Bundesgerichtshof:
Urteil vom 14. Februar 2008
Aktenzeichen: I ZR 55/05

(BGH: Urteil v. 14.02.2008, Az.: I ZR 55/05)

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 29. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 4. November 2004 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und insoweit teilweise aufgehoben, als der auf Auskunftserteilung gerichtete Antrag abgewiesen worden ist.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I, 33. Zivilkammer, vom 13. Januar 2004 wird hinsichtlich der Verurteilung zur Auskunftserteilung gemäß III. des Urteilstenors mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Verurteilung zur Auskunftserteilung über Einkaufs- und Verkaufspreise sowie hinsichtlich der Lieferungen vom 18. Dezember 2001 und vom 15. Juli 2002 entfällt.

Die Kosten der ersten Instanz werden der Klägerin zu 1/10 und den Beklagten zu 9/10, die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin zu 2/3, den Beklagten zu 1/3 auferlegt. Die Gerichtskosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens trägt die Klägerin. Die Gerichtskosten des Revisionsverfahrens tragen die Beklagten. Die außergerichtlichen Kosten des Nichtzulassungsbeschwerde- und Revisionsverfahrens tragen die Klägerin zu 3/5 und die Beklagten zu 2/5.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Klägerin stellt medizinische Artikel, insbesondere Ostomieprodukte, her und vertreibt diese. Sie ist Inhaberin der unter anderem für derartige Produkte eingetragenen Gemeinschaftsmarke Nr. 139 972 "Hollister".

Die Beklagte zu 1, deren Geschäftsführer die Beklagten zu 2 und 3 sind, erwarb von der P. GmbH, München (im Folgenden: P. ), mit der Klagemarke gekennzeichnete Ostomieprodukte, die von der Klägerin außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums in Verkehr gebracht worden waren. Sie verkaufte die Waren an ihre deutsche Muttergesellschaft, E. GmbH (im Folgenden: E. ), die sie in Deutschland weitervertrieb.

Nachdem die Klägerin deswegen gegen E. vorgegangen war, erteilte diese im Rahmen eines mit der Klägerin geschlossenen Vergleichs mit Schreiben vom 19. Februar 2003 Auskunft über verschiedene Lieferungen von Produkten der Klägerin, die ihr von der P. über die Beklagte zu 1 geliefert worden seien.

Die Klägerin hat daraufhin die Beklagten auf Unterlassung, Feststellung der Schadensersatzpflicht und Auskunftserteilung in Anspruch genommen. Die Beklagten haben den Unterlassungsanspruch anerkannt. Hinsichtlich eines Teils des geltend gemachten Auskunftsanspruchs haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt.

Das Landgericht hat die Beklagten durch Teilanerkenntnisurteil zur Unterlassung verurteilt und ihre Schadensersatzpflicht festgestellt.

Ferner hat es sie verurteilt, der Klägerin über den Umfang der Verletzungshandlungen unter Angabe der Artikel- und Chargennummer, der bezogenen und der ausgelieferten Stückzahlen dieser Artikel, der Einkaufs- und Verkaufspreise, der Vorlieferanten und gewerblichen Abnehmer, aufgeschlüsselt nach Bezugs- und Auslieferungsmonat, Auskunft zu erteilen, soweit sie nicht bereits durch Inbezugnahme des Schreibens der E. vom 19. Februar 2003 sowie durch Erklärungen im Verfahren dahingehend Auskunft erteilt haben, die von der P. bezogenen Produkte ausschließlich an die E. weiterverkauft und die streitgegenständlichen Produkte in identischem Umfang und zu demselben Preis wie in der gemäß Schreiben vom 19. Februar 2003 erteilten Auskunft angegeben von der P. bezogen zu haben.

In der Berufungsinstanz haben die Beklagten hinsichtlich zweier Lieferungen vom 18. Dezember 2001 und vom 15. Juli 2002 Auskunft erteilt. Die Parteien haben daraufhin den Rechtsstreit auch insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt.

Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das auf Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten gerichtete Begehren der Klägerin teilweise und die auf Auskunft gerichtete Klage vollständig abgewiesen.

Mit der - insoweit vom Senat zugelassenen - Revision verfolgt die Klägerin ihr Auskunftsbegehren weiter. Die Beklagten beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Gründe

I. Das Berufungsgericht hat Auskunftsansprüche der Klägerin in dem in der Berufungsinstanz noch anhängigen Umfang verneint. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Zwar bestehe ein Auskunftsanspruch nicht nur als unselbständiger Anspruch, wenn der auf Auskunft in Anspruch Genommene zugleich Schuldner des Hauptanspruchs sei, sondern auch als selbständiger Anspruch nach § 19 MarkenG, wenn ein Dritter Schuldner des Hauptanspruchs sei und der Hilfsanspruch auf Auskunftserteilung der Durchsetzung dieses Anspruchs dienen solle. Ansprüche auf Auskunftserteilung seien allerdings ihrem Inhalt nach auf den konkreten Verletzungsfall beschränkt. Der Auskunftsschuldner sei nicht verpflichtet, Auskunft über nur möglich erscheinende Verletzungshandlungen zu erteilen. Die Klägerin habe daher von den Beklagten Auskunft lediglich hinsichtlich der Waren der konkreten Lieferungen verlangen können, die auch Gegenstand der Feststellung der Verpflichtung zum Schadensersatz seien. Das seien nur die konkreten unstreitigen Verletzungshandlungen. Insoweit hätten die Beklagten bereits Auskunft erteilt. Ein weitergehender Auskunftsanspruch, der sich wie der Anspruch auf Unterlassung über die konkreten Verletzungshandlungen hinaus auf solche Verallgemeinerungen erstrecke, die das Typische der Verletzungshandlung aufwiesen, bestehe nicht, wie sich auch der Schadensersatzanspruch nicht auf solche Verallgemeinerungen erstrecken könne.

II. Die Revision der Klägerin hat teilweise Erfolg. Sie bleibt ohne Erfolg, soweit das Berufungsgericht einen Anspruch der Klägerin auf Auskunftserteilung über Einkaufs- und Verkaufspreise verneint hat. Im Übrigen führt sie hinsichtlich des Anspruchs auf Auskunftserteilung zur teilweisen Aufhebung des Berufungsurteils und insoweit zur teilweisen Wiederherstellung der landgerichtlichen Entscheidung nach Maßgabe der übereinstimmenden Teilerledigungserklärung in der Berufungsinstanz.

1. Gemäß Art. 98 Abs. 2 GMV ist auf die von den Beklagten in Deutschland begangenen Verletzungshandlungen hinsichtlich der Gemeinschaftsmarke der Klägerin deutsches Recht anzuwenden. Gemäß § 125b Nr. 2 MarkenG stehen dem Inhaber einer eingetragenen Gemeinschaftsmarke die gleichen Ansprüche auf Auskunftserteilung (§ 19 MarkenG) zu wie dem Inhaber einer nach dem Markengesetz eingetragenen Marke.

2. Das Berufungsgericht ist rechtlich zutreffend davon ausgegangen, dass der Klägerin gegen die Beklagten dem Grunde nach ein Anspruch auf Auskunftserteilung gemäß § 19 MarkenG zusteht. Bei der Verletzung einer nationalen Marke setzt der Anspruch auf Auskunftserteilung gemäß § 19 Abs. 1 und 2 MarkenG voraus, dass einer der in § 19 Abs. 1 MarkenG genannten Verletzungstatbestände erfüllt ist. Der Auskunftsanspruch nach § 19 MarkenG ist daher auch dann gegeben, wenn die Markenverletzung wie hier im Vertrieb nicht erschöpfter Originalware besteht (BGHZ 166, 233 Tz. 33 - Parfümtestkäufe). Für die Gemeinschaftsmarke, bei der entsprechend auf die in der Gemeinschaftsmarkenverordnung geregelten Verletzungstatbestände abzustellen ist, gilt wegen der insoweit mit dem nationalen Recht übereinstimmenden Regelung (vgl. Art. 9, 13 GMV) nichts anderes.

3. Dagegen kann dem Berufungsgericht nicht darin gefolgt werden, dass die Beklagten bereits in dem Umfang, in dem sie nach § 19 MarkenG zur Auskunftserteilung verpflichtet sind, Auskunft erteilt haben mit der Folge, dass der Auskunftsanspruch der Klägerin durch Erfüllung erloschen ist. Der Anspruch aus § 19 MarkenG wäre zwar, wovon auch das Berufungsgericht ausgegangen ist, seinem Inhalt nach auf die Erteilung von Auskünften über den konkreten Verletzungsfall beschränkt. Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat, umfasst der Begriff der konkreten Verletzungshandlung jedoch beim Auskunftsanspruch nach § 19 Abs. 1 und 2 MarkenG wie beim markenrechtlichen Unterlassungsanspruch auch solche Handlungen, in denen das Charakteristische der Verletzungshandlung zum Ausdruck kommt (BGHZ 166, 233 Tz. 36 - Parfümtestkäufe). Dem mit der Gewährung des selbständigen Auskunftsanspruchs verfolgten Zweck, dem Verletzten die Aufdeckung der Quellen und Vertriebswege von schutzrechtsverletzender Ware zu ermöglichen, widerspräche es, den Umfang dieses Anspruchs auf die bereits festgestellten Verletzungshandlungen zu beschränken (vgl. BGHZ 166, 233 Tz. 36 - Parfümtestkäufe, unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien sowie auf die Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 29.4.2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums, ABl. L 195 v. 2.6.2004, S. 16 - Durchsetzungsrichtlinie). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts haben die Beklagten daher den Auskunftsanspruch der Klägerin gemäß § 19 MarkenG mit den bisher erteilten Auskünften über die der Klägerin bereits bekannten Verletzungshandlungen nicht erfüllt.

4. Das in der Revisionsinstanz mit der Klage noch verfolgte Auskunftsbegehren der Klägerin geht allerdings dem Umfang nach über die Auskunftsverpflichtung der Beklagten gemäß § 19 Abs. 1 und 2 MarkenG hinaus, soweit die Klägerin Auskunft auch über die Einkaufs- und Verkaufspreise begehrt.

Der Markeninhaber kann nach § 19 Abs. 1 MarkenG Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg verlangen. Nach § 19 Abs. 2 MarkenG erstreckt sich die Auskunftspflicht ausdrücklich auf Angaben über Namen und Anschrift des Herstellers, des Lieferanten und anderer Vorbesitzer, des gewerblichen Abnehmers oder des Auftraggebers sowie über die Menge der ausgelieferten, erhaltenen oder hergestellten Gegenstände. Danach hat das Landgericht die Beklagten mit Recht dazu verurteilt, der Klägerin über den Umfang der Verletzungshandlungen unter Angabe der Artikel- und Chargennummer, der bezogenen und der ausgelieferten Stückzahlen dieser Artikel, der Vorlieferanten und gewerblichen Abnehmer, aufgeschlüsselt nach Bezugs- und Auslieferungsmonat, Auskunft zu erteilen.

Eine Verpflichtung zur Angabe der Einkaufs- und Verkaufspreise besteht dagegen nach § 19 MarkenG in der gegenwärtig (noch) geltenden Fassung nicht. Einkaufs- und Verkaufspreise sind als Gegenstand der Auskunftspflicht in § 19 Abs. 2 MarkenG nicht genannt. Auch aus dem mit dem Auskunftsanspruch nach § 19 MarkenG verfolgten Zweck, dem Verletzten die Aufdeckung der Quellen und Vertriebswege von schutzrechtsverletzender Ware zu ermöglichen, lässt sich ein Anspruch auf Auskunftserteilung über die Einkaufs- und Verkaufspreise nicht herleiten, da aus den Einkaufs- und Verkaufspreisen keine Erkenntnisse über etwaige weitere Verletzer gewonnen werden können (vgl. auch Hacker in Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl., § 19 Rdn. 26; v. Schultz in Markenrecht, 2. Aufl., § 19 Rdn. 13; Lange, Marken- und Kennzeichenrecht, Rdn. 3386, m.w.N.). Eine andere Auslegung ist auch nicht deshalb geboten, weil durch das Gesetz zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums (vgl. BT-Drucks. 16/5048, S. 10 f. und 44) in Umsetzung der Durchsetzungsrichtlinie die Auskunftspflicht nach § 19 MarkenG ausdrücklich auf Angaben über Preise erstreckt werden soll. Die Gesetzesänderung ist noch nicht in Kraft getreten und daher auf den Streitfall nicht anwendbar.

Eine Erweiterung der im Streitfall noch geltenden Fassung des § 19 MarkenG im Sinne der zukünftigen Regelung ist auch nicht im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung möglich. Denn nach Art. 8 Abs. 1 und 2 lit. b der Durchsetzungsrichtlinie, der durch die Bestimmung des § 19 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG umgesetzt werden soll, müssen sich die zu erteilenden Auskünfte über den Ursprung und den Vertriebsweg von Waren, die ein Recht des geistigen Eigentums verletzen, nur, "soweit angebracht", auf Angaben über die Preise erstrecken, die für die betreffenden Waren gezahlt wurden. Angaben über Preise werden zwar zur Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen (vgl. Art. 13 der Durchsetzungsrichtlinie) benötigt, nicht dagegen, wie dargelegt, zur Ermittlung der weiteren Vertriebswege und Verletzer. Im Streitfall geht es jedoch nicht um einen (unselbständigen) Anspruch auf Auskunftserteilung zum Zwecke der Durchsetzung eines Schadensersatzanspruchs, sondern um den selbständigen Auskunftsanspruch nach § 19 MarkenG, der dem Verletzten ein Vorgehen gegen weitere Verletzer ermöglichen soll. Die Durchsetzungsrichtlinie, die bis spätestens 29. April 2006 umzusetzen war (Art. 20 Abs. 1), erfordert daher keine richtlinienkonforme Auslegung von § 19 Abs. 1 MarkenG in der im Streitfall anwendbaren gegenwärtigen Fassung dahingehend, dass die dort geregelte Verpflichtung zur Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg ungeachtet des engeren Wortlauts von § 19 Abs. 2 MarkenG Angaben über Einkaufs- und Abgabepreise der betreffenden Waren umfasst.

III. Danach ist das Berufungsurteil teilweise aufzuheben, soweit das Berufungsgericht den Auskunftsanspruch abgewiesen hat. Insoweit ist die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des Landgerichts mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Verurteilung zur Auskunftserteilung über Einkaufs- und Verkaufspreise sowie hinsichtlich der in der Berufungsinstanz erteilten Auskünfte (Lieferungen vom 18. Dezember 2001 und vom 15. Juli 2002) entfällt.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91a, 92 Abs. 2, § 97 Abs. 1 ZPO.

Bornkamm Pokrant Schaffert Bergmann Koch Vorinstanzen:

LG München I, Entscheidung vom 13.01.2004 - 33 O 14082/03 -

OLG München, Entscheidung vom 04.11.2004 - 29 U 2354/04 -






BGH:
Urteil v. 14.02.2008
Az: I ZR 55/05


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