Bundespatentgericht:
Beschluss vom 27. September 2005
Aktenzeichen: 27 W (pat) 83/05

(BPatG: Beschluss v. 27.09.2005, Az.: 27 W (pat) 83/05)

Tenor

I. Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 14. März 2005 wird insoweit aufgehoben, als die Markenanmeldung 304 43 981.9 für die Waren Leder sowie Lederimitationen zurückgewiesen wurde.

II. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts hat durch Beschluss eines Beamten des höheren Dienstes die als Wortmarke für

"Bekleidungsstücke; Schuhwaren; Kopfbedeckungen; Hemden; Jacken; Pullover; Sweatshirts; T-Shirts; Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit in Klasse 18 enthalten; Reise- und Handkoffer; Regenschirme, Sonnenschirme; Aktentaschen; Dokumentenmappen; Handkoffer; Handtaschen; Reisetaschen; Schultaschen, Kindertragetaschen; Tornister; Edelmetalle und deren Legierungen sowie daraus hergestellte oder damit plattierte Waren (soweit in Klasse 14 enthalten); Juwelierwaren, Schmuckwaren, Edelsteine; Uhren und Zeitmessinstrumente"

angemeldete Bezeichnung

"Abi 2017"

gemäß §§ 37, 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG nach vorangegangener Beanstandung als nicht unterscheidungskräftige Angabe insgesamt zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Bei der angemeldeten Marke handele es sich um einen sprachüblichen, werbeüblichen und zielgruppenbeschreibenden Hinweis auf den Abiturjahrgang 2017 bzw die betreffenden Schülerinnen und Schüler, der eine betriebliche Hinweiswirkung nicht zu entfalten vermöge. Die Frage eines Freihaltungsbedürfnisses - für welches vieles spreche - könne bei dieser Sachlage unerörtert bleiben. Die von der Anmelderin geltend gemachte Eintragung verschiedener ähnlich gebildeter Marken könne keinen Anspruch auf eine Eintragung begründen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses begehrt. Sie hält die Anmeldemarke für hinreichend unterscheidungskräftig und nicht freihaltungsbedürftig. Die Markenbestandteile "Abi" und "2017" wiesen weder in Alleinstellung noch in der Kombination als "Abi 2017" einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt in Bezug auf die beanspruchten Waren auf, vielmehr sei der Gesamtbegriff produktspezifisch offen. Ein bloßer Hinweis auf die angesprochenen Verkehrskreise hindere die Unterscheidungskraft nicht. Da die betreffenden Jahrgänge heute weit vom Abitur entfernt seien und sich die betreffenden Waren als Lifestyle-Produkte nicht an diese richteten, sei die Marke als doppeldeutiger, interpretationsbedürftiger und hinreichend origineller Fantasiebegriff zu verstehen. Auch ein Freihaltungsbedürfnis sei nicht gegeben, da die Marke nur Umstände betreffe, die die Waren nicht selbst beträfen, sondern allenfalls mittelbar mit ihnen in Beziehung stehende Angaben enthalte. Ein konkretes Freihaltungsbedürfnis sei schon deshalb zu verneinen, weil die Markenanmeldung ein Ereignis bezeichne, das allenfalls möglicherweise zu einem Zeitpunkt stattfinden werde, das nach dem Ende der regulären Schutzdauer der Marke eintreten könne.

In der mündlichen Verhandlung, in der die Anmelderin ihren Vortrag aufrecht erhalten und weiter vertieft hat, hat sie die Zulassung der Rechtsbeschwerde angeregt.

II.

Die zulässige Beschwerde ist teilweise begründet. Der Senat sieht keine hinreichenden Gründe für die Annahme, dass die Anmeldemarke im Hinblick auf die im Tenor genannten Waren "Leder und Lederimitate" freihaltungsbedürftig im Sinne des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG ist oder ihr die nach § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG erforderliche Unterscheidungskraft fehlt. Im Übrigen stehen der Eintragung indes die genannten Eintragungshindernisse entgegen.

1. Ein Freihaltungsbedürfnis an der angemeldeten Bezeichnung im Sinne des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG ist für alle beanspruchten Waren mit Ausnahme von Leder und Lederimitaten gegeben.

a) Nach dieser Vorschrift sind solche Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die zumindest in einer ihrer möglichen Bedeutungen (vgl EuGH, MarkenR 2004, 450, 453 [Rz 32] - DOUBLEMINT) ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung von Merkmalen der Waren oder Dienstleistungen dienen können, sofern es sich hierbei um für den Warenverkehr wichtige und für die umworbenen Abnehmerkreise irgendwie bedeutsame Umstände handelt (vgl hierzu BGH GRUR 1999, 1093, 1094 - FOR YOU; GRUR 2000, 211, 232 - FÜNFER). Beschreibt eine Angabe dagegen Umstände, die nicht hinreichend eng mit einer Ware oder Dienstleistung selbst in Bezug stehen, so darf deren Anmeldung als Marke nicht wegen eines Freihaltungsbedürfnisses im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG zurückgewiesen werden (BGH GRUR 2004, 683 - Berlin Card). Das Eintragungsverbot dient dem im Allgemeininteresse liegenden Ziel, dass Zeichen oder Angaben, die Merkmale der angemeldeten Waren bzw Dienstleistungen beschreiben, von allen Unternehmen frei verwendet werden können und nicht aufgrund ihrer Eintragung als Marke zugunsten eines Unternehmens monopolisiert werden (EuGH GRUR 1999, 723, 725 Rn 25 - CHIEMSEE; GRUR 2004, 680, 681 Rn 35, 36 - BIOMILD).

b) Nach diesen Grundsätzen muss ein Freihaltungsbedürfnis an der angemeldeten Bezeichnung für alle beanspruchten Waren mit Ausnahme von Leder und Lederimitaten festgestellt werden. Wie die Markenstelle zu Recht und mit zutreffender Begründung angenommen hat, ist "Abi 2017" für die angesprochenen Verkehrskreise - neben den möglichen Angehörigen des künftigen Abiturjahrgangs 2017 alle diejenigen Personen, die für die betreffenden Schülerinnen und Schüler heute und in Zukunft Waren der beanspruchten Art erwerben können, mithin breiteste allgemeine Verkehrskreise - ohne weiteres verständlich im Sinne des betreffenden Abiturjahrgangs.

Damit werden auch bedeutsame Merkmale der betreffenden Waren selbst unmittelbar beschrieben; die angemeldete Marke enthält nämlich die Information, dass diese Produkte sich an die Angehörigen dieses Jahrgangs richten, für diese bestimmt und von diesen verwendet werden sollen, sei es sofort, sei es zu einem späteren Zeitpunkt. Es handelt sich durchweg um Artikel zum allgemeinen Gebrauch, die sich als spezielle Geschenk- oder Konsumartikel für alle eignen, denen man zutrauen oder wünschen möchte, dass sie eines Tages dem betreffenden Abiturjahrgang angehören. In diesem Sinne ist die Bezeichnung "Abi 2017" zwanglos als Glückwunsch, Ansporn oder auch stolzer Hinweis oder Selbstdarstellung der betreffenden Jahrgangsangehörigen oder ihrer Eltern oder Verwandten anzusehen. Ein Bedarf an derartigen Gegenständen mit entsprechender Kennzeichnung ist im Gegensatz zur Ansicht der Anmelderin nicht erst in ferner, ungewisser Zukunft anzunehmen, sondern bereits hier und jetzt, denn die Ausstattung von Kindern mit Geschenken, die eine über den Tag hinaus gehende Bedeutung haben, ist nach allgemeiner Lebenserfahrung ein Anliegen, das immer besteht. Dies gilt sowohl für Textilien als auch für die verschiedenen beanspruchten Gebrauchsartikel, erst recht aber für Edelmetalle, wie zB Goldbarren und Juwelierwaren oder Uhren und dergleichen, die gern als Ansporn für künftige Zeiten verschenkt werden, so wie es zB traditionell bei Taufgeschenken oder Aussteuerwaren der Fall war, die ebenfalls bereits im Kindesalter, lange vor deren möglichem konkreten Einsatzzeitpunkt verschenkt zu werden pflegten. Die betreffenden Waren werden durch die Bezeichnung mit "Abi 2017" als über den Tag hinaus bedeutsame Produkte kenntlich gemacht. Dieser Hinweis auf die Bedeutung für die Erwerber bzw die Verwender ist als Beschreibung eines Merkmals der Mehrzahl der angemeldeten Waren anzusehen.

Etwas anderes gilt für Leder und Lederimitationen. Diese Waren begegnen als Vor- oder Halbfabrikate in der Regel dem allgemeinen Publikum, für das "Abi 2017" die vorgenannte merkmalsbeschreibende Bedeutung hat, nicht unmittelbar, vielmehr wenden sie sich an die Hersteller von Produkten. Diese aber werden, wenn sie der Bezeichnung "Abi 2017" auf Leder oder Lederimitationen begegnen, dies nicht als einen beschreibenden Hinweis ansehen, weil sie selbst in keinem sinnvollen Sachzusammenhang mit dem Abiturjahrgang 2017 stehen dürften und für die Annahme, es könne sich um spezielles Leder oder spezielle Lederimitationen handeln, die zur Herstellung von Waren für diesen Jahrgang geeignet seien, keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich sind.

Da die Anmeldemarke damit jedenfalls für Leder und Lederimitationen nicht ausschließlich aus unmittelbar produktbeschreibenden Angaben besteht, kann ihr insoweit nicht wegen eines Freihaltungsbedürfnisses nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG die Eintragung versagt werden. Es ist aus keinem Gesichtspunkt ein Interesse oder Bedürfnis der Mitbewerber erkennbar, von ihnen angebotenes Leder oder Lederimitationen mit der Bezeichnung "Abi 2017" zu versehen. Im Hinblick auf die übrigen Waren musste dagegen der Marke aus diesem Grund die Eintragung versagt werden.

2. Im Hinblick auf die Waren "Leder und Lederimitationen" kommt der Marke auch die nach § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG erforderliche Unterscheidungskraft zu.

a) Unterscheidungskraft im Sinne dieser Vorschrift ist nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl EuGH MarkenR 2003, 187, 190 [Rz 41] - Gabelstapler, WRP 2002, 924, 930 [Rz 35] - Philips/Remington) und des Bundesgerichtshofs (vgl BGH GRUR 2000, 502, 503 - St. Pauli Girl; GRUR 2000, 720, 721 - Unter Uns) die Eignung einer Marke, vom durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher (vgl EuGH GRUR 2003, 604, 605 - Libertel; GRUR 2004, 943, 944 - SAT.2) als Unterscheidungsmittel für die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. Trotz des grundsätzlich gebotenen großzügigen Maßstabs (st Rspr, vgl BGH, GRUR 1995, 408, 409 - PROTECH; BGH GRUR 2001, 413, 415 - SWATCH) fehlt einer Kennzeichnung die Unterscheidungskraft stets dann, wenn die angesprochenen Verkehrskreise in ihr keinen Hinweis auf die Herkunft der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen aus einem bestimmten Unternehmen sehen, was etwa bei einem für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt (vgl BGH GRUR 2001, 1151, 1153 - marktfrisch; GRUR 2003, 1050, 1051 - City-Service; BGH, GRUR 2001, 162, 163 mwN - RA-TIONAL SOFTWARE CORPORATION) oder bei Werbeaussagen allgemeiner Art (vgl BGH MarkenR 2000, 262, 263 - Unter uns; WRP 2000, 298, 299 - Radio von hier; WRP 2000, 300, 301 - Partner with the best; GRUR 2001, 1047, 1048 - LO-CAL PRESENCE, GLOBAL POWER; GRUR 2001, 735, 736 - "Test it"; GRUR 2002, 1070, 1071 - Bar jeder Vernunft) der Fall ist. Werden rein beschreibende Angaben zu einem Gesamtbegriff zusammengesetzt, ohne dass sich durch die Wortkombination ein über den bloß beschreibenden Inhalt jedes einzelnen Wortbestandteils hinausgehender weitergehender Sinngehalt ergibt, so bleibt dieser auch dann von der Eintragung ausgeschlossen, wenn es sich bei ihm um eine Wortneuschöpfung oder einen bislang nicht verwendeten Begriff handelt (EuGH GRUR 2004, 680, 681 - BIOMILD).

b) Nach diesen Grundsätzen kann der Anmeldemarke für Leder und Lederimitationen die erforderliche Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden. Auch wenn "Abi 2017" einen verständlichen Bedeutungsgehalt hat, ist wie vorstehend ausgeführt, nicht davon auszugehen, dass dieser Bedeutungsgehalt gerade für die diese Waren einen beschreibenden Begriffsinhalt hat, der für diese Produkte ohne weiteres und ohne Unklarheiten als solcher erfasst wird. Vielmehr lässt sich die ersichtliche Bedeutung nicht sinnvoll auf die Waren beziehen. Weil der insoweit maßgebliche Verkehr dies wahrnehmen wird, wird er mangels anderer Anhaltspunkte dementsprechend in der Bezeichnung "Abi 2017" einen Hinweis auf die Herkunft der damit gekennzeichneten Waren aus einem bestimmten Unternehmen erblicken.

3. Es bestand keine Veranlassung zur Zulassung der Rechtsbeschwerde, denn es war keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden, auch die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Vielmehr hat der Senat auf der Grundlage und in Übereinstimmung mit der geltenden höchstrichterlichen Rechtsprechung entschieden.

Dr. Albrecht Prietzel-Funk Dr. van Raden Pü






BPatG:
Beschluss v. 27.09.2005
Az: 27 W (pat) 83/05


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