Bundespatentgericht:
Beschluss vom 9. Mai 2006
Aktenzeichen: 8 W (pat) 20/02
(BPatG: Beschluss v. 09.05.2006, Az.: 8 W (pat) 20/02)
Tenor
Auf die Beschwerde der Patentinhaberin wird der Beschluss der Patentabteilung 12 vom 28. März 2002 aufgehoben und das Patent 198 60 353 in vollem Umfang aufrechterhalten.
Gründe
I Nach Prüfung von drei Einsprüchen hat die Patentabteilung 12 des Patentamts das unter der Bezeichnung "Getriebe" erteilte Patent 198 60 353 (Anmeldetag: 28. Dezember 1998; Veröffentlichungstag der Patenterteilung: 21. Juni 2000) mit Beschluss vom 28. März 2002 widerrufen.
Zum Stand der Technik waren im Prüfungs- und Einspruchsverfahren die folgenden Druckschriften bzw. Unterlagen zu behaupteten Benutzungshandlungen vor dem Zeitrang des Streitpatents in Betracht gezogen worden:
- DE 295 17 964 U1
- US 3 489 034
- Proceedings of the 22nd CIMAC International Congress on Combustion Engines Copenhagen 18 - 21 May 1998 (und dort veröffentlicht mit gleichem Datum), Seiten 537 - 539; R. Lösch-Schloms u. a. "High Efficiency Turbogears for Gas Turbines, First Operating Experiences"
- EP 0 739 463 B1
- Fachbuch: American National Standard, Specification for High Speed Helical Gear Units, 1997
- Fachbuch: Packaged, Integrally Geared Centrifugal Air Compressors for Petroleum, Chemical and Gas Industry Services, American Petroleum Institute, 1996
- EP 0 411 294 B1
- Kraftfahrtechnisches Taschenbuch, Bosch, VDI-Verlag, 21. Auflage, 1991, S. 548
- WO 96/15392
- Betriebsanleitung der Firma MAAG Gear AG zum Typ GD-72,5 HET vom 15. Oktober 1996 mit Kapitelrevision vom 16. April 1998
- Firmenveröffentlichung "Systemtechnischer Konzeptentwurf eines MAAG-HET-Getriebes (High Efficiency Turbo-Gear)" von 1996
- offenkundige Vorbenutzung durch Angebot der Firma A... vom 4. April 1996 an B... -AG in C...
Gegen den Widerrufsbeschluss hat die Patentinhaberin Beschwerde eingelegt.
Die Patentinhaberin verteidigt ihr Schutzrecht auf der Grundlage der erteilten Unterlagen.
Der geltende erteilte Patentanspruch 1 lautet:
"Zahnradgetriebe mit zwei oder mehr miteinander in Eingriff stehenden Zahnrädern, insbesondere mindestens in einem Teilvakuum laufendes Getriebe, mit Mitteln zur Zufuhr von Schmier- und/oder Kühlöl in den Ein- oder Ausgriff der Zahnräder, wobei die die Zahnräderwellen tragenden Lager unter Zwischenschaltung von Dichtungen an das Teilvakuum angrenzen oder sich vollständig im Teilvakuum befinden, und im Teilvakuum ein erster, den Druck des Teilvakuums aufnehmender Sensor angeordnet ist, der, bei Abweichung des Teilvakuums gegenüber einem vorgegebenen Druckbereich, Sicherheitseinrichtungen aktiviert (Zusatzölkühlung, Absperrklappe auf, Vakuumpumpe aus) und ein zweiter, die Ölmenge erfassender Sensor angeordnet ist, der zusätzlich zu den Sicherheitseinrichtungen weitere Sicherheitsvorrichtungen aktiviert (Ölablauf über einen zusätzlichen Ölablauf)."
Zu den Unteransprüchen 2 bis 8 erteilter Fassung wird auf die Akten verwiesen.
Die Patentinhaberin trägt vor, dass das Veröffentlichungsdatum des Artikels von Lösch-Schloms und Mathis unklar sei, da nicht erkennbar ist, wann genau der Tagungsband, in dem dieser Artikel aufgenommen ist, erschienen sei. Zudem sei nach ihrer Auffassung nicht klar, was tatsächlich auf dem maßgeblichen CIMAC-Kongress in Kopenhagen vom 18. - 21. Mai 1998 inhaltlich von den o. g. Autoren vorgetragen worden sei und welche Abbildungen gezeigt worden seien.
Zur Sache trägt die Patentinhaberin und Beschwerdeführerin vor, dass der entgegengehaltene Stand der Technik gemäß den Unterlagen zu den sog. HET-Getrieben der Firma MAAG Gear AG lediglich solche Sicherheitseinrichtungen zum Gegenstand habe, welche sich auf die Überwachung des Ölstandes beziehen, d. h. ausschließlich auf der Basis Sicherheitssysteme auslösender Ölwächter aufgebaut seien. Auch die fachmännische Zusammenschau mit einem Stand der Technik, der ein Manometer am Vakuumraum eines maßgeblichen Getriebes zeige, wie dies z. B. beim Stand der Technik nach der US 3 489 034 der Fall sei, könne die patentgemäßen Sicherheitssysteme nicht nahe legen.
Die Patentinhaberin stellt den Antrag, den Beschluss der Patentabteilung 12 vom 28. März 2002 aufzuheben und das Patent in vollem Umfang aufrechtzuerhalten.
Die Einsprechenden tragen vor, dass der Vortrag der Autoren Lösch-Schloms und Mathis im entsprechenden Tagungsband bezüglich des CIMAC-Kongresses vorveröffentlicht sei, was sie unter Verweis auf ein von ihr vorgelegtes Schreiben vom 18. September 2000 des CIMAC Central-Secretariats bestätigt sehen. Die Einsprechenden bieten hierfür auch Zeugenbeweis an.
Zur Sache verweisen die Einsprechenden 1 bis 3 übereinstimmend auf den abgedruckten Vortrag von Lösch-Schloms und Mathis sowie auf die sowohl zu behaupteten Benutzungshandlungen genannte als auch als Druckschrift zu wertende Betriebsanleitung der Firma MAAG Gear AG vom 15. Oktober 1996, wo mehrfach auf die Vakuumüberwachung bei derartigen Getrieben hingewiesen sei und benannten die hierfür maßgeblichen Textstellen. Sie tragen hierzu vor, dass eine Systemsteuerung bezüglich der Vakuumüberwachung für einen einschlägigen Fachmann auch Sicherheitsmaßnahmen beinhalte, so dass dem Gegenstand des Streitpatents gegenüber diesem Stand der Technik die Patentfähigkeit abzusprechen sei. Auch weitere im Verfahren befindliche Druckschriften zeigten Vakuumräume einschlägiger Getriebe, denen Manometer zur Vakuumüberwachung zugeordnet seien, wie dies z. B. aus der US 3 489 034 ersichtlich sei.
Die Einsprechenden 1, 2 und 3 stellen den Antrag, die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen der Einzelheiten im Übrigen wird auf die Akten verwiesen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig und in der Sache begründet.
Der Patentgegenstand stellt eine patentfähige Erfindung i. S. d. PatG §§ 1 bis 5 dar.
1. Der im Tagungsband "Proceedings of the 22nd CIMAC International Congress on Combustion Engines, Copenhagen 18 - 21 May 1998" auf den Seiten 537 bis 543 abgedruckte Vortrag der Autoren R. Lösch-Schloms und A. Mathis mit dem Titel "High Efficiency Turbogears for Gas Turbines, First Operating Experiencies" ist nach Auffassung des Senats vorveröffentlicht. Wie aus dem von der Einsprechenden angezogenen Schreiben des CIMAC Central Secretariat vom 18. September 2000 hervorgeht, ist das o. g. Paper "High Efficiency Turbogears for Gas Turbines" im Rahmen der o. g. Proceedings veröffentlicht worden. Dabei erscheint ein derartiger Tagungsband nach allgemeiner Lebenserfahrung zeitnah zum Zeitraum der Tagung bzw. des Kongresses, d. h. in der Regel nicht später als drei Monate nach Ablauf der Tagung bzw. des Kongresses, weil andernfalls das Interesse der maßgeblichen Verkehrskreise an den dort vorgetragenen Ergebnissen stark schwinden würde. Nachdem der Zeitrang des Streitpatents mit dem Anmeldedatum vom 28. Dezember 1998 mehr als sieben Monate nach Beendigung de CIMAC-Kongresses liegt, geht der Senat von einer Vorveröffentlichung dieses Schrifttums aus. Besondere Umstände, welche in einem etwa hier vorliegenden Einzelfall eine Abweichung von der allgemeinen Übung der zeitnahen Veröffentlichung des Tagungsbandes hätten zur Folge haben können, sind seitens der Patentinhaberin nicht vorgetragen und geltend gemacht worden.
Auch ist eine textliche Abweichung im eigentlichen Vortrag von dem im Tagungsband niedergelegten Artikel sowie die Vorführung von weniger oder anderen Bildern als denen, die im entsprechenden Artikel im Tagungsband wiedergegeben sind, nicht allgemein üblich. So hätte die Patentinhaberin auch ihre diesbezüglichen Bedenken substantiiert darlegen müssen. Daher hat der Inhalt dieses Artikels als Vortrag bereits im Rahmen des CIMAC Kongresses die erforderliche patentrechtliche Offenkundigkeit erlangt.
2. Gegenstand des Streitpatents ist nach dem geltenden erteilten Anspruch 1 ein Zahnradgetriebe, welches in einem Teilvakuum läuft, und bei dem zwei oder mehr miteinander in Eingriff stehende Zahnräder vorgesehen sind. Es sind Mittel zur Zufuhr von Schmier- und/oder Kühlöl in den Ein- oder Ausgriff der Zahnräder vorgesehen.
Die die Zahnräderwellen tragenden Lager grenzen unter Zwischenschaltung von Dichtungen an das Teilvakuum an oder befinden sich vollständig in diesem. Im Teilvakuum ist ein erster, den Druck des Teilvakuums aufnehmender Sensor angeordnet, der bei Abweichung des Teilvakuums gegenüber einem vorgegebenen Druckbereich Sicherheitseinrichtungen aktiviert (Zusatzölkühlung, Absperrklappe auf, Vakuumpumpe aus).
Im Teilvakuum ist ein zweiter, die Ölmenge erfassender Sensor angeordnet, der zusätzlich zu den Sicherheitseinrichtungen weitere Sicherheitsvorrichtungen aktiviert (Ölablauf über einen zusätzlichen Ölablauf).
Die Formulierung "insbesondere mindestens in einem Teilvakuum laufendes Getriebe" versteht der Senat im Kontext des Anspruchs 1 hinsichtlich des Ausdrucks "insbesondere" im Sinne von "nämlich" oder "und zwar" o. ä., denn bei einer Auslegung als weglassbare Alternative würden die verbleibenden Merkmale, welche ausschließlich mit einem im Teilvakuum laufenden Getriebe in Zusammenhang stehen, bei Fortlassen dieser Alternative keine sinnvolle technische Lehre kennzeichnen.
Der Anspruch 1 ist in seinem Kern auf ein (mit hohen Drehzahlen laufendes) Zahnradgetriebe gerichtet, dessen Zahnräder (mindestens) in einem Teilvakuum laufen. In diesem mehr oder weniger evakuierten Getrieberaum sind zwei Sensoren angeordnet, wobei einer von diesen den Druckwert des Vakuums und ein zweiter die Ölmenge in dem Getriebegehäuse überwacht. Bei Abweichung von einem vorgegebenen Druckbereich aktiviert der erste Sensor dabei geeignete Sicherheitseinrichtungen, wobei der zweite Sensor (Ölmengenerfassung) zusätzlich zu denjenigen Sicherheitseinrichtungen, die der erste Sensor (Vakuumüberwachung) schon aktiviert hat, weitere Sicherheitseinrichtungen (Ölablauf über zusätzliche Wege) in Gang setzt. Nach dem Grundgedanken der patentgemäßen Lehre sind demnach zwei voneinander unabhängig wirkende und auf unterschiedliche Parameter (Vakuumwert bzw. Ölstand) gerichtete Sensoren vorgesehen, die ihrerseits ihnen jeweils zugeordnete verschiedene Sicherheitseinrichtungen bzw. Sicherheitsvorrichtungen aktivieren.
3. Das zweifellos gewerblich anwendbare Zahnradgetriebe nach Patentanspruch 1 hat als neu zu gelten, da keine der zum Stand der Technik in Betracht gezogenen Druckschriften bzw. Unterlagen zu behaupteten Benutzungshandlungen ein derartiges Getriebe vollständig vorbeschreibt.
Vom Stand der Technik nach dem Artikel "High Efficiency Turbogears for Gas Turbines" (Lösch-Schloms u. Mathis) sowie der Betriebsanleitung bezügl. des Getriebetyps GD - 72,5 HET der Firma MAAG Gear AG, welche beide prinzipiell ein und dieselbe, lediglich auf die Aktivierung von Sicherheitseinrichtungen durch eine Ölstandsüberwachung aufgebaute Getriebebauart beschreiben, unterscheidet sich der Patentgegenstand nach Anspruch 1 durch seinen zusätzlichen, auf den Druck des Teilvakuums gerichteten Sensor, welcher seinerseits bei Abweichung des Teilvakuums gegenüber einem vorgegebenen Druckventil eigene Sicherheitseinrichtungen aktiviert.
Ähnlich ist dies auch bei den Gegenständen der weiteren, in der mündlichen Verhandlung nicht mehr erörterten Firmendruckschriften und Unterlagen der Firma MAAG Getriebe AG nach dem "Systemtechnischen Konzeptentwurf eines MAAG-HET-Getriebes (High Efficiency Turbo-Gear)", der Werkszeichnung "GD - 72,5 HET, Systemplan" (Nr. 722 7500 10) sowie den Unterlagen zu einer behaupteten Benutzungshandlung gemäß einem Angebot der Firma A... an die B... -AG in C...
Prinzipiell ähnliche Getriebe der Firma MAAG Gear AG werden auch durch die im Verfahren befindlichen patentamtlichen Druckschriften WO 96/15392 und EP 0 739 463 B1 offenbart, wobei dort keinerlei Sicherheitseinrichtungen beschrieben sind, welche durch geeignete Sensoren aktiviert werden können. Das Getriebe nach der EP 0 411 294 B1 läuft - anders als das patentgemäße Getriebe - in einer unter leichtem Überdruck gehaltenen Heliumatmosphäre, welche von einem Druckwächter kontrolliert wird.
Bei den Getrieben nach der US 3 489 034 und dem DE 295 17 964 U1 sind keinerlei Sicherheitseinrichtungen beschrieben, welche durch geeignete Sensoren aktiviert werden. Vielmehr ist bei dem Getriebe nach der US 3 489 034 - diese Druckschrift wurde von den Einsprechenden in der mündlichen Verhandlung ausführlich erörtert - an dem evakuierbaren Gehäuse (6) lediglich ein Manometer (30) zur Anzeige des erreichten oder bestehenden Unterdrucks vorgesehen. Eine Aktivierung von Sicherheitseinrichtungen geht von dieser Messeinrichtung jedoch nicht aus. Eine Ölstandsüberwachung liegt ebenfalls nicht vor, so dass sich der Patentgegenstand nach Anspruch 1 von diesem Stand der Technik in allen die Aktivierung von Sicherheitseinrichtungen betreffenden Merkmalen unterscheidet.
Aus den Auszügen aus den Fachbüchern "Specification for High Speed Helical Gear Units" bzw. "Packaged, Integrally Geared Centrifugal Air Compressors for Petroleum, Chemical and Gas Industry Services" sind lediglich allgemeine Hinweise auf die Notwendigkeit eines Öldruck- und Temperatur-Monitorrings bei Hochgeschwindigkeitsgetrieben ersichtlich. Auch der Inhalt der Auszüge aus dem Kraftfahrtechnischen Taschenbuch liegt vom Patentgegenstand nach Anspruch 1 weiter ab und lässt keine gemeinsame Merkmale mit diesem erkennen.
4. Das Zahnradgetriebe mit den Merkmalen des erteilten Patentanspruchs 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Der von den Einsprechenden im Rahmen der mündlichen Verhandlung in den Vordergrund gestellte Vortrag von Lösch-Schloms und Mathis welcher auf dem CIMAC Kongress (Mai 1998) abgehalten wurde (im Tagungsheft veröffentlicht) bildet auch nach Auffassung des Senats den nächstkommenden Stand der Technik. Dieser Artikel "High Efficiency Turbo-Gears for Gas Turbines", zeigt in Fig. 3 ein Zahnradgetriebe im Teilvakuum mit allen baulichen Merkmalen, wie sie auch im Anspruch 1 des Streitpatents niedergelegt sind, lediglich ohne einen Sensor zur Überwachung des Teilvakuums und demzufolge zur Aktivierung entsprechender Sicherheitseinrichtungen. Nur ein Ölstandssensor setzt Sicherheits- und Notprogramme in Gang und zwar derart, dass in einer ersten Stufe das Getriebe auf konventionellen Betrieb umgestellt wird (S. 539, li. Sp. letzter Abs.) und in einer zweiten Stufe die Rotorgeschwindigkeit vermindert wird (re. Sp., 1. Abs.). Dann wird noch das Getriebe-Innengehäuse mit Stickstoff geflutet (bei Vakuumabbruch) und das Öl (welches zu hoch ansteigen würde beim Abschalten der Vakuumpumpe, die hier normalerweise auch Öl und Öldunst mit austrägt) über weitere Wege abgeführt (S. 539, re. Sp., 3. und 4. Abs.).
Demzufolge besteht beim Patentgegenstand der wesentliche Unterschied zu dem hier abgehandelten Stand der Technik in der Erfassung eines zweiten Parameters, nämlich das Vakuum-Druckwertes mittels eines gesonderten Sensors und der Auslösung von Sicherheitseinrichtungen bei Abweichung des Teilvakuums gegenüber einem vorgegebenem Druckbereich.
Die Einsprechenden sind der Auffassung, dass durch den angezogenen Artikel, wo mehrfach der Ausdruck "vacuum control system" (S. 536, re. Sp., vorl. Abs.) bzw. "vacuum level" (S. 542, re. Sp., 1. Abs. unter "Conclusion") sowie die Überschrift "Vacuum Control Logic" (S. 539, li. Sp.) oder der Hinweis auf die Erhaltung des Vakuums im Innengehäuse (S. 540, li. Sp., 3. Abs.) erscheint, einem Fachmann bereits ein entsprechendes sensorgestütztes Überwachungssystem des Vakuums im Getriebe mit entsprechender Aktivierung von Sicherheitssystemen vor Augen geführt werde. Sie ziehen hierzu noch die im Prinzip den selben Getriebetyp betreffende Betriebsanleitung der Firma MAAG Gear AG heran, wo in Kapitel 3.1 (Aufbau und Funktionsbeschreibung) unter Punkt 3.2.6 eine Öl-Niveau Überwachung und unter Punkt 3.2.11 ein Messumformer für Druck angegeben ist. Insbesondere der unter Punkt 3.2.11 angegebene Text "Die Messumformer dienen zur Systemsteuerung und Überwachung des Vakuums im Vakuumraum" weise nach Ansicht der Einsprechenden bereits auf die Existenz einer von der Vakuumüberwachung abgeleiteten Sicherheitsmaßnahme wie beim Streitpatent hin.
Dieser Einschätzung vermag der Senat nicht zu folgen, denn sowohl in dem Artikel von Lösch-Schloms und Mathis als auch in der Betriebsanleitung der Firma MAAG Gear AG, welche insoweit ein und denselben Getriebeaufbau betreffen, werden lediglich ausgehend von der Überwachung des Ölstandes Sicherheitseinrichtungen und -maßnahmen im Bedarfsfall aktiviert. Dies ergibt sich in dem Artikel von Lösch-Schloms und Mathis z. B. aus S. 539, li. Sp., 2. Abs. unter "Vacuum Control Logic", wo es ab Z. 3 dieses Absatzes heißt: "The oillevel is controlled by a retundant oil level detection (3). This control unit initiates a switch over from vacuum to conventional mode if a defined level is reached". Nur der Ölstand ist demnach ausschlaggebend für die Entscheidung, ob das Getriebe weiterhin unter Vakuum oder (bei dessen Anstieg) fortan auf andere Weise konventionell weiter gefahren werden soll, d. h. entsprechende Sicherheitsmaßnahmen und -einrichtungen aktiviert werden sollen. Ein derartiges Vorgehen bei einer Abweichung des Vakuumwertes ist in dem Artikel nicht beschrieben.
Hierzu kann auch die MAAG Gear AG-Betriebsanleitung keine Hinweise geben, denn auch dort werden Sicherheitseinrichtungen lediglich in Abhängigkeit vom Öl-Niveau aktiviert (vgl. Seite 4, 6. Abs.), welche hier aus Befehlen zur Absaugpumpen-Umschaltung, Einleitung des Vakuum-Brech-Vorgangs sowie Generierung des GT-Schnellschlusses bestehen. Eine Aktivierung anderer und weiterer Sicherheitseinrichtungen o. ä. in Abhängigkeit von der Überwachung des Vakuums im Getriebe wird hier ebenfalls nicht beschrieben. Auch der Satz auf Seite 8 unter Punkt 3.2.11 der Betriebsanleitung mit dem Wortlaut: "Die Messumformer dienen zur Systemsteuerung und Überwachung des Vakuums im Vakuumraum" kann daher nach Auffassung des Senats nicht auf die Aktivierung von Sicherheitseinrichtungen gelesen werden. Vielmehr bezieht sich diese Angabe lediglich auf die Steuerung bzw. Regelung der Vakuumpumpe (n) im Hinblick auf den Aufbau bzw. den dann folgenden Erhalt des gewünschten Vakuum-Wertes und ggf. dessen Korrektur während des Vakuum-Betriebes (vgl. Systemsteuerung, Überwachung des Vakuums).
Die Lehre der bisher abgehandelten Entgegenhaltungen richtet sich daher lediglich auf die Überwachung des Ölstands im Getriebe mittels Sensoren und der Einleitung von Notmaßnahmen (Aktivierung von Sicherheitseinrichtungen) bei Anstieg des Ölstandes über einen bestimmten Schwellenwert, wobei die Bestimmung des Ölstandes als alleinige und ausreichende Entscheidungsgrundlage für die Aktivierung entsprechender Sicherheitseinrichtungen dargestellt ist.
Nach alledem vermag das durch den Artikel von Lösch-Schloms und Mathis sowie die Betriebsanleitung beschriebene Getriebe der Firma MAAG Gear AG einem Fachmann, einem Fachhochschulingenieur der Fachrichtung "Allgemeiner Maschinenbau" mit mehrjähriger Erfahrung in der Konstruktion schnelllaufender Spezialgetriebe, keinerlei Anregungen dahingehend zu vermitteln, den Vakuum-Druckwert als Parameter zur Auslösung von Sicherheitseinrichtungen im Getriebe heranzuziehen.
Hierzu vermag auch der Gegenstand nach der US 3 489 034 keinerlei Anregungen zu vermitteln, denn dort sind aktivierbare Sicherheitseinrichtungen, die bei Abweichung bestimmter Parameter betätigt werden, nicht offenbart. Am Getriebegehäuse (6), welches über eine Vakuumpumpe (24) evakuiert wird, ist lediglich ein Manometer (30) zur Anzeige des erreichten bzw. bestehenden Unterdrucks angebracht, ohne dass hierdurch Sicherheitseinrichtungen in Gang gesetzt werden würden.
Daher gibt auch die mögliche manuelle Umschaltbarkeit des Getriebes gemäß dem Artikel von Lösch-Schloms und Mathis vom Hochgeschwindigkeitsbetrieb im Vakuum auf den konventionellen Modus (S. 539, re. Sp., 4. Abs.) nach Auffassung des Senats keinen Anlass, die Anlage noch mit einem Manometer zur Vakuumüberwachung des Getriebeinnenraumes nach dem Vorbild der US 3 489 034 auszustatten. Ferner stellt auch dieser manuelle Schaltmodus wiederum auf einen unerwarteten Ölanstieg im Innenraum des Getriebes ab (vgl. S. 539, re. Sp., 4. Abs.) und berücksichtigt nicht die mögliche Veränderung des Vakuumwertes innerhalb des Getriebes.
Auf das übrige entgegengehaltene Material ist im Rahmen der mündlichen Verhandlung nicht mehr eingegangen worden.
Die zu den behaupteten Benutzungshandlungen im schriftlichen Verfahren noch vorgelegten Firmenunterlagen betreffen ebenfalls ein derartiges Getriebe der Firma MAAG Gear AG (Werkszeichnung, Firmenveröffentlichung "Systemtechnischer Konzeptentwurf eines MAAG-HET-Getriebes ..."), wie es bereits aus dem Artikel von Lösch-Schloms und Mathis bzw. der Betriebsanleitung ersichtlich ist. Nachdem diese Unterlagen den Offenbarungsgehalt der vorher abgehandelten Entgegenhaltungen zumindest nicht übersteigen, vermögen auch diese einem Fachmann den Patentgegenstand nicht nahe zu legen. Den Umständen der behaupteten Benutzungshandlungen brauchte daher nicht mehr weiter nachgegangen zu werden.
Der übrige im Verfahren befindliche druckschriftliche Stand der Technik liegt - wie bereits aus dem Neuheitsvergleich ersichtlich - weiter ab und vermag den Patengegenstand ebenfalls nicht nahe zu legen. Die Patentdokumente WO 96/15392, EP 0 739 463 B1 und EP 0 411 294 B4 betreffen alle mehr oder weniger Teilaspekte eines Getriebes, welches bereits in dem vorher abgehandelten Artikel von Lösch-Schloms und Mathis beschrieben ist (HET-Getriebe). Während eine Druck- und Ölstandsüberwachung nicht Gegenstand der Offenbarung bei der WO 96/15392 und der EP 0 739 463 B1 ist, hat die Getriebevariante nach der EP 0 411 294 B1 lediglich einen Druckwächter zur Überdrucküberwachung für den Fall, dass das Getriebe anstatt in einer Unterdruckumgebung in einer Leichtgasatmosphäre (Helium) im leichten Überdruck betrieben wird. Aktivierbare Sicherheitseinrichtungen z. B. bei Vakuum- oder Ölstandsveränderungen sind auch hier nicht offenbart.
Auch das Getriebe nach der DE 295 17 964 U1 - diese Druckschrift offenbart den im Streitpatent beschriebenen und in dessen Fig. 1 dargestellten Stand der Technik - weist keinerlei Sicherheitseinrichtungen auf, welche durch Vakuum- und Ölstandssensoren aktiviert werden könnten.
Weder der Auszug aus dem "Kraftfahrtechnischen Taschenbuch" von Bosch (dort wird lediglich ein automatisches Fahrzeuggetriebe beschrieben) noch die lehrbuchartigen Auszüge aus "Specification for High Speed Helical Gear Units" bzw. "Packaged, Integrally Geared Centrifugal Air Compressors for Petroleum, Chemical, and Gas Industry Services (dort wird lediglich auf die Notwendigkeit der Öldruck- und Temperaturüberwachung in Hochgeschwindigkeitsgetrieben hingewiesen) lassen weitergehende Gemeinsamkeiten mit dem Patentgegenstand erkennen.
So wird im gesamten entgegengehaltenen Stand der Technik - so dieser auslösbare Sicherheitseinrichtungen zum Gegenstand hat - nur der Ölstand als Entscheidungsgrundlage für die Aktivierung von Sicherheitseinrichtungen herangezogen. Es bedurfte daher einer erfinderischen Tätigkeit, den Druck des Teilvakuums einmal überhaupt als Entscheidungsgrundlage zur Aktivierung von Sicherheitseinrichtungen zu verwenden und dies zum anderen als zusätzlichen Parameter zur Aktivierung anderer Sicherheitseinrichtungen als derjenigen, die durch den Parameter Ölstand aktiviert werden, heranzuziehen. Derartiges technisches Handeln übersteigt daher allgemeine fachübliche Überlegungen eines Durchschnittsfachmannes.
Nach alledem ist das Zahnradgetriebe nach Patentanspruch 1 patentfähig und dieser Anspruch somit bestandsfähig.
Mit diesem zusammen haben auch die Unteransprüche 2 bis 8, die auf vorteilhafte Ausgestaltungen eines Zahnradgetriebes nach Anspruch 1 gerichtet sind, Bestand.
BPatG:
Beschluss v. 09.05.2006
Az: 8 W (pat) 20/02
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/6f36f539d2f3/BPatG_Beschluss_vom_9-Mai-2006_Az_8-W-pat-20-02