Bundespatentgericht:
Urteil vom 2. Februar 2005
Aktenzeichen: 4 Ni 37/03
(BPatG: Urteil v. 02.02.2005, Az.: 4 Ni 37/03)
Tenor
I. Das europäische Patent 0 458 796 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang der Ansprüche 2 und 5, soweit auf Anspruch 2 zurückbezogen, für nichtig erklärt.
II. Es wird dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass Patentanspruch 1 folgende Fassung erhält:
Verfahren zur Auslösung von Rückhaltemitteln bei einem Sicherheitssystem für Fahrzeuginsassen, bei dem ein Beschleunigungssignal gemessen, dieses Beschleunigungssignal durch zeitliche Integration in eine Geschwindigkeit umgewandelt wird, und bei dem zur Bildung eines Auslösekriteriums mindestens ein Schwellwert für die Geschwindigkeit vorgebbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass der als Auslösekriterium benutzte Schwellwert in Abhängigkeit von einer oder mehreren vom Crashvorgang abgeleiteten Zustandsgrößen des Fahrzeugs veränderbar ist, wobei die eine Zustandsgröße bzw. eine von den mehreren Zustandsgrößen das gemittelte Beschleunigungssignal ist.
III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
IV. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin zu 2/3, die Beklagte zu 1/3.
V. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 458 796 (Streitpatent), das am 27. Januar 1990 unter Inanspruchnahme der Prioritäten der deutschen Patentanmeldungen DE 39 05 052 vom 18. Februar 1989 und DE 39 24 507 vom 25. Juli 1989 angemeldet worden ist. Das in der Verfahrenssprache Deutsch veröffentlichte Streitpatent wird beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nr. 590 00 470 geführt. Es wurde im Einspruchsverfahren vor dem Europäischen Patentamt abgeändert. Wegen der danach geltenden Fassung wird auf die neue europäische Patentschrift 0 458 796 B2 (Streitpatentschrift) Bezug genommen.
Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Auslösung von Rückhaltemitteln und ist in der Patentschrift in den nebengeordneten Ansprüchen 1 bis 4 und den abhängigen Ansprüchen 5 bis 44 niedergelegt.
Die Patentansprüche 1 bis 4 lauten in der geltenden Fassung (EP 0 458 796 B2) wie folgt:
1. Verfahren zur Auslösung von Rückhaltemitteln bei einem Sicherungssystem für Fahrzeuginsassen, bei dem ein Beschleunigungssignal gemessen, dieses Beschleunigungssignal durch zeitliche Integration in eine Geschwindigkeit umgewandelt wird, und bei dem zur Bildung eines Auslösekriteriums mindestens ein Schwellwert für die Geschwindigkeit vorgebbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass der als Auslösekriterium benutzte Schwellwert in Abhängigkeit von einer oder mehreren vom Crashvorgang abgeleiteten Zustandsgrößen des Fahrzeugs veränderbar ist.
2. Verfahren zur Auslösung von Rückhaltemitteln bei einem Sicherungssystem für Fahrzeuginsassen, bei dem ein Beschleunigungssignal gemessen, dieses Beschleunigungssignal durch eine Wichtungsfunktion gewichtet, das gewichtete Beschleunigungssignal durch zeitliche Integration in ein Arbeitssignal umgewandelt wird und bei dem zur Bildung eines Auslösekriteriums mindestens ein Schwellwert für das Arbeitssignal vorgebbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass der als Auslösekriterium benutzte Schwellwert in Abhängigkeit von einer oder mehreren vom Crashvorgang abgeleiteten Zustandsgrößen des Fahrzeugs veränderbar ist.
3. Verfahren zur Auslösung von Rückhaltemitteln bei einem Sicherungssystem für Fahrzeuginsassen, bei dem ein Beschleunigungssignal gemessen, durch zeitliche Integration eine Geschwindigkeit gebildet, diese Geschwindigkeit durch Wichtung in ein Arbeitssignal umgewandelt wird, und bei dem zur Bildung eines Auslösekriteriums mindestens ein Schwellwert für das Arbeitssignal vorgebbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass der als Auslösekriterium benutzte Schwellwert in Abhängigkeit von einer oder mehreren vom Crashvorgang abgeleiteten Zustandsgrößen des Fahrzeugs veränderbar ist.
4. Verfahren zur Auslösung von Rückhaltemitteln bei einem Sicherungssystem für Fahrzeuginsassen, bei dem ein Beschleunigungssignal gemessen, dieses Beschleunigungssignal durch eine erste Wichtungsfunktion gewichtet, das gewichtete Beschleunigungssignal durch zeitliche Integration in ein erstes Arbeitssignal umgewandelt, dieses erste Arbeitssignal durch eine zweite Wichtungsfunktion in ein zweites Arbeitssignal umgewandelt wird, und bei dem zur Bildung eines Auslösekriteriums mindestens ein Schwellwert für das Arbeitssignal vorgebbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass der als Auslösekriterium benutzte Schwellwert in Abhängigkeit von einer oder mehreren vom Crashvorgang abgeleiteten Zustandsgrößen des Fahrzeugs veränderbar sind.
Wegen der unmittelbar und mittelbar auf die Patentansprüche 1 bis 4 zurückbezogenen Patentansprüche 5 bis 44 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.
Die Klägerin trägt vor, das Merkmal "vom Crashvorgang abgeleitete Zustandsgrößen" sei den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht zu entnehmen; der Gegenstand des Patents sei deshalb gegenüber dem Inhalt der Patentanmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung unzulässig erweitert.
Weiter rügt sie mangelnde Offenbarung bzw Ausführbarkeit der patentgemäßen Lehre. Sie meint, der Patentschrift sei nicht entnehmbar, wie ein Aufprall mittels eines gemessenen Beschleunigungssignals ermittelt werden solle, eine erste Schwelle werde auch bei Nicht-Crash-Situationen überschritten.
Schließlich beruft sie sich auf fehlende Patentfähigkeit. Sie macht geltend, der Gegenstand des Streitpatents sei weder neu noch beruhe er auf erfinderischer Tätigkeit. Zur Begründung nennt sie folgende Druckschriften:
- DE 28 08 872 A1 (Anlage D1)
- U. Tietze, Ch. Schenk, Halbleiter-Schaltungstechnik, 5. Auflage, 1980, (Anlage D2)
- DE 32 07 216 A1 (Anlage D3)
- EP 0 156 930 B1 (Anlage D4)
- WO 88/00146 A1 (Anlage D5)
- DE 38 16 588 A1 (Anlage D6)
- DE 38 16 590 A1 (Anlage D7)
- W. Suchowerskyj, "Evolution en matière de detecteur de choc" aus Ingenieur de l'Automobile, 1982, Nr. 6 (Anlage D 8)
- EP 0 292 669 A1 (Anlage D9)
- DE 22 22 038 A (Anlage D10)
- DE 22 56 299 A (Anlage D11)
- DE 23 03 894 A (Anlage D12)
- DE 22 25 709 A (Anlage D13)
- DE 21 23 359 A (Anlage D14)
- DE 38 16 587 A1 (Anlage D15)
- DE 28 39 849 A1 (Anlage D17).
sowie zum Hilfsantrag der Beklagten die in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Druckschrift Broesch, Digitale Signalverarbeitung, 1997 (Anlage D18).
Die Klägerin beantragt, das europäische Patent EP 0 458 796 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise mit der Maßgabe, dass an die Stelle des geltenden Anspruchs 1 folgender Anspruch 1 tritt:
Verfahren zur Auslösung von Rückhaltemitteln bei einem Sicherheitssystem für Fahrzeuginsassen, bei dem ein Beschleunigungssignal gemessen, dieses Beschleunigungssignal durch zeitliche Integration in eine Geschwindigkeit umgewandelt wird, und bei dem zur Bildung eines Auslösekriteriums mindestens ein Schwellwert für die Geschwindigkeit vorgebbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass der als Auslösekriterium benutzte Schwellwert in Abhängigkeit von einer oder mehreren vom Crashvorgang abgeleiteten Zustandsgrößen des Fahrzeugs veränderbar ist, wobei die eine Zustandsgröße bzw. eine von den mehreren Zustandsgrößen das gemittelte Beschleunigungssignal ist.
Nach Auffassung der Beklagten liegen die Nichtigkeitsgründe nicht vor; sie hält ihr Patent zumindest im hilfsweise verteidigten Umfang für patentfähig.
Gründe
Die zulässige Klage, mit der die in Art. II § 6 Abs 1 Nrn 1 bis 3 IntPatÜG, Art. 138 Abs 1 lit a bis c EPÜ iVm Art. 54 Abs 1 und Art. 56 EPÜ vorgesehenen Nichtigkeitsgründe der unzulässigen Erweiterung, der mangelnden Ausführbarkeit und der mangelnden Patentfähigkeit geltend gemacht werden, ist teilweise begründet. Das Streitpatent ist in dem im Urteilstenor niedergelegten Umfang patentfähig.
1. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zur Auslösung von Rückhaltemitteln bei Fahrzeugen. Die Erfindung geht davon aus, dass es Rückhaltesysteme mit nur einem zentral angeordneten Aufprallsensor gibt, die bei einem Frontal- oder Heckaufprall gut funktionieren. Bei Kollisionen mit schrägem Aufprallwinkel würden diese Systeme aber oft zu spät aktiviert. Man hat deshalb Systeme mit zwei oder mehreren Beschleunigungssensoren entwickelt, deren Empfindlichkeitsachsen winklig zur Fahrzeuglängsachse angeordnet sind. Von Nachteil ist dabei - wie in der Patentbeschreibung ausgeführt - der hohe technische Aufwand zur Verkabelung der Sensoren und die Anfälligkeit für Störungen. Die Erfindung verbessert deshalb das Auslöseverhalten des Rückhaltesystems und stellt ein System mit nur einem zentral angeordneten Sensor bereit, bei dem auch die Fahrzeuginsassen gefährdende Schräg-, Offset- und Polaufprallsituationen zuverlässig erkannt werden und die Rückhaltemittel rechtzeitig ausgelöst werden.
2. Eine unzulässige Erweiterung liegt nicht vor.
Das erteilte europäische Patent ist zunächst als EP 0 458 796 B1 veröffentlicht worden. Darin enthielt es die vier nebengeordneten Patentansprüche 1, 2 sowie 4 und 5, nach deren jeweiligen Kennzeichen der als Auslösekriterium benutzte Schwellwert in Abhängigkeit von "Zustandsgrößen des Fahrzeugs" veränderbar ist. Diese Patentansprüche sind inhaltsgleich mit den Patentansprüchen 1 bis 4 der ursprünglichen Anmeldung, vgl WO 90/09298 A1.
Auf den Einspruch der Klägerin ist diesen unbeschränkten "Zustandsgrößen des Fahrzeugs" im europäischen Einspruchsverfahren eine beschränkende Eigenschaft hinzugefügt worden, nämlich dass sie "vom Crashvorgang abgeleitet" sind. Bei gleichzeitiger Umnummerierung der nebengeordneten Patentansprüche 4 und 5 in 3 und 4 wurde diese Eigenschaft in die Kennzeichen aller vier nebengeordneten Ansprüche aufgenommen und in der neuen europäischen Patentschrift EP 0 458 796 B2 veröffentlicht.
Die Aufnahme dieser zusätzlichen Eigenschaft betrachtet die Klägerin als unzulässige Erweiterung, weil eine derartige Eigenschaft ursprünglich nicht offenbart sei. In ihrer Argumentation setzt die Klägerin einen Crashvorgang mit dem Auslösen der Rückhaltemittel gleich. Nur unter dieser Voraussetzung kommt sie zu der Auffassung, die streitpatentgemäße Adaption der Grundschwelle DVG ab dem Zeitpunkt T1 werde aufgrund von Zustandsgrößen des Fahrzeuges vollzogen, die von einem Crashvorgang noch gar nicht abgeleitet sein können, weil der (nach ihrem Verständnis) erst später stattfände. Für diese Interpretation des Streitpatents liefert dessen Offenbarung aus den nachstehenden Gründen keine Stütze.
Das Streitpatent wendet sich mit seiner Offenbarung an einen Durchschnittsfachmann, im vorliegenden Fall an einen Diplomingenieur der Fahrzeug- und/oder Elektrotechnik, der bei einem Kfz-Hersteller und/oder -Zulieferer mit der Entwicklung von Insassen-Sicherheitssystemen befasst ist und über mehrjährige Berufserfahrung verfügt. Dieser findet in der Ursprungsoffenbarung sowie in dem erteilten Streitpatent den Begriff "Crashvorgänge(n)" wörtlich an folgenden Stellen:
WO 90/09298 A1 S 4 Abs 1 Z 15 bis 19 (4 mal)
S 11 Abs 1 Z 16 S 13 Z 6 EP 0 458 796 B1 Sp 3 Z 42 bis 50 (4 mal)
Sp 8 Z 28 Sp 9 Z 34 Im Zusammengang entnimmt er diesen Textstellen, dass ein Crashvorgang dann beginnt, wenn ein DV-Integrator die gemessene Beschleunigung, bei der es sich zweifellos um eine Zustandsgröße des Fahrzeugs handelt, integriert und ein DVI-Signal vorliegt. Am Beispiel der Figuren 3 und 4 beginnt die Integration ab dem Zeitpunkt T0, vgl auch S 6 ab Z 16 der WO 90/09298 A1 sowie Sp 5 ab Z 8 der EP 0 458 796 B1. Nach dem Überschreiten einer Rauschschwelle ist zu diesem Zeitpunkt ein Crash zunächst vorläufig anzunehmen, deshalb wird der Integrationsvorgang gestartet. Der anschließende Verlauf des DVI-Signals bestimmt, ob und wann die Rückhaltemittel ausgelöst werden. Am Beispiel der Fig 4 ist der als Auslösekriterium benutzte Schwellwert eine Grundschwelle DVG, die abhängig vom Verlauf des DVI-Signals, einer vom Crashvorgang abgeleiteten Zustandsgröße des Fahrzeugs, abgesenkt wird. Wenn das integrierte Beschleunigungssignal DVI die (abgesenkte) Grundschwelle DVG nach dem Zeitpunkt T2 überschreitet, werden die Rückhaltemittel ausgelöst. Damit ist der Crashvorgang beendet.
3. Eine mangelnde Offenbarung liegt nicht vor.
Die in den Patentansprüchen 1 bis 4 des angegriffenen Patents EP 0 458 796 B2 angegebenen Verfahrensschritte vermitteln dem eingangs definierten Durchschnittsfachmann eine nacharbeitbare Lehre. Vermittelt wird, den Auslöseschwellwert für Rückhaltemittel abhängig von vom Crashvorgang abgeleiteten Fahrzeugzustandsgrößen zu verändern. Damit wird die Empfindlichkeit der Auslöseeinrichtung der jeweiligen Crashsituation angepasst. Die vielen im Streitpatent enthaltenen Beispiele dienen dem Durchschnittsfachmann zur Erläuterung, vgl insb Sp 4 Z 35 bis 37. Es obliegt ihm, bei der Auslegung eines Sicherungssystems daraus ein (oder mehrere) für seine Anwendung geeignete Beispiele auszuwählen. Dass dazu die im einschlägigen Fachbereich üblichen Crashversuche erforderlich sind, liegt auf der Hand.
4. Patentfähigkeit 4.a. Zum Hauptantrag 4.a.1. Neuheit Patentanspruch 1 Das Verfahren nach dem Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag ist nicht mehr neu.
Die DE 38 16 590 A1 (Anlage D 7) ist prioritätsälter, jedoch nicht vorveröffentlicht. Sie zeigt eine Einrichtung zur Auslösung einer Sicherheitseinrichtung, die folgendermaßen arbeitet, vgl insb die nachstehende Figur:
Das Signal mindestens eines (siehe Anspruch 1) Beschleunigungsaufnehmers 2 wird gemessen und in einer Integratorschaltung 4 in ein Geschwindigkeitssignal umgewandelt. Zur Bildung eines Auslösekriteriums ist eine Schwellwertschaltung 5 mit einstellbaren Schwellwerten vorgesehen, vgl insb Sp 5 Z 10 bis 14 sowie Sp 2 Z 66 bis Sp 3 Z 7 iVm der Figur. Die Einstellung der Schwellwerte erfolgt in Abhängigkeit des Beschleunigungssignals und/oder des Geschwindigkeitssignals, das/die in einer Vergleichsschaltung A, einer Zeitschaltung B sowie einer Selektorschaltung C verarbeitet wird/werden und zu einer Veränderung der als Auslösekriterium benutzten Schwellwerte führen, vgl insb die Funktionsbeschreibung ab Sp 4 Z 16 iVm der Figur. Da es sich bei dem Beschleunigungssignal zweifelsfrei um eine Zustandsgröße des Fahrzeugs handelt, die zudem von einem Crashvorgang im Sinne des Streitpatents abgeleitet ist, sind damit bereits alle Verfahrensschritte des streitpatentgemäßen Patentanspruchs 1 vorweggenommen.
Patentanspruch 2 Auch das Verfahren nach dem Patentanspruch 2 gemäß Hauptantrag ist nicht mehr neu.
Das Verfahren nach dem streitpatentgemäßen Patentanspruch 2 beinhaltet gegenüber demjenigen nach dem Patentanspruch 1 zusätzlich eine Wichtung des Beschleunigungssignals. Wichtung bedeutet nach der Offenbarung der Streitpatentschrift u.a. eine multiplikative bzw. additive Verknüpfung mit einem konstanten Faktor, vgl insb Patentansprüche 27 und 28 iVm Sp 14 Z 30-33 und Z 52 ff, also auch eine Vergrößerung des gesamten Messwertes. Eine derartige Wichtung ist in der vorstehend erläuterten DE 38 16 590 A1 (Anlage D 7) hinsichtlich des Beschleunigungssignals bereits vorgesehen. Nach Sp 2 Z 66 bis Sp 3 Z 1 dieser Druckschrift wird das vom Beschleunigungsaufnehmer 2 gemessene Beschleunigungssignal nämlich vorverstärkt, was nichts anderes als eine Wichtung im vorstehend erläuterten Sinne des Streitpatents bedeutet.
Patentansprüche 3 und 4 Die Verfahren nach den streitpatentgemäßen Patentansprüchen 3 und 4 beinhalten gegenüber demjenigen nach dem Patentanspruch 2 zusätzlich eine Wichtung des Geschwindigkeitssignals. Derartiges offenbart der im Verfahren befindliche Stand der Technik nicht.
Gemäß der in Rede stehenden DE 38 16 590 A1 (Anlage D 7) wird das Geschwindigkeitssignal in einer sogenannten Selektorschaltung (in der vorstehenden Figur auch als Crashselektor bezeichnet) verarbeitet. Sie beinhaltet eine Schwellenwertschaltung 16, ein Zeitglied 17 und ggf ein UND-Gatter 18, vgl insb Sp 4 Z 6 bis 15 iVm der Figur. Keine dieser Signalverarbeitungseinrichtungen bewirkt eine Wichtung des Geschwindigkeitssignals wie sie streitpatentgemäß vorgesehen ist.
Die Klägerin hat unter Hinweis auf das Fachbuch "Halbleiter-Schaltungstechnik", 5. Auflage, 1980, (Anlage D 2) ausgeführt, ein Fachmann ergänze den Begriff "Integrator" oder "Integratorschaltung" quasi selbstverständlich um einen Verstärkeranteil, weil ein Integrator mit einem über einen Kondensator rückgekoppelten Operationsverstärker gebildet werden könne, dessen Eingang seinerseits über einen Widerstand angesteuert werde. Demzufolge sei auch die beanspruchte Wichtung gleich Verstärkung des Geschwindigkeitssignals neuheitsschädlich vorbekannt. Diese Argumentation übersieht, dass in der D 7 ausdrücklich auf eine Signalverstärkung hingewiesen wird, wenn sie vorgesehen ist. Dies ist allerdings nur im Zusammenhang mit dem Beschleunigungssignal der Fall, vgl a.a.O. In logischer Konsequenz muss deshalb eine sachgerechte und vor allem unvoreingenommene Auswertung davon ausgehen, dass in der D 7 die Lehre vermittelt wird, nur das Beschleunigungssignal zu wichten und das daraus hergeleitete Geschwindigkeitssignal eben nicht. Zu ihrer gegenteiligen Auffassung gelangt die Klägerin offenbar nur in Kenntnis des Streitpatents.
Die Verfahren gemäß den Patentansprüchen 3 und 4 sind auch neu gegenüber allen anderen im Verfahren befindlichen Druckschriften.
Die ebenfalls prioritätsälteren, nicht vorveröffentlichten Druckschriften DE 38 16 588 A1 (Anlage D 6) und DE 38 16 587 A1 (Anlage D 15) gehen auf dieselbe Anmelderin und auf dieselben Erfinder wie die vorstehend erläuterte D 7 zurück. In ihrer jeweiligen Offenbarung gehen beide Druckschriften insoweit nicht über das aus der D 7 Bekannte hinaus, weil sie keine Wichtung des Geschwindigkeitssignals zeigen.
So beschreibt die DE 38 16 588 A1 (Anlage D 6), aufgezeigt am Beispiel der nachstehenden Figur ebenfalls eine Einrichtung zur Auslösung einer passiven Sicherheitseinrichtung, bei der zwei Beschleunigungsaufnehmer 2 Signale liefern, diegefiltert und verstärkt eine Rauschschwelle von beispielsweise 3 g (g = Erdbeschleunigung) durchlaufen, bevor sie in einer Integratorschaltung 4 jeweils in ein Geschwindigkeitssignal umgewandelt werden, vgl insb Sp 3 Z 13 bis 20. Dieses Geschwindigkeitssignal wird anschließend jeweils direkt einer steuerbaren Schwellwertschaltung 5 zugeleitet, vgl insb Sp 3 Z 20 bis 22 iVm der Figur.
Die DE 38 16 587 A1 (Anlage D 15) offenbart eine ähnliche Signalverarbeitung, vgl insb die nachstehend ausschnittweise wiedergegebene Fig 2. Die hier mit dem Bezugszeichen 2 und 3 bezeichneten Beschleunigungssensoren liefern Signale, die in gleich aufgebauten Signalkanälen 5 und 6 verarbeitet und ausgewertet werden, vgl insb Sp 3 Z 61 bis 63. Dabei erfolgt zunächst eine Verstärkung 7 sowie eine Filterung 8 und Amplitudenbegrenzung 9 des Beschleunigungssignals. In dem Differenzglied 10 wird sodann ein Rauschsignal abgezogen, welches von einem Referenzwertgeber 11 bereitgestellt wird, vgl insb Sp 3 Z 66 bis Sp 4 Z 7.
Anschließend wird das aufbereitete Beschleunigungssignal in einem Integrator 12 in ein Geschwindigkeitssignal umgewandelt, vgl insb Sp 4 Z 7 bis 9. Dieses Geschwindigkeitssignal wird -ohne weitere Bearbeitung, insbesondere ohne vorherige Wichtung- in einer Entscheidungslogik verschiedenen Schwellenwertschaltern 13 und 14 mit festen Schwellwerten zugeführt. In einer separaten Auslöseschaltung wird entschieden, welcher Schwellwert benutzt wird und ob die Sicherheitsvorrichtung auslöst oder nicht, vgl insb Sp 4 Z 9 bis 14 iVm Anspruch 1.
Die DE 28 08 872 A1 (Anlage D 1) beschreibt eine Auslöseschaltung für eine Sicherheitseinrichtung in Kraftfahrzeugen, die mit einer umfangreichen Prüfschaltung versehen ist. Die Teile der Auslöseschaltung, die im Zusammenhang mit dem Streitpatent relevant sind, werden am nachstehenden Ausschnitt aus der Fig 1 dieser Druckschrift erläutert. In einer Auswerteschaltung 4 wird das Ausgangssignal eines Beschleunigungsaufnehmers 3 zunächst verstärkt und in einem Summierglied um die Rauschschwelle, hier -4 g, vermindert. Anschließend wird das Signal integriert und somit in ein Geschwindigkeitssignal umgewandelt, bevor es in einem Auslöseschalter mit einer festen, unveränderlichen Schwelle verglichen wird, vgl insb S 11 Abs 3 iVm Anspruch 1.
Mithin unterscheidet sich das mit dieser Vorrichtung darstellbare Verfahren von den in Rede stehenden dadurch, dass weder der Auslöseschwellwert veränderlich ist noch dass eine Wichtung des Geschwindigkeitssignals vorgesehen ist.
Die Auslösevorrichtung für eine Insassenschutzvorrichtung der DE 32 07 216 A1 (Anlage D 3) ist schematisch in der nachstehenden Fig 1 dieser Schrift dargestellt.
Diese Auslösevorrichtung befasst sich vornehmlich mit dem Problem der Unterscheidung zwischen einem Störsignal, zBsp einem Hammerschlag, und einem echten Aufprall, bei dem die Insassenschutzvorrichtung auslösen soll, vgl insb S 4 Abs 1 und Aufgabe. Dazu ist zunächst ein erster Beschleunigungssensor 1 vorgesehen, der als im Normalfall geöffneter Schalter ausgebildet und auf einen bestimmten Verzögerungswert, zBsp 4 g, fest eingestellt ist, vgl insb S 8 Abs 2. Treten Beschleunigungen oberhalb dieser Rauschschwelle auf, schaltet der Beschleunigungsaufnehmer 1 durch und versorgt die nachfolgende, sogenannte Integrationsschaltung 2 mit einem konstanten Strom und/oder einer konstanten Spannung. Dabei lädt sich ein Kondensator 2c mit einer vorbestimmten Ladezeitkonstante auf und es liegt eine mit der Einschaltzeit steigende Spannung am positiven Eingang des als Schwellwertschalter 4 dienenden Operationsverstärkers an. Dieser vergleicht die anliegende Spannung mit einer fixen Schwellenspannung, die, über einen einstellbaren Widerstand 5 erzeugt, an seinem negativen Eingang anliegt. Die Schwellenspannung wird überschritten, wenn der Beschleunigungssensor 1 genügend lange durchgeschaltet war, wodurch sich ein Aufprall von einem Störsignal unterscheiden lässt, vgl insb S 8 Abs 2 iVm den Figuren 2a und 2b. Dadurch wird die Basis des Transistors (Schaltstufe) 6 bestromt, wodurch dieser leitend wird und die Bordspannung an der Zündpille 9 anliegt. Damit ist die Auslösevorrichtung sozusagen scharf gemacht, denn aufgrund der genügend langen Verzögerungsdauer ist ein Aufprall anzunehmen und kein Störsignal. Erst wenn jetzt ein weiterer Beschleunigungsschalter 7, der allerdings ein trägeres Schaltverhalten als der Beschleunigungssensor 1 haben soll, die Masseverbindung herstellt, wird die Insassenschutzvorrichtung ausgelöst.
Damit unterscheidet sich die Arbeitsweise dieser Auslösevorrichtung grundsätzlich von den beanspruchten Verfahren. Zum einen wird als Auslösekriterium kein veränderlicher Schwellwert benutzt, sondern ein Beschleunigungsschalter 7 mit einer offensichtlich fixen Schwelle. Zum anderen ist das in der Integratorschaltung 2 erzeugte Signal keine Geschwindigkeitssignal, sondern entspricht der Zeitdauer eines Beschleunigungssignals oberhalb der Rauschschwelle. Es dient lediglich zur Unterscheidung zwischen einem Aufprall und einem Störsignal, zBsp einem Hammerschlag. Da aber kein Geschwindigkeitssignal vorliegt, kann dieses auch nicht gewichtet werden, wie streitpatentgemäß vorgesehen ist.
Eine spezielle Schaltungsanordnung mit minimaler Ansprechzeit für ein Rückhaltesystem in Kraftfahrzeugen ist aus der EP 0 156 930 B1 (Anlage D 4) der Patentinhaberin bekannt, vgl insb Sp 1 Z 59 bis 65. Deren Wirkungsweise ist der nachstehenden Fig 1 der Druckschrift iVm der Beispielsbeschreibung zu entnehmen.
Das Signal UE eines mechanischelektrischen Umformers, beispielsweise eines Beschleunigungssensors, wird in einem Integrator 2 in ein Geschwindigkeitssignal umgeformt und in einem Schwellwertschalter 3 mit einer fest vorgegebenen Schwelle verglichen. Das Ausgangssignal des Schwellwertschalters ist gleichzeitig das Ausgangssignal UA der gesamten Schaltungsanordnung, vgl insb Sp 2 Z 24 bis 38. Die spezielle Rückkopplung des Ausgangssignals UA auf den Integratoreingang dient zur Minimierung der Ansprechzeit und hat mit den beanspruchten Verfahren nichts gemeinsam. Im Unterschied zu diesen findet somit keine Wichtung des Geschwindigkeitssignals statt; ebenso wenig ist als Auslösekriterium ein veränderbarer Schwellwert vorgesehen.
Eine ähnliche Vorrichtung zum Auslösen von Insassenschutzsystemen ist der WO 88/00146 A1 (Anlage D 5) zu entnehmen, vgl insb die nachstehende Fig 2.
Auch hierbei wird durch Rückkopplung des Integratorausgangs ai über einen Schwellenwertgeber S und ein Differenzglied D ein verbessertes Ansprechverhalten erreicht, vgl insb S 7 letzter Abs bis S 8 Z 7. Allerdings ist auch bei dieser Vorrichtung eine feste Auslöseschwelle V (S 6 Z 9) vorgesehen und das Integratorausgangssignal ai wird nicht gewichtet.
Die elektronischen Vorrichtungen zur Aufprallerkennung gemäß der Veröffentlichung "Evolution en matière de detecteur de choc" in Ingenieur de l'Automobile, 1982, Nr. 6 (Anlage D 8), der EP 0 292 669 A1 (Anlage D 9) und der DE 22 22 038 A (Anlage D 10) arbeiten prinzipiell gleichartig wie die vorstehend genannten Vorrichtungen. Dabei sind als Auslösekriterium ebenfalls feste Schwellwerte vorgesehen und keine Wichtung des Geschwindigkeitssignals offenbart. Deshalb sind diese Druckschriften von der Klägerin sowohl schriftsätzlich (Schriftsatz vom 17.01.2005 Bl 18 Abs 2) als auch in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich nur noch zur vollständigen Dokumentation des Fachwissens angeführt worden.
Die DE 22 56 299 A (Anlage D 11) offenbart eine sogenannte Trägheitsschaltvorrichtung, bei der in Abhängigkeit von einem Fahrzeuggeschwindigkeitssignal die Haltekraft eines Trägheitsmassenorgans, zBsp eines Pendels oder einer Kugel 38, verändert wird. Am Beispiel der nachstehenden Fig 3 dieser Druckschrift ist im Stromkreis zwischen einer Batterie 28 und einer Insassenschutzeinheit 20 mitsamt ihrer Betätigungseinrichtung 22 ein Schaltkontakt 34 vorgesehen. Dieser wird durch die Metallkugel 38 geschlossen, wenn sie aufgrund einer unzulässig großen Beschleunigung aus ihrer gezeigten Ruhelage bewegt wird. In der Ruhelage wird die Kugel 38 durch einen Permanentmagneten 42 gehalten, dessen Haltekraft variiert werden kann durch eine Erregerspule 44, vgl insb S 17 ab Abs 2. Die unterschiedlichen Haltkräfte werden abhängig von der Fahrzeuggeschwindigkeit eingestellt. Dazu ist ein Fahrzeuggeschwindigkeitsschalter 46 vorgesehen, der ab einer vorbestimmten Fahrzeuggeschwindigkeit öffnet und unterhalb dieser Fahrzeuggeschwindigkeit geschlossen ist, vgl insb S 18 unten. Dadurch sind grundsätzlich zwei Auslöseschwellen fest einstellbar. Eine Schwellwertveränderung abhängig von einer vom Crashvorgang abgeleiteten Zustandsgröße wie beim Streitpatent ist hier nicht vorgesehen. Da hier zudem die tatsächlich gefahrene Fahrzeuggeschwindigkeit allein maßgeblich ist, wird deren Signal auch nicht gewichtet.
Die gleichen Unterschiede gegenüber den streitpatentgemäßen Verfahren weist die Betriebsweise des Kollisionsmessfühlers für eine Motorfahrzeugsicherungsvorrichtung gemäß der DE 23 03 894 A (Anlage D 12) auf. In deren Fig 8 ist beispiel-
haft wiederum ein Gewicht 58 dargestellt, welches von einem Permanentmagneten 62 und/oder einem Elektromagneten 63 in seiner Ruhelage gehalten ist. Folglich sind auch hier zwei feste Schwellenwerte einstellbar. Gelangt das Gewicht 58 durch eine unzulässig hohe Beschleunigung an einen Kontakt 57, wird eine leitende Verbindung zwischen den Anschlüssen "i" und "j" hergestellt, wodurch die Sicherheitseinrichtung auslöst, vgl insb S 13 ab Abs 2.
Das Kollisionsdetektorsystem für Kraftfahrzeuge nach der DE 22 25 709 A (Anlage D 13) wird anhand der nachstehenden Fig 1 erläutert. Demnach sind zunächst zwei Sensoren vorgesehen, deren Signale in dem System verarbeitet werden. Ein Kollisionsdetektor 10 erzeugt ein Kollisionssignal, wenn sich ein Objekt dem Kraftfahrzeug dicht annähert oder es berührt. Dieses Kollisionssignal wird in einem Funktionsgenerator in ein Bezugssignal umgewandelt. Ein Verzögerungsdetektor 17 erzeugt ein Real-Verzögerungssignal mit einer Größe, die der tatsächlichen Verzögerung proportional ist, vgl insb S 2 letzter Abs bis S 3 Abs 1. Beide Signale werden in einem Vergleicher 14 miteinander verglichen und es wird ein Ausgangssignal 21 erzeugt, wenn das Real-Verzögerungssignal das Bezugssignalübersteigt, vgl insb S 5 Z 9 bis 15. Dieses Ausgangssignal 21 führt allerdings erst dann zur Auslösung des Betätigungsorgans 31 einer Sicherheitseinrichtung, wenn es eine Torschaltung 23 durchlaufen hat und darin insbesondere das Tor 25. Dieses Tor 25 wird durch einen Torsignalgenerator 16 für den Signaldurchgang geöffnet, wenn das Eingangssignal des Kollisionsdetektors 10 am Vergleicher 14 kleiner als ein vorbestimmter Wert ist, vgl insb Anspruch 5. Dazu verfügt der Torsignalgenerator 16 über einen Vergleicher mit einem vorbestimmten Schwellenwert, vgl insb Anspruch 6. Im Unterschied zum Streitpatent wird somit durch den Kollisionsdetektor 10 bereits vor dem eigentlichen Crashvorgang eine Messgröße erfasst, insb vor dem streitpatentgemäßen Zeitpunkt T0. Diese wird mit einem unveränderlichen, als zusätzliches Auslösekriterium benutzten Schwellenwert im Torsignalgenerator 16 verglichen.
Die DE 28 39 849 A1 (Anlage D 17) beschreibt ein Kraftfahrzeug in dessen Außenspiegeln die Sende-/Empfangseinrichtungen einer Radaranlage untergebracht sind, vgl insb Anspruch 1 iVm den Figuren. Diese Druckschrift hat die Klägerin iVm der D13 lediglich zum Nachweis eines Annäherungssensors eingeführt, der durch einen Frontalcrash nicht sofort zerstört wird. Die streitpatentgemäßen Verfahrensschritte eines Auslöseverfahrens für Rückhaltemittel gehen aus dieser Druckschrift unbestritten nicht hervor.
Die DE 21 23 359 A (Anlage D 14) offenbart ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Auslösung eines Kraftfahrzeug-Sicherheitsmechanismus, bei der die Auslösung der Sicherheitsmittel dann erfolgt, wenn die Verzögerung und die daraus ermittelte Verzögerungsgeschwindigkeit vorbestimmte feste Schwellenwert überschreiten, vgl insb Anspruch 5 iVm der nachstehenden Fig 3. Das Signal eines Beschleunigungsaufnehmers 10 durchläuft einen Tiefpass 17 und wird anschließend mit vorbestimmten Beschleunigungswerten T, U und V in dem Vergleicher 13 verglichen, vgl insb S 10 letzter Abs bis S 11 Abs 1. Gleichzeitig wird das Geschwindigkeitssignal in dem Vergleicher 12 mit vorbestimmten Verzögerungsgeschwindigkeiten P, Q und R verglichen, vgl insb S 10 Mitte. Das jeweils anschließende UND-Gatter 14 erzeugt ein Ausgangssignal, wenn die jeweilige Verzögerung und die Geschwindigkeit über den jeweils vorbestimmten Werten liegen. Eine Auslösung erfolgt allerdings nur dann, wenn eine vorbestimmte Mindest-Verzögerungsgeschwindigkeit S überschritten wird, vgl insb S 13 Abs 2.
Abgesehen von den grundsätzlichen Unterschieden kommt hier ausdrücklich kein veränderlicher Schwellwert zur Anwendung und offensichtlich wird der Geschwindigkeitswert auch nicht gewichtet.
4.a.2. Die Verfahren nach den Patentansprüchen 3 und 4 beruhen auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Bei der Bewertung der streitpatentgemäßen Verfahren hinsichtlich erfinderischer Tätigkeit müssen die prioritätsälteren, nicht vorveröffentlichten Druckschriften DE 38 16 588 A1 (Anlage D 6), DE 38 16 590 A1 (Anlage D 7) und DE 38 16 587 A1 (Anlage D 15) außer Betracht bleiben, PatG § 4 Satz 2.
Im vorstehenden Abschnitt zur Neuheit wurde herausgearbeitet, dass die Auslösevorrichtungen der übrigen Druckschriften D 1, D 3, D 4, D 5, D 8, D 9, D 10, D 11, D 12, D 13 iVm D 17 und D 14 sämtlich mit festen, unveränderbaren Schwellwerten als Auslösekriterium arbeiten und dass dieser Stand der Technik kein Vorbild dafür liefert, bei einem Auslöseverfahren oder einer entsprechenden Vorrichtung das Geschwindigkeitssignal zu wichten. Derartiges liegt auch nicht ohne weiteres im Griffbereich eines Durchschnittsfachmannes. Denn wie der umfangreich nachgewiesene Stand der Technik belegt, hat die Fachwelt zum Prioritätszeitpunkt klar die Verwendung von festen, unveränderbaren Schwellwerten favorisiert.
Daraus folgt, dass eine wie auch immer geartete, fachmännische Zusammenschau der im Verfahren befindlichen Druckschriften nicht in der Lage sein kann, die streitpatentgemäßen Verfahren der Patentansprüche 3 und 4 nahezulegen.
4.b. Zum Hilfsantrag Die Verfahren nach den Patentansprüchen 1, 3 und 4 gemäß Hilfsantrag sind patentfähig. Das Verfahren nach Patentanspruch 2 gemäß Hilfsantrag ist nicht patentfähig.
Das Verfahren nach dem Patentanspruch 1 des Hilfsantrages ist gegenüber demjenigen des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag darauf beschränkt, dass die Zustandsgröße bzw eine von den mehreren Zustandsgrößen das gemittelte Beschleunigungssignal ist. Diese Beschränkung ist zulässig, denn die Mittelwertbildung ist in den Ansprüchen 12 und 13 iVm Sp 10 ab Z 25 der Streitpatentschrift offenbart.
Die übrigen Patentansprüche 2, 3 und 4 nach Hilfsantrag sowie die darauf zurückbezogenen Unteransprüche sind mit denjenigen des Hauptantrages wortgleich und damit ebenfalls zulässig.
4.b.1. Das Verfahren nach dem Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag ist neu.
Aus der vorstehend erläuterten, nicht vorveröffentlichten Druckschrift D 7 ist es lediglich bekannt, als Zustandsgröße für die Schwellwertänderung das jeweils aktuelle Beschleunigungssignal zu verwenden. Gleiches gilt für die D 6.
Die Klägerin hat im Zusammenhang mit der letztgenannten Druckschrift geltend gemacht, dass die Filterung des Beschleunigungssignals (vgl Sp 3 Z 2 der D 6) fachüblich durch einen Tiefpass vorgenommen werde, der auch als Mittelwertbildner wirke. Damit sei das Verfahren gemäß Anspruch 1 nach Hilfsantrag durch die D 6 vorweggenommen. Diese Auffassung hat den Senat nicht überzeugt. Dem Durchschnittsfachmann ist die Arbeitsweise eines Tiefpassfilters geläufig, vgl auch Fachbuch "Halbleiter-Schaltungstechnik", 5. Auflage, 1980, D 2, insb S 9 und 12. Er bewirkt in erster Linie, dass tiefe Frequenzen unverändert übertragen werden, während hohe Frequenzen abgeschwächt werden. Insoweit kann der Durchschnittsfachmann die in der D 6 angesprochene Filterung durchaus mit einem Tiefpass ausgestalten. Um allerdings spezielle, nur unter ganz bestimmten Randbedingungen mögliche, andere Arbeitsweisen eines Tiefpasses anzuwenden, hätte es zumindest eines konkreten Hinweises in der D 6 bedurft. Einen solchen Hinweis hat die Klägerin nicht nachweisen können, denn er ist in der D 6 nicht enthalten. Sie kommt zu ihrer Auffassung daher offensichtlich nur in patentrechtlich unzulässiger, rückschauender Betrachtung.
Im Zusammenhang mit der D 15 hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass nach Sp 2 Z 20 ff eine Signalglättung vorgenommen werde. Damit sei ebenfalls eine Mittelwertbildung vorweggenommen. Auch von dieser Auffassung hat sie den Senat nicht überzeugen können. Denn die angeführte Textstelle besagt, dass in einer Bewertungsschaltung Spitzenwerte der Beschleunigung, zBsp durch Hammerschlag, Schlaglöcher, etc. hervorgerufen, ausgefiltert werden. In der konkreten Ausführung verfügt die Bewertungsschaltung über verschiedene UND- und/oder ODER-Verknüpfungen, in denen "die Ausgangssignale der Beschleunigungsaufnehmer unabhängig voneinander" (vgl Sp 2 Z 38 bis 50) mit verschiedenen Schwellenwerten verglichen werden. Damit ist aber gerade keine Mittelwertbildung ausgebildet, wie sie nunmehr streitpatentgemäß vorgesehen ist.
Die übrigen nachveröffentlichten Druckschriften offenbaren keine veränderbaren Schwellwerte, wie vorstehend nachgewiesen, und können daher die Neuheit des beschränkten Verfahrens nicht in Frage stellen.
4.b.2. Das Verfahren nach Patentanspruch 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Bei der Bewertung des streitpatentgemäßen Verfahrens hinsichtlich erfinderischer Tätigkeit müssen die prioritätsälteren, nicht vorveröffentlichten Druckschriften DE 38 16 588 A1 (Anlage D 6), DE 38 16 590 A1 (Anlage D 7) und DE 38 16 587 A1 (Anlage D 15) außer Betracht bleiben, PatG § 4 Satz 2.
Im vorstehenden Abschnitt zur Neuheit der Verfahren nach den Patentansprüchen 3 und 4 wurde herausgearbeitet, dass die Auslösevorrichtungen der übrigen Druckschriften D 1, D 3, D 4, D 5, D 8, D 9, D 10, D 11, D 12, D 13 iVm D 17 und D 14 sämtlich mit festen, unveränderbaren Schwellwerten als Auslösekriterium arbeiten. Keine dieser Druckschriften weist zudem nach, ein gemitteltes Beschleunigungssignal zur Auslösung von Rückhaltemitteln zu verwenden. Gegenteiliges hat auch die Klägerin nicht vorgetragen. Ob die Verwendung eines gemittelten Beschleunigungssignals, beispielhaft beschrieben in Broesch, Digitale Signalverarbeitung, 1997 (Anlage D 18) insb ab Abs 3, ohne weiteres im Griffbereich eines Durchschnittsfachmannes liegt, kann dahinstehen. Denn wie der umfangreich nachgewiesene Stand der Technik belegt, hat die Fachwelt zum Prioritätszeitpunkt klar die Verwendung von festen, unveränderbaren Schwellwerten favorisiert. Daran würde die Verwendung eines gemittelten Beschleunigungssignals nichts ändern. Deshalb kommt eine wie auch immer geartete, fachmännische Zusammenschau der im Verfahren befindlichen Druckschriften nicht zu dem streitpatentgemäßen Verfahren des beschränkten Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag.
4.b.3. Die Patentansprüche 2, 3 und 4 nach Hilfsantrag sind mit denjenigen des Hauptantrages wortgleich. Insoweit gelten die zum Hauptantrag zu diesen Patentansprüchen gemachten Ausführungen hier gleichermaßen.
4.b.4. Unteransprüche 5 bis 44 Da die nebengeordneten Patentansprüche 1, 3 und 4 gemäß Hilfsantrag patentfähig sind, tragen sie auch die darauf rückgezogenen Unteransprüche 5 bis 44.
Im Zusammenhang mit dem nicht bestandsfähigen Patentanspruch 2 hat auch der Patentanspruch 5 keinen Bestand.
Nach Patentanspruch 5 des Streitpatents werden als Zustandsgröße das Beschleunigungssignal selbst oder daraus abgeleitete Signale (z.Bsp. die Fahrzeuggeschwindigkeit) benutzt. Genau dies ist aus den eingangs erläuterten DE 38 16 588 A1 (Anlage D 6) und DE 38 16 590 A1 (Anlage D 7) bereits bekannt, wie vorstehend dargetan. Gegenüber diesen Druckschriften ist folglich ein Verfahren, bestehend aus den Verfahrensschritten gemäß Patentanspruch 2 und 5 gemäß Hilfsantrag nicht mehr neu.
Nach Patentanspruch 6 wird als Zustandsgröße zur Veränderung des als Auslöskriterium verwendeten Schwellwerts die im Crash ablaufende Zeit benutzt. Derartiges geht aus den Druckschriften D6, D7 offensichtlich nicht hervor. Im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin ist derartiges auch nicht in der D 15 beschrieben. Die Klägerin weist in diesem Zusammenhang auf das Zeitglied 34 der Auswahlschaltung für den jeweiligen Schwellenwert hin und meint, damit sei das Merkmal des Patentanspruchs 6 vorweggenommen.
Aus der Funktionsbeschreibung Sp 7 ab Z 25 iVm den Figuren 2 und 3 der D 15 geht hervor, dass die mit dem Geschwindigkeitssignal des Signalkanals 5 beaufschlagten Schwellenwertschalter 13 und 14 feste Schwellenwerte Sv 2 und Sv 3 besitzen. Insoweit werden diese, nach dem Anspruch 1 ausdrücklich eine Auslösung der Sicherheitsvorrichtung ermöglichenden Schwellenwerte von keiner wie auch immer gearteten Zustandsgröße des Fahrzeugs im streitpatentgemäßen Sinn verändert. Es kann dahinstehen, ob das Schwellenwertauswahlverfahren nach der D 15 möglicherweise zu einem ähnlichen Ergebnis führt wie das streitpatentgemäße Verfahren. Zu diesem Ergebnis kommt die D 15 nämlich auf einem anderen Weg, indem immer einer von wenigstens zwei unterschiedlich großen Schwellenwerten ausgewählt wird, ohne dabei den als Auslösekriterium benutzten Schwellenwert an sich zu ändern, wie dies beim Streitpatent vorgesehen ist.
Da dieses Merkmal unbestritten auch aus keiner anderen Druckschrift hervorgeht, hat der Patentanspruch 6 im Zusammenhang mit einem tragenden Hauptanspruch Bestand. Gleiches gilt aus Gründen der Logik für die nachgeordneten Patentansprüche.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs 2 PatG iVm § 92 Abs 1 Satz 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs 1 PatG iVm § 709 ZPO.
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BPatG:
Urteil v. 02.02.2005
Az: 4 Ni 37/03
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