Bundespatentgericht:
Beschluss vom 13. September 2007
Aktenzeichen: 5 W (pat) 12/06

(BPatG: Beschluss v. 13.09.2007, Az.: 5 W (pat) 12/06)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Beschwerdeführerin hat am 7. April 2005 beim Deutschen Patent- und Markenamt die Eintragung eines Gebrauchsmusters mit der Bezeichnung "Kalibrierkörper" beantragt und dabei die Priorität der deutschen Patentanmeldung 100 03 176.5 des D... in B..., vom 25. Januar 2000 in Anspruch genommen. Mit Bescheid vom 10. Oktober 2005 hat die Gebrauchsmusterstelle des Deutschen Patent und Markenamts der Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass die Inanspruchnahme einer inländischen Priorität voraussetze, dass der Anmelder früher schon im Inland eine Anmeldung für dieselbe Erfindung getätigt habe und nun in den früheren Anmeldetag als Priorität beanspruche. Ein solches Verfahren seien nur bis zum Ablauf eines Jahres nach dem Anmeldetag der früheren Anmeldung möglich. Da ein solcher Fall hier nicht vorliege, werde die Prioritätserklärung als gegenstandslos betrachtet. Mit Schriftsatz vom 10. November 2005 ist die Beschwerdeführerin dem mit der Begründung entgegengetreten, dass vorliegend eine Entnahmepriorität aufgrund eines Vindikationsfalls beansprucht werde und um einen beschwerdefähigen Beschluss gebeten.

Das Gebrauchsmuster ist - ohne Prioritätsvermerk - am 1. Dezember 2005 unter der Nummer 20 2005 005 574.3 eingetragen worden.

Mit Beschluss der Gebrauchsmusterstelle vom 2. Dezember 2005 wurde "der Antrag auf nachträgliche Registereintragung einer Entnahmepriorität" zurückgewiesen, da das deutsche Gebrauchsmusterrecht das Rechtsinstitut der Entnahmepriorität nicht kenne.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde, mit der die Beschwerdeführerin weiterhin die Anerkennung der Entnahmepriorität beansprucht. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, dass im Falle einer Abzweigung das für eine Patentanmeldung beanspruchte Prioritätsrecht erhalten bleibe, also auch eine Entnahmepriorität. Es könne nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprechen, dem Anmelder eines Gebrauchsmusters die Entnahmepriorität nur über den umständlichen Weg einer Patentanmeldung unter Inanspruchnahme der Entnahmepriorität und anschließender Abzweigung zu gewähren. In § 7 Abs. 2 PatG sei nicht davon die Rede, dass der erfolgreich wegen Vindikation Einsprechende die Erfindung ausschließlich zum Patent anmelden dürfe. Auch sei § 7 Abs. 2 PatG im Zusammenhang mit der PVÜ zu lesen, wo in Art. 4 E Abs. 2 explizit die Inanspruchnahme eines auf die Hinterlegung einer Patentanmeldung gegründeten Prioritätsrechts bei Hinterlegung eines Gebrauchsmusters geregelt sei.

Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß, den Beschluss der Gebrauchsmusterstelle vom 2. Dezember 2005 aufzuheben und das Register dahingehend zu berichtigen, dass im Register die Entnahmepriorität 25.01.00, Az. 100 03 176.5 eingetragen wird.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Der Beschwerdeführerin steht für das Gebrauchsmuster kein Prioritätsrecht zu, das sich unmittelbar aus einem erfolgreich auf widerrechtliche Entnahme gestützten Einspruch herleiten lässt. Die Regelung des § 7 Abs. 2 PatG ist im Gebrauchsmusterrecht nicht anwendbar. Eine die Entnahmepriorität erhaltende Abzweigung nach § 5 GebrMG liegt nicht vor. Denn unabhängig von der Frage der Inländerbegünstigung der PVÜ fehlt es vorliegend an einer Hinterlegung einer Patentanmeldung i. S. v. Art. 4 E Abs. 2 PVÜ durch die Gebrauchsmusteranmelderin.

1. Die Beschwerde richtet sich gegen den Beschluss der Gebrauchsmusterstelle des Deutschen Patent- und Markenamts, mit dem "der Antrag auf nachträgliche Registereintragung einer Entnahmepriorität" zurückgewiesen worden ist. Einen solchen Antrag hat die Anmelderin zwar nicht gestellt, sondern vielmehr mit ihrem Antrag auf Eintragung des Gebrauchsmusters die Priorität der deutschen Patentanmeldung 100 03 176.5 unmittelbar in Anspruch genommen.

Nachdem das Gebrauchsmuster trotz der noch offenen Prioritätsfrage eingetragen worden ist, hat die Gebrauchsmusterstelle den Antrag der Beschwerdeführerin zu Recht im Sinne eines "Antrags auf nachträgliche Registereintragung einer Entnahmepriorität" ausgelegt.

Es kann offen bleiben, ob der Bescheid vom 10. Oktober 2005 eine endgültige Regelung hinsichtlich der Prioritätsgewährung im Sinne eines anfechtbaren Zwischenbescheids war (vgl. Bühring, GbmG, 7. Aufl. Rn. 53 zu § 6). Hierfür spricht jedenfalls die Mitteilung, die Erklärung als gegenstandslos anzusehen. Danach hätte der Ausgang der hiergegen gerichtete Beschwerde vom 10. November 2005 abgewartet und danach gegebenenfalls der Antrag auf Eintragung zurückgewiesen werden müssen (vgl. Bühring a. a. O.). Der weitere Verfahrensverlauf hat aber zur Eintragung geführt, was einerseits mangels einer entsprechenden Vorschrift und andererseits wegen des Verbots der reformatio in peius nicht mehr rückgängig gemacht werden kann.

Dem Begehren der Beschwerdeführerin könnte demgegenüber durch eine Berichtigung des Registers entsprochen werden. Entsprechend ist ihr Antrag dahingehend auszulegen, dass sie dies im Wege der Beschwerde beantragt.

2. Die Beschwerde bleibt aber ohne Erfolg, weil die Beschwerdeführerin keinen Anspruch auf eine Registerberichtigung hat. Das Register ist nicht unrichtig, vielmehr wurde die Entnahmepriorität zu Recht nicht eingetragen.

Eine offensichtliche Unrichtigkeit liegt nicht vor. Vielmehr ist die Gebrauchsmusterstelle davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführerin eine Prioritätsrecht nicht zusteht, wie sich aus dem Bescheid vom 10. Oktober 2005 ergibt. Da dies auch der Rechtslage entspricht, ist für eine Berichtigung des Registers nach § 26 DPMAV vorliegend kein Raum. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin kann sie - unabhängig davon, dass die Voraussetzungen einer Inanspruchnahme der Entnahmepriorität und deren Umfang nicht dargetan sind (vgl. Benkard-Mellulis, PatG, 10. Aufl. Rn. 15b, 16, 17 zu § 7) - die Priorität mangels gesetzlicher Grundlage nicht in Anspruch nehmen.

Wie die §§ 40, 41 PatG, 6 GebrMG zeigen, setzt die Inanspruchnahme einer Priorität als notwendige Formalität stets eine vorangegangene Anmeldung des Anmelders oder seines Rechtsnachfolgers voraus, aus der sich das Prioritätsrecht ableitet. Nicht anders verhält es sich - unabhängig von der fehlenden Anwendbarkeit dieser Vorschrift - bei Art. 4 E Abs. 2 PVÜ. An einer solchen Anmeldung fehlt es hier. Insbesondere kann das mit dem Einspruch angegriffene Patent des Dritten nicht als entsprechende Anmeldung oder Hinterlegung angesehen werden. Die Vindikation führt nicht dazu, dass der Verletzte zum Rechtsnachfolger des Entnehmenden wird. § 7 Abs. 2 PatG enthält für die Entnahmepriorität eine Ausnahme vom Grundsatz der Personenidentität. Aber ein erfolgreicher Angriff aus § 21 Abs. 1 Nr. 3 PatG allein führt weder zur Übertragung des angegriffenen Patents noch des Prioritätsrechts. Vielmehr wird die Inanspruchnahme der Entnahmepriorität erst aufgrund einer eigenen Anmeldung des Einsprechenden möglich. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin bezieht sich § 7 Abs. 2 PatG dabei nicht auf jegliche Nachanmeldung der betreffenden Erfindung. Die im Patentgesetz enthaltene Vorschrift betrifft dem Wortlaut nach ausschließlich die Nachanmeldung eines Patents und die Möglichkeit des Erhalts von dessen Anmeldetag (vgl. auch § 21 Abs. 1 Nr. 4 2. Alternative PatG). Eine Verweisung auf eine alternative Gebrauchsmusteranmeldung mit einer dortigen Inanspruchnahme der Entnahmepriorität findet sich weder im Patentgesetz noch enthält das GebrMG eine entsprechende Regelung. Der Hinweis der Beschwerdeführerin, eine Verweisung auf § 7 Abs. 2 PatG in § 13 Abs. 3 GebrMG wäre sinnwidrig, weil das Gebrauchsmusterrecht kein Einspruchsverfahren kennt, greift nicht durch. Eine solche Verweisung würde sich nämlich auf ein patentrechtliches Einspruchsverfahren beziehen, das dann eine Gebrauchsmusternachanmeldung anstelle oder neben einer Patentanmeldung ermöglichen würde, für die die Entnahmepriorität in der Weise beansprucht werden könnte, wie sie mit der Beschwerde angestrebt wird. Eine solche Regelung hat der Gesetzgeber jedoch nicht vorgesehen. Dies erscheint angesichts der von der Beschwerdeführerin aufgezeigten Möglichkeit einer Abzweigung auch nicht erforderlich.

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Az: 5 W (pat) 12/06


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