenden Rechtsschutzbedürfnis.
Darüber hinaus seien die Anträge unbegründet. Die Tätigkeiten der Praktikanten am 10./11.08.2010 hätten nichts mit betrieblichen Daten der Arbeitgeberin zu tun gehabt. Die Arbeiten der eingesetzten Praktikanten hätten lediglich in den Räumlichkeiten der Arbeitgeberin stattgefunden, sich aber inhaltlich auf das Unternehmen der A1 O1 GmbH bezogen. Die Arbeiten seien auch nicht mit Daten der Arbeitgeberin durchgeführt worden.
Darüber hinaus hätten die Praktikanten nicht auf betriebliche Daten zugreifen können. Insoweit hat die Arbeitgeberin behauptet, der Praktikant C1 sei an dem sogenannten "Medien-PC" eingesetzt worden, der sich im Tagesraum befinde und lediglich zu Präsentationszwecken genutzt werde. Dieser PC habe das Passwort "Medien-PC". Von diesem PC habe der Praktikant C1 lediglich auf ein Laufwerk mit der Bezeichnung "Share" zugreifen können, auf dem eine Excel-Datei befindlich sei. Lohn- oder personenbezogene Daten hätten sich auf diesem Laufwerk nicht befunden.
Auch wenn die Praktikantin G3 unter dem Passwort der Mitarbeiterin T1 angemeldet worden sei, habe die Praktikantin lediglich Zugriff auf das isolierte Laufwerk "Share" gehabt. Ein sonstiger Zugriff, auf andere, lohnbezogene Daten sei auch über diesen Rechner nicht möglich gewesen.
Es sei auch nicht festgestellt worden, dass die beiden Praktikanten versucht hätten, auf sonstige Dateien Zugriff zu nehmen. Sie hätten vielmehr die ihnen aufgetragenen Arbeiten zügig und konzentriert vorgenommen und erledigt.
Eine Wiederholungsgefahr bestehe nicht, weil es sich bei den den Praktikanten übertragenen Arbeiten um eine einmalige Maßnahme gehandelt habe. Die Praktikanten seien lediglich mit Daten der A1 O1 GmbH befasst gewesen. Ein Verstoß gegen betriebliche Datenschutzbestimmungen könne nicht festgestellt werden. Die Arbeitgeberin habe auch keine Passwörter an betriebsfremde Mitarbeiter herausgegeben. Die Praktikanten hätten mit der zur Verfügungstellung von einsatzbereiten Rechnern nichts zu tun gehabt.
Durch Beschluss vom 20.07.2011 hat das Arbeitsgericht die Anträge des Betriebsrates zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats seien nicht verletzt. Die Arbeitgeberin habe den Praktikanten keinen Zugang zu personenbezogenen Daten gewährt. Auch aus § 80 Abs. 1 BetrVG folge kein Unterlassungsanspruch. Selbst wenn eine Mitarbeiterin der Arbeitgeberin gegen die Verpflichtungserklärung aus der Anlage 3 zu § 4 Abs. 3 BV ID verstoßen habe, habe der Betriebsrat nicht dargelegt, aus welchen Gründen der Arbeitgeberin ein solcher Verstoß zuzurechnen sei. Offenbar wolle der Betriebsrat den Zugang von betriebsfremden Personen zu PCs der Arbeitgeberin regeln, das sei aber bislang nicht geschehen und ergebe sich auch nicht aus der abgeschlossenen BV ID vom 30.11.2004.
Gegen den dem Betriebsrat am 05.08.2011 zugestellten Beschluss, auf dessen Gründe ergänzend Bezug genommen wird, hat der Betriebsrat am 19.08.2011 Beschwerde zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese mit dem am 28.09.2011 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
Der Betriebsrat ist weiter der Auffassung, dass die Arbeitgeberin gegen die Bestimmungen der BV ID in Verbindung mit der Verpflichtungserklärung verstoßen habe. Unstreitig sei zwischen den Beteiligten, dass die Praktikantin G3 am PC-Arbeitsplatz der Mitarbeiterin T1 unter Verwendung des Passwortes der Mitarbeiterin T1 eingesetzt worden sei. Der Betriebsrat behauptet weiter, der Mitarbeiter C1 sei am Arbeitsplatz der Mitarbeiterin G2 im Einkauf/Verwaltung eingesetzt worden. Keiner der Praktikanten sei am sogenannten "Medien-PC" unter Verwendung des Passwortes "Medien-PC" eingesetzt worden. Alle im Betrieb der Arbeitgeberin genutzten PCs seien vernetzt und würden auf den Zentral-Server zugreifen. Jeder PC-Nutzer habe, wenn er angemeldet sei, automatisch Zugriff auf vier Laufwerke auf dem Server, nämlich auf das Laufwerk Home (benutzerprofilgebunden), auf das Laufwerk Exchange, auf das Laufwerk Share und auf das Laufwerk Vorlagen. Es sei überhaupt nicht möglich, an einem PC im Betrieb der Arbeitgeberin zu arbeiten, ohne dass der Zugriff auf diese Laufwerke eröffnet werde. Der Arbeitsplatz T1, an dem die Praktikantin G3 eingesetzt worden sei, habe daneben Zugriff auf folgende auf dem Server befindliche Laufwerke: Laufwerk Logistik, Laufwerk Verwaltungs-Netz und Laufwerk Werkstatt.
Der Arbeitsplatz G2, an dem der Praktikant C1 eingesetzt worden sei, habe zusätzlich Zugriff auf folgende Laufwerke: Laufwerk für kaufmännischen Bereich KEA, Laufwerk für kaufmännischen Bereich KEM, Laufwerk Logistik und Laufwerk Verwaltungs-Netz. Es gebe keinen einzigen PC im Betrieb der Arbeitgeberin, der lediglich Zugriff auf das Laufwerk Share habe.
Selbst wenn der Praktikant C1 unter dem "Medien-PC" angemeldet worden wäre, wäre ein Zugriff auf die genannten vier Laufwerke möglich gewesen. Auch vom sogenannten Medien-PC bestehe ein Zugriff auf die genannten vier Laufwerke.
Auf diesen vier Laufwerken befänden sich personenbezogene Daten. So seien auf dem Laufwerk Exchange von einzelnen PC-Nutzern zum Datentransport hinterlegte Daten. Dieses Laufwerk ersetze praktisch das Erfordernis von E-Mail Transporten dergestalt, dass ein PC-Nutzer ein vom ihm erstelltes oder verarbeitetes Dokument auf dem Laufwerk Exchange abspeichere und auf diese Art und Weise ermögliche, dass ein anderer PC-Nutzer Zugriff nehmen könne, es lesen, übernehmen und auf einem anderen für ihn zugänglichen Laufwerk abspeichern könne. Dabei sei erkennbar, von wem dieses Dokument erstellt worden sei, wann es von wem zuletzt aufgerufen worden sei und wie lange die Anfertigung des Dokuments gedauert habe.
Gleiches gelte im Ergebnis für die auf dem Laufwerk Share und auf dem Laufwerk Vorlagen gespeicherten und hinterlegten Dokumente.
Auch auf den Laufwerken Logistik, Verwaltung und Werkstatt befänden sich personenbezogene und personenbeziehbare Daten.
Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin seien die Unterlassungsanträge auch zulässig und genügend bestimmt. Es solle der Arbeitgeberin untersagt werden, Personen Zugang zu Arbeitsplatzrechnern zu gewähren, die nicht Benutzer mit eigener Zugangskennung seien und die kein persönliches Passwort zugeteilt erhalten hätten. Der Betriebsrat wolle verhindern, dass Personen unter Verwendung eines PC-Passwortes einer anderen bei der Arbeitgeberin beschäftigten Person Zugang zu einem Arbeitsplatzrechner im Betrieb erhielten.
Auch der hilfsweise gestellte Feststellungsantrag sei zulässig.
Der Betriebsrat habe einen Anspruch darauf, dass weitere Verstöße gegen die BV ID unterblieben.
Die Weitergabe des Passwortes der Mitarbeiterin T1 durch die kaufmännische Leiterin S4 sei der Arbeitgeberin auch zuzurechnen. Der Einsatz der Praktikanten an den Netzwerksrechnern der Arbeitgeberin sei mit Wissen und Wollen und insbesondere auch auf Veranlassung der Arbeitgeberin erfolgt. Dies ergebe sich bereits aus dem eigenen Schreiben der Arbeitgeberin vom 19.08.2010. Diesem Schreiben sei zu entnehmen, dass der Einsatz der beiden Praktikanten mit Wissen und Wollen der Geschäftsführung erfolgt sei. In der BV ID sei jedoch ausdrücklich geregelt, dass Personen ohne eigenes Passwort nicht an PCs der Arbeitgeberin eingesetzt werden dürften, insbesondere, dass Passwörter nicht weitergegeben werden dürften.
Ob die eingesetzten Praktikanten tatsächlich Zugriff auf personenbezogene Daten von Mitarbeitern der Arbeitgeberin genommen hätten, sei unerheblich. Entscheidend sei, ob tatsächlich ein Zugriff auf personenbezogene Daten möglich gewesen wäre.
Bereits im März 2004 habe der Betriebsrat beanstanden müssen, dass im Betrieb der Arbeitgeberin mehrere Personen tätig gewesen seien, die Daten in das EDV-System eingegeben hätten, ohne Arbeitnehmer/innen der Arbeitgeberin gewesen zu sein.
Der Betriebsrat beantragt,
der Arbeitgeberin, der Beteiligten zu 2.) aufzugeben, es zu unterlassen, Personen Zugang zu Arbeitsplatzrechnern (PCs) im Betrieb der Beteiligten zu gewähren, die nicht Benutzer mit eigener Zugangskennung sind und die kein persönliches Passwort zugeteilt erhielten,
der Arbeitgeberin, der Beteiligten zu 2.) aufzugeben, es zu unterlassen, Personen unter Verwendung eines PC-Passwortes einer anderen bei der Beteiligten zu 2.) beschäftigten Person Zugang zu einem Arbeitsplatzrechner (PC) im Betrieb der Beteiligten zu 2.) zu gewähren, hilfsweise, festzustellen, dass der Einsatz der Praktikantin A. G3 und des Praktikanten Chr. C1 am 10. und 11. August 2010 unter Verstoß gegen die zwischen den Betriebsparteien abgeschlossene "Betriebsvereinbarung über den Einsatz von Systemen der individuellen Datenverarbeitung" erfolgte, weil den genannten Praktikanten jeweils Zugang zu einem Arbeitsplatzrechner (PC) im Betrieb der Beteiligten zu 2.) gewährt wurde ohne dass die Praktikanten über eine eigene Zugangskennung und ein persönliches Passwort verfügten und damit nicht rechtmäßige Zugriffsberechtigte waren.
Die Arbeitgeberin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss und ist der Auffassung, eine Beschädigung oder Beeinträchtigung von Personen oder EDV-Systemen habe es durch die vom Betriebsrat beanstandete Maßnahme nicht gegeben. Der Betriebsrat könne sich auch nicht darauf berufen, dass gegen die Verpflichtungserklärung gemäß Anlage 3 zu § 4 Abs. 3 BV ID verstoßen worden sei. Dass ohne Zugangskennung und ohne Passwort am PC im Betrieb der Arbeitgeberin nicht gearbeitet werden dürfe, sei nicht Inhalt der Betriebsvereinbarung. Auch die Verpflichtungserklärung der Anlage 3 trenne zwischen Befugnissen der Mitarbeiter und denen des Arbeitgebers.
Der Betriebsrat berücksichtige auch nicht, dass der Einsatz der beiden Praktikanten am 10./11.08.2010 durch die Fa. L1 und die Fa. A1 O1 GmbH erfolgt sei.
Die Arbeitgeberin behauptet, der Praktikant C1 habe zwar im Arbeitszimmer der Mitarbeiterin G2 gesessen, er sei aber über den "Medien-PC" angemeldet worden. In den im Arbeitszimmer der Mitarbeiterin G2 befindlichen Rechner seien die Angaben für den "Medien-PC" eingegeben worden. So habe der Mitarbeiter C1 keine Möglichkeit gehabt, auf die Laufwerke für den kaufmännischen Bereich (KEM), Laufwerk "Logistik" oder Laufwerk "Verwaltungsnetz" zuzugreifen. Im Übrigen habe ein derartiger Zugriff auch nicht stattgefunden.
Richtig sei zwar, dass die Praktikantin G3 unter Verwendung des Passwortes der Mitarbeiterin T1 am PC der Mitarbeiterin T1 gearbeitet habe. Es seien auch die einzelnen installierten Netzlaufwerke mit dem zentralen Server vernetzt. Dies führe aber nicht dazu, dass ein Zugriff auf sämtliche Daten des Rechners/aller Laufwerke möglich sei. Das Datenlaufwerk "Home" sei zwar benutzerprofilgebunden. Es habe aber keine persönlichen Daten der Mitarbeiterin T1 auf diesem Laufwerk gegeben. Die weiteren Laufwerke "Exchange", "Share" und "Vorlagen" seien für alle an den Rechnern Tätigen freigegeben. Bei dem Laufwerk "Exchange" seien keinerlei persönliche Daten o.ä. enthalten. Dieses Laufwerk diene ausschließlich zum Austausch von Daten, um den Datenverkehr per E-Mail gering zu halten. Daten, die älter als zwei Wochen seien, würden unwiderruflich gelöscht.
Auf dem Laufwerk "Share" würde allgemeine Anleitungen des Betriebes vorgenommen, die Koordination/Organisation angesprochen und Telefonnummern pp. vorrätig gehalten. Auch hier bestehe ein unbeschränkter Lese- und Schreibzugriff. Das Laufwerk "Vorlagen" enthalte Vorlagen, die innerbetrieblich etwa beim Abfassen von Schriftstücken gebraucht werden könnten. In diesen Laufwerken hätten die Praktikanten aber gar nicht gearbeitet. Jedenfalls könne ausgeschlossen werden, dass über den Medien-PC oder über den Rechner der Mitarbeiterin T1 irgendwelche personenbezogenen Daten vorhanden seien. Auch die Laufwerke "Logistik", "Verwaltung" und "Werkstatt" beinhalteten keine persönlichen Daten. Die Praktikantin G3 habe auch die Laufwerke "Home", "Exchange", "Share", "Logistik", "Verwaltungsnetz" und "Werkstatt" nicht geöffnet. Hierzu habe für die Praktikantin auch kein Anlass bestanden.
Selbst wenn die Praktikantin G3 einen Zugriff auf die Laufwerke "Home", "Exchange", "Vorlagen", "Logistik", "Verwaltungsnetz" und "Werkstatt" gehabt hätte, hätte dies keinerlei Zugriff auf personenbezogene Daten ermöglicht, da es sich jeweils um funktionsbezogene Dateien bei der Arbeitgeberin gehandelt habe und dort keine Personaldaten enthalten seien. Auch im Laufwerk "Exchange" befänden sich keine persönlichen Daten der Beschäftigten. Derartige Transporte würden lediglich gespeichert, um, wie in jedem PC, auch zu erfassen, wann an wen welche E-Mails und u.a. gesandt worden seien. Dies seien aber keine persönlichen Daten der einzelnen Beschäftigten, sondern die Dokumentation betrieblicher Vorgänge.
Die Arbeitgeberin ist weiter der Auffassung, der hilfsweise gestellte Feststellungsantrag sei schon wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig.
Die gestellten Unterlassungsanträge enthielten unbegründete Globalanträge. Es seien Fallkonstellationen denkbar, die ein Tätigwerden Dritter, etwa von Servicepersonal oder Dienstleistern, die Sicherheitsüberprüfungen durchzuführen hätten, denkbar, die erkennbar ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht erfassen würden.
Die Arbeitgeberin sei auch nicht passivlegitimiert. Im vorliegenden Fall seien keine Daten zu Gunsten der Arbeitgeberin genutzt worden. Die von den Praktikanten durchgeführten Arbeiten seien auch nicht für die Arbeitgeberin ausgeführt worden. Die Arbeitgeberin habe kein eigenes Personal eingesetzt. Das Handeln der Praktikanten sei ihr nicht zurechenbar.
Schließlich fehle es ihr auch an einer erforderlichen Wiederholungsgefahr.
Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.
Die zulässige Beschwerde des Betriebsrats ist begründet.
Bereits den Hauptanträgen des Betriebsrats musste stattgegeben werden. Der hilfsweise gestellte Feststellungsantrag ist danach nicht zur Entscheidung angefallen.
I. Die vom Betriebsrat abgestellten Unterlassungsanträge sind zulässig.
1. Zutreffend verfolgt der Betriebsrat sein Begehren im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren nach den §§ 2 a, 80 a ArbGG. Es handelt sich um eine zwischen den Beteiligten streitige Angelegenheit aus dem Betriebsverfassungsgesetz. Die Beteiligten streiten nämlich um den Verstoß gegen eine von den Beteiligten abgeschlossene Betriebsvereinbarung nach § 77 BetrVG und um daraus resultierende Unterlassungsansprüche.
2. Die Antragsbefugnis des Betriebsrats und die Beteiligung der Arbeitgeberin am vorliegenden Verfahren ergeben sich aus den §§ 10, 83 Abs. 3 ArbGG.
3. Die vom Betriebsrat gestellten Unterlassungsanträge sind auch genügend bestimmt, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, der auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren entsprechende Anwendung findet (BAG 10.03.2009 - 1 ABR 87/07 - AP BetrVG 1972 § 87 Nr. 16), muss ein auf Unterlassung gerichteter Antrag des Betriebsrats so genau bestimmt sein, dass der Arbeitgeber der Entscheidung unschwer entnehmen kann, welches Verhalten ihm aufgegeben worden ist. Die Geltendmachung eines Unterlassungsantrags im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren erfordert einen Antrag, der auf einzelne, tatbestandlich umschriebene, konkrete Handlungen als Verfahrensgegenstand bezogen ist. Für den Fall der Untersagung einer Maßnahme ohne vorherige Zustimmung des Betriebsrats bedarf es der genauen Bezeichnung derjenigen betrieblichen Fallgestaltungen, für die das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in Anspruch genommen wird. Der Streitgegenstand muss so genau bezeichnet werden, dass die eigentliche Streitfrage selbst mit Rechtskraftwirkung zwischen den Beteiligten entschieden werden kann. Das gilt auch und vor allem für Anträge, mit denen die Unterlassung von Handlungen verlangt wird. Mit der Entscheidung über den Antrag muss feststehen, welche Maßnahmen der Schuldner zu unterlassen hat; diese Prüfung darf nicht in das Vollstreckungsverfahren verlagert werden (BAG 11.12.1991 - 7 ABR 16/91 - AP BetrVG 1972 § 90 Nr. 2; BAG 24.01.2001 - 7 ABR 2/00 - AP ArbGG 1979 § 81 Nr. 50; BAG 03.05.2006 - 1 ABR 63/04 - AP ArbGG 1979 § 81 Nr. 61; BAG 11.12.2007 - 1 ABR 73/06 - AP BetrVG 1972 § 99 Versetzung Nr. 54; BAG 21.01.2008 - 1 ABR 74/06 - AP AÜG § 14 Nr. 14; BAG 09.12.2008 - 1 ABR 75/07 - AP BGB § 613 a Nr. 356; BAG 27.07.2010 - 1 ABR 74/09 - AP ZPO § 253 Nr. 51 m.w.N.).
Diesen Anforderungen werden die Unterlassungsanträge des Betriebsrats gerecht. Die Anträge beschreiben die Maßnahmen konkret, die der Arbeitgeber im Einzelnen unterlassen soll. Welchen Personen die Arbeitgeberin keinen Zugang zu Arbeitsplatzrechnern gewähren soll, ist in den Unterlassungsanträgen konkret ausgeführt. Dies hat der Betriebsrat in der Beschwerdebegründung auch noch einmal ausdrücklich klargestellt. Darüber hinaus hat der Betriebsrat in der Beschwerdeinstanz auch ausdrücklich klargestellt, dass von seinem Unterlassungsanspruch der Zugang zu PCs durch EDV-Fachleute, Sicherheitspersonal u.ä., die Wartungsarbeiten, Sicherheitsüberprüfungen u.a. durchführen, nicht erfasst werden soll. Derartige Arbeiten will der Betriebsrat nach seinem eigenen Bekunden ersichtlich nicht ausschließen, soweit seine Mitbestimmungsrechte beachtet werden. Mit diesem eingeschränkten Verständnis steht der Gegenstand des Unterlassungsbegehrens hinreichend sicher fest. Bei einer dem Antrag stattgebenden Entscheidung kann die Arbeitgeberin eindeutig erkennen, welche Handlung sie sich enthalten soll.
II. Die vom Betriebsrat gestellten Unterlassungsanträge sind auch begründet.
1. Die vom Betriebsrat verfolgten Unterlassungsbegehren sind nicht bereits deshalb begründet, weil es sich um sogenannte Globalanträge handelt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist ein sogenannter Globalantrag, der einschränkungslos eine Vielzahl möglicher Fallgestaltungen erfasst, grundsätzlich als insgesamt unbegründet abzuweisen, wenn unter ihn zumindest auch Sachverhalte fallen, in denen sich der Antrag als unbegründet erweist (BAG 03.05.1994 - 1 ABR 24/93 - AP BetrVG 1972 § 23 Nr. 23; BAG 03.06.2003 - 1 ABR 19/02 - AP BetrVG 1972 § 89 Nr. 1; BAG 16.11.2004 - 1 ABR 53/03 - AP BetrVG 1972 § 82 Nr. 3; BAG 27.06.2006 - 1 ABR 35/05 - AP BetrVG 1972 § 95 Nr. 47; BAG 10.03.2009 - 1 ABR 87/07 - AP BetrVG 1972 § 87 Nr. 16; BAG 30.04.2010 - 1 ABR 78/08 - AP GG Art. 5 Abs. 1 Pressefreiheit Nr. 9; BAG 27.10.2010 - 7 ABR 36/09 - NZA 2011, 527 m.w.N.). Dies gilt auch für Feststellungsanträge (BAG 16.11.2004 - 1 ABR 53/03 - AP BetrVG 1972 § 82 Nr. 3).
Um derart unbegründete Globalanträge handelt es sich bei den vom Betriebsrat gestellten Unterlassungsanträgen aber nicht. Die Anträge umfassen keine Fallgestaltungen, in denen das begehrte Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht besteht.
Soweit die Arbeitgeberin darauf hingewiesen hat, dass der Zugang von EDV-Fachleuten, Sicherheitspersonal etc. zu den PCs in ihrem Betrieb möglich sein muss, um Wartungsarbeiten, Sicherheitsüberprüfungen etc. durchführen zu können, hat der Betriebsrat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass seine Unterlassungsanträge hiervon nicht erfasst werden. Derartiges Fachpersonal oder etwa der Systemadministrator hat nämlich eine eigene Zugangskennung oder ein eigenes Passwort, um den Zugang zu den im Betrieb der Arbeitgeberin befindlichen PCs zu gewähren. Der Betriebsrat hat darüber hinaus ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er derartige Arbeiten mit seinen Unterlassungsanträgen nicht ausschließen will, soweit seine Mitbestimmungsrechte dabei jeweils beachtet werden. In § 4 Abs. 4 RBV-IKT vom 30.11.2004 ist darüber hinaus ausdrücklich geregelt, in welchen Fällen eine Beteiligung des Betriebsrats in Betracht kommt.
2. Die Unterlassungsanträge des Betriebsrats sind wegen Verstoßes der Arbeitgeberin gegen die §§ 7, 4 Abs. 3 und der Anl. 3 der Betriebsvereinbarung über den Einsatz von Systemen der individuellen Datenverarbeitung - BV ID - vom 30.11.2004 begründet.
a) In der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ist anerkannt, dass dem Betriebsrat grundsätzlich ein Anspruch auf Durchführung von abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen zusteht. Nach § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG führt der Arbeitgeber Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber durch. Diese Vorschrift verpflichtet den Arbeitgeber gegenüber dem Betriebsrat, solche Vereinbarungen ihrem Inhalt nach entsprechend im Betrieb anzuwenden. Ob sich dieser Durchführungsanspruch unmittelbar aus § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ergibt oder ob er seinen Grund in der Betriebsvereinbarung selbst hat, kann dabei offen bleiben. § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG erstreckt die Durchführungspflicht des Arbeitgebers selbst auf Sprüche der Einigungsstelle. Der Betriebsrat kann insoweit auch die Durchführung eines Teiles einer Vereinbarung verlangen, solange er nicht durch die Betriebsvereinbarung begründete individualrechtliche Ansprüche der einzelnen Arbeitnehmer im eigenen Namen geltend macht (BAG 24.02.1987 - 1 ABR 18/85 - AP BetrVG 1972 § 77 Nr. 21; BAG 28.09.1988 - 1 ABR 41/87 - AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr.29; BAG 29.04.2004 - 1 ABR 30/02 - AP BetrVG 1972 § 77 Durchführung Nr. 3; BAG 18.01.2005 - 3 ABR 21/04 - AP BetrVG 1972 § 77 Betriebsvereinbarung Nr. 24; BAG 13.03.2007 - 1 ABR 22/06 - AP BetrVG 1972 § 95 Nr. 52; BAG 18.05.2010 - 1 ABR 6/09 - AP BetrVG 1972 § 77 Betriebsvereinbarung Nr. 51; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, 25. Aufl., § 77 Rn. 227; Kreutz/GK-BetrVG, 9. Aufl., § 77 Rn. 24 f.; ErfK/Kania, 12. Aufl., § 77 BetrVG Rn. 5; Wlotzke/Preis/Kreft, BetrVG, 4. Aufl., § 77 Rn. 2 m.w.N.). Der Betriebsrat seinerseits ist nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG verpflichtet, darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen etc. eingehalten und durchgeführt werden.
Diese Durchführungspflicht des Arbeitgebers beinhaltet zugleich die Verpflichtung des Arbeitgebers, dass er betriebsverfassungswidrige Maßnahmen unterlässt und dafür sorgt, dass sich auch die Arbeitnehmer in seinem Betrieb an die Regelungen einer Betriebsvereinbarung halten. Der Durchführungsanspruch aus § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG beinhaltet insoweit auch einen Unterlassungsanspruch. Durchführung in diesem Sinne bedeutet nämlich auch, Maßnahmen zu unterlassen, die im Widerspruch zur getroffenen Betriebsvereinbarung stehen (BAG 29.04.2004 - 1 ABR 30/02 - AP BetrVG 1972 § 77 Durchführung Nr. 3; Kreutz, a.a.O., § 77 Rn. 25; Fitting, § 77 Rn. 227 m.w.N.).
b) Die geltend gemachten Unterlassungsansprüche ergeben sich daraus, dass die Arbeitgeberin gegen die §§ 7, 4 Abs. 3 i.V.m. der Anlage 3 BV ID verstoßen hat.
Nach § 7 BV ID ist die Arbeitgeberin verpflichtet, durch technische und organisatorische Maßnahmen die Einhaltung der Betriebsvereinbarung sicherzustellen. In § 4 Abs. 3 BV ID ist ausdrücklich festgehalten, dass rechtmäßige Zugriffsberechtigte eine Verpflichtungserklärung gemäß Anlage 3 zu unterschreiben haben. In dieser Anlage 3 ist unter Ziffer 1.3. ausdrücklich der Umgang mit den den Arbeitnehmern/innen der Arbeitgeberin zur Verfügung gestellten Passwörtern geregelt. Ausdrücklich ist festgehalten, dass persönliche Passwörter dem Datenschutz unterliegen und nicht weitergegeben werden dürfen.
aa) Hiergegen ist unstreitig mindestens bei dem Einsatz der Praktikantin G3 am 10./11.08.2010 am PC-Arbeitsplatz der Mitarbeiterin T1 verstoßen worden. Die kaufmännische Leiterin S4 hat nämlich das ihr - aus welchen Gründen auch immer - bekannte persönliche Passwort der Mitarbeiterin T1 in den am Arbeitsplatz der Mitarbeiterin T1 befindlichen PC eingegeben, um der Praktikantin G3 die ihr zugewiesene Arbeit am PC der Mitarbeiterin T1 zu ermöglichen. Damit steht unstreitig fest, dass gegen das Verbot, persönliche Passwörter weiter zu geben, verstoßen worden ist. Ob die Mitarbeiterin S4 sich das Passwort der Mitarbeiterin T1 besorgt hat oder ob diese es freiwillig an die Mitarbeiterin T1 weitergegeben hat, ist insoweit unerheblich. Die Weitergabe von persönlichen Passworten ist nach Ziffer 1.3. der Anlage 3 zu § 4 Abs. 3 BV ID ausdrücklich verboten. Zur Einhaltung der Bestimmungen der Betriebsvereinbarung ist die Arbeitgeberin nach § 7 BV ID im Interesse des Datenschutzes verpflichtet. Die Einhaltung der Betriebsvereinbarung dient unter anderem dem Schutz der Privatsphäre und der Persönlichkeitsrechte der betroffenen Mitarbeiter. Hiermit ist die Weitergabe und die Nutzung von persönlichen Passworten durch andere Mitarbeiter nicht vereinbar.
bb) Die Arbeitgeberin kann auch nicht darauf verweisen, ein Verstoß gegen die Bestimmungen der BV ID liege nicht vor, weil die am 10./11.08.2010 eingesetzte Praktikantin G3 keinen Zugriff auf personenbezogene Daten gehabt habe. Unstreitig ist zwischen den Beteiligten, dass die Praktikantin G3 mit dem Passwort der Mitarbeiterin T1 mindestens Zugriff auf die Laufwerke Home, Exchange, Share und Vorlagen gehabt hat. Dies ergibt sich aus dem eigenen Vorbringen der Arbeitgeberin in der Beschwerdeerwiderung vom 05.12.2011. Dort ist ausdrücklich vorgetragen worden, dass auch der PC der Mitarbeiterin T1 mit dem zentralen Server vernetzt ist. Insoweit hatte die Praktikantin G3 durch die Anmeldung auf dem PC am Arbeitsplatz der Mitarbeiterin T1 mit deren Passwort Zugriff auf die Laufwerke Home, Exchange, Share und Vorlagen. Diese Laufwerke sind nämlich nach dem eigenen Vorbringen der Arbeitgeberin für alle an den Rechnern Tätigen freigegeben.
Die Arbeitgeberin hat im Beschwerdeverfahren auch nicht substantiiert bestritten, dass sich auf den genannten Laufwerken Home, Exchange, Share und Vorlagen personenbezogene Daten befinden. Insoweit hat der Betriebsrat ausdrücklich vorgetragen, dass sich auf dem für jeden PC-Nutzer zugänglichen Laufwerk Exchange, das auf dem Server eingerichtet ist, von einzelnen PC-Nutzern zum Datentransport hinterlegte Daten befinden. Dieses Laufwerk ersetzt praktisch das Erfordernis von E-Mail-Transporten dergestalt, dass ein PC-Nutzer ein von ihm erstelltes oder aber verarbeitetes Dokument auf dem Laufwerk Exchange abspeichert und auf diese Art und Weise ermöglicht, dass ein anderer PC-Nutzer Zugriff nehmen kann. Erkennbar ist dabei, von wem dieses Dokument erstellt wurde, wann es von wem zuletzt aufgerufen wurde, wie lange die Anfertigung des Dokumentes gedauert hat etc. Dieses Vorbringen hat die Arbeitgeberin im Schriftsatz vom 09.02.2012 zugestanden, indem sie ausdrücklich vorgetragen hat, dass zwar auf dem Laufwerk Exchange die einzelnen PC-Nutzern zuzuordnenden Datentransport-Daten aufzufinden seien, diese seien aber keine persönlichen Daten der Beschäftigten; derartige Transporte würden gespeichert, um zu erfassen, wann an wen welche E-Mails u.a. gesandt würden. Damit ist nach § 138 Abs. 3 ZPO zugestanden, dass die Praktikantin G3 bei ihrem Einsatz am PC der Mitarbeiterin T1 einen Zugriff auf personenbezogene Daten der Mitarbeiter der Arbeitgeberin hatte.
Ob die Laufwerke Home, Exchange, Share und Vorlagen persönliche Daten von Mitarbeitern der Arbeitgeberin enthielten, was die Arbeitgeberin bestreitet, ist unerheblich. Es kommt auch nicht darauf an, ob die Praktikantin G3 möglicherweise eines der entsprechenden Laufwerke tatsächlich geöffnet hat. Entscheidend ist allein, ob der Praktikantin G3 durch ihren Einsatz am PC der Mitarbeiterin T1 unter Verwendung von deren Passwort die Möglichkeit eingeräumt worden ist, auf personenbezogene Daten Zugriff zu nehmen. Der Begriff der personenbezogenen Daten im Sinne des § 3 Abs. 1 BDSG ist sehr weit (Gola/Schomerus, BDSG, 10. Aufl., § 3 Rn. 10; Simitis/Dammann, BDSG, 7. Aufl., § 3 Rn. 7; Kort, NZA 2011, 1319 m.w.N.). Unter die personenbezogenen Daten im Sinne des § 3 Abs. 1 BDSG fallen daher auch Daten, bei denen der Personenbezug nur dadurch gegeben ist, dass es sich um personenbeziehbare Daten handelt.
Solche Daten sind aber unstreitig auf dem Laufwerk Exchange enthalten. Die Arbeitgeberin hat demgegenüber lediglich immer nur bestritten, dass auf den Laufwerken Home, Exchange, Share und Vorlagen keine persönlichen Daten enthalten seien. Hierauf kommt es aber nicht an.
c) Dieser Verstoß gegen die §§ 7, 4 Abs. 3 und der Anlage 3 BV ID ist entgegen der Rechtsauffassung der Arbeitgeberin dieser auch zuzurechnen.
Entscheidend ist insoweit nicht, dass die am 10./11.08.2010 eingesetzten Praktikanten, worauf die Arbeitgeberin mehrfach hinweist, Arbeiten für die A1 O1 GmbH bzw. für die Fa. L1 erledigt haben. Entscheidend ist auch nicht, dass durch die Praktikanten keine Arbeiten für die Arbeitgeberin erledigt haben. Entscheidend ist die Verwendung des Passwortes der Mitarbeiterin T1 durch die kaufmännische Leiterin der Arbeitgeberin, Frau S4. Sowohl die Mitarbeiterin T1 wie auch die kaufmännische Leiterin S4 sind unstreitig Mitarbeiter der Arbeitgeberin. Diese unstreitige Verwendung des Passwortes der Mitarbeiterin T1 durch die kaufmännische Leiterin S4 muss sich die Arbeitgeberin zurechnen lassen. Unstreitig ist die Mitarbeiterin S4 nicht als Privatperson tätig geworden, sondern als Arbeitnehmerin der Arbeitgeberin. Insoweit ist auch nicht streitentscheidend, ob die Mitarbeiterin T1 ihr Passwort freiwillig weitergegeben hat oder ob die kaufmännische Leiterin, Frau S4, von der Mitarbeiterin T1 die Herausgabe ihres Passwortes verlangt hat. Entscheidend ist, dass entgegen dem ausdrücklichen Verbot der Weitergabe persönlicher Passwörter in Ziffer 1.3. der Anlage 3 zu § 4 Abs. 3 BV ID das persönliche Passwort der Mitarbeiterin T1 weitergegeben worden ist. Dieses Verhalten ist der Arbeitgeberin nach § 278 BGB zuzurechnen. Sowohl die Mitarbeiterin T1 wie auch die kaufmännische Leiterin, Frau S4, sind Arbeitnehmer der Arbeitgeberin des vorliegenden Verfahrens. Grundsätzlich hat der Arbeitgeber nach § 278 BGB das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen in gleichem Umfang wie eigenes Verschulden zu vertreten. Dabei kann das Verschulden des Arbeitgebers auch in einem Organisations-/Auswahl- oder auch Überwachungsfehler liegen. Ein Arbeitgeber muss alle erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen treffen, um Zuwiderhandlungen durch Angestellte oder Beauftragte zu verhindern. Dass die Arbeitgeberin dieser Verpflichtung, die sich im Übrigen aus § 7 BV ID ergibt, ordnungsgemäß nachgekommen ist, ist nicht vorgetragen worden.
3. Auch die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr ist entgegen der Rechtsauffassung der Arbeitgeberin gegeben. Für die Wiederholungsgefahr besteht bereits eine tatsächliche Vermutung, wenn in der Vergangenheit Mitbestimmungsrechte verletzt worden sind (BAG 29.02.2000 - 1 ABR 4/99 - AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 105). So liegt der vorliegende Fall. Die Arbeitgeberin hat keine besonderen Umstände vorgetragen, aus denen sich ergeben könnte, dass ein weiterer Verstoß gegen die Weitergabe persönlicher Passwörter durch die Arbeitgeberin oder deren Mitarbeiter/innen nicht mehr in Betracht kommt. Das Verhalten der Arbeitgeberin anlässlich des vorliegenden Beschlussverfahrens erweist das Gegenteil. Die Arbeitgeberin hat während des gesamten Verfahrens den vom Betriebsrat gerügten Verstoß hartnäckig geleugnet. Auch im Anhörungstermin vor der Beschwerdekammer war die Arbeitgeberin zu einem Eingeständnis, dass gegen das Verbot der Weitergabe persönlicher Passworte verstoßen worden ist, nicht bereit. Bereits hieraus ergibt sich, dass der Betriebsrat die weitere Verletzung der Bestimmungen der BV ID durch die Arbeitgeberin befürchten musste.
III. Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht bestand keine Veranlassung, §§ 92 Abs. 1 Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG.
LAG Hamm:
Beschluss v. 10.02.2012
Az: 10 TaBV 59/11
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/6e27c8acd277/LAG-Hamm_Beschluss_vom_10-Februar-2012_Az_10-TaBV-59-11