Bundespatentgericht:
Beschluss vom 23. September 2003
Aktenzeichen: 24 W (pat) 134/02
(BPatG: Beschluss v. 23.09.2003, Az.: 24 W (pat) 134/02)
Tenor
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Wort-Bild-Markeist für die Waren und Dienstleistungen
"Ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege; pharmazeutische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, Babykost; Marketing, Unternehmens-, Organisations- und Personalberatung; ärztliche Versorgung, Gesundheits- und Schönheitspflege; Dienstleistungen eines Apothekers, einer Hebamme, eines Masseurs, einer Krankengymnastin oder eines medizinischen Bademeisters; Dienstleistungen eines medizinischen, bakteriologischen oder chemischen Labors; Beratung in Gesundheits-, Diät- oder Ernährungsfragen sowie im Bereich Körperpflege; Franchising von Gesundheitszentren, nämlich Vermittlung von rechtlichen, wirtschaftlichen, organisatorischen und technischen Know-How sowie Vermittlung von Lizenzen; Weiterbildung und Schulungen im Gesundheits- und Krankenpflegebereich"
unter der Nummer 301 04 782 in das Markenregister eingetragen worden.
Dagegen hat die Inhaberin der prioritätsälteren, für die Waren
"Kosmetika, Parfümerien, Mittel zur Körperpflege, zur Schönheitspflege, zur Haarpflege und zur Pflege der Kopfhaut"
geschützten Gemeinschaftsmarke 576 272 MEDAVITA Widerspruch erhoben.
Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch mit Beschluß vom 21. Mai 2002 durch einen Beamten des gehobenen Dienstes zurückgewiesen. Die Waren der sich gegenüberstehenden Marken seien zwar teilweise identisch oder sehr ähnlich, jedoch wiesen die Marken keine ausreichenden Gemeinsamkeiten auf. Die Unterschiede im zusätzlichen Vokal "A" in der Mitte der Widerspruchsmarke und im Konsonanten "l" am betonten Ende der angegriffenen Marke prägten den jeweiligen klanglichen Gesamteindruck deutlich unterschiedlich, auch wenn die Marken in den kennzeichnungsschwachen Bestandteilen " med" (Abkürzung für "medizinisch, Medizin") und "vita" (= "Leben") übereinstimmten. Die jüngere Marke sei dreisilbig und werde auf der ersten und letzten Silbe betont, wogegen die viersilbige Widerspruchsmarke auf der ersten und vorletzten Silbe betont werde. Anhaltspunkte für Verwechslungen aus anderen rechtlichen Gründen seien nicht ersichtlich.
Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie trägt vor, unter Berücksichtigung der vorliegenden Warenidentität bzw. erheblichen Warennähe hielten die Marken den erforderlichen deutlichen Abstand zueinander nicht mehr ein. Auch wenn die Widerspruchsmarke kennzeichnungsschwache Bestandteile enthalte, bedeute dies nicht, daß das Zeichen in seiner Gesamtheit kennzeichnungsschwach sei. Da es weder ein "medizinisches Leben" noch ein "Medizinleben" gebe und der Bestandteil "MED" eine Abkürzung darstelle, handele es sich nicht um eine sprachübliche beschreibende Angabe. Außerdem sei zu berücksichtigen, daß "MED" am Wortanfang stehe und nicht - wie üblich - eine Endsilbe darstelle. Der Widerspruchsmarke komme daher zumindest normale Kennzeichnungskraft zu. Unter diesen Umständen könnten die vergleichsweise sehr geringen Abweichungen zwischen den Marken einen hinreichenden klanglichen und bildlichen Abstand nicht gewährleisten.
Die Widersprechende beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.
Der Inhaber der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen.
Der Markeninhaber ist der Ansicht, die Marken unterschieden sich vor allem durch das zusätzliche Bildelement in der jüngeren Marke. Außerdem zeige die grafische Ausgestaltung des Wortbestandteils, daß dieser aus zwei nebeneinander stehenden selbstständigen Wortelementen bestehe. Klanglich bestünden Abweichungen der Marken in der Silbenzahl und damit im Sprachrhythmus sowie in der Betonung. Allein aus der Übereinstimmung in den auf dem betreffenden Warengebiet verbrauchten Zeichenteilen "MED" und "VITA" könne eine Verwechslungsgefahr nicht hergeleitet werden. Im übrigen komme lediglich eine teilweise Löschung der jüngeren Marke in Betracht, weil die Waren und Dienstleistungen nur teilweise ähnlich seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die gemäß § 165 Abs. 4 MarkenG statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat in der Sache keinen Erfolg. Zwischen den Marken besteht keine Gefahr von Verwechslungen gemäß §§ 125b Nr. 1, § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zu Art. 4 Abs 1 Buchst. b der Markenrechtsrichtlinie, die für die Auslegung der in Umsetzung dieser Richtlinienbestimmung erlassenen Vorschrift des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG von maßgeblicher Bedeutung ist, ist die Frage der Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Zu den dabei maßgebenden Umständen gehören insbesondere die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den Marken und zwischen den damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen. Bei der umfassenden Beurteilung ist hinsichtlich der Ähnlichkeit der Marken auf den Gesamteindruck abzustellen, den diese jeweils hervorrufen. Hierbei kommt es entscheidend darauf an, wie die Marke auf den Durchschnittsverbraucher der jeweils in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen wirkt (vgl. EuGH GRUR 1998, 387, 389 f "Sabèl/Puma"; GRUR Int. 1999, 734, 736 "Lloyd"). Die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr impliziert auch eine gewisse Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen. So kann ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (EuGH GRUR Int. 1998, 875, 876 f. "Canon"; GRUR Int. 2000, 899, 901 "Adidas/Marca Moda"; BGH GRUR 2003, 332, 334 "Abschlußstück"). Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend keine Gefahr von Verwechslungen gegeben.
Die beiderseitigen Waren und Dienstleistungen liegen teilweise im Identitätsbereich, teilweise im engsten Ähnlichkeitsbereich; im übrigen besteht größerer Abstand. Die Waren "ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege" der jüngeren Marke sind identisch im Warenverzeichnis der älteren Marke enthalten. Pharmazeutische Produkte sind Haarpflegemitteln und Mitteln zur Körper- und Schönheitspflege ähnlich (Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 12. Aufl., Seite 264 rechte Spalte oben). "Präparate für die Gesundheitspflege" können ebenfalls engere Berührungspunkte zu den Waren der Widerspruchsmarke aufweisen. "Diätetische Erzeugnisse" sind Haarpflegemitteln und Mitteln zur Körper- und Schönheitspflege ähnlich (Richter/Stoppel, aaO., Seite 108 mittlere Spalte). "Beratung in Gesundheits-, Diät- oder Ernährungsfragen sowie im Bereich Körperpflege" wird häufig von Kosmetikfirmen und Kosmetikstudios betrieben, so daß auch insoweit Ähnlichkeit anzunehmen ist. Noch näher ist der Bezug zu "Gesundheits- und Schönheitspflege". Im übrigen aber bestehen keine ausreichenden Berührungspunkte zwischen den zu vergleichenden Waren und Dienstleistungen, so daß es insoweit an der Ähnlichkeit fehlt.
Bei den identischen oder ähnlichen Waren oder Dienstleistungen handelt sich zum Teil um solche, die relativ alltäglich und geringwertig sein und sich an breite Verkehrskreise richten können. Insoweit hat die jüngere Marke einen deutlichen Abstand von der Widerspruchsmarke einzuhalten, der jedoch nach Ansicht des Senats noch gewahrt ist.
Zunächst ist zu berücksichtigen, daß es sich bei der angegriffenen Marke um eine Wort-Bildmarke handelt, bei der lediglich der Wortbestandteil für Verwechslungen in Betracht kommt. Voraussetzung für eine entsprechende kollisionsbegründende Wirkung ist, daß dem betreffenden Bestandteil innerhalb des Gesamteindrucks prägende Wirkung zukommt. Es kann dahingestellt bleiben, ob im vorliegenden Fall der allgemeine Grundsatz gilt, wonach bei Wort-Bildzeichen allein der Wortbestandteil das Zeichen prägt, weil er die einfachste Art der Benennung darstellt. Dies ist nicht unzweifelhaft, weil der Wortbestandteil gegenüber dem Bildbestandteil größenmäßig zurücktritt und stark beschreibende Anklänge in bezug auf medizinische und die Vitalität fördernde oder erhaltende Wirkung der Waren und Dienstleistungen aufweist.
Jedenfalls aber scheitert eine Verwechslungsgefahr daran, daß der Wortbestandteil der angegriffenen Marke den Schutzbereich der Widerspruchsmarke nicht in rechtlich unzulässiger Weise berührt. Wie die Markenstelle zutreffend ausgeführt hat und auch die Widersprechende nicht bestreitet, setzt sich die Widerspruchsmarke aus der Abkürzung "MED" für "medizinisch, Medizin" und "VITA" (= Leben, Lebenskraft, Lebensfunktion; vgl. BPatG 33 W (pat) 110/95 "VITA"; BPatG 25 W (pat) 233/99 "VITA-Venencreme", Zusammenfassung jeweils veröffentlicht auf PROMA PAVIS CD-ROM) zusammen, die durch den Vokal "A" zu einem Wort verbunden sind. Beide Begriffe stellen einen Hinweis auf die Eigenschaften der Waren dar, für welche die Widerspruchsmarke geschützt ist (vgl. dazu 30 W (pat) 235/01 "BONVITAL" / Bona-Vit", Zusammenfassung veröffentlicht auf PROMA PAVIS CD-ROM). Im Fall von Marken oder Markenbestandteilen, die, wie die Widerspruchsmarke, an beschreibende Angaben angelehnt sind, ist der Schutzumfang der eingetragenen Marke eng zu bemessen, und zwar nach Maßgabe der Eigenprägung und Unterscheidungskraft, die dem Zeichen - trotz seiner Anlehnung an die freizuhaltende Angabe - die Eintragungsfähigkeit verleiht (vgl. BGH, Urteil vom 20. März 2003 - I ZR 60/01 "AntiVir/AntiVirus"; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 9 Rn. 323). Ein darüber hinausgehender Schutz kann nicht beansprucht werden, weil er dem markenrechtlichen Schutz der beschreibenden Angabe selbst gleichkommen würde. Bei Zeichen, die sich wie "MEDAVITA" als Abwandlungen freihaltungsbedürftiger Angaben darstellen, kann demnach bei der Prüfung einer Verwechslungsgefahr nicht entscheidend auf Übereinstimmungen allein in den beschreibenden Elementen abgestellt werden. Maßgebend für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr muß vielmehr gegenüber der angegriffenen Bezeichnung der Eindruck der Widerspruchsmarke in der den Schutz dieses Zeichens begründenden Gestaltung sein (vgl. BGH, Urteil vom 20. März 2003 - I ZR 60/01 "AntiVir/AntiVirus"). Hiervon ausgehend reicht die gegebene Markenähnlichkeit auch bei identischen Waren aus Rechtsgründen nicht aus, um eine Verwechslungsgefahr bejahen zu können. Die Eigenprägung und Unterscheidungskraft der Widerspruchsmarke beruhen in erster Linie auf der Verbindung der Sachangaben "MED" und "VITA" mit dem Buchstaben "A". Gerade insoweit fehlt es aber an einer Übereinstimmung der einander gegenüberstehenden Zeichen. So wird der Gesamteindruck des Wortbestandteils "MedVital" der angegriffenen Marke vor allem durch die deutliche Zäsur zwischen beiden Wortelementen "Med" und "Vital" bestimmt, die nicht nur die Bildwirkung, sondern auch den Sprechrhythmus nachhaltig beeinflußt, wobei die Betonung gleichermaßen auf der Eingangssilbe "Med" und der Schlußsilbe "-tal" liegt. Demgegenüber stellt die Widerspruchsmarke "MEDAVITA" eine in sich geschlossene einheitliche Lautfolge dar, die insbesondere auf der vorletzten Silbe "VI" betont wird. Damit beschränken sich die Gemeinsamkeiten beider Markenwörter im wesentlichen auf die Übereinstimmungen in den beschreibenden Elementen "Med" und "VITA/Vital", was - wie ausgeführt - aus Rechtsgründen für die Annahme einer markenrechtlich relevanten Verwechslungsgefahr nicht ausreichen kann.
Es besteht kein Anlaß, einer der Verfahrensbeteiligten die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen (§ 71 Abs. 1 MarkenG).
Ströbele Hacker Guth Ko
BPatG:
Beschluss v. 23.09.2003
Az: 24 W (pat) 134/02
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