Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. Januar 2000
Aktenzeichen: 33 W (pat) 128/99

(BPatG: Beschluss v. 28.01.2000, Az.: 33 W (pat) 128/99)

Tenor

Auf die Beschwerde der Markeninhaberin wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patentamts vom 21. April 1999 aufgehoben.

Gründe

I Der für die Dienstleistungen 35 Gestion et administration des affaires commerciales; travaux de bureau; publicite; location d'espaces, de materiels et de tous autres supports publicitaires; annonces, courriers, documentations publicitaires; supports publicitaires radiophoniques, cinematographiques ou televisuels; diffusion et distribution de tous supports publicitaires à savoir tracts, prospectus, imprimes, echantillons; diffusion de supports sonores et audiovisuels à des fins publicitaires; relations publiques; organisation d'expositions à buts commerciaux ou de publicite.

41 Services d'education et de divertissement, en praticulier organisation de concours avec ou sans remises de recompenses et/ou d'oscars, services de loisirs, de spectacles, organisation de manifestations.

42 Services h™teliers, restauration, repas et banquets, oenologie; cafe, restaurants, cafeteria, bar, salons de receptionsbestimmten IR-Marke 675 419 GRAND SIECLE ist der Schutz für Deutschland durch Beschluß der Markenstelle für Klasse 35 vom 21. April 1999 mit der Begründung verweigert worden, daß es ihr im Hinblick auf die beanspruchten Dienstleistungen an der erforderlichen Unterscheidungskraft fehle und es sich um eine beschreibende und freihaltebedürftige Angabe handele. Die Bezeichnung "GRAND SIECLE" habe im Deutschen die Bedeutung "großes/großartiges Jahrhundert". Sie gäbe den größtenteils unternehmerischen Fachkreisen die eindeutige, konkrete Sachinformation, daß die Dienstleistungen auf das laufende, bedeutende "großartige Jahrhundert" ausgerichtet bzw hierfür besonders bestimmt und geeignet seien und sich thematisch mit diesem befaßten.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben.

Zur Begründung führt sie im wesentlichen aus, daß sich die Dienstleistungen, für die die IR-Marke bestimmt seien, an die Gesamtheit des inländischen Verkehrs richteten, von dem nur ein kleiner Teil über Kenntnisse der französischen Sprache verfüge. Aber auch für diese Verkehrskreise sei ein Verständnis der Bezeichnung "GRAND SIECLE" als mittelbar beschreibender Angabe für die beanspruchten Dienstleistungen ausgeschlossen, weil deren Bedeutungsgehalt schillernd und mehrdeutig sei. Die Markeninhaberin beruft sich außerdem darauf, daß die dem Schutzbegehren zugrundeliegende Marke in Frankreich ohne Beanstandung eingetragen worden sei.

II Die Beschwerde ist begründet. Nach Auffassung des Senat stehen der IR-Marke 675 419 die Schutzhindernisse des § 8 Abs 2 Nr 1 und 2 iVm § 113 MarkenG nicht entgegen.

"GRAND SIECLE" ist eine Bezeichnung, die über die wörtliche Übersetzung "Großes Jahrhundert" hinaus im Französischen die Bedeutung "Zeitalter Ludwigs XIV." hat (vgl PONS Großwörterbuch Französisch-Deutsch 1996, S 714). Es handelt sich um einen historischen Begriff ("Avant le siècle que j'appelle de Louis XIV." - Voltaire, zitiert im Petit Robert S 1812), der eine abgeschlossene Epoche betrifft und dem Zeitalter Ludwig des XIV. erst im nachhinein wegen der Bedeutung dieser Periode für die Machtstellung Frankreichs verliehen worden ist. Anders als vergleichbare französische Begriffe wie "Grande Armee, Grande Nation, Grandhotel, Grand lit, Grand Prix" oder der englische Begriff "Grand Slam" ist die Bezeichnung "Grand Siecle" nicht als ein Fremdwort der deutschen Sprache bekannt (vgl DUDEN Fremdwörterbuch, 5. Aufl, DUDEN Band 5, 1990, S 289), sondern allenfalls einem kleinen Kreis vertraut, der entsprechende Französisch- und Geschichtskenntnisse besitzt.

Gleichwohl kann ein wenig bekannter Begriff vom Markenschutz ausgeschlossen sein, wenn er auf dem Gebiet der betroffenen Waren oder Dienstleistungen etwa für den Fachverkehr beschreibende Bedeutung hat und im Interesse der Mitbewerber zur Sachinformation benötigt wird und freizuhalten ist.

Diese Voraussetzungen sind hier aber nicht erfüllt. Es fehlt bereits an einem unmittelbar beschreibenden Bezug zu den beanspruchten Dienstleistungen, wie er etwa bei Möbeln, Antiquitäten oder historischen Kostümen in Betracht kommen könnte. Soweit mit dem historischen Fachausdruck "Grand Siècle" an Prunk, Pomp und Prachtentfaltung des Sonnenkönigs angeknüpft werden soll, handelt es sich um Vorstellungen, mit denen allenfalls eine mittelbare, indirekte Aussage in bezug auf die beanspruchten Werbe- und Veranstaltungsdienstleistungen hervorgerufen werden kann. An einer derart indirekten Fachbezeichnung besteht um so weniger ein Freihaltebedürfnis, als es an jeglichen Anhaltspunkten fehlt, daß im inländischen Fachverkehr mit dem Begriff "Grand Siècle" thematisch oder inhaltlich auf den Stil oder die Epoche Ludwigs des XIV. hingewiesen wird. Der Fachverkehr setzt sich zwar überwiegend aus einem unspezifischen Kreis von Unternehmen zusammen, die sich für Werbemaßnahmen, Promotions-, Gala- und sonstige Veranstaltungen interessieren. Er ist jedoch nicht auf diesen Kreis beschränkt, sondern umfaßt auch den Hotellerie- und Gastronomiebereich sowie ein breites Spektrum des allgemeinen Abnehmerpublikums. Für die Bereiche der Werbe- und Veranstaltungsdienstleistungen, die ohnehin fremdsprachlich vom Englischen dominiert werden, erscheint der historische Begriff "GRAND SIECLE", der eine französische Sichtweise widerspiegelt, zur Sachinformation des inländischen Verkehrs wenig geeignet oder erforderlich, da dieser weniger die eigene "Größe" als die Person Ludwig des XIV. oder des Sonnenkönigs mit dieser Epoche verbinden und gleichsetzen würde. Hinzu kommt, daß die Voreintragung der IR-Marke unter der Geltung des harmonisierten Markenrechts im muttersprachlichen Ursprungsland Frankreich indiziell gegen das Bestehen eines Freihaltebedürfnisses an der französischen Bezeichnung spricht. Eine indizielle Berücksichtigung ist allerdings nur geboten, soweit ein Begriff nach dem Sprachverständnis oder der Anschauung des inländischen Verkehrs nicht eine andere und zwar beschreibende Bedeutung hat als im Land der Muttersprache (z.B. Handy; s. BGH GRUR 1993, 746 f. - PREMIERE; MarkenR 99, 292, 294 - HOUSE OF BLUES) .

Das ist hier nicht der Fall. Insbesondere kann der Bezeichnung "GRAND SIECLE" - auch bei Unkenntnis des historischen Sinngehalts - kein aktueller Hinweis auf das gerade vergangene oder auf das kommende 21. Jahrhundert entnommen werden. Trotz der gegenwärtigen Jahrhundert- bzw. Jahrtausendwende gibt die sprachliche Fassung der Bezeichnung "GRAND SIECLE" weder den Sprachkundigen noch den Fach- oder Abnehmerkreisen ohne oder mit geringen Französischkenntnissen hierzu Veranlassung. Anhaltspunkte für ein künftiges Freihaltebedürfnis lassen sich ebenfalls nicht erkennen. Frankreich ist zwar der bedeutendste Handelspartner Deutschlands. Die Französischkenntnisse der inländischen Verkehrskreise stehen jedoch im umgekehrten Verhältnis hierzu und lassen eine zunehmende Verbreitung angesichts der geringen Anzahl von Schülern in Deutschland, die Französisch lernen (7%), nicht erwarten.

Ein Bedürfnis der Mitbewerber der Markeninhaberin, "GRAND SIECLE" zur Sachinformation in herausgestellter Weise zu verwenden, hat der Senat somit nicht feststellen können.

Der IR-Marke fehlt aber auch nicht die erforderliche Unterscheidungskraft für die Gewährung des Schutzes in Deutschland. Die angesprochenen inländischen Abnehmer können den beanspruchten Dienstleistungen keinen im Vordergrund stehenden unmittelbar beschreibenden Bezug zuordnen und es handelt sich bei "GRAND SIECLE" auch nicht um einen im Inland geläufigen Begriff einer bekannten Fremdsprache mit aktuellem Bezug, der bei markenmäßiger Verwendung nur als solcher und nicht als betriebliches Unterscheidungsmerkmal verstanden wird (vgl BGH stRspr GRUR 1995, 408, - PROTECH; Bl 98, 248 - Today; GRUR 99, 1089 - YES).

Winkler Dr. Schermer Pagenberg Cl






BPatG:
Beschluss v. 28.01.2000
Az: 33 W (pat) 128/99


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