Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg:
Beschluss vom 5. September 1994
Aktenzeichen: PB 15 S 2971/93

(VGH Baden-Württemberg: Beschluss v. 05.09.1994, Az.: PB 15 S 2971/93)

1. Im personalvertretungsrechtlichen Beschlußverfahren auf Auflösung eines nach § 9 Abs 2 BPersVG begründeten Arbeitsverhältnisses ist der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit mit dem Auffangwert des § 8 Abs 2 S 2 BRAGO (BRAGebO) anzunehmen.

Gründe

Im personalvertretungsrechtlichen Beschlußverfahren vor den Verwaltungsgerichten wird der für die Rechtsanwaltsgebühren maßgebende Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit nach § 10 Abs. 1 BRAGO vom Gericht auf Antrag durch Beschluß selbständig festgesetzt, weil es wegen der allgemeinen Gerichtskostenfreiheit solcher Verfahren an einem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert fehlt. Diese Festsetzung ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich der Fachsenat angeschlossen hat, gemäß den Bestimmungen des § 8 Abs. 2 BRAGO vorzunehmen, da im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 3 BRAGO für die Gerichtsgebühren keine Wertvorschriften vorgesehen sind (vgl. BVerwG, Beschluß vom 8.7.1985, Buchholz 238.3 A § 83 Nr. 26; Senatsbeschluß vom 3.8.1987, VBlBW 1988, 265). § 13 GKG greift nicht ein.

Nach § 8 Abs. 2 BRAGO in der hier maßgeblichen vor dem 1.7.1994 geltenden Fassung (§ 134 Abs. 1 BRAGO) ist der Gegenstandswert nach billigem Ermessen zu bestimmen. In Ermangelung genügender Anhaltspunkte für eine Schätzung und bei nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten ist der Gegenstandswert mit 6.000,- DM anzunehmen, nach Lage des Falles niedriger oder höher. Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit ist in vorliegendem Beschlußverfahren danach auf 6.000 DM festzusetzen.

In personalvertretungsrechtlichen Beschlußverfahren, deren Ziel die Feststellung von Befugnissen, Pflichten und Zuständigkeiten von Dienststelle und Personalvertretung oder das gestaltende Eingreifen des Gerichts wie etwa im Falle einer Wahlanfechtung ist, ist für den Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit grundsätzlich vom Auffangwert - hier 6.000,- DM - auszugehen. In einem personalvertretungsrechtlichen Beschlußverfahren verfügt ein Personalrat im allgemeinen über keine geldwerten Eigeninteressen. Der Personalrat ist nicht befugt, Vermögen zu haben. Die Begehren und Verfahren erhalten ihre Bedeutung nicht durch ihre finanziellen Folgen, sondern durch die Ausstrahlung auf die Tätigkeit der Personalvertretung. Es geht in solchen Verfahren um die Verdeutlichung und Verwirklichung der Personalverfassung im öffentlichen Dienst. Die Verfahren werden durch diese Aufgabenstellung geprägt. Dies schließt es in der Regel aus, einzelne Streitsachen unterschiedlich zu bewerten (vgl. BVerwG, Beschluß vom 8.7.1985, a.a.O.; Senatsbeschluß vom 3.8.1987, a.a.O.).

Dies gilt auch im vorliegenden, nunmehr beim Bundesverwaltungsgericht anhängigem Beschlußverfahren, in dem die Antragstellerin nach § 9 Abs. 4 BPersVG die Auflösung des mit dem Beteiligten zu 1 nach § 9 Abs. 2 BPersVG begründeten Beschäftigungsverhältnisses begehrt. Die mit Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses eintretende gesetzliche Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses bei Mitgliedern eines Organs der Personalvertretung verbunden mit dem gesetzlichen Vorbehalt, daß das Verwaltungsgericht das Beschäftigungsverhältnis bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 9 Abs. 4 BPersVG auf Antrag des Arbeitgebers auflösen kann, dient der Verwirklichung der Personalverfassung. Die Regelung will die ungestörte Amtsausübung der Personalvertretung und ihrer Mitglieder sicherstellen. Sie rechtfertigt sich aus dem Benachteiligungsverbot, das ansonsten im Falle der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses umgangen werden könnte. § 9 Abs. 4 BPersVG sieht ausdrücklich vor, daß an dem Beschlußverfahren die zuständige Personalvertretung und ggf. auch die Jugend- und Auszubildendenvertretung beteiligt ist, wenn der vom Antrag des Arbeitgebers betroffene Beschäftigte deren Mitglied war. Damit wird die personalvertretungsrechtliche Prägung des Gegenstandes des Verfahrens unterstrichen. Die Regelungen wirken sich nur mittelbar zugunsten der Belange des betroffenen Arbeitnehmers an einer Weiterbeschäftigung nach Beendigung seiner Ausbildung aus.

Nicht gefolgt werden kann dem Hinweis des Vertreters der Beteiligten, für die Festsetzung des Gegenstandswertes biete sich in entsprechender Anwendung von § 12 Abs. 7 ArbGG der dreifache Monatsbetrag der Bruttovergütung des Beschäftigten an, hier also der Betrag von 9.600 DM (3 x 3.200 DM; in diesem Sinn auch: VGH Kassel, Beschluß vom 9.8.1994, TK 1824/94, nicht veröffentlicht). § 12 Abs. 7 ArbGG ist (wie bei vergleichbaren arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 78a Abs. 4 BetrVG) nicht einschlägig. Diese Vorschrift bezieht sich auf arbeitsgerichtliche Urteilsverfahren (einschließlich Verfügungsverfahren) "über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses". Die Ausübung des personalvertretungsrechtlichen Antragsrechts nach § 9 Abs. 4 BPersVG im verwaltungsgerichtlichen Beschlußverfahren ist grundverschieden von einer arbeitsrechtlichen Kündigung. Die Verfahren nach § 9 Abs. 4 BPersVG innewohnende personalvertretungsrechtliche Fragestellung, ob unter Würdigung des personalvertretungsrechtlichen Schutzgedankens Umstände eine Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung ergeben, schließt es aus, solche Streitsachen nach dem Bruttoentgelt des jeweils Betroffenen und damit unterschiedlich zu bewerten. Unter personalvertretungsrechtlichen Gesichtspunkten ist das Bruttoentgelt des betroffenen Mitglieds ohne Bedeutung. Dem entspricht die Festsetzung des Gegenstandswertes in Fällen dieser Art auf den Auffangwert auch durch das Bundesverwaltungsgericht (im Beschluß vom 28.2.1990, BVerwGE 85, 5 = DÖV 1990, 1020 = DVBl. 1990, 649 = PersR 1990, 133 = PersV 1990, 312, insoweit nicht veröffentlicht) und durch den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (im Beschluß vom 8.9.1993, PersR 1993, 564, insoweit nicht veröffentlicht).






VGH Baden-Württemberg:
Beschluss v. 05.09.1994
Az: PB 15 S 2971/93


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