Bundespatentgericht:
Beschluss vom 27. November 2009
Aktenzeichen: 25 W (pat) 67/09
(BPatG: Beschluss v. 27.11.2009, Az.: 25 W (pat) 67/09)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Bezeichnung Lancasterist am 10. März 2008 u. a. für die Waren
"KI. 5: Heilkräutertees, medizinische Tees, medizinische Kräutertees, Schlankheitstee für medizinische Zwecke;
KI. 30: Eistee; Getränke auf der Basis von Tee; Kräutertees, nicht medizinische; Tee"
zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden.
Nach Beanstandung wegen absoluter Schutzhindernissen nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 u. 2 Marken ist die Anmeldung mit Beschluss der Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patentund Markenamts vom 7. Juli 2008 teilweise, nämlich für die obengenannten Waren, zurückgewiesen worden.
Bei der angemeldeten Marke handele es sich um eine freihaltebedürftige und damit nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossene Sachangabe, da "Lancaster" für die zurückgewiesenen Waren ausschließlich aus einer Angabe bestehe, die im Verkehr zur Bezeichnung der geographischen Herkunft dienen könne. Denn "Lancaster" sei der Name einer Stadt im County Lancashire in Nord-West-England mit ca. ... Einwohnern, in welcher auch Landwirtschaft betrieben würde. Gerade bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen und vor allem auch bei Tee sei die jeweilige geographische Herkunft unter Umständen eine besonders wichtige, zur Beschreibung dieser Waren für den Verkehr auch unbedingt nötige und daher extrem freihaltebedürftige Sachangabe.
Für die Schutzunfähigkeit der angemeldeten Bezeichung seien Voreintragungen dieses Begriffs in Alleinstellung oder als Bestandteil von Kombinationsmarken ohne Belang, da diese in Bezug auf die Beurteilung der Schutzfähigkeit des Zeichens keine Bindungswirkung entfalteten.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin mit dem sinngemäßen Antrag, den Beschluss der Markenstelle für Klasse 30 des deutschen Patentund Markenamts vom 7. Juli 2008 aufzuheben.
Eine Freihaltung der angemeldeten Bezeichnung in Bezug auf die zurückgewiesenen Waren sei nicht erforderlich. Der angefochtenen Entscheidung fehle eine realitätsbezogene Prognose, dass der Name der englischen Stadt "Lancaster" in Zukunft für die hier maßgeblichen Waren in Deutschland als Sachangabe benutzt werden könnte. Für eine solche reiche eine existierende Landwirtschaft in der englischen Graftschaft Lancaster nicht aus. Zudem weise "Lancaster" auch nicht auf einen bestimmten Ort oder ein bestimmtes Gebiet hin, da es eine Vielzahl anderer Orte gleichen Namens in Großbritannien und anderen Ländern gebe.
Dementsprechend seien auch eine Vielzahl von Marken mit dem Bestandteil von "Lancaster" in das Markenregister eingetragen worden, deren Waren ebenfalls in einem Ort mit dem Namen "Lancaster" hergestellt werden könnten, so dass im Hinblick auf diese Voreintragungen die vorliegende Teilzurückweisung der Anmeldung als willkürlich zu betrachten sei.
Einen zunächst hilfsweise gestellten Antrag auf mündliche Verhandlung hat die Anmelderin mit Schriftsatz vom 19. November 2009 zurückgenommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle sowie auf die Schriftsätze der Anmelderin und den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Anmelderin, über die nach Rücknahme des Antrags auf mündliche Verhandlung im schriftlichen Verfahren zu entscheiden ist, hat in der Sache keinen Erfolg, weil einer Registrierung der als Marke angemeldeten Bezeichnung "Lancaster" in Bezug auf die zurückgewiesenen Waren das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegensteht. Nach dieser Bestimmung sind von der Eintragung u. a. solche Marken ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der geographischen Herkunft der von der Marke erfaßten Waren (oder Dienstleistungen) dienen können. Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, ob die Bezeichnung bereits tatsächlich in diesem Sinne verwendet und verstanden wird. Vielmehr ist die Eintragung auch dann zu versagen, wenn die fragliche Benutzung als Herkunftsangabe noch nicht zu beobachten ist, eine solche Verwendung aber jederzeit in Zukunft erfolgen kann, wobei genügt, dass ein solcher Bezug jedenfalls möglich scheint (vgl. BGH GRUR 2003, 882, 883 -Lichtenstein). Nur wenn die konkret beanspruchten Waren mit dem betreffenden Ort oder mit den Eigenschaften der als solche erkennbaren geographischen Region vernünftigerweise weder gegenwärtig noch in absehbarer Zukunft in Verbindung gebracht werden können, scheidet das Eintragungsverbot des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG aus (EuGH GRUR 1999, 723, 726 Tz. 31 -Chiemsee). Im Gegensatz zur früheren Rechtslage, wonach besondere Feststellungen erforderlich waren, um von einer künftigen Verwendung der Bezeichnung als geographische Angabe ausgehen zu können, bedarf es nunmehr umgekehrt besonderer Anhaltspunkte dafür, warum eine geographische Angabe im Einzelfall doch nicht geeignet ist, im Verkehr als geographische Angabe zu dienen (vgl. BPatG GRUR 2000, 149, 150 -WALLIS; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., § 8 Rdnr. 273).
Nach diesen Grundsätzen geht der Senat im Anschluss an die Entscheidung BPatG GRUR 2005, 677 ff., welche die Schutzfähigkeit des englischen Städtenamens "Newcastle" für weitgehend identische Waren betraf, davon aus, dass die Bezeichnung "Lancaster" für die von ihr erfaßten zurückgewiesenen Waren von Hause aus schutzunfähig ist.
"Lancaster" kommt als geografische Herkunftsangabe in Betracht. Es handelt sich -wie die Markenstelle zutreffend ausgeführt hat -um den Ortsnamen einer Stadt im County Lancashire in Nord-West-England mit ca. ... Einwohnern. Als Ver waltungssitz des Bezirks City of Lancaster und Universitätsstadt verfügt sie auch über ein zumindest regionale wirtschaftliche und politische Bedeutung. Die hier relevanten Verkehrskreise -Mitbewerber ebenso wie Endverbraucher -werden nicht zuletzt aufgrund der historischen Bedeutung dieser Stadt als wichtiger englischen Hafen für den Handel mit Übersee und der Verbindung zu der alten englischen Herrscherdynastie "House of Lancaster" jedenfalls zu einem nicht unerheblichen Teil mit "Lancaster" in erster Linie den Namen dieser englischen Stadt verbinden, wenngleich die Bekanntheit eines Ortes/einer Stadt für die Annahme eines Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ebensowenig ausschlaggebend ist wie das Vorhandensein entsprechender Gewerbebetriebe.
Denn selbst wenn sich ein ortsansässiger und insoweit ein gegenwärtiges Freihaltungsbedürfnis begründender Produzent von "Tee" nicht nachweisen lässt, liegt es gleichwohl bei einer englischen Stadt mit der Größe und Bedeutung wie "Lancaster" nicht außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit, dass sich dort jedenfalls Unternehmen ansiedeln, die sich mit der Herstellung oder dem Vertrieb von Tee oder teeähnlichen Erzeugnissen befassen. Auch wenn in Großbritannien bzw. England -und somit auch in der Region von Lancaster -Tee nicht angebaut wird, so ist den hier relvanten Verkehrskreisen allgemein bekannt, dass Großbritannien in der Verarbeitung von Tee sowie im Handel damit seit jeher eine bedeutende Stellung einnimmt. Großbritannien ist auch heute noch weltweit einer der Hauptabnehmer von Tee und gilt als klassisches Land des Teegenusses. Aufgrund seiner weltbekannten, ausgeprägten Teekultur stellt sich das Produkt "Tee" geradezu als Inbegriff britischer Lebensgewohnheiten dar. Auch auf dem inländischen Markt sind daher ursprünglich englische Teesorten wie z. B. "Earl Grey" und Produkte britischer/englischer Hersteller wie "Twinings" oder "PG Tips" mittlerweile weit verbreitet. Bei dieser Sachlage kann eine Verwendung englischer Städtenamen im allgemeinen und somit auch der Bezeichnung "Lancaster" als geographische Herkunftsangabe nicht vernünftigerweise ausgeschlossen werden. Es läßt sich kein Anhaltspunkt ersehen, der einer Eignung der Bezeichnung "Lancaster", als geographische Herkunftsangabe für die von der angegriffenen Marke erfaßten Waren zu dienen, entgegenstünde.
Unerheblich ist, ob "Tee" dabei als solcher oder als wesentlicher Bestandteil von (Misch-)Getränken verwendet wird bzw. ob er für Zwecke des Genusses (Klasse 30) oder für medizinische Zwecke (Klasse 05) bestimmt ist, da dies nichts an der Eignung der Bezeichnung als geografiche Herkunftsangabe ändert (vgl. dazu auch BPatG GRUR 2005, 677, 678 -Newcastle).
Das Allgemeininteresse an der Freihaltung der geographischen Bezeichnung "Lancaster" entfällt auch nicht deshalb, weil es eine Vielzahl weiterer Orte dieses Namens vor allem in den USA und Kanada gibt. Für deutschsprachige Städtenamen ist anerkannt, dass die Einmaligkeit der Ortsbezeichnung nicht Voraussetzung für die Annahme ist, sie könne als geographische Herkunftsangabe Verwendung finden (BGH GRUR 2003, 882 -Lichtenstein). Für den Senat sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die es rechtfertigen könnten, an außerdeutsche geographische Angaben -sofern sie, wie hier, im Inland über hinreichende Bekanntheit verfügen -geringere Anforderungen zu stellen als an inländische (vgl. BPatG, GRUR 2005, 677 -Newcastle, GRUR 2006, 509 -PORTLAND).
Unerheblich ist ferner die seitens der Anmelderin vor allem im Verfahren vor der Markenstelle aufgeworfene Frage, ob die von ihr benannten identischen bzw. den Bestandteil "Lancaster" enthaltenden Marken zu Recht zur Eintragung gelangt sind. Denn der EuGH hat in einer aktuellen Entscheidung klargestellt, dass ein Anmelder aus der Eintragung vergleichbarer oder identischer Marken keinen Anspruch auf Eintragung auch seiner Anmeldung in das Markenregister herleiten kann. Voreintragungen selbst identischer Marken führen weder für sich, noch in Verbindung mit dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes zu einer Selbstbindung der über die Eintragung entscheidenden Stellen, da es sich dabei nicht um eine Ermessens-, sondern um eine Rechtsfrage handelt (vgl. EuGH MarkenR 2009, 201, 203 Tz. 15 -19 Schwabenpost/Volks.Handy; vgl. auch BPatG BlPMZ 2007, 236 -CASHFLOW; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., § 8 Rdnr. 26 -28).
Ob die Bezeichnung "Lancaster" zusätzlich auch jeglicher Unterscheidungskraft entbehrt (gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG), kann dahingestellt bleiben, wobei allerdings nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs einer Wortmarke, die Merkmale von Waren (und Dienstleistungen) -also auch die geographische Herkunft -beschreibt, aus diesem Grunde zwangsläufig die Unterscheidungskraft in Bezug auf diese Produkte fehlt (Postkantoor GRUR 2004, 674 Nr. 86).
Die Beschwerde hat daher keinen Erfolg.
Bayer Metternich Merzbach Hu
BPatG:
Beschluss v. 27.11.2009
Az: 25 W (pat) 67/09
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