Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 13. Dezember 2011
Aktenzeichen: II ZR 215/10
(BGH: Beschluss v. 13.12.2011, Az.: II ZR 215/10)
Tenor
1. Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Revisionen der Kläger zu 2, 5 und 6 gegen das Urteil des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 20. Oktober 2010 durch Beschluss gemäß § 552a ZPO zurückzuweisen, soweit Einladungsmängel geltend gemacht sind.
2. Im Übrigen werden die Revisionen der Kläger zu 2, 5 und 6 gegen das Urteil des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 20. Oktober 2010 verworfen.
3. Die Beschwerde der Klägerin zu 2 gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 20. Oktober 2010 wird zurückgewiesen.
4. Die Entscheidung über die Kosten wird der Schlussentscheidung vorbehalten.
Gründe
Die Revision der Kläger zu 2, 5 und 6 sind nur zulässig, soweit sie sich gegen die Verneinung eines Einladungsmangels richten. Insoweit liegen die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht vor und haben sie auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a ZPO). Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin zu 2 ist nicht begründet.
I.
Die Kläger zu 1 bis 6 haben mit der Klage beantragt, den auf der Hauptversammlung der Beklagten 2007 gefassten Bestätigungsbeschluss (TOP 10) betreffend die Wahl von Dr. B. zum Aufsichtsrat bei der Hauptversammlung 2006 für nichtig zu erklären; die Kläger zu 2 bis 6 haben beantragt, die Entlastungsbeschlüsse für Vorstand (TOP 3) und Aufsichtsrat (TOP 4) für nichtig zu erklären; die Kläger zu 5 und 6 haben außerdem beantragt, die Nichtigkeit folgender Beschlüsse festzustellen bzw. sie für nichtig zu erklären: TOP 2 (Verwendung des Bilanzgewinns), TOP 5 (Wahl des Abschlussprüfers für das Geschäftsjahr 2007), TOP 6 (Ermächtigung zum Erwerb eigener Aktien für Handelszwecke), TOP 7 (Ermächtigung zum Erwerb eigener Aktien nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG), TOP 8 (Ermächtigung zum Einsatz von Derivaten beim Erwerb eigener Aktien), TOP 9 (Wahl von Dr. S. in den Aufsichtsrat und zweier Ersatzmitglieder), TOP 11 (Satzungsänderung betreffend Aufsichtsratsvergütung), TOP 12 (Satzungsänderung elektronische Informationsweitergabe), TOP 13 (Satzungsänderung betreffend Beratergremien), TOP 14 (Schaffung neuen genehmigten Kapitals). Weiter haben die Kläger zu 5 und 6 beantragt festzustellen, dass der Jahresabschluss der Beklagten für das Geschäftsjahr bis zum 31. Dezember 2006 nichtig sei. 1 Das Landgericht hat die Klagen abgewiesen. Dagegen haben alle Kläger Berufung eingelegt. Das Berufungsgericht (OLG Frankfurt, ZIP 2011, 24) hat die Beschlüsse zur Vorstands- und Aufsichtsratsentlastung (TOP 3 und 4) für nichtig erklärt, die Klagen im Übrigen abgewiesen und die Revision im Hinblick auf den gerügten Einladungsmangel zugelassen. Dagegen haben die Klägerin zu 2 (hinsichtlich TOP 10) und die Kläger zu 5 und 6 (hinsichtlich TOP 2 und 5 bis 14) Revisionen eingelegt, die Klägerin zu 2 vorsorglich auch Nichtzulassungsbeschwerde. Die Beklagte hat Anschlussrevision eingelegt.
II.
Die Revisionen der Kläger sind unzulässig, soweit sie sich auf andere Beschlussmängel beziehen als die Einladungsmängel, auf die die Zulassung der Revision beschränkt ist.
1. Von einer Beschränkung der Zulassung ist auszugehen, wenn die Zulassung im Urteilstenor oder - wie hier - in den Entscheidungsgründen nur wegen bestimmter Rechtsfragen ausgesprochen wird, die lediglich für die Entscheidung über einen selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs erheblich sein können. Ein aktienrechtlicher Beschlussanfechtungs- oder Nichtigkeitsgrund ist ein solcher selbständiger Teil des Gesamtstreitstoffes. Die Sachverhalte, die zu verschiedenen Anfechtungs- oder Nichtigkeitsgründen vorgetragen sind, sind abtrennbare Teile des Streitstoffs. Der Streitgegenstand der aktienrechtlichen Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage wird durch die jeweils geltend gemachten Beschlussmängelgründe als Teil des zugrunde liegenden Lebenssachverhalts bestimmt (BGH, Urteil vom 8. Februar 2011 - II ZR 206/08, ZIP 2011, 637 Rn. 10).
2. Da die Zulassung der Revision auf Einladungsmängel als Beschlussmängelgründe beschränkt ist, sind die Revisionen der Kläger zu 5 und 6 unzulässig, so-3 weit sie geltend machen, nicht die nach der Satzung vorgesehene Person habe die Hauptversammlung bzw. die Beratung und Abstimmung zu TOP 10 geleitet, die Änderung der Reihenfolge der Tagesordnung sei rechtswidrig, die Redezeit der Aktionäre sei unverhältnismäßig eingeschränkt worden und zu Unrecht sei der Sonderprüfungsantrag des Klägers zu 4 nicht zur Abstimmung gestellt worden. Ebenso ist die Revision der Klägerin zu 2 unzulässig, soweit sie gegen den Bestätigungsbeschluss zur Wahl von Dr. B. in den Aufsichtsrat als Anfechtungsgrund anführt, eine Abfindung, die einem Vorstandsmitglied bei der Beendigung seines Vertrags gezahlt werde, müsse von der Hauptversammlung bewilligt werden, wenn dies aus Anlass seiner bevorstehenden Wahl zum Aufsichtsrat geschehe. Bei diesen behaupteten Beschlussmängeln handelt es sich nicht um Einladungsmängel. Das Berufungsgericht hat nur "im Hinblick auf den gerügten Einladungsmangel" und damit zu einem selbständigen Anfechtungs- oder Nichtigkeitsgrund die Revision zugelassen.
III.
Die Beschwerde der Klägerin zu 2 gegen die Nichtzulassung der Revision hinsichtlich der über einen Einladungsmangel hinausgehenden Beschlussmängelgründe ist zurückzuweisen, weil keiner der im Gesetz (§ 543 Abs. 2 ZPO) vorgesehenen Gründe vorliegt, nach denen der Senat die Revision zulassen darf. Der Rechtsstreit der Parteien hat insoweit weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert er eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.
IV.
Soweit die Revisionen der Kläger zu 2, 5 und 6 zulässig sind, liegen die Voraussetzungen für die Zulassung nicht mehr vor und haben sie auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a ZPO). 7 1. Der Zulassungsgrund ist entfallen, weil der Bundesgerichtshof inzwischen entschieden hat, dass die Modalitäten der Bevollmächtigung eines Stimmrechtsvertreters und eine Verpflichtung zur Anmeldung eines Bevollmächtigten nicht unter die in der Einberufung nach § 121 Abs. 3 Satz 2 AktG a.F. anzugebenden Bedingungen der Teilnahme an der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft oder der Ausübung des Stimmrechts fielen und insoweit in der Einladung enthaltene Fehler nicht zur Nichtigkeit der auf der Hauptversammlung gefassten Beschlüsse führten (BGH, Urteile vom 19. Juli 2011 - II ZR 124/10, ZIP 2011, 1813 Rn. 12 und - II ZR 246/09, ZIP 2011, 1862 Rn. 41).
2. Die Revisionen haben auch keine Aussicht auf Erfolg. Die Einladung zur Hauptversammlung war gesetzes- und satzungswidrig, soweit darin auch für Stimmrechtsvertreter eine Anmeldung verlangt wird (BGH, Urteil vom 19. Juli 2011 - II ZR 124/10, ZIP 2011, 1813 Rn. 10). Dieser Fehler führte aber nicht zur Nichtigkeit der auf der Hauptversammlung gefassten Beschlüsse (BGH, Urteile vom 19. Juli 2011 - II ZR 124/10, ZIP 2011, 1813 Rn. 12 und - II ZR 246/09, ZIP 2011, 1862 Rn. 41). Da die Klägerin zu 2 und die Kläger zu 5 und 6 ihre Klagen nicht auf Einladungsmängel gestützt haben, kann der Einladungsmangel auch nicht zum Erfolg der Klagen führen, wenn er geeignet ist, die Anfechtung der gefassten Beschlüsse zu begründen. Anfechtungsgründe sind nur zu berücksichtigen, wenn sie mit der Klage 9 innerhalb eines Monats nach der Beschlussfassung geltend gemacht werden (BGH, Urteil vom 19. Juli 2011 - II ZR 124/10, ZIP 2011, 1813 Rn. 16).
Bergmann Strohn Reichart Drescher Born Vorinstanzen:
LG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 19.06.2008 - 3-5 O 158/07 -
OLG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 20.10.2010 - 23 U 121/08 -
BGH:
Beschluss v. 13.12.2011
Az: II ZR 215/10
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