Bundespatentgericht:
Beschluss vom 29. November 2005
Aktenzeichen: 24 W (pat) 212/03

(BPatG: Beschluss v. 29.11.2005, Az.: 24 W (pat) 212/03)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Wortmarke Com & Moreist für die Waren und Dienstleistungen

"Klasse 09: Elektrische und wissenschaftliche Instrumente, insbesondere Datenverarbeitungsgeräte und Computer; Computerprogramme (gespeichert), Computersoftware (gespeichert), Computerbetriebsprogramme (gespeichert);

Klasse 35: Werbung und Geschäftsführung; Öffentlichkeitsarbeit (Public Relations); Dienstleistungen einer Nachrichtenagentur; insbesondere Erstellung von Pressespiegeln, vorzugsweise in Digital- und in Printform; Werbung, insbesondere im Internet; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten; Werbeagentur (Dienstleistungen einer -), Werbeanzeigen (Verbreitung von -); Werbeflächen (Vermietung von -); Werbematerial (Aktualisierung von -); Werbematerial (Vermietung von -); Werbematerial (Verteilung von -) (Flugblätter, Prospekte, Drucksachen); Werbetexte (Herausgabe von -); Produktion von Werbespots, Werbefilmen und von Rundfunksendungen; Marketing und redaktionelle Beratung für Print- und elektronische Medien; Aquisition von Werbeaufträgen; Datenverwaltung mittels Computer; Daten (Systematisierung von -) in Computerdatenbanken; Unternehmensberatung; Organisationsberatung; Betriebswirtschaftliche Beratung; Erstellen und Unterhalten von Hotlines; Auskünfte (Erteilung von -) in Handels- und Geschäftsangelegenheiten; Beratung von Unternehmen und Privatpersonen, insbesondere im Rahmen der vorstehend genannten Dienstleistungen; Veranstaltung von Messen und/oder Seminaren zu gewerblichen oder Werbezwecken;

Klasse 38: Telekommunikation; Presseagenturen, Pressemeldungen (Sammeln und Liefern von -); Bildschirmtextdienst; Fernsprechdienste; Mobilfunktelefondienste; Nachrichten (Sammeln und Liefern von -); Nachrichten (Übermittlung von -); Nachrichten- und Bildübermittlung mittels Computer, insbesondere per Internet; Erstellung von digitalen Pressespiegeln;

Klasse 41: Erziehung, Ausbildung, Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten; Planung/Organisation und/oder Durchführung von Eventveranstaltungen, Eventmanagement, insbesondere im Internet; Veranstaltungsplanung und Veranstaltungsrealisierung, insbesondere konzeptionelle Veranstaltungsplanung; kalkulatorische Planung von Veranstaltungen, technische Planung und Umsetzung von Veranstaltungen, graphische Gestaltung von Veranstaltungen, multimediale Umsetzung von Veranstaltungen; Veranstaltung von Ausstellungen für kulturelle und Unterrichtszwecke; Messebau; Herausgabe von Texten (ausgenommen Werbetexte);

Klasse 42: Erstellung von Web-Sites und/oder Homepages zum Zwecke der Bewerbung von Waren und/oder Dienstleistungen in Netzwerken, insbesondere für das Internet; Computersoftware (aktualisieren von Computersoftware), Computersoftware (Design von Computersoftware), insbesondere hinsichtlich der Organisation und Planung von Veranstaltungen; Webdesign; Domainregistrierung; Medienagentur (Dienstleistungen einer -)"

zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden.

Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung mit Beschluss vom 16. April 2003 durch eine Beamtin des höheren Dienstes gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Die angemeldete Wortmarke setze sich aus der üblichen und allgemein bekannten Abkürzung für "communication" (= Kommunikation) und dem englischen Wort für "mehr" zusammen, die durch ein kaufmännisches &-Zeichen verbunden seien, und werde von den angesprochenen Verkehrskreisen ohne weiteres im Sinne von "Kommunikation und mehr" verstanden. In Verbindung mit den beanspruchten Dienstleistungen weise die angemeldete Marke darum lediglich in kurzer und einprägsamer Form auf deren Inhalt hin, nämlich darauf, dass diese auf Kommunikation und darüber hinausgehende Angebote gerichtet seien, die z. B. erforderlich seien, um eine auf Kommunikation gerichtete Unternehmensführung zu bewerkstelligen, deren Darstellung in der Presse zu erreichen oder einen attraktiven Internetauftritt zu erstellen. In Hinblick auf die Waren beschreibe der angemeldete Begriff deren Einsatzbereich und Verwendungszweck. Zwar besitze "Com" mehrere Bedeutungen, diese träten jedoch in Verbindung mit dem hier betroffenen Waren und Dienstleistungen gegenüber dem Begriffsinhalt "Kommunikation" zurück.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders. Er ist der Meinung, bei der angemeldeten, lexikalisch nicht nachweisbaren Wortfolge handele es sich nicht um einen deutlichen und unmissverständlichen beschreibenden Begriff. Die englischsprachige Bezeichnung "Com" besitze viele unterschiedliche Bedeutungen, was auch für das Wort "more" gelte. Damit werde die angemeldete Kennzeichnung in ihrer Gesamtheit nicht zwingend als werbeübliche beschreibende Angabe verstanden. Eine bestimmte Bedeutung dränge sich insbesondere hinsichtlich der Vielzahl und Unterschiedlichkeit der Waren und Dienstleistungen der Anmeldung nicht auf. Hinzu komme, dass "Com" nicht Bestandteil der deutschen Umgangssprache sei. Die angemeldete Marke rufe daher allenfalls vage Vorstellungen vom Zweck, Gegenstand oder Art der Waren und Dienstleistungen der Anmeldung hervor. Aus diesen Gründen unterliege die angemeldete Marke weder einem Freihaltungsbedürfnis noch fehle ihr die erforderliche Unterscheidungskraft, wobei zu beachten sei, dass hier an das Vorliegen der Unterscheidungskraft nur geringe Anforderungen zu stellen seien, weil ein Freihaltungsbedürfnis nicht vorliege. Das Bundespatentgericht und das HABM hätten vergleichbaren Zeichen den Schutz zuerkannt. Auch sei "More.com" für Dienstleistungen der Klassen 35 und 42 als Marke vom Deutschen Patent- und Markenamt eingetragen worden.

Der Anmelder beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluss aufzuheben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten sowie die Rechercheergebnisse des Senats, die dem Anmelder übersandt worden sind, Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Nach Auffassung des Senats fehlt der angemeldeten Marke für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen jedenfalls die gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erforderliche Unterscheidungskraft.

Unterscheidungskraft im Sinn der genannten Bestimmung ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, die Waren bzw. Dienstleistungen, für welche die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Waren oder Dienstleistungen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. u. a. EuGH GRUR 2002, 804, 806 - Nr. 35 - "Philips"; GRUR 2003, 514, 517 - Nr. 40 - "Linde u. a."; GRUR 2004, 428, 431 - Nr. 48 - "Henkel"; GRUR 2004, 1027, 1029 - Nr. 33, 42 - "DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT"). Keine Unterscheidungskraft besitzen nach der Rechtsprechung vor allem solche Marken, denen die angesprochenen Verkehrskreise für die fraglichen Waren lediglich einen im Vordergrund stehenden sachbezogenen Begriffsinhalt zuordnen (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 674, 678 - Nr. 86 - "Postkantoor"; BGH GRUR 2001, 1151, 1152 "marktfrisch"; BGH GRUR 2001, 1153, 1154 "anti KALK"; BGH GRUR 2004, 778, 779 "URLAUB DIREKT"). Dies ist hier der Fall.

Wie die Markenstelle zutreffend festgestellt hat, setzt sich die angemeldete Marke aus den Bestandteilen "Com", einem &-Zeichen und dem englischen Wort "more" zusammen. "Com" ist als Abkürzung für "communication" (= Kommunikation) auch in Deutschland gängig (vgl. u. a. Duden, Wörterbuch der Abkürzungen, 3. Aufl., 1987; Freyer, Elektronik-Abkürzungen von A bis Z) und wird von breiten Verkehrskreisen, die sich mit elektronischen Geräten, Computer, Internet etc. und den damit zusammenhängenden Dienstleistungen beschäftigen, ohne weiteres verstanden. Trotz verschiedener Interpretationsmöglichkeiten von "Com" drängt sich die Bedeutung "Kommunikation" (communications) in Verbindung mit den hier streitgegenständlichen Waren und Dienstleistungen auf, da diese sämtlich dem Kommunikationsbereich oder jedenfalls dessen Umkreis zuzurechnen sind. Der Verkehr sieht in "Com" darum lediglich einen Hinweis auf die Beschaffenheit, den Verwendungszweck oder den Gegenstand der Waren und Dienstleistungen des Anmelders (vgl. BPatG 29 W (pat) 122/99 "ART + COM"; BPatG 29 W (pat) 354/99 "ComPoint"; BPatG 29 W (pat) 353/99 "ComStation"; BPatG 30 W (pat) 3/98 "ComTransaktions"). Die Ergänzung solcher sachbezogener Angaben mit "& More" ist allgemein üblich, um deutlich zu machen, dass das Angebot auch Waren und/oder Dienstleistungen im Umfeld des Kernbereichs der Tätigkeit des betreffenden Betriebs umfaßt (vgl. etwa BPatG 33 W (pat) 16/02 "BANKING & MORE; BPatG 29 W (pat) 248/99 "Design & more."; BPatG 29 W (pat) 13/01 "OIL & MORE"; BPatG 27 W (pat) 221/00 "SOCKS & MORE"; BPatG 29 W (pat) 227/01 "Minutes & More").

Die Marke in ihrer Gesamtheit weist daher für die angesprochenen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen (deutschen) Durchschnittsverbraucher in Zusammenhang mit den verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen lediglich schlagwortartig auf ein breites Sortiment hin, dessen Kernbereich Kommunikationsgeräte und Kommunikation betreffende Dienstleistungen darstellt, das aber auch weitere Waren und Dienstleistungen beinhaltet.

Hiergegen kann der Anmelder nicht einwenden, der angemeldete Begriff weise eine gewisse begriffliche Unschärfe und Interpretationsbedürftigkeit auf und eigne sich deshalb als betrieblicher Herkunftshinweis. Die Werbung und die Umgangssprache bedienen sich häufig entsprechender Sachhinweise, die zwar Waren und Dienstleistungen nicht mit größter sprachlicher Exaktheit beschreiben, aber doch erkennbar bloße Anpreisungen und keine Hinweise auf die Herkunft der Waren bzw. Dienstleistungen aus einem bestimmten Geschäftsbetrieb darstellen. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass weitgefasste Begriffe wie Sammelbezeichnungen zwangsläufig entsprechend allgemein sein müssen, um die unterschiedlichen einzelnen Waren und Dienstleistungen bzw. Themen des betreffenden Bereichs erfassen zu können. Gerade solche umfassenden Begriffe eignen sich als übergreifende werbliche Sachangaben für die Angebote eines breiten Waren- und Dienstleistungsbereichs (vgl. dazu BGH GRUR 2000, 882, 883 "Bücher für eine bessere Welt"; BGH a. a. O., 1152 "marktfrisch"; BGH GRUR 2003, 1050 "Cityservice"; BGH a. a. O. 779 "URLAUB DIREKT"). Auch kann nach neuerer Rechtsprechung das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG bereits dann gegeben sein, wenn die angesprochenen Verkehrskreise dem Zeichen von mehreren in Betracht kommenden Bedeutungen eine (eindeutige) Aussage mit sachbezogenem Charakter entnehmen (BGH GRUR 2005, 257, 258 "Bürogebäude").

Die Frage, ob der Eintragung der angemeldeten Marke auch ein Freihaltungsbedürfnis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegensteht, ist für die Beurteilung der Unterscheidungskraft entgegen der Meinung des Anmelders unerheblich, denn es handelt sich um zwei voneinander unabhängige Schutzversagungsgründe, die jeweils gesondert zu prüfen sind (vgl. z. B. EuGH GRUR 1999, 723, 727 - Nr. 48 ff., 54 - "Chiemsee"; EuGH a. a. O. 514 - Nr. 67 - "Linde"; EuGH a. a. O. - Nr. 67 - "Postkantoor"). Allerdings sind nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sämtliche absoluten Schutzhindernisse - also auch die Unterscheidungskraft - im Lichte des ihnen jeweils zugrunde liegenden Allgemeininteresses auszulegen (vgl. z. B. EuGH GRUR 2003, 604, 607 f. - Nr. 44 - 60 "Libertel"; GRUR Int. 2004, 631, 634 - Nr. 44 - 48 - "Dreidimensionale Tablettenform I"; EuGH GRUR 2004, 943, 944 - Nr. 25 - "SAT.2"). Nur soweit ein Zeichen zur Erfüllung der Herkunftsfunktion geeignet ist, besteht eine Rechtfertigung dafür, die allgemeine Wettbewerbsfreiheit dadurch einzuschränken, dass die betreffende Angabe der ungehinderten Verwendung vorenthalten und zugunsten eines einzelnen monopolisiert wird (vgl. EuGH a. a. O. "Dreidimensionale Tablettenform I"; Hacker, GRUR 2001, 630, 632 ff.; vgl. dazu auch BPatG GRUR 2004, 333, 334 "ZEIG DER WELT DEIN SCHÖNSTES LÄCHELN"). Im vorliegenden Fall bestätigen diese Erwägungen die Annahme fehlender Unterscheidungskraft, weil - wie oben ausgeführt - sehr deutliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Monopolisierung der Marke "Com & More" in Bezug auf die hier beanspruchten Waren und Dienstleistungen wesentliche Interessen der Allgemeinheit an der ungehinderten sachbezogenen Verwendung dieser Angabe beeinträchtigen könnte.

Der Anmelder kann sich zur Ausräumung des Schutzhindernisses fehlender Unterscheidungskraft auch nicht auf eine seiner Meinung nach abweichende Eintragungspraxis und Rechtsprechung berufen. Abgesehen davon, dass die vom Anmelder genannten Marken völlig anders aufgebaut sind und andere Waren-/Dienstleistungssektoren betreffen als die hier angemeldete Wortfolge, erwächst selbst aus inländischen Voreintragungen ähnlicher oder übereinstimmender Marken unter dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgebots (Art. 3 GG) grundsätzlich kein Eintragungsanspruch für spätere Markenanmeldungen, da es sich bei der Entscheidung über die Eintragbarkeit einer Marke nicht um eine Ermessens-, sondern um eine gebundene Entscheidung handelt, die jeweils einer auf den Einzelfall bezogenen Prüfung unterliegt (vgl. BGH GRUR 1997, 527, 528 "Autofelge"; BlPMZ 1998, 248, 249 "Today"; vgl. dazu auch EuGH GRUR 2004, 428, 431 f. - Nr. 60 ff. "Henkel"). Noch weniger erheblich sind ausländische Voreintragungen, die die maßgebliche Anschauung der deutschen Verkehrskreise nicht berücksichtigen können (vgl. EuGH a. a. O. - Nr. 61 ff. "Henkel").

Ströbele Kirschneck Guth Bb/Pü






BPatG:
Beschluss v. 29.11.2005
Az: 24 W (pat) 212/03


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